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Zweiter Abschnitt

Verwaltung und Polizey.

Kap. 12.

Gleiche Vertheilung, Unveräusserlichkeit
des Besitzthums.

Einer der wichtigsten Grundsätze der Mosaischen Verfassung ist die gleichmässige Vertheilung eines genügenden Grades von Wohlhabenheit und persönlicher Freiheit, vgl. K. 2. §. 1. Beide werden durch den willkührlichen Wechsel des Besitzes, durch ungleichmässige Anhäufung der Güter leicht vernichtet. Viele Gesetzgeber haben diesem Uebel zu steuern gesucht, indess meist vergebens. Man kennt die Wirren, welche die Unverhältnissmässigkeit einer zu grossen Güter-Anhäufung (latifundia, Plin. 18, 17.) einerseits, und des Pauperismus anderseits, im Römischen Reiche und in neuerer Zeit herbeigeführt hat und noch herbeiführt. Das Mosaische Gesetz sucht demnach diesem Uebel zuvorzukommen, durch Unveräusserlichkeit des Besitzes und der persönlichen Unabhängigkeit. Da der erstere eigentlich nur in Grundbesitz bestehen sollte, so war hierin die sicherste Basis jener nicht zu veräussernden Rechte gegeben. Zuvörderst bestimmt also der Gesetzgeber, dass das ganze Gebiet des einzunehmenden Landes Palästina, nach dem Loose, unter die Stämme und Familien vertheilt werde, ohne jede weitere Rücksicht, als dass die grössern, personenreichern Familien ein grösseres, die minder zahlreichen ein kleineres Stück Land in derjenigen Gegend erhalten sollten, auf welche eben ihr Loos fiel, 4 Mos. 26, 53. 55. 33, 54, wobei also durchaus keine Partheilichkeit, oder besondere Begünstigung einzelner Stände eintrat. Denn der Priesterstand, der auf die letztere, nach der Denkweise der damaligen Zeit, zunächst ein Anrecht haben mochte, und der namentlich auch in Aegypten über einen reichen Grundbesitz, mit ausserordentlichen Rechten, gebot, 1 Mos. 47, 22. 26. Diod. 1, 73., er ging in dieser Beziehung fast leer aus, da der ganze Stamm

Levi nicht, gleich den andern Stämmen, einen zusammenhängenden Landes- Antheil erhielt, sondern nur einige wenige, unter den übrigen Stammgebieten zerstreut liegende, Städte (s. ob. K. 7.).

Es wird nun vorausgesetzt, dass ein Jeder die auf diese Weise erhaltenen Ländereien selbst bebauen, die Einwohner des Landes also aus Ackerbautreibenden, freien Grundbesitzern bestehen sollten, die nicht gar zu reich werden, aber, bei dem guten Ertrag des dortigen Bodens, Alle wohlhabend sein konnten. (Den Handel, mit den durch ihn leicht herbeigeführten Schwankungen des Vermögens, denkt sich der Gesetzgeber von der allgemeinen Volks - Betriebsamkeit ausgeschlossen, s. K. 18.). Es liegt freilich in der Natur der menschlichen Verhältnisse, dass eine solche Gleichmässigkeit des Vermögens und die mit ihr zusammenhängende, persönliche Unabhängigkeit sich nicht lange vollständig erhalten kann. Sie aber so viel als möglich (namentlich mit Ausschliessung auffallender Standes- Unterschiede) zu sichern, trifft der Gesetzgeber die hier folgenden, nach ihrem Umfange, unter den Rechten der Völker einzig dastehenden, Anstalten in Rücksicht des Grundbesitzes, der Schulden und, was hiermit dem Geiste nach im Zusammenhang steht, der Dienstbarkeit.

Кар. 13.

Sabbath- und Jobel-Jahr.

§. 1. Nach der Einnahme von Palästina soll ein Landes- Sabbath eingeführt werden, 3 Mos. 25, 2.

Nur je sechs Jahre hindurch soll Feld- und Weinbau Statt finden, an dem siebenten aber das Land einen Sabbath feiern, da man die Felder und die Weinberge nicht bebauen und den freien Nachwuchs beider (s. d. sprachliche Bemerkung 1.) nicht einbringen darf, V. 3-5.173). Was in dem siebenten Jahre frei wächst, soll dem Eigenthümer, wie seinen Knechten und Mägden und fremden

173) Die genauen Bestimmungen der Rabbinen, in wie fern der Landbau schon im sechsten Jahre nicht dahin abzielen dürfe, im siebenten einen Ertrag absichtlich herbeizuführen, so wie über die Benutzung des im Brachjahre Gewonnenen, s. im Tr. schebith. Was im Sabbathjahre irrthümlich oder vorsätzlich gepflanzt worden, muss wieder ausgerissen werden, Therum II. 3. f. 49. a.

Armen, ja, ausser dem Vieh 174), auch dem Gewild zum Genusse offen stehen, V. 6.,7.

Das Gesetz stellt also die persönliche Benutzung dessen, was im siebenten Jahre frei nachwächst, dem Eigenthümer des Feldes und des Weinbergs anheim. Nur verbietet es ihm, es gehörig und in Masse einzuernten und will die Ansprüche Anderer an den Ertrag als gleich berechtigt gelten lassen. In dieser Auffassung schwindet ein scheinbarer Widerspruch zwischen dem hier sich darbietenden Ausdruck des Gesetzes und 2 Mos. 23, 10. 11., woselbst es lautet:,,durch sechs Jahre sollst du besäen dein Land und einsammeln seine Frucht; aber am siebenten sollst du es unbebauet lassen und frei geben (s. d. sprachl. Bem. 2.), dass da essen mögen die Armen deines Volkes, und was übrig bleibt, verzehre das Gewild des Feldes; also mach' es auch mit deinem Weinberge und Oelberge 175). Auch hier darf man also nicht annehmen, dass dem Eigenthümer die persönliche Benutzung der Früchte gänzlich verboten sey. Nur Gemeingut sollen sie bleiben, für Andere nicht minder, als für ihn selber.

§. 2. Wenn man sieben Mal sieben Jahre, also neun und vierzig Jahre gezählt hat, so soll das darauf folgende funfzigste

174) Text; deinem Vieh." Es scheint wohl, dass dies „dein“ sich auf den Eigenthümrr des Ackers beziehet, nicht aber auf das ganze Volk, welches allerdings im Allgemeinen in den Gesetzen angeredet wird Wenigstens ist es wahrscheinlich, dass es auch in diesem Jahre nicht frei stand, Vieh auf des Andern Acker zu treiben und daselbst weiden zu lassen, vgl. 2 Mos. 22, 4., weil darin doch eine zu grosse Beeinträchtigung der Rechte des Eigenthümers läge, der vielleicht in dem Sabbathjahr seinen Acker dem Armen allein überlassen wollte. Michaelis 1. §. 75. glaubt freilich, dass das Land im siebenten Jahre eine offene Weide war. Er bringt dies nun mit der Freigebung der Knechte, im siebenten Jahre, in Verbindung, die, mit einem oder zwei Schaafen beschenkt (5 Mos. 15, 14), für dieselben überall Weide, und so die Grundlage einer eignen Heerde fanden. Die Idee wäre recht sinnig, aber Michaelis übersieht hier, was er §. 127. selbst auseinandersetzt, dass das Freilassungsjahr der Knechte, nicht immer auf das Sabbathjahr, sondern sehr verschieden fiel. S. unt, Кар. 14. п. Кар. 101.

175) Dieser ist in dem vorhergehend angeführten Gesetze, vielleicht nur der Kürze wegen, nicht genannt.

Jahr ein geheiligtes seyn, ein Jobeljahr (s. d. sprachl. Bem. 3.), an welchem Freiheit im Lande verkündigt wird, 3 Mos. 25, 8. 10. Dies soll am zehnten Tage des siebenten Monats, am Versöhnungstage, durch Signale auf dem Schofar 176), im Lande bekannt gemacht werden, V. 9.

An diesem funfzigsten Jahre soll gleichfalls kein Feldbau und keine Ernte Statt finden; doch darf man, was auf dem Felde wächst, geniessen (ohne Zweifel in eben derselben Weise, wie im Sabbathjahr), V. 11. 12, 177).

Eine Schwierigkeit, die sich hierbei herausstellt, ist, dass beim Eintritte des Jobeljahres zwei Jahre zusammentrafen, in denen keine Saat und Ernte Statt finden durfte, nämlich das neun und vierzigste, welches als ein siebentes, demnach als Sabbathjahr, gefeiert wurde, und das Jobeljahr selbst. In diesem Falle trat also zwiefach die Sorge ein, deren sonst schon in Hinsicht des siebenten erwähnt wird, nämlich: woher der Vorrath zu nehmen, für eine so lange Zeit, in der das Land nichts trug, s. 3 Mos. 25, 20. Hierauf wird allerdings V. 21. 22. gesagt, dass Gott seinen Segen in dem Maasse geben werde, dass das Getreide des sechsten Jahres für drei Jahre ausreiche, bis zum neunten Jahre, in welchem das im achten wieder Gesäete geniessbar ist. Michaelis findet es, gewiss mit Recht, auffallend, dass bei der regelmässigen, gesetzlichen Einrichtung, fortwährend auf ein Wunder gerechnet werden soll, das sich alle sieben Jahre, gerade zur Zeit, einstellen würde (und auf welches man dann auch im Jobeljahre ganz besonders hätte hoffen müssen). Er will demnach statt: „im sechsten Jahre", lesen: „,in den sechs Jahren." Während ihres ganzen Verlaufs nämlich, werde Gott seinen Segen spenden, und der Vorrath sich durch die Aufspeicherung derjenigen Früchte er

176) Ein aus einem Horne gebildetes Blasinstrumeut.

177) Text: „Ein Jobeljahr ist es, heilig soll es auch seyn, von dem Felde könnt ihr essen seine Früchte." Das heisst offenbar, dass, was man für den Augenblick brauchte, von dem Felde genommen werden durfte, so dass das Andere, wie im Sabbathtjahre, auf demselben stehen blieb. Oder man müsste das ,,von dem Felde" in dem Sinne von 5 Mos. 23, 25. 26. nehmen, dass man also nur dasjenige geniessen konnte, was man auf dem Felde oder Weinberge selbst verzehrte, ohne Etwas davon mitnehmen zu dürfen. Indess scheint uns dies der Sinn nicht zu seyn.

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geben, welche man in den vorherigen Jahren nicht verzehren konnte, wie bereits Joseph in Aegypten die Aufspeicherung des Ueberflusses, für die Jahre des Mange's, angeordnet hatte. Zwar ist die Veränderung des Textes, wie sie Michaelis vorschlägt, nicht annehmbar, doch möchte sich vielleicht ein auf kein Wunder deutender, ähnlicher Sinn ermitteln lassen, wenn man V. 21. übersetzt: „Ich werde euch meinen Segen befehlen am 6ten Jahre, dass es den Ertrag mache für die 3 Jahre." Man dürfte nicht eben annehmen, dass der Segen Gottes von dem letzten 6ten Jahre allein sey, sondern dass dasselbe, eben so fruchtbar wie die frühern Jahre, nur den übrig gebliebenen Vorrath derselben, in so weit vervollständigen solle, dass er, als für noch drei Jahre ausreichend, sich zeige. Der angekündigte Segen wäre also Dasjenige, was im letzten Jahre, wo man besondern Grund hatte, die Vorräthe zu berechnen, sich in Summa ergab. Bei der ausserordentlichen Fruchtbarkeit Palästina's, ist es auch gar nicht anzunehmen, dass ein jedes Jahr nur gerade so viel trug, als man brauchte, und dass also darum, und im Gegensatze dessen, das 6te Jahr wiederum drei Mal so viel als jedes übrige tragen sollte. Sondern die Fruchtbarkeit würde sich in so fern auf alle 6 Jahre in gleicher Weise 118) vertheilt haben, aber dadurch wohl mit dem Schaltjahre nahe zusammenhängen, als das regelmässige und vollkommne Brachliegen eines ohnediess so fruchtbaren Landes, s. 1 Mos. 26, 12., die Fruchtbarkeit desselben ausserordentlich vermehren musste +79). In der That heisst es 3 Mos. 26, 10.:,,ihr werdet essen Altes sehr Altes, und werdet das Alte vor dem Neuen hinausbringen", welches gleichfalls auf langjährige Vorräthe hindeutet.

178) In der einen Beziehung kann freilich von einem besondern Segen des sechsten Jahres gesprochen seyn, als der ergiebige Boden anch in diesem, wie in den andern, den Fleiss vollkommen lohnen werde, obwohl es das sechste Jahr nach der Brache ist, in dem ein minder guter Boden schon entkräftet seyn könnte.

179) Dies ist auch offenbar der eigentliche Zweck des Sabbathjahres und wird auch schon durch den Namen, vgl. 3 Mos. 26, 34 f., angedeutet. Andere Meinungen s. bei Winer (Art. Sabbathjahr), der sich gleichfalls für das Erstere erklärt. Das Düngen des Bodens, das, wie Winer, mit Hug, bemerkt, im Alterthum unbekannt war, mochte in Palästina bei dem reichlichen Regen 5 Mos. 11, 11., den an vielen Orten, bei dem dort waltenden Systeme unterirdischer Strömungen (Ritter, Asien, ält. Ausg. S. 312.) stark durchwässerten Boden,

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