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der Uebergang von der einen zur andern seyn mag, so wenig hat man doch Grund, die Hierarchie, oder Priesterherrschaft, d. h. eine Regierungsform, wie etwa die Aegyptische, oder in gewissen Jahrhunderten die Verfassungen christlicher Staaten, wo die bedeutendsten Interessen des Staates unter dem Einflusse der Priester stehen, die bedeutendsten Aemter in ihre Gewalt gegeben sind, bei den Hebräern anzunehmen 27).

Die Mosaische Gesetzgebung charakterisirt sich in vielen Punkten durch die Bereitwilligkeit, die damals üblichen Institutionen anderer, heidnischer Völker, so weit sie brauchbar waren, gleichfalls beizubehalten, oder einzuführen. Sie verschmähet nicht den Rath des Jethro für die Einsetzung von Ober- und UnterRichtern, sie behält den Opfer - Ritus- bei, die Bestrafung der Blutschuld durch Verwandte, die Levirats-Ehe u. s. w. Aber überall wird dergleichen auf ein bestimmtes, gesundes Maass beschränkt, und vor schädlichen Auswüchsen bewahrt. Dies gilt auch namentlich von dem Casten- und Priesterwesen. Wer die Stellung des

Stammes Levi und der Priester mit dem Aegyptischen Castenwesen und der dortigen Hierarchie vergleicht, kann bei dem Mosaischen Gesetzgeber das Bestreben nicht verkennen, das Gute, Heilbringende von Beiden beizubehalten, aber der möglichen Ausartung von vorne herein vorzubeugen, K. 8.

Die Priester waren nicht die Nachkommen Mosis, die als die Erben seiner Macht und Verdienste, mit bedeutenderm Rechte einen Einfluss auf den durch ihn gegründeten Staat ansprechen konnten, Sie waren die Nachkommen Aharons, eines Mannes, der damals nur eine secundaire Rolle spielte. Sie waren Vorsteher des gottesdienstlichen Heiligthums. Ein sehr ins Einzelne gehendes, die strengste Gewissenhaftigkeit erheischendes Rituale nahm ihre Zeit und Aufmerksamkeit in hohem Grade in Anspruch, so dass vielleicht dies sie schon hindern konnte, sich um Anderes, was ausserhalb des Tempels vorging, viel zu kümmern. Zugleich giebt ihnen das Gesetz durchaus gar keine wirklichen Ansprüche auf die politisch - einflussreichsten Stellungen. Mit keiner Sylbe wird etwa ein Wunsch des Gesetzgebers verrathen, dass die Könige oder

27) Auch Lengerke, Kenaan S. 514. erkennt dies an. Nach Umbreit feiert auf hebräischem Boden die theokratische Verfassung den Triumph geistiger Verklärung. Aegyptens Einfluss gilt höchstens nur für den äussern Cultus, denn das Priesterthum ist dort (bei den Hebräern) keine Hemmkette. Einleit. z. d. Spr. Sal. S. XLV.

Suffeten aus dem Geschlecht der Priester gewählt werden, oder die Voraussetzung, dass aus ihm die künftigen Propheten hervorgehen würden. Vielmehr wird in dem aufgenommenen Segen Jakobs, der Stamm Judah als der eigentliche Königsstamm bezeichnet, 1 Mos. 49, 10. Der oberste Richter, dem gleichés Recht auf Gehorsam mit dem Hohenpriester zuerkannt wird 5 Mos. 17, 9. 12., ist zugleich von letzterm ausdrücklich (,,oder der Priester") unterschieden, also die Wahl eines Andern, als des Hohenpriesters, zum Suffeten, nicht allein nicht gemissbilligt, sondern vielmehr als gestattet vorausgesetzt. Endlich wird in dem eingesetzten Institut der an keinen Tempel gebundenen, sich vielfach freier bewegenden Propheten 5 Mos. 18, 15 ff. eine Macht geschaffen, die einem weltlichen Uebergreifen der Priester gleichfalls wohl wehren konnte. Die Geschichte des alten Israelitischen Staates gehet mit diesen Ergebnissen seiner Gesetze Hand in Hand. Derjenige, den Moses sich selbst zum Nachfolger setzte, Josua, war kein Priester, kein Levite, sondern ein Ephraimit 4 Mos. 13, 8. Die Suffeten waren in der Regel von andern Stämmen, bis auf Eli, der Priester war, aber keinesweges als Richter gelobt wird, und Samuel, der Levit war, aber zu Königen zuerst einen Benjaminiten, dann einen Judäer wählte, Keinen seines Stammes, worauf auch Judah in der That der Königsstamm blieb, bis zu den Makkabäern, die sich jedoch nur auf ihre Verdienste, nicht auf ein Gesetz stützen könnten. Da das Hohepriesterthum ein nothwendig stehendes Amt war, so fiel ihm natürlich die Verwaltung des nicht anderweitig besetzten Suffeten - Amtes zu 28). Aber die regelmässige Wahl solcher Männer, die nicht Priester waren, zu diesem Amte sowohl, als dem königlichen, zeigt einerseits, wie wenig ein hierarchisches Princip von dem Volke beachtet war, und anderseits, wie wenig die Priester nach solcher Macht strebten und, sollte dies der Fall gewesen seyn, mit wie wenigem Glücke jedenfalls es geschah. Wie gering der Einfluss des Hohenpriesters durch die Urim u. Thummim war, ist schon oben angedeutet worden. Nur Josua wird an den Rath des Priesters Eleasar in dieser Beziehung 4 Mos. 27, 21. gewiesen. Bei dem Königsgesetz ist von dergleichen gar nicht die

28) Doch lässt auch schon Moses selbst, indem er sich für vierzig Tage entfernt, sich nicht durch Aaron allein, sondern zugleich auch durch den Aeltesten Hur vertreten 2 Mos. 24, 14., und erkennt auch auf diese Weise die, durch alle Zeiten sehr bedeutenden, Ansprüche der eigentlichen Volks - Aeltesten an.

Rede. Das Verhältniss ist also kein allgemein Gebotenes. Freilich wird dem Könige, wenn ein solcher gewählt würde, aufgetragen, sich das Deuteronomion von den levitischen Priestern abschriftlich zu entnehmen. Indess, weit entfernt, dass er dadurch von ihnen abhängig wurde, musste es ihn vielmehr von ihrem Einflusse unabhängiger machen, wenn er in dem Gesetze, das die Richtschnur auch seiner Regierungs-Maassregeln bildete, selbst das ihm zu wissen Nothwendige aufsuchen konnte. Man könnte nur etwa

sagen, dass die Priester, als die Aufbewahrer der Gesetzbücher 29), zugleich die Gelegenheit hatten, ihrem Einflusse günstige Bestimmungen denselben einzuverleiben. Dies ist aber factisch wenigstens, wenn man das bisher Bemerkte und das noch ferner Anzuführende zusammen nimmt, nicht geschehen. Das,,thut Nichts hinzu und nehmt Nichts davon" ist also, nach der einmaligen Abfassung des Gesetzes, von keinem Priester zu Gunsten seiner Caste umgangen worden 30).

Ueberall ist Grundbesitz eine sehr wichtige Basis auch der politischen Macht eines Standes. Dieser aber fehlte den Priestern gänzlich, wogegen wir die Aegyptischen Priester als reiche Eigenthümer steuerfreier Ländereien finden. Alle Stämme erhielten ihr unveräusserliches Land - Eigenthum, nur nicht die Priester, die Leviten, sondern sie nur einige Städte zu Wohnplätzen. Ihre Einkünfte bestanden in den Zehnten, die jeder Einzelne bringen musste. Vielleicht wären diese bedeutend, oder doch ausreichend gewesen, wenn sie regelmässig eingingen, aber es lag in dem Wesen eines von dem religiösen Sinn des Einzelnen abhängigen Einkommens, dass es sehr precair seyn musste. Die Geschichte zeigt dies unter Anderm bei einem levitischen Jünglinge, den man für den Enkel Mosis hält, Richt. 17, 7 ff. vergl. 18, 30. Die Bücher

29) Doch werden sie den Aeltesten mit übergeben 5 Mos. 31, 9. 30) Die Priester waren also in keiner Weise Gesetzgeber, noch auch, wie in Aegypten, die einzigen Kenner eines in Geheimniss ge. hüllten Gesetzes. Sie konnten Nichts eigenmächtig anordnen, wie etwa, nach Tacitus, die germanischen Priester die verderbliche Macht hatten, nach höhern Eingebungen, durch kein Gesetz geordnete Strafen zu verhängen. Der sehr bedeutende Einfluss, den die Römischen Priester übten, ist bekannt, namentlich bei der Auslegung der guten und schlechten Omina, einem tief in alle Römischen Staats- und Familieninteressen (z. B. bei Schliessung von Ehen) eingreifenden Aberglauben, der bei den Israeliten zu dem streng Verbotenen gehörte.

Mosis prophezeien und berichten ein Ueberhandnehmen, des Götzendienstes. Schon unter Jerobeam verloren die Leviten alle ihre Besitzungen und Einkünfte im grössern Gebiete des Reiches Israel, und das Gesetz führt, offenbar in derartigen Voraussetzungen, den Leviten, an allen dahin gehörigen Stellen, unter den Armen auf.

In der That sieht man die Priester zu keiner Zeit sich in die politische Gewalt eindrängen, also weder die Geschichte noch das Gesetz der Israeliten giebt eine Hierarchie 31). Man hat freilich aus dem Umstande, dass das Gesetzbuch von Hilkias 2 Kön. 22, 8. im Tempel gefunden wurde, sogar schliessen wollen, dass es von Priestern verfasst sey. Aber eine unglücklichere Hypothese konnten Diejenigen, die sich mit den Fragen über die Abfassung des Pentateuchs beschäftigen, wohl nicht aufstellen, als wenn sie dieselbe einer für ihren Vortheil sorgenden Priester -Caste zuschreiben. Es ist, wie bereits bemerkt wurde, hier keinesweges unsre Absicht auf diese Frage einzugehen. Aber darauf aufmerksam machen müssen wir, dass derjenige, welcher, wie oben sich zeigte, die Priester fast absichtlich von aller politischen Macht ausschliesst, der ferner Flüche gegen den Stamm Levi unter die alten Dokumente die er mittheilt, aufgenommen I Mos. 49, 5-7., den Aaron mit Vorwürfen überhäuft, 2 Mos. 32, 21. 25., ihn selbst, seine beiden Söhne, und Moses, den Leviten, für Sünden sterben lässt, 3 Mos. 10, 1. 2. 4 Mos. 20, 12. 24. 5 Mos. 1, 37. 3, 26., dass . dieser Abfasser, Sammler, oder wofür man ihn sonst in Bezug auf das Buch ausgeben will, unmöglich von eitlen, herrschsüchtigen oder lügenhaft-interpolirenden, hierarchischen Principien ausging, (vergl. Kap. 9. 10.). Wie Moses den Josua tadelt, dass er ihn auffordert, dem Eldad und Medad das Prophezeien unter allem Volke im Lager zu wehren und hinzusetzt: „,wer gäbe das ganze

31) Der geringe Einfluss den im Ganzen das Hohenpriesterthum im Israelitischen Volke, namentlich auch politisch übte, wird von Müller, „Histor. Darstell. der amtlichen Wirksamkeit der Hebr. Hohenpriester" in Illgens Zeitschr. f. d, histor. Theol. Jahrg. 1814. Hft. 4. gleichfalls nachgewiesen. Wie willkührlich u. strenge die Könige mit den Priestern, die ganz als ihre Diener erscheinen, verfuhren, kann man aus der Geschichte Sauls und Salomo's sehen, s. Kap. 7. §. 1. Solches wäre unter keinem Volke möglich gewesen, bei welchem ein hierarchisches Element einmal Wurzel gefasst hätte. Nach der Mischna (Sanhedr. 1, 5) stehet der Hohepriester unter der Jurisdiction der Sanhedrin.

Volk wäre lauter Propheten" 4 Mos. 11, 29., so bezeichnet der wiederholentliche Ausspruch: „ihr sollet mir ein Reich von Priestern seyn" 2 Mos. 19, 6., unter Anderm auch, dass religiöse Weihe und Erkenntniss Allen gemeinschaftlich werden sollte, wodurch die Uebermacht einer Caste, die alle Uebrigen in Blindheit und Abhängigkeit erhielte, von selbst gebrochen werden musste 32).

Kap. 2.

Das Volk der Mosaischen Gesetzgebung.

§. 1. Die gleiche Vertheilung unveräusserlicher Ländereien, welche das Mosaische Gesetz anordnet (K. 12.), bezeichnet den Charakter der allgemeinen Volksverhältnisse, und soll sie für immer befestigen: Gleichheit des Vermögens, Gleichheit bürgerlicher Ansprüche, keine über und keine untergeordnete Stände.

Konnten bei dem Eintritt in das Land die mitgebrachten nomadischen Güter einzelnen Bürgern ein Uebergewicht geben, so trat hier der Fall ein, dass eben die an Heerden reichsten Stämme

32) Mit einem Worte soll noch darauf hingedentet werden, dass dieses Fernbleiben alles hierarchischen Wesens sich auch noch in den spätern Institutionen der Israeliten bewährt. Weder die von Aaron Abstammenden, noch diejenigen, welche in den Gemeinden die Stelle der Geistlichen einnehmen, haben eine allgemeine gesetzliche Berechtigung, gewisse Funktionen, die bei andern Confessionen den Geistlichen und Priestern ausschliesslich gebühren, für sich allein in Anspruch zu nehmen (nur dass die Gemeinden ihnen, um der Ordnung und Würde der Feierlichkeiten willen, Manches ein für alle Male übertrugen). Sondern jeder Israelit ist ursprünglich, wenn er die nöthigen Kenntnisse hat, gleich berechtigt, zu trauen, die Beschneidung zu vollziehen, die Gebete am Grabe zu sprechen, so wie alle gottesdienstlichen Functionen in der Synagoge zu übernehmen, so dass in factischer Anwendung jenes Ausspruchs 2 Mos. 19, 6. das geistliche Element gewissermassen das Eigenthum des ganzen Volkes ist, wenigstens eines Jeden, der es sich zum Bewusstseyn gebracht hat, und es einen scharf abgesonderten geistlichen und priesterlichen Stand hier nicht giebt. Anch schon bei der Einweihung des Tempels sehen wir Salomon, gegen das Volk gewendet, es segnen, was als durchaus kein Eingriff in die Funktionen der Priester erscheint, wiewohl die 4 Mos. 6, 23 ff. vorgeschriebene Segensformel ihnen besonders zu sprechen zukam, u. auch jetzt noch immer an festlichen Tagen von Abkömmlingen Aarons gesprochen wird.

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