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s. d. angf. Abhdl. S. 103 ff. Der Hohepriester war also in dieser Beziehung eben auch Prophet und rieth als solcher, gleich wie andre Propheten, zu Krieg oder Frieden u. dgl. (dass er aber dabei im vollen heiligen Schmucke dastehen, erst gefragt werden musste, und ihm eben nur ein ganz bestimmter Fall prophetischen Einflusses dargeboten war, ergiebt sich offenbar als eine grosse Beschränkung seiner priesterlichen Einwirkung auf die Angelegenheiten des Staates).

§. 9. Die unmittelbarste Einwirkung des Theokratischen zeigt sich nun in dem rechtlich gesehützten Einflusse der Propheten (Kap. 10.) Männer, ohne jede andere gesetzliche Macht und Beglaubigung, als das eigne Gefühl der Begeisterung durch Gott, Männer ohne Unterschied des Stammes und des Standes durften auftreten, im Namen Goties an die Fürsten Ermahnungen auch Forderungen richten, mitunter zu Krieg oder Frieden rathen, und auf sie nicht hören, hiess den Willen Gottes nicht berücksichtigen. Hier zeigt sich also eine unmittelbare Gottesregierung, ein unmittelbarer Einfluss des unsichtbaren Gottes auf die Angelegenheiten des Volkes, durch seine Mittler, die Propheten. Um jedoch dieses Moment richtig und nach dem wahren Masse seiner Geltung zu beurtheilen, muss vor Allem erinnert werden, dass die Propheten eben so wenig, wie irgend ein Andrer im Hebräischen Staate, gesetzgebende Gewalt hatten. Die Mosaische Gesetzgebung bezeichnet sich als eine in sich geschlossene, an der Nichts verringert und Nichts hinzugesetzt werden darf 5 Mos. 13, 1. (vergl. 4, 2.). Wer dergleichen thun wollte, sey es selbst dass er, zur Beglaubigung, Wunder wirkte, verrieth sich eben dadurch als falscher Prophet ebend. 5. 2 ff. Zur Anwendung traditioneller, etwa schon von Moses gegebener Bestimmungen, so wie zur Auslegung und zeitgemässen Anwendung 12) der Gesetze, waren sie zwar eben so, aber nicht mehr berechtiget als jeder andere Richter und Rath des Volkes, und gehörte dies nicht weiter in das Bereich des Prophetischen Elementes Hier ging also ihr Einfluss nicht weiter, als, was auch

12) Dies ist keine bleibende Veränderung der Grundprincipien. ,,Die Verfassung muss an sich der feste, geltende Boden seyn, auf den die gesetzgebende Gewalt steht, und sie muss deswegen nicht erst gemacht werden. Die Verfassung ist also, aber eben so wesentlich wird sie, d. h. sie schreitet in der Bildung fort. Dieses Fortschreiten ist eine Veränderung, die unscheinbar ist und nicht die Form der Veränderung hat." Hegel, Philosophie des Rechts S. 388. d. Ausg. v. Gans.

in der That ihr eigentlicher Zweck war, zus Erhaltung des gegebenen Gesetzes (und namentlich seiner monotheistischen Institutionen) in seinem Einflusse und seiner Integrität. Dies war auch in der That zu jeder Zeit das Wichtigste, was die Propheten wirkten und wollten. Sie traten mit ihren begeisterten Reden dem Götzendienste, der Unsittlichkeit entgegen und führten das Volk zur reinen Lehre Gottes zurück Uebten sie ausserdem auch sonst

manchen Einfluss auf die politischen Ereignisse im Staate, riethen. sie oder widerriethen sie Verbindungen mit diesem oder jenem Volke, so würden auch andere Männer, von tiefer politischer Einsicht in die Verhältnisse, einen ähnlichen Einfluss, geübt haben, gleichwie dieser auch nur momentan war, nicht auf die allgemeinen Institutionen, sondern nur auf gegenwärtige Entschlüsse des Fürsten oder des Volkes hinwirkte und stets im Geiste der monotheistischen Stellung Israels geübt wurde. Das Institut der Propheten konnte und sollte also auf Verfassung 13) und Verwaltung in keiner andern Weise einwirken, als zur Erhaltung des Mosaisch-gesetzlich Bestehenden. Ihr Einfluss, wenn sie auftraten, war nur ein zufälliger, kein bestimmt oder gesetzlich erwarteter. Es gab keine Fragen und Unternehmungen, die ohne Zuratheziehung eines Propheten nicht entschieden werden konnten. Nur wenn sie zufällig da waren und sich durch Gott begeistert fühlten, ihre Stimme abzugeben, mussten sie gehört werden. Ebenso auch der prophetische Einfluss des Priesters, der bei dem Urim u. Thummim befragt wurde. Auch dieser Einfluss galt nur für momentane, politische Ereignisse, und er gab nur Antwort, wenn er gefragt wurde. Die rechtliche Verfassung des Volkes blieb bei diesem Allem ganz unberührt.

§. 10. Fassen wir nun Alles zusammen und fragen wir nach dem wirklichen Zeugnisse der Theokratie bei den Hebräern, d. i. einer Regierungsform, in welcher Gott gesetzlich als oberster Leiter der Volks - Angelegenheiten erscheint, so ergiebt sich Folgendes.

13) Man möchte hier vielleicht einwerfen, dass Samuel, durch Einsetzung des Königthums, einen wichtigen Uebergang der Verfassung vermittelte. Indess diese Veränderung ging ganz eigentlich vom Volke aus, und sollte (konnte auch sofern die beabsichtigte Monarchie nicht in Despotie ausartete) in der Grundverfassung des Volkes wenig um-' gestalten, s. Kap. 3. u. 7. §. 6.

Während des Aufenthaltes in der arabischen Wüste geschieht nach den fünf Büchern Mosis selbst Alles, was im Volke vorgehet, unter der unmittelbaren Leitung Gottes. Aber, welche Elemente sind im Gesetze Mosis, um einen Zustand solcher, eigentlicher Theokratie auch für die Zukunft zu erhalten? Hier finden

wir nur das Institut der Propheten, ausserdem noch die Priester mit dem Urim u. Thummim. Der Einfluss dieser Autoritäten beschränkt sich aber, wie gesagt, nur auf Mahnungen im Geiste des bestehenden, unveränderlichen Gesetzes, auf Rathschläge für besondere momentane Unternehmungen, war aber durchaus nicht bestimmt, auf die regelmässige durch das Gesetz eingeführte Verwalsung und Rechtspflege irgend wie, im Ganzen oder in einzelnen Punkten, umgestaltend einzuwirken. Die wechselnden Formen der obersten Staatsleitung durch Josua, Richter, Könige, sind im Gesetze als gleich gebilligt bezeichnet, und sie veränderten in der allgemeinen Gestaltung der Constitution und Rechtspflege gesetzlich Nichts. Doch durften Könige, Richter, Propheten sich nur als Verwalter und Dolmetscher des göttlichen, durch Moses offenbarten Gesetzes betrachten, so wie anderseits das Volk auf dieses Gesetz durch einen feierlichen Bund mit Gott verpflichtet wird. Gott herrscht also im Volke durch dies Gesetz 14), und dies ist das eigentliche Moment der Theokratie. Gott herrscht im Volke, nicht etwa durch regelmässig, eingesetzte, fortwährend wirkende Orakel. Die Möglichkeit solcher wird allerdings für einzelne Ereignisse vorbehalten, sogar anch für die Bezeichnung der Personen, welche an die Spitze des Staates treten sollten. Aber die innere Constitution, und was uns besonders wichtig seyn muss, die ganze Rechtspflege und Polizey blieb hiebei durchaus unberührt. Die Beamten der Gerechtigkeit, obwohl im Namen Gottes ihr Amt verwaltend, richteten nicht nach göttlichprophetischen Eingebungen, nicht auf Grund von Ordalien, sondern nach gesundem Menschenverstande, auf Grund des vorliegenden, geschriebenen, Allen bekannten Gesetzes. Gott hatte sich also, nach dem Inhalte der fünf Bücher Mosis, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, des Rechtes begeben, fortdauernd Gesetzgeber des Volkes zu seyn 15),

S. 173.

14) Vergl. Herder, Geist der Ebräischen Poesie, Theil II.

15) Die Wichtigkeit des Grundsatzes, dass im Staate das Gesetz eigentlich an der Spitze stehe, derselbe also eigentlich nur im Namen des letztern verwaltet werde, Keiner folglich das Recht habe,

und Keiner durfte also Solches in Seinem Namen sich anmassen 16). Sondern nur von dem einmal gegebenen, abgeschlossenen, in den Grundprincipien der monotheistischen Lehre, der Moral und des Rechts vollkommen bestimmten Gesetze aus regierte Er, durch dasselbe, fortwährend das Volk. Dies Verhältniss und die Verpflichtung zu demselben im Volke und in seinen Leitern lebendig zu erhalten, darauf gingen alle getroffenen Veranstaltungen. Auch die für die Zukunft gegebenen Verheissungen, das Institut der Propheten, die sonst zur Leitung des Volkes Berufenen, durch zeitweise Anordnungen seine unabhängige Stellung und seinen Glauben sichernd, sie stehen Alle im Dienste dieses Gedankens: Gott ist der Gesetzgeber des Volkes, durch die fortdauernde Wirkung des durch ihn gegebenen, ein für allemale abgeschlossenen Gesetzes. Dies ist das Wesen der Hebräischen Theokratie. Die die ganze Ge

willkührlich Anordnungen zu treffen, die mit gesetzlichen Grund-Principien der Sittlichkeit und des Rechts im Widerspruche stehen, erkennt auch Friedrich d. Gr. an:,,die guten Monarchieen, die weise und mild regiert werden, machen heut zu Tage eine Regierungsform aus, die sich mehr der Oligarchie als dem Despotismus nähert, in ihnen herrscht allein das Gesetz." Briefe über Vaterlandsliebe v. J. 1779. Unter diesen Gesichtspunkt brachten auch die Aegypter die Königsgewalt Diod. I, 71, nur dass es bei ihnen nicht im theokratischen, sondern im allerschädlichsten, hierarchischen Sinne geschah. Auch nach Hegel „Philos. d. Rechts" S. 314. vergl. S. 359. u. Zus. S. 317., ist der Grund des Staates die Gewalt der sich als Wille verwirklichenden Vernunft, also das an sich Vernünftige, demnach Göttliche, im Gegensatze des einzelnen Willens d. i. der Willkühr. S. 372. Zus. : ,,In einer wohlgeordneten Monarchie kommt dem Gesetz allein die objective Seite zu, welchem der Monarch nur das Subjective,,Ich will" hinzuzusetzen hat."

16) Auch der Talmud deutet dies auf eine sehr entschiedene Weise in der Erzählung an, dass einst ein hoch stehender Rabbi, durch herbeigerufene Wunder, unter welchen eine vom Himmel ertönende Orakel-Stimme, die Richtigkeit seiner, von den Andern bestrittenen, Ansichten zu erweisen sich bemühete, dass man ihm aber geantwortet (5 Mos. 30, 11 ff.): „das Gesetz ist nicht im Himmel", der Wunder-Beweis habe keine Geltung, neue zusätzliche Offenbarungen zum Gesetze könne es also nicht geben und seine Erläuterung liege demnach einzig in dem Bereiche gewöhnlicher Discussion, Bab. Mez. 59,2. vgl. Matth. 24, 24.

setzgebung beherrschende Kraft dieses Gedankens musste, wie bereits angedeutet, ein sittliches Moment auch in die niedrigsten Polizeigesetze bringen 17), wie wir denn auch bei dem Gesetzgeber die Absicht in vielen einzelnen Fällen deutlich wahrnehmen, auch diese mit den obersten Grundsätzen, als der Heiligkeit, der Menschenliebe im Aufgeben des Egoismus, des GottesEbenbildes (wie bei der rechtlichen Charakterisirung des Mordes) in Verbindung zu stellen und auf sie, als massgebende, zurückzuführen.

§. 11. Es ist in dieser Beziehung eine wenig beachtete Thatsache, dass das Mos. Recht und die Mos. Staats-Verfassung keine von denjenigen bürgerlichen Belohnungen einführt, wie wir sie bei andern alten und den neueren Völkern finden. Derjenige, welcher seine Pflicht, sey es auch mit aller Aufopferung, geübt hatte, mochte er nun als Lehrer, Prophet oder Richter im Volke wirken, oder demselben, durch siegreichen Kampf gegen Feinde, Ruhm und Freiheit schaffen, konnte nur in seiner eigenen Befriedigung und wenn sein Streben nicht, wie dies bei den Propheten öfter der Fall war, verkannt wurde, in der Achtung der Mitbürger seinen Lohn finden. Das Gesetz und die Sitte bot ihm keine Art äusserer Ehrenbezeugungen gleich den Bürgerund Mauer-Kronen, den Bildsäulen, und andern Denkmalen, den Triumphzügen, reichen Geschenken, Ehrentiteln und Auszeichnungen durch Orden u. dgl., wie sie die andern alten und neuern Staaten zur Aufmunterung der Bürgertugend eingeführt haben. Es lässt sich gegen dieses Alles, wo die Sitte es begünstigt, Nichts sagen,` und es kann in manchem Betrachte da als nothwendig erscheinen. Selbst Plato, in seiner Republik, führt Belohnungen des Siegers ein. Aber immer muss man doch gestehen, dass dieselben ein durchaus egoistisches Element begünstigen und dass die Begriffe Pflicht und Lohn einander gewissermassen ausschliessen, wenn die Belohnung nicht eben in den natürlichen Folgen bestehet, die sich von selbst aus der geübten Pflicht entwickeln, sondern in Etwas, was willkührlich und fremdartig hinzutritt 18). In der That finden wir factisch bei den Hebräern

17 Vergl. Mendelsohn, Jerusalem S. 117 (Ausg. 1783). 18) Dans une République où la Vertu regne, motif qui se suffit à lui même & qui exclud tous les autres, l'Etat ne récompense que par des témoignages de cette Vertu. C'est une règle générale, que les grandes récompenses dans une Monarchie & dans une République, font un

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