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Sichtung ihres Inhalts vorzunehmen >.< Sie arbeiten bloss mit Hypothesen. Alle ihre Versuche, einen historischen Kern aus den Evangelien herauszuschälen, beruhen nur auf Vermutungen. Vor allem ihre Erklärung der Entstehung des Christentums bloss aus dem geschichtlichen Jesus ist, trotz der Sicherheit und Selbstverständlichkeit, womit sie auftritt, eine reine Hypothese, noch dazu von sehr zweifelhafter Güte. Denn dass in Wahrheit der < alles überwältigende Eindruck der Person Jesu, und was damit zusammenhängt, wie die Visionen und Halluzinationen der ekstatisch erregten Jünger, die neue Religion ins Leben gerufen haben sollten, ist so unwahrscheinlich, und diese ganze Ansicht ist psychologisch so anfechtbar und noch dazu geschunacklos, dass selbst ein liberaler Theologe, wie Gunkel, sie für durchaus unzulänglich erklärt ». « Das Christentum der liberalen Pastoren ist in jeder Hinsicht voll innerer Widersprüche, durch und durch unwahr u. s. w. », Drews, Christusmythe, IX ff.

Auch dieses Urteil ist hart, aber ebenso berechtigt, wie das gegnerische. Denn durch die überwältigende Macht der historischen Zeugnisse werden diese « liberalen Theologen > einerseits gezwungen, die Geschichtlichkeit der Person Jesu zuzugeben; andererseits verwerfen sie alles in den Evangelien als ungeschichtlich, was diesen voraussetzungslosen Wissenschaftlern > nicht zu ihrem < sittlich-religiösen Kerne passt, obwohl für die historische Glaubwürdigkeit des Kernes nicht mehr und nicht weniger spricht, als für den Rest. Da fehlt es an der elementärsten Logik.

In der Beurteilung des Denkvermögens der Orthodoxen aller Schattierungen sind sich die beiden feindlichen Brüder natürlich vollkommen einig. Bei der Besprechung von Nötscher, « Altorientalischer und Alttestamentlicher Auferstehungsglaube schreibt Zimmern in der letzten Nummer seiner ZA (Zeitschrift für Assyriologie 37, 317) « Wie dies auch sonst vielfach gerade bei katholischen Theologen rühmlich anzuerkennen ist, zeigt sich der Verfasser mit der für seinen Gegenstand in Betracht kommenden Literatur aufs genaueste bekannt, und ebenso legt er, wie auch schon in seiner früheren Schrift« Das Angesicht Gottes schauen, eine vorsichtig abwägende, nach Objektivität strebende, gewisse Unbefangenheit des Urteils an den Tag, die ihm als katholischen Theologen alle Ehre macht. Freilich erklärt der letztere Umstand auch und dasselbe würde auch für die Arbeit eines orthodoxen protestantischen oder jüdischen Theologen über einen derartigen Gegenstand zutreffen warum es dem Verf. doch nicht gelingt, nicht gelingen kann, der letzten Probleme, um die es sich bei einer solchen Frage handelt, wirklich Herr zu werden: es fehlt da eben von vornherein in den genannten Kreisen an einem richtigen Verständnis für die im letzten Grunde vorliegenden religionsgeschichtlichen Probleme; ja diese Probleme bestehen für sie vielfach überhaupt nicht. So wird ein Forscher wie Nötscher und dasselbe gilt, wie ich bei dieser Gelegenheit bemerken möchte, auch von Dürr « Ursprung und Ausbau der isr.-jüd. Heilandserwartung > es z. B. auch nie fertig bringen, der Bedeutung, die der von mir als « Leiden und Triumph Bêl-Marduks an seinem Hauptfeste, dem Neujahrsfeste im Frühling » bezeichnete Text für die Frage nach dem Ursprung gewisser Züge innerhalb der Christologie beanspruchen kann, je ganz gerecht zu werden ».

Wenn sich die armen Orthodoxen all das Obige vor Augen halten, werden sie diesen Vorwurf, dass sie nicht im stande sind, die tiefsten Probleme » zu erfassen, nicht zu tragisch nehmen.

Von den orthodoxen Nichtfachmännern » kann aben Niemand verlangen, dass sie mit der ganzen in Betracht kommenden Literatur, die unsere modernen Religionsvergleichler aus dem Gebiete der Keilschriftforschung und verwandter Fächer heranziehen, bekannt sind. Darum sollen in dieser Zeitschrift Orientalia unter dem Untertitel: « Scriptura Sacra et Monumenta Orientis antiqui› gelegentlich Arbeiten gesammelt werden, die jedesmal über dahin gehörige Fragen die gesamte einschlägige Literatur vorlegen und es dadurch auch dem Nichtfachmann ermöglichen, sich ein objektives Urteil in der betr. Sache zu bilden.

Dazu gehört freilich eine gesunde Urteilskraft, ein von modernen Schlagwörtern unabhängiger Common sense». Aber die gewaltigen geschichtlichen Ereignisse der letzten 15 Jahre und unser ganzes politisch-soziales Leben drängen dazu, uns das klare Urteil auch in wissenschaftlichen Dingen zu bewahren, oder wenn wir es noch nicht haben, es uns zu verschaffen. Denn sie haben uns die Beziehungen zwischen den < Weltanschauungen und ihren politisch-sozialen Auswirkungen mit erschreckender Deutlichkeit blossgelegt. Der < reiche und der arme Ungläubige, das sind die beiden gefährlichsten Feinde des Weltfriedens. Beide streben mit allen Kräften danach, sich den Himmel auf Erden zu verschaffen. Darum wird der eine ein rücksichtsloser Fabrikant und Kaufmann, der andere ein blutroter Bolschewiki. Und wehe der Welt, wenn in einem grossen Volke die eine dieser beiden Richtungen die Oberhand gewinnt.

Unter diesen Umständen sieht jeder Gebildete ein, dass es heute kein unentschiedenes Hin- und Herschwanken mehr geben sollte, dass jeder als ganzer Mann an seinem Posten durch eine gesunde Weltanschanung und consequentes Leben danach an dem Wohl und Wehe seines Volkes mitarbeiten muss.

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Die Anhänger der « Christus-Mythe› müssen sich natürlich nach einem heidnischen altorientalischen Prototyp für Christus umsehen. Prof. Jensen fand diesen in Gilgameš, Zimmern in Marduk, dem Stadtgott von Babylon. Mit der Ansicht des Letzteren beschäftigt sich die gegenwärtige Arbeit des Herrn W. Paulus. Sie wurde begonnen hier im päpstlichen Bibelinstitut, fortgesetzt in Warschau unter Leitung des Prof. Bromski u. beendet in Berlin unter vielfacher Anregung u. Beihülfe von Prof. Ebeling. Paulus hat das gesamte Material, welches in der Keilschriftliteratur über Marduk sich findet, in einer Vollständigkeit gesammelt und vorgelegt, wie es bis jetzt noch nicht geschehen ist. Wohl die meisten seiner Leser werden den Eindruck bekommen, dass so viele Mühe zur Widerlegung der • Christus-Mythiker > gar nicht nötig gewesen wäre. Doch sind wir ihm zu grossem Danke verpflichtet, dass er so gründlich zu Werke gegangen ist. Wenn Marduk, der fast 2000 Jahre an der Spitze des babylonischen Pantheons gestanden hat, kein Prototyp Christi gewesen sein kann, kommt überhaupt keine Gestalt des altorientalischen Götterhimmels in Betracht.

Nach einer Seite hin wäre die Monographie Paulus, wie mir scheint, einer nützlichen Ergänzung fähig. Es wäre wichtig zu wissen, ob und in wieweit Marduk zur Zeit Christi wenigstens in Babylon überhaupt noch bekannt war, und wie die Evangelisten sich die eventuell noch vorhandenen Kenntnisse hätten verschaffen können. Das alles hätte uns Zimmern_sagen müssen; denn er stellt ja die ungeheuerliche Behauptung auf, dass die meisten Züge des Christusbildes unserer Evangelien auf Marduk zurückgehen. Von dieser Frage sieht Zimmern aber leider ab. Im Laufe der Zeit wird sich hoffentlich auch über diesen dunklen Teil der Geschichte Babylons, die zur Zeit Christi schon längst ihre Weltstellung eingebüsst und zu einer wenig bekannten Provinzialstadt herabgesunken war, etwas mehr Licht verbreiten.

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