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drücklicher Bestimmung 5 Mos, 25, 1-3, auf Entehrung abgesehen seyn sollte 557). Das Moment der beabsichtigten Sühnung des Verbrechens tritt deutlich hervor in der Institution der Schuld- und Sündopfer und in dem eingeführten Minimum einer Strafe (einem Fünftheile über den Werth s. K. 59. §. 2.) bei eigenem Geständnisse 558), wodurch dem Gewissen des Schuldigen, so wie auch dem

557) Die Rabbinen' machen gleichfalls die Idee der Sühnung durch erlittene Strafe geltend, indem sie namentlich auch bei denjenigen Verbrechen, auf welche Ausrottung (als göttliche Strafe) gesetzt ist, ausdrücklich bemerken, dass der Verbrecher durch die dafür eingeführte Züchtigung mit 40 Schlägen sich von den jenseitigen Folgen dieses Verbrechens erlöset fühlen könne (natürlich insofern er dasselbe zugleich bereute), Makkoth III, 15. Darum suchte man auch, vor Vollziehung der Todesstrafe, den Delinquenten zu offnem, reuevollem Bekenntnisse zu bewegen. Sanh. VI, 2. Bemerkenswerth ist die Ansicht d. Rabb. über die Nützlichkeit des Todes, durch welchen der widerspenstige Sohn und der Dieb, der beim Einbruche getödtet wird, gehindert werden, später grössere Verbrechen zu begehen. Von jenem sagen sie: er sterbe lieber früh, bei dem ersten Erwachen sündhafter Begierden, als später, belastet von Schuld. So, heisst es ferner, ist der Tod der Verbrecher ihnen selbst und der Welt nützlich. Sanh. VIII, 5. Gleichwie der Tod also nicht als Infamation, sondern als Sühnung und Erlösung des Hingerichteten angesehen wurde, so war es eine sprechende, das Princip der Versöhnung vertretende Sitte, dass die Verwandten desselben sich bei den Richtern und Zeugen nachher einfanden, um dieselben zn begrüssen und so ihnen zu zeigen, dass sie gegen sie keinen Hass im Herzen hegten, sondern überzeugt seyen, dass dieselben nur ihre Pflicht gethan. Sanh, VI, 6.

558) Bei den in neuerer Zeit eintretenden Gefängnissstrafen für die ersten Vergehen namentlich auch jugendlicher Verbrecher, ist schon vielfach die Bemerkung gemacht worden, dass diese Strafen, anstatt zu bessern, den vielleicht noch Besserungsfähigen eher verstockt machen und, durch die Zusammenkunft mit andern Verbrechern, oft gänzlich verdeiben. Unter diesen Umständen könnte man vielleicht den beiden eigenthümlichen Instituten des Hebräischen Rechtes, der freiwilligen Busse und der, nach Rabbin. Praxis (s. unt. Anm. 560.), dem in Aussicht stehenden Verbrechen vorhergehenden Warnung, einige Aufmerksamkeit zuwenden. Wie wäre es, wenn man namentlich den jugendlichen Verbrecher auch jetzt, beim ersten Male nur ernstlich vermahnte, die Strafe aber ihm erliesse, und wenn man der freiwilligen Rene ein Mittel darböte, die Schuld zu büssen, ohne, nach strenger Gerechtigkeit, eine namentlich entehrende Strafe zu erleiden?

Beraubten für die zeitlang ihm bereitete Entbehrung und Angst, Genüge geschah.

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Denn noch eine Rücksicht ist, 5) bei dem Mosaischen Strafgesetz hervorzuheben, nämlich die Entschädigung des durch das begangene Verbrechen Beeinträchtigten, Ihm besonders kam, was der Verbrecher an Ersatz und Strafgeldern zu geben hatte, zu Gute, was in dem neuern Rechte, wo Vieles durch Gefängnissstrafe, oder durch Strafgelder, die der Staats- Kasse anheimfallen, gebüsst wird, weniger berücksichtiget ist.

§. 5. Das sind also die Motive und Principien der Mosaischen Strafe: Gerechte (nicht ausgesucht grausame, moralisch entwürdigende, oder übertriebene) Bestrafung des Verbrechers, nach dem wirklichen Massstabe seiner Schuld, volle Entschädigung des durch das Verbrechen Beeinträchtigten, Sühnung der Schuld, als einer (bis dahin auf ihr lastenden) Schuld der Gesammtheit, dadurch mittelbar 559) herbeigeführte Abschreckung Anderer, wie zunächst des Verbrechers selbst (wenn es eine andere als die Todesstrafe war) von dem Bösen im Allgemeinen und diesem Verbre

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559) Bekanntlich sind über Begründung und Zwecke des Strafrechts verschiedene Theorieen aufgestellt worden, Michaelis legt auf das Princip der Abschreckung ein besonderes Gewicht (s. dessen Vorrede). Allerdings kann die Abschreckung, wie dies Moses andeutet, sich den Zwecken der Strafe auch anschliessen. Die Erfahrung von den äussern, unangenehmen Folgen des Verbrechens wird dem geistig Unmündigen, der das Gute und Böse, nach ihrem moralischen Gegensatze, noch nicht frei und thatsächlich zu würdigen im Stande ist, vorläufig eine äusserliche heilsame Scheu vor dem letztern einflössen, bis er den, in der Gerechtigkeit begründeten, Zusammenhang zwischendem Anlass und den Folgen, und somit die tiefern Intentionen des betreffenden Gesetzes begreifen lernt (vgl. über den pädagogischen Werth der Abschreckung: Hegel, Philos, des Rechts S. 236.) Aber hierin bietet sich noch nicht der eigentliche allgemeine Zweck, noch weniger die erste Berechtigung der Strafe dar, wie auch bei Moses die Abschreckung offenbar nor als ein Mittelbares und Beiläufiges bezeichnet wird. Unmöglich z. B. kann es gestattet seyn, Einen Menschen zu tödten, um die Andern von dem begangenen Verbrechen abzuschrecken. Aber auch in andern Fällen und bei dem bestraften Individuum selbst findet, unter solchem Gesichtspunkte, nicht sowohl ein Zusammenhang Statt zwischen der Strafe und dem bereits Geschehenen, als viel -mehr das in ihr liegende Uebel in Beziehung gestellt wird zu einem

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chen im Besondern 560), und zu solchem Ende Oeffentlichkeit der Bestrafung, wie der Untersuchung. Dass Gefängniss als Strafe gar nicht vorgeschrieben wird, führt auf die Voraussetzung, dass der Gesetzgeber Wiederholung der Verbrechen im Allgemeinen nicht befürchtet, und die anderweitigen Strafen für ausreichend hält, um die Gesellschaft vor jenen zu schützen. Freilich waren ausserdem

Zukünftigen und nur Möglichen; dies aber kann weder zur Strafe berechtigen, noch auch ihr Mass begründen. Auch die in der vorhergegangenen Androhung, nach Feuerbach, liegen sollende Begründung der Strafe erweiset sich, wie Hegel a. a. O. S. 138. treffend bemerkt, als solche nicht, und enthält vielmehr die Verkennung der menschlichen Freiheit, an welche das Recht, Böses zn verbieten und eventualiter zu bestrafen, zunächst sich wenden muss. Denn allein darin, dass das vom Gesetze Verbotene das wirklich Schlechte, folglich ein Missbrauch menschlicher Freiheit und dem vernünftigen, normativen Verhalten des Menschen und der Gesellschaft zuwider ist, liegt das Recht der Strafe, durch welche jener Zustand zu seiner moralischen Integrität wieder zurückgeführt, oder, wie Moses sich ausdrückt „das Böse", die Negation des Guten, „getilgt“ wird und das allein positive Gute demnach wieder zu seiner vollen Geltung und ungeschmälerten Existenz gelangt. Liegt nun hierin die eigentliche Berechtigung der Strafe, so bietet sich in dem Principe der Wiedervergeltung, das ist in 'der möglichsten Gleichheit von Strafe und Verbrechen, das passende Mass der erstern dar, in welcher die hier auftretende Gerechtig. keit sich bethätigt.

560) Das Rabb. Recht sucht Beides, die möglichste Seltenmachung der Strafe und die Abschreckung vor dem Verbrechen, durch das, diesem Rechte in solcher Ausdehnung ganz eigenthümliche Institut der,,Warnung" mit einander zu erreichen. Die Todesstrafe und die der 40 Geisselhiebe sollen nur dann zur Anwendung kommen, wenn das Verbrechen in Gegenwart von Zeugen begangen wurde, die zuvor den Schuldigen gewarnet, und wenn derselbe die Warnung und die betreffende Todesstrafe ausdrücklich und trotzig über sich genommen, und unmittelbar darauf das Verbrechen ausgeführt hatte. Es verstehet sich von selbst, dass, wo diese vollständigen Bedingungen 'fehlten und die beiden genannten Strafen demgemäss nicht eintreten konnten, gleichwohl eine anderweitige, geeignete Züchtigung in Anwendung Sanh. V, 1. nebst der Gemara 40. bff. Maimonid. Jad hachas. Trakt. Sanh, K. XII. XVIII. §. 5. Von betreffender Bestrafung des Mörders s. noch K. 58. §. 7. Anm. 581.

kam.

die gründlichsten Anstalten durch das Gesetz getroffen, um dem Verbrechen in seinen ersten Keimen zu wehren. Die ursprünglich möglichst gleiche Vertheilung des Eigenthums (K. 12.), die Pflicht, dem in seinem Vermögen Herunterkommenden und dem ganz Armen, er mochte Israelit oder Fremdling seyn, auf jede Weise beizustehen (K, 33.), die milde Behandlung der Knechte, dass Keiner durch Ergreifung dieses Standes sich entehrt, oder zu sehr gedemüthigt sah (K. 101.), dies Alles, so wie die Macht, die der Gesetzgeber, ohne die Freiheit zu beschränken, über die Gewissen zu gewinnen sucht, musste die Zahl jener Menschen, die müssig umherstreifen und von der Gesellschaft, wie von der Möglichkeit sich den Bedarf des Lebens redlich zu verschaffen, ausgestossen → sich vom Raube nähren, in dem Bereiche, wo jenes Gesetz waltete, sehr verringern. 410.

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8. 1. Entschieden wird im Mos. Recht der Grundsatz aufgestellt, dass nur der Schuldige allein, und kein Unschuldiger mit ihm bestraft werden solle 561).,,Nicht sollen getödtet werden die Eltern wegen der Kinder, und die Kinder sollen nicht getödtet werden wegen der Eltern; Jeder für sein eigenes Vergehen sollen sie getödtet werden", 5 Mos. 24, 16,

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Die Befolgung dieses Gesetzes wird, unter wörtlicher Anfülirung desselben, 2 Kön. 14, 5. 6. hervorgehoben, indem Amazias die Mörder seines Vaters, aber nicht ihre Kinder tödtete. Freilich theilen dagegen die Kinder des Naboth, 1 Kön. 21, 1 ff., das Ge

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561) Es war bei den alten Völkern etwas ganz Gewöhnliches, nicht nur die Kinder, sondern auch die Verwandten des Schuldigen mit zu bestrafen, s. betreffende Gesetze der Griechen bei Potter, I. S. 346. II. S. 617. Bei politischen Verbrechen schien dies die Sicherheit des Staates zu fordern. Auch nach dem Preuss. L. R. bleibt es beim Hochverrath dem Staate vorbehalten, auch die Kinder des Hochverräthers, nach Einziehung seines sämmtlichen Vermögens," in beständiger Gefangenschaft zu halten, oder zu verbannen, Thl. II. Tit. 20. §. 95.

schick des Vaters, da man aus 2 Kön. 9, 26. ersieht, dass sie mit sterben mussten; indess wird dies auch hart getadelt, gleichwie die ganze Verurtheilung des Naboth durch die Tyrannei und falsche Anklage, die von der verbrecherischen und dem Baalsdienste ergebenen Isabel ausging, 1 Kön. 21, 7. Ein früherer Fall der hieher gehört ist der, dass mit Achan, Jos, 7., die Mitglieder seines Hauses Man hat sich Mühe gleichfalls zum Richtplatze geführt wurden. gegeben, dies so zu erklären, dass darin keine Uebertretung der Mosaischen Bestimmungen läge, Michaelis meint, die Kinder Achans wären Mitschuldige gewesen, indem sie um das Verbrechen ihres Vaters gewusst. Andere behaupten, sie wären nur mit hingeführt worden, ohne jedoch selbst getödtet zu werden. Dann aber wäre es schwer zu sagen, wozu die Heerden, Zelte und Hausgeräthe mitkamen. Indess sey dem wie ihm wolle, der Grundsatz des Mosaischen Gesetzes selbst steht fest, und das bezeichnete Factum gehört jedenfalls zu dem ausnahmsweisen Verfahren des damaligen, momentanen Kriegsrechts 562).

§. 2. Zwar führt man noch eine andere Stelle an, die man vielfach missverstanden hat, und aus welcher hervorgehen soll, dass die im menschlichen Rechte verbotene Bestrafung der Kinder für die Eltern gleichwohl im göttlichen Rechte als geltend bezeichnet werde. Dies sind die bei dem Verbote des Götzendienstes, 2 Mos. 20, 5., hinzugesetzten Worte:,,Ich der Ewige, dein Gott, bin ein eifervoller Gott, der da ahndet die Sünden der Väter an den Kindern im dritten und vierten Geschlechte, bei denen die mich hassen, und der Gnade thut bis zum tausendsten Geschlechte, denen die mich lieben und meine Gebote beobachten". Indess hier wird doch ausdrücklich gesagt: dass die Kinder, die auch selbst Gott hassten, bestraft und jene, die ihn auch selbst lieben, belohnt werden sollen. Also nur die Guten nicht die Bösen werden belohnt, und so trifft natürlich auch die Strafe nur die selbst Schlechten und nicht die Guten (wenn auch Kinder schlechter Eltern) 563). Veranlassung zu dem Missverstehen dieser Stelle

562) Auch Maimonides.. zu Sanhedr. VI, 2., bezeichnet Josua's Verfahren gegen Achan als ein ausnahmweises, da Niemand zu Folge nur des eigenen Geständnisses, oder der Aussage eines Propheten, zum Tode verurtheilt werde.

563) Den obigen Eingang der ,,zehn Gebote“ dahin erklären, dass die, wenn gleich guten, Nachkommen schlechter Eltern (bis zum

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