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Dritter Abschnitt.

Cultus und Rituale.

Kap. 36.

Wichtigste Zwecke.

§. 1. Die durch Moses verkündigte Religion, deren Interessen wesentlich mit denen des zu gründenden Staates identificirt werden, und deren Erhaltung ihm vorzüglich Zweck und Lebensbedingung seyn sollte, befand sich, als Monotheismus, eigentlich und fortwährend im Gegensatze zu den Polytheistischen Religionen aller übrigen Völker der damaligen Zeit. In ihrer Mitte sollten, durch das Israelitische Volk, die religiösen Wahrheiten von Einem Gotte nebst allen bestimmt und nothwendig von diesem Mittelpunkt ausgehenden 372), das ganze Leben umfassenden, religiösen und moralischen Erkenntnissen, gegründet und erhalten werden, um sich dann, von hier aus, allmählig über die andern Völker, ja die ganze Menschheit zu verbreiten 373). Die anf Religion bezüglichen Einrichtungen dieses Staates, mussten sich also besonders dem Polytheismus abwehrend gegenüberstellen, und so herrscht in denselben überall besonders das prohibitive Moment, welches selbst bei positiven Anordnungen oft als das eigentlich Massgebende betrachtet werden kann. Diese Art des Cultus, dieses Opfer, dieses Rituale bei

372) s. die Abhandlung: „Der Monotheismus in sittlicher Beziehung“, in Geigers Zeitschrift für jüdische Theologie, Band V. 'Heft 1. 2.

373) dieser Zweck, der bereits in den Büchern Mosis verschiedentlich angedeutet ist, z. B. I Mos. 22, 18. 2 Mos, 9, 16., 5 Mos. 4, 6. vgl. 1 Mos. 18, 18 f. wird bekanntlich von den Propheten, in den sogeannten Messianischen Weissagungen, auf das Bestimmteste verkündiget,

demselben, sollte Statt haben; aber hierbei liegt nicht der Hauptnachdruck darauf, dass es dieses sey, sondern vielmehr, dass es ein Anderes nicht sey. Die Gesetze hierüber mussten um so bestimmter gefasst werden, ja oft um so nothwendiger bis in die minutiöseste Ausführlichkeit eingehen, als man sich überall, im Rituale, gegenüber heidnischen, der Natur der Sache nach vielfach ähnlichen Gebräuchen, und Feierlichkeiten befand, welche eben, in so fern sie der damaligen Richtung des menslichen Geistes entsprachen, und ihm, nach seinen damaligen Bedürfnissen, einen für jene Zeit unentbehrlichen Anhalt gewährten, nicht aufgegeben werden durften, bei denen aber überall eine scharfe Grenze gezeichnet und gesichert werden musste, um das götzendienstliche und sittlich unlautere Element auszuschliessen 374).

§. 2. Diesen Gesichtspunkt eröffnen uns die Propheten und Moses selbst. Nicht an und für sich sind Opfer das Wesentliche, sondern nur als Stütze der Gesinnung 375), 1 Sam. 15, 22. Jes. 1,11 ff. Jerem. 7, 22. 23. Micha 6, 6-8., vgl. Ps. 50, 7-9., auch wurden sie, ohne Schaden für die allgemeinen religiösen Einrichtungen, in den Zeiten da der Tempel nicht stand, also während der 70jährigen Gefangenschaft und nach der zweiten Zerstörung des Tempels, gesetzlich suspendirt. So lange und sofern sie aber dargebracht

374) Auch Maimonides hat von der Entstehungsweise der Opfer bei den Hebr., in Rücksicht auf die Bedürfnisse der damaligen Zeit, dieselbe Ansicht, More Nebuchim, Th. III. c. 32. Oefter scheint bei den Opfern (namentlich als Mitteln der Sühne) ein Entgegenwirken gegen den Orientalischen und Aegyptischen Thierdienst, bei Wahl und Behandlung, geleitet zu haben, wenn man bei dem Stier, als vorzüglichstem Opfer, der rothen Kuh K. 40., dem Kalbe zur Sühne K. 74., und dem Widder am Versöhnungstage K. 38. §. 11. sich der gegenüber stehenden Ritualien in Aegypten und Persien erinnert.

375) Auch das Rituale der Mischn. fordert bei den Opfern im Allgemeinen strenge die entsprechende Gesinnung und Absicht. Das Opfer muss zu dem bestimmten Zwecke, wie ihn der Name desselben andeutet, vorschriftsmässig dargebracht, und alle wichtigen Handlungen des Opfers im Bewusstseyn dieses, im Nainen sich kund gebenden, Zweckes und Sinnes geschehen seyn, wenn es in jeder Beziehung volle Geltung haben soll. Sebachim I, 1. 4. III, 6. IV, 6. VI, 7. vgl. Menach. I, 1 ff., Parah IV, 1. Jadajim IV, 2. Ueber sonstige rituelle Bedeutsamkeit der Absicht, s. Anm. 330. 348. vgl. Oqazin III, 1.

wurden, 3 Mos. 1, 2., sollten sie nur von diesen Thieren, nach dieser bestimmten Ordnung und Form, an diesem Orte u. s. w. gebracht werden 376). Moses zeigt deutlich, dass er die Gelübde nicht billige, 5 Mos. 23, 23.; hatte aber Jemand ein solches gethan, so musste er es natürlich auch erfüllen, V. 22. 24. 4 Mos. 30, 3., und zwar nach der bestimmt vorgeschriebenen Norm in Opfern, 4 Mos. 15, 3., und andern Dingen. Von diesem Gesichtspunkte aus erhalten die rituellen Bestimmungen überhaupt, als welche sich allem dem Staats- Zwecke und Wohle Schädlichem, abwehrend, gegenüber stellen (so wie die auf Umgehung derselben gesetzten Strafen, K. 63-69.), eine staatsrechtliche Bedeutung, da sie uns sonst, nach ihrem eigentlich rituellen Inhalt, oder ihrem nur archäologischen Interesse, für den Zweck dieses Buches gleichgültig seyn könnten. Wir werden uns, bei Darstellung derselben, möglichst in den hierdurch gebotenen Grenzen halten.

Кар. 37.

Das Volks-Heiligthum.

§. 1. Lag ein mit Opferdienst verbundenes äusseres Rituale der Gottes verehrung in dem Bedürfnisse der damaligen Zeit377), wurde

376) Nach Jerem. 7, 22. wurde den Israeliten in der Wüste nicht befohlen, Ganzopfer oder Schlachtopfer darzubringen, nach Amos. 5, 25. wurden auch von ihnen damals Schlacht- und Speiseopfer nicht dargebracht. Dass in der That das Gesetz im Allgemeinen das Darbringen von Privatopfern dem Belieben eines Jeden anheimstellte, gehet z. B. auch aus dem wiederkehrenden Ausdrucke hevor: „Wenn von euch Jemand ein Opfer dem Ew. darbringt" von Thieren u. s. w. 3 Mos. 1, 2. 10. 14. 2, 1. 4. 5 14. 3, 1. u. s. w., worauf dann die Form bestimmt wird, in welcher allein das (ursprünglich bloss beliebige) Opfer dargebracht werden darf. Erst die Sünd- und Schuldopfer, 3 Mos. 4, 1 ff., werden eigentlich anbefohlen, als welche in der That einen sittlichen Zweck haben, K. 39., s. auch Anm. 374. 377) Wie Menschen überhaupt darauf gekommen seyen, Opfer darzubringen, welche Macht demnach damals dies religiöse Bedürfniss hatte, und welche gebieterischen Gründe der Gesetzgeber, auf dasselbe Rücksicht zu nehmen, diese Frage, welche bereits mehrfach in Erwägung gezogen worden, wird auf geschichtlichem Wege, oder nach bloss

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das heilige Zelt in der Wüste in diesem Sinne eingerichtet, war zu diesem Ende ein eigner Priesterstand eingesetzt, der unter Anderm auch, an dem heiligen Orte, die Bundeslade mit den GesetzesTafeln und dem Gesetz-Buche", Kap. 9. §. 5., aufzubewahren hatte, so verstand es sich von selbst, dass diese Einrichtung in entsprechender Weise auch im Lande Palästina bleibend seyn werde. Hier ist nun vor Allem, dem im Frühern angedeuteten Zwecke gemäss: die Einheit des heiligen Ortes. Das Mosaische Gesetz, das in so vielen Dingen die Bedürfnisse der Zukunft sorgsam voraussieht, giebt, was nicht unwichtig ist, durchaus keine gemessenen Anordnungen darüber, wie das künftige Heiligthum zu bauen, wie die einmal eingerichteten Geräthe im Stande zu erhalten, zu ersetzen seyen, es sagt Nichts über den Ort oder Stamm, in dessen Gebiete das Heiligthum stehen soll, und überlässt es künftiger Zeit, in dieser Beziehung das Zweckmässige zu erwählen, indem es nur im Allgemeinen, 5 Mos. 12, 5., von „,dem Orte“ spricht,,,den Gott aus allen Stämmen erwählen wird, um ihn

muthmasslichen, oft sehr irrigen, Vorstellungen von der Denkweise der alten Völker wohl nie sicher gelöst werden. Hier liegt offenbar eine psychologische Thatsache vor, die auch nur durch Einsicht in menschliche Seelenzustände erklärt werden möchte, die an und für sich in allen Zeiten dieselben bleiben, obschon sie sich in wechselnden Formen und Erscheinungen manifestiren. Es ist nur ein unsicherer Erklärungs-Versuch, den wir, im Folgenden, weiterer Prüfung vorlegen wollen. Die Neigung, von dem, was ihm Genuss gewährt, fortzugeben, und sich so eines Eigenen (zum Theil wenigstens) zu entäussern, findet sich seit je, als ein dunkler Hang, in dem Menschen, und macht sich in einander entgegengesetzten Erscheinungen geltend. Die Wohlthat, zu der das Herz drängt, ist nicht bloss Folge des Mitleids für irgend einen bestimmten Leidenden; auch wenn wir keinen kenneten, ja, wenn es keinen gäbe, würden wir nicht allein geniessen mögen, ohne von unserer Fülle mitzutheilen. Weniger noch als S. hmerzliches, vermag der Mensch sein Glück allein zu tragen. schafft seinem Herzen Erleichterung, indem er es zu Andern, durch Worte, oder durch Thaten (Gaben), überströmen lässt. Zu verwandten psychologischen Erscheinungen, die wir hier nicht durchgehen können, gehört z. B., dass das Leben in seinem Vollgefühle am meisten geneigt ist, die Gefahr aufzusuchen, um an derselben gleichsam das Ueberströmende dieser Lebenskraft abzusetzen (den heissen Muth zu

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durch seinen Namen zu bezeichnen", vgl. V. 11. 14. 21. Liegt nun auch hierin wohl ziemlich offenbar die Andeutung, dass das Gesetz nicht eben darauf einen Werth legte, dass der Opferdienst geschah (wiewohl es auch für die nächsten Jahrhunderte die fortbestehende Neigung zu demselben voraussieht), sondern dass er, so lange er in Uebung bliebe, nur in dieser Weise geschehe, damit sich die Gräuel des Götzendienstes nicht in denselben einschleichen, so concentrirt sich auch die Sorgsamkeit des Gesetzgebers auf den Punkt, dass Alles vermieden und aus dem Wege geräumt werde, was ein gottesdienstliches Rituale an mehrern Orten des Landes zugleich herbeiführen könnte. Denn dies musste, selbst wenn monotheistische Priester einen solchen Dienst leiteten, die nothwendige Einheit der Grundsätze allmählig gefährden, so wie auch die einige, strenge Controlle unmöglich machen. Also ein Heiligthum sollte seyn und ein Oberpriester den Dienst in demselben leiten. An keinem andern Orte soll irgend Etwas geschehen oder belassen

,,kühlen“). Zeigt sich hier das Uebermass der Freudigkeit, oder des Lebensgefühles in edlen Gestalten und Regungen, so sehen wir gleich. sam die Kehr- und Schattenseite derselben in der ungemessenen Verschwendungs- und Zerstörungs-Sucht, rohen Aeusserungen (Freima chung) eines wirren und sinnlichen Wohlgefühles. Haben wir schon oben angedeutet, dass die beengende Empfindung des einsamen Glückes sich in Worten, oder auch Thaten, Luft machen will, so wollen wir nur erinnern, dass der Glückliche, wenn er mit Keinem sprechen kann, dennoch sein Glück in Ausrufungen kund giebt, die er nicht unterdrücken kann, obschon sie nicht bestimmt sind, von Jemandem gehört zu werden. Der orientalisch-poetische Parallelismus, der sich selber anredet und antwortet, ist eine schöne Blüthe auf dem Grunde dieses innern Lebens. Es liegt nahe, auch von Gegenständen eines beglückenden Genusses, Etwas mitzutheilen, obgleich Keiner es empfängt. Wenn Menschen, in einem frendigen Drange, das Gefäss zerbrechen, das ihnen beim Genuss gedient, so liegt ein Aehnliches zu Grunde. In einem höhern, gläubigen Gefühle nun, wurde der Laut des vereinsamten Glückes zum Gebete und die Mittheilung von der Genuss es fülle zum Opfer, das nicht nur in Speisen bestand, sondern auch in andern, unverzehrbaren Gaben. Dass die ersten Opfer freudige gewesen, wie mehrere Forscher annehmen, möchte hieraus gleichfalls folgen, wie dies übrigens auch nach biblischen Berichten der Fall war, 1 Mos. 4, 3. 4.

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