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Kap. 11.

Anstalten zur Erhaltung des Gesetzes.

§. 1. Es musste dem Gesetzgeber vor Allem daran liegen, dass die Rechte und Bestimmungen, nach welchen das Gemeinwesen verwaltet werden, und in deren Sinne die höchsten Autoritäten wirken sollten, sich in den Volke erhielten, und es ist ihm dies um so mehr gelungen, als er einen besondern Stand vorzüglich der Erhaltung der Gesetzes - Kenntniss weihete, dieselbe aber auch nicht zu einer Geheimlehre, sondern ein in seinem ganzen Wesen klares Gesetz zum geistigen Eigenthume des ganzen Volkes machte und, ausser den Prestern und Leviten, in dem Richter- und Prophetenamte Elemente schuf, durch welche Gesetzes - Kenntniss in dem ganzen Volke sich immer weiter verbreiten musste. Aber auch in diesem grossen Kreise, verlässt sich der Gesetzgeber nicht auf Gedächtniss und factischen Brauch. Er übergiebt die Grundlage des Rechts nicht einer unsichern, mündlichen Tradition, durch welche allerdings wohl manche nähere Erläuterung auf die späteren Geschlechter gekommen seyn kann, sondern er gründet seine hierher gehörigen Anstalten ganz besonders auf die Kenntniss der Schreibekunst im Volke. Mag man nun auch Zweifel hegen, über die wirkliche Ausübung der Schreibekunst in jener Zeit, hieraus auf die spätere Abfassung der Mosaischen Gesetze, oder doch der betreffenden Bestimmungen schliessen wir haben bereits bemerkt, dass wir hier auf diese Fragen nicht eingehen können; wir betrachten das Mosaische Gesetzbuch, welches auch seine Abfassungszeit sey, als ein Ganzes, und in dieser Beziehung kann es Keinem entgehen, dass, wie überhaupt die Voraussetzung der Schriftkunde, so auch die Idee eines geschriebenen Gesetzes sich überall andeutet. Es ist schon früher bemerkt worden, wie das wichtige Amt der Schoterim, und die denselben übertragene Führung der Listen, auf Schreibekunst beruhete, s. K. 5. Zu dem feierlichen Schmucke des Hohenpriesters gehörten auch die Namen der Stämme, die er, gleichsam heiligend, an seiner Brust trug, 2 Mos. 28, 29., so wie er selbst, durch Schrift an dem goldenen Schmucke seiner Kopfbedeckung, als „,heilig dem Ewigen" bezeichnet war, 2 Mos. 28, 36. Das höchste Gut aber des Heiligthumes waren die Gesetzestafeln, welche als Zeugniss, 2 Mos. 25, 16., in die goldne Lade niedergelegt wurden. Diese geschriebenen Tafeln der feierlich am Sinai verkündigten Offenbarung, brachte Moses, nach einer

vierzigtägigen Abwesenheit, mit, indem er von dem heiligen Berge herunter kam. Die Schrift war auf den Tafeln eingegraben, 2 Mos. 32, 15. 16. Die Versündigung des Volkes, durch Anfertigung einer Apisstatue, deutet gleichfalls auf die längere Abwesenheit Mosis hin, deren Zweck das Mitbringen der geschriebenen Tafeln war. Auch zum zweiten Male, da Moses die ersten Tafeln zerbrochen, ebendas. V. 19., wird, 2 Mos. 34, 14., auf die Anfertigung neuer Tafeln, zum Behufe einer neuen Inschrift der Gesetzes - Worte, ein besonderer Nachdruck gelegt, vergl. 5 Mos. 5, 19.

Aber auch das vollständigere Gesetzbuch schreibt Moses auf. Er übergiebt es den Priestern, welche bei dem Fortbringen der Bundestade die Aufsicht haben, und allen Aeltesten Israels, 5 Mos. 31, 9. Dieses Gesetzbuch soll alle 7 Jahre vor ganz Israel verlesen werden. Alles was sich, ausser den wahrscheinlich das ganze Volk vertretenden (K, 52. §. 4.) Aeltesten, noch sonst, von Männern, Frauen, Kindern und Fremdlingen am Orte befindet, soll dabei versammelt werden, damit sie hören, lernen und Gott fürchten, und alle Worte dieses Gesetzes erfüllen mögen, und damit auch ihre Kinder, die es noch nicht wissen, es hören und lernen

mögen, V. 10-13. So soll also dieses geschriebene Gesetz, für dessen unverfälschte Erhaltung nicht bloss die Priester, sondern alle Aeltesten des Volkes verantwortlich gemacht werden, sich auch, durch öfteres Anhören, allen Ständen des Volkes fest einprägen 167), gleichwie es auch für wichtig gehalten wird, Jahr, Monat und Tag, sowie den Ort, anzugeben, da Moses anfing, dem Volke das Gesetz wiederholentlich, im Zusammenhange, mit Hindeutung auf die betreffenden, geschichtlichen Ereignisse, deutlich vorzutragen, 5 Mos. 1, 1–5.

Auch dieses Gesetzbuch soll zur Seite der Bundeslade, in welcher die steinernen Tafeln liegen, aufbewahrt werden, 31, 24-26, 168).

Namentlich soll der König, wenn das Volk einen solchen erwählen würde, eine Abschrift des Gesetzbuches von den Priestern

167) Vergl. K. 9. §. 5.

168) Die Anfertigung und Aufbewahrung eines geschriebenen Dokumentes, kommt namentlich auch 1 Sam. 10, 25. vor, wo Samuel die Institutionen des errichteten Königthums in ein Buch schreibt und am heiligen Orte aufbewahrt.

nehmen, dass es bei ihm sey, er stets in demselben lese und sich mit dem Inhalte bekannt mache, 5 Mos. 17, 18-20..

§. 2. Ausserdem soll das Gesetz genau und deutlich auf Steine geschrieben, diese Steine auf dem Berge Ebal aufgestellt, und mit Kalk überzogen werden, 5 Mos. 27, 2-4. 8. Wozu der Kalk-Ueberzug dienen mochte, ist nicht klar. Michaelis bemerkt mit Recht, dass die Schrift wohl nicht auf den Kalk-Ueberzug kommen sollte, wo sie sich nicht lange erhalten konnte. Er glaubt daher, die in die Steine gegrabene Inschrift wäre dann mit Kalk überzogen worden, um in späterer Zeit zum Vorscheine zu kommen, indem sie bis dahin vor den Einflüssen der Witterung und der Luft gesichert blieb. Indess auch Dieses scheint sehr zweifelhaft.

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Bei der Aufrichtung jener Steine soll daselbst auch ein Altar erbaut und ein öffentliches Fest gefeiert werden, ebendas. V. 5-7. In der That wird dies Alles durch Josua ausgeführt,,,so wie es in dem Buche der Lehre Mosis geschrieben ist." Er erbaute den Altar, auf dem Berge Ebal, errichtete daselbst die Steine, mit der Abschrift des von Moses geschriebenen Gesetzes, liess die feierlichen Segnungen sprechen, und las darauf alles in dem Buche des Gesetzes Geschriebene, sammt Segen und Fluch, der ganzen Gemeine Israels vor, in Gegenwart auch der Frauen, Kinder und Fremdlinge169), Jos. 8, 30-35.

§. 3. Ausser der auf diese Weise begründeten und gesicherten Kenntniss des Gesetzes im Volke, wird dasselbe auch noch feierlich auf dasselbe verpflichtet. Die Kundmachung der Gesetze am Sinai wird zugleich als eine grosse Feierlichkeit des Bundes, bei welchem das Volk freiwillig die Erfüllung der Gesetze über sich nahm, 2 Mos. 19, 3-8. 5 Mos. 5, 2., und dieser Bund ausdrücklich als auch die Nachkommen verpflichtend betrachtet, ebendas. V. 3. Ausserdem wird aber auch die Erneuerung des am Horeb geschlossenen Bundes noch besonders hervorgehoben, 5 Mos. 28, 69. 29, 5. Dieser erneuerte Bund wird durch das ganze, in der Person seiner Repräsentanten vollständig gegenwärtige, Volk vollzogen, und soll auch für die Nichtanwesenden und für die zukünftigen Geschlechter verbindliche Kraft haben, 29, 9–14. Auch

169) Nach den Rabbinen liegt in dem Gebote, die Schrift ,,deutlich" aufzuschreiben, 5 Mos. 27, 8., die Aufforderung, Uebersetzungen in den übrigen (siebenzig) Sprachen hinzuzufügen, damit sie allen Nation en verständlich werde. Sotah VII. 5.

durch Josua wiederum wird, vor seinem Tode, das ganze Volk versammelt, 24, 1 ff., der Bund erneuert, und diese Thatsache aufgezeichnet, V. 25. 26.

Späterhin scheinen die Propheten, an festlichen Tagen, regelmässige und öffentlich Vorträge über das Gesetz gehalten zu haben, zu denen sich auch Frauen einfanden, wie man aus

2 Kön. 4, 23. ersehen kann, wo der Mann der Sunamitinn sie fragt, warum sie denn an diesem Tage zu dem Propheten gehen wolle, da es doch weder Neumond noch Sabbath sey. Nach 2 Chron. 17, 7-9. schickt der König Josaphat mehrere seiner höchsten und tüchtigsten Staatsbeamten, denen Leviten und auch einige Priester beigegeben wurden, in den Städten Judah's mit dem,,Buche der Lehre des Ewigen" umher, um das Volk zu unterrichten. Ueberhaupt aber zeigt die Geschichte der folgenden Zeiten, wie vollständig die Absicht des Gesetzgebers, den Inhalt der Gesetzbücher dem Volke heilig und bekannt zu machen, erreicht wurde. Bei den gottesdienstlichen Versammlungen, die, schon während der Tempel noch stand, die fern Wohnenden in ihren Städten regelmässig hielten 70), beschäftigte man sich hauptsächlich mit Lesung der heiligen Schrift, und regelmässige Vorlesungen der fünf Bücher Mosis, früher in einem dreijährigen, dann in einem einjährigen Cyklus, welches letztere, seit dem Beginne des achten Jahrhunderts 171), in den Synagogen üblich geblieben ist, bildeten und bilden noch einen Haupttheil des Gottesdienstes. Diese Vorlesungen geschahen ursprünglich durch Mitglieder der Gemeinde selbst (an Sabbathen abwechselnd durch sieben derselben), wobei gleichfalls der Gesichtspunkt herrscht, dass vollständige Gesetzes - Kenntniss allgemeine Sache des Volkes sey, und nicht eigenthümliches Studium abgesonderter und geweiheter Stände. Durch diese rege Theilnahme eines ganzen Volkes gelang es auch, bei so vielen Religions - Verfolgungen, bei denen es mitunter besonders auf Vernichtung der heiligen Bücher abgesehen war 172), dennoch die letztern vor Untergang zu sichern. Ja, durch die bis ins Kleinste gehenden Be

170) Thaanith. IV. 2.

171) Zunz, gottesdienstliche Vorträge d. Jud.

172) Dies gab nach alten, wenn auch nicht ganz sichern (Zunz a. a. O. §. 5 f.), Nachrichten, zur Einführung der Prophenten-Abschnitte (Haphtoroth) Anlass, deren entsprechender Inhalt an die eigentlich zu lesenden Abschnitte des Pentateuchs wenigstens erinnern sollte.

mühungen späterer Grammatiker (Masorethen), die Wörter und Buchstaben zählten, eine nicht bloss trennende, (wie die unsrige es meist ist), sondern auch verbindende Interpunction, die jedem Worte seine richtige Stellung im Sinne des Satzes anweiset, in Anwendung brachten, sind diese Bücher im Ganzen correcter, als irgend ein Buch des Alterthums, auf die Nachwelt gekommen. Als die Kenntniss der Hebräischen Sprache im Volke abnahm, wurden mit grossem Fleisse Uebersetzungen in der damaligen Chaldäischen (Targum) oder Griechischen (LXX.) Landessprache angefertigt, um in den Synagogen vorgetragen (wozu ein besonderer Beamter, Methurgeman (Dolmetscher), angestellt war) und sonst vom Volke studirt zu werden. An diese Uebersetzungen schlossen sich auch schon frühe sachliche und erbauliche Erklärungen an, wie man unter andern auch aus bekannten Andeutungen des neuen Testam. (z. B. A. G. 13, 15.) ersehen kann. So waltete durch alle Zeiten und Verhältnisse consequent das Bestreben, das Gesetzbuch kein gelehrtes Eigenthum Weniger, sondern ein von Allen verstandenes Volksbuch bleiben zu lassen, worin überall und stets mit dem Gesetzgeber die Leiter des Volkes thatsächlich übereinstimmten.

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