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vgl. namentlich 4 Mos. 14, 28 ff., wo der noch in der Wüste zu erwartende Tod aller derjenigen vorausgesagt wird, welche sich bei der Rückkehr der Kundschafter aus Palästina versündigt, von welchen Letztern allein Kaleb und Josua überleben sollen, Ausserdem gehört hieher der Tod Korah's und seiner Genossen, 4 Mos. 16, 28-35., der Tod der Söhne Aharons, so wie Mosis und Aharons selbst, 3 Mos. 10, 1. 2. 4 Mos. 20, 12. 24. 5 Mos. 32, 48 ff,

Kap. 61.

Vollziehung der Strafe. Goël.

§. 1. Für die Vollziehung der Strafen, namentlich der Lebensstrafen, setzt das Mosaische Recht keine bestimmten Personen, wie unsere Scharfrichter und Henker ein, sondern in den meisten Fällen ist es das ganze Volk (die Zeugen des Verbrechens zuerst) das die Todesstrafe vollziehet (K. 58. §. 3.), bei Mord aber der nächste Verwandte des Erschlagenen, Goël 599), dem die Tödtung des Mörders übertragen wird. Man hat die Hebräische hier gebrauchte Benennung: Goël haddam 600) ohne jedes Recht ,,Bluträcher" übersetzt, und dadurch von vorn herein ganz falsche Begriffe in die Beurtheilung dieses Theiles des Mos. Strafrechts gebracht. Denn weder liegt in dem hebräischen Worte etwas von dem Begriff der Rache, oder des Rächers 60), noch von dem Blutdurste, an den man bei „Bluträcher" unwillkührlich denkt. Vielmehr heisst Goël haddam nur der Löser in Betreff des, (an dem Ermordeten vergossenen) Blutes, und ist die Benennung Goël, Löser, selbst ein Denkmal einer der mildesten Einrichtungen des Mos. Gesetzes. Des Goel wird zuerst erwähnt, und der Sinn des Wortes zugleich erklärt bei 3 Mos. 25, 24 ff. Daselbst wird V. 24. geboten, Keiner solle seinen Landbesitz für immer verkaufen, sondern eine Auslösung", Geülah 602) solle man gestatten dem Lande (K. 13. §. 3.).

גאֵל הַדָּם (600 גאל (599

601) Es ist zu bemerken, dass der Ausdruck, den Tod rächen nur einmal, und zwar in Bezug auf den tödtlich gemisshandelten Sklaven, 2 Mos. 21, 20., vorkommt.

גאלה (602

Dies wird im unmittelbar darauf folgenden V. 25. so erklärt: Wenn dein Bruder herunterkommt und von seinem Eigenthume verkauft, so soll kommen sein Löser, Goël, der ihm zunächst Verwandte, und auslösen, was sein Bruder verkaufte". Man sieht hier also wer,,Löser" genannt wird, und warum er so hiess. Als eine zweite Pflicht der Lösung, Geülah, fiel dem Nächstverwandten die Auslösung Dessen zu, der sich aus Armuth als Knecht vermiethet hatte, 3 Mos. 25, 48. 49. (K. 14.). Eine dritte Pflicht war, die Gattinn des kinderlos Gestorbenen zu heirathen, um dessen Namen durch einen zu erhoffenden Sohn zu erhalten. Diese Pflicht hatte zunächst, wie im vorigen Falle, der Bruder des Verstorbenen, aber nach ihm auch irgend ein Anderer der Verwandten, welcher, Ruth 3, 9., in dieser Beziehung gleichfalls Goël, sonst Jabam (leoir) heisst. Viertens hatte der Goël, Löser, das Recht und die Pflicht, das von Jemandem veruntreuete Eigenthum eines seitdem Verstorbenen, als dessen nächster Verwandter, wenn der Veruntreuer es reuig zurückgab, in Empfang zu nehmen, 4 Mos. 5, 8. Wiewohl der Begriff der Lösung in diesem Falle eigentlich keine Anwendung findet, so wird doch die von seinen wesentlichsten Pflichten hergenommene Benennung des nächsten Verwandten auch hier beibehalten, als welche mit der eigentlichen Basis der Israelitisch - bürgerlichen Verhältnisse, dem Grundbesitz, nahe zusammenhängt. Eine fünfte Pflicht endlich dieses Goël, Lösers (LXX. stets: dyzorever) war, dem von den Richtern, als solcher, verurtheilten Mörder im Namen des Rechts den Tod zu geben. Er heisst in dieser Beziehung: Goël haddam, Löser (in Betreff) des Blutes (ayyutevwr tò aina, LXX.) 603), d. i. derjenige Verwandte, der in jenen andern Fällen die Lösung der Person und des Ei

"

603) Goël haddam, , ist also nicht als eigentlicher Genetiv anfzufassen. - Michaelf's, der in seinen etymologischen Erklärungen . Ableitungen aus dem Arabischen nicht eben sehr glücklich ist, führt den Arabischen Namen (des in gleicher Weise auftretenden Verwandten) an, der dem Hebräischen Scheer, N, naher (Bluts.) Verwandter, entspricht, übersetzt aber, anstatt an diese ganz natürliche Uebereinstimmung zu denken, das Arab. Wort durch:,,der Uebrigbleibende", nachdem nämlich der Andere ermordet ist! Noch wunderlicher ist die Idee, statt Goël lieber, mit willkührlicher Hintansetzung der recipirten Anssprache u. Punktation, Gaül zu lesen, um auf diese Weise die Bedeutung: „der Befleckte" (nämlich von dem an seinem Verwandten vergossenen

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genthumes und, im Zusammenhange mit jenen Pflichten (und auch Rechten), hier die Rechtsvertretung in Rücksicht des, nicht etwa von ihm zu vergiessenden, sondern vergossenen Blutes hat, denn er wird auch dort so genannt, wo kein Mord, sondern ein unabsichtlicher Todtschlag vorliegt, also dem Todtschläger das Leben gesichert bleiben soll, 4 Mos. 35, 24. 5 Mos. 19, 6.

§. 2. Von dieser Art und Weise, das Todesurtheil vollziehen zu lassen, unterscheiden sich im Allgemeinen unsere neuere Einrichtungen wesentlich, indem bei den Gerichten bestimmte Personen angestellt sind, die die Hinrichtungen übernehmen. Doch ist Solches auch bei uns nicht durchgreifend, denn bei dem Militair wird der Delinquent nicht durch den Scharfrichter, sondern durch eine Anzahl dazu commandirter Soldaten erschossen, welches also mit der Hebräischen Steinigung durch das ganze Volk, wofür auch Erschiessen mit Pfeilen, 2 Mos. 19, 10-13., gewissermassen eine Parallele bildet. Bei der Bestrafung der Mordthat durch den nächsten Verwandten, in einem Lande, in welchem Jeder vom 20ten Jahre an zum Kriegsdienste verpflichtet war und Waffen zu gebrauchen verstand (K. 34.), liegt vielleicht, zumal wenn wir uns in die einfachen Verhältnisse und Denkweisen der damaligen Zeit versetzen, etwas Natürlicheres, als in der Tödtung durch kalte, bei der Sache nicht weiter betheiligte Henker. Dort trat, in der Theilnahme des Goël für den Gemordeten, ein sittliches Moment hinzu, und gewiss hatte diese Art der Tödtung weniger Entehrendes für die Verwandten des Mörders, als gewöhnlich die Hinrichtung auf dem Schafot zu haben pflegt. Auch dem Gefühle der Rache nahm es wohl eben seine Schärfe, dass der Goël unter dem Schutze und auf Anweisung des Gesetzes handelte und sein Recht von dem

Blute) zu erhalten, eine Benennung, die eher auf den Mörder selbst passte. Nichts kann sicherer seyn, als die Bedeutung von Goël, dem regelmässigen Participium von Gaal,, lösen, auslösen, auch wenn der Text nicht, wie es geschieht, diese etymologische Erklärung selbst andeutete. Und wenn man namentlich den untermischten Gebrauch des Zeitwortes mit der Benennung, z. B. 3 Mos. 25, 48 f. Ruth 3, 12. 13., vor sich sieht, so kann es doch nicht anders denn als eine Paradoxie erscheinen, Beide in verschiedenem Sinne nehmen, oder gar bei ihnen verschiedene Etymologieen voraussetzen zu wollen, vgl. K. 107.

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Mörder selbst anerkannt war 604), also nicht die Aufregung geheimer, gefahrvoller Selbsthülfe hinzutrat. War also der Gesetzgeber sicher, dass das Recht von Seiten des Goël nicht zu unnützen Grausamkeiten gemissbraucht würde, wofür vielleicht auch die Richter sorgen konnten, hatte er, durch Einrichtung der Freistädte Anstalt getroffen, den Todtschläger so lange zu schützen, bis der absichtliche Mord vor den Richtern bewiesen war, 4 Mos. 35, 12. 24. 25., so hatte diese Art der Vollziehung des Todesurtheils, obschon natürlich für unsere Zeit unanwendbar, für jene doch mancherlei Vorzüge.

§. 3. Zuweilen aber mochten auch Gerichtsdiener (Schoterim, K. 5. §. 2.), gleichwie die vor den Augen des Richters zu ertheilenden Leibesstrafen 605), 5 Mos. 25, 2., so auch die Todesstrafe vollziehen, wo sie nämlich weder dem Goël, noch den ganzen Volke überlassen werden konnte (als z. B. 4 Mos. 25, 5. wo die Richter die Todesurtheile vollziehen lassen sollen), auch sonst das dabei Nöthige, z. B. die Hinausführung des Verbrechers besorgen 606). Späterhin vollzogen mitunter die obersten Heeres

604) So sagt Abner zu Asael, dem Bruder Joabs, da Asael ihn, in einem Scharmützel zwischen Davids und Sauls Anhängern, verfolgt und hinter ihm nicht weichen will:,,weiche von mir! warum soll ich dich niederhauen, wie könnt ich dann mein Angesicht emporheben vor deinem Bruder Joab! 2 Sam. 2, 22.

605) Nach dem R. d. Mischn. werden diese von dem Gemein. dediener, Chasan, non, vollzogen, Makk. III, 12.

606) Die Richter selbst folgten, nach Rabb. Best., nicht zur Richtstätte, blieben aber versammelt, um bis zum Augenblicke der Hinrichtung Angaben zu Gunsten des Verurtheilten, von ihm oder Andern, entgegen zu nehmen, Sanh. VI, 1. Maimonid. Jad chasak. Sanh. K. XIII, §. 4. S. ob. K. 58. Anm. 580. An Sabbath- und Festtagen, fand keine Gerichtssitzung und keine Verurtheilung Statt, Bezah V, 2. Sanh. IV, 1. 35, a. Allerdings soll ein der Insubordination schuldiger Richter zur Festzeit hingerichtet werden, damit,,Alles Volk es höre" n. s. w. 5 Mos. 17, 13., aber doch nicht am Festtage selbst, sondern etwa während der Zwischenfeiertage, oder kurz vor und nach dem Feste, da alles Volk versammelt war, Sanh. XI, 4. Wenn daher von Seiten des Sanhedrin Anstand genommen wird, die Verurtheilung Christi auf das Fest treffen zu lassen, um die grosse anwesende Volks. menge nicht aufzuregen, Matth. 26, 5., so wird auch nicht eben der

anführer die Todesurtheile, z. B. Benajah an Joab, 1 Kön. 2, 29–34., sowie der Priester Pinehas nicht Anstand nimmt, die Schuldigen mit einem Speere zu durchbohren, 4 Mos. 25, 7. 8 607). Bei dem Vergehen durch Anfertigung einer goldenen Apisstatue wird, zur Dämpfung des Aufruhrs und zur Tödtung derjenigen Schuldigen, die sich nicht gutwillig fügten, der ganze Stamm Levi aufgeboten, die Waffen zu ergreifen, 2 Mos. 32, 27 ff.

Ob Crethi und Plethi in späterer Zeit, als Leibwache, ordentlich das Geschäft der Scharfrichter hatten, ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln 608).

Festtag selbst gemeint, sondern diejenigen Tage vor und nach dem Feste, an welchen die Hinrichtung geschehen durfte. Da nun aber vor dem Eintritte des letzten Festtages die Meisten wohl schon fortgereist waren, 5 Mos. 16, 7., so war an dessen Vorabende zu jener Besorgniss keine Veranlassung mehr (s. K. 49. Anm. 527.).

607) Bei einigen Verbrechen, nämlich bei der Entwendung eines Tempelgefässes (Sacrilegium), bei gewisser götzendienstlicher Gotteslästerung und bei öffentlicher Unzucht mit einer Götzendienerinn, erklärt das R. d. M. diejenigen, welche für das Gesetz eifernd den Verbrecher getödtet haben, als gerechtfertigt. Im letztern Falle muss es aber, gleichwie in dem vom Pinehas gegebenen Beispiele, im Augenblicke der That selbst geschehen, Geschah es erst nachher, oder wurde das Verbrechen nicht öffentlich verübt, oder war es keine Götzendienerin, so ist der Eiferer als Mörder zu betrachten. Gegentheils auch, wenn alle jene Bedingungen eintrafen, der Verbrecher aber sich gegen den Eiferer gewehrt und ihn getödtet hat, so bleibt der erstere straflos. Das Gericht hat sich Beiden gegenüber, bis zu den angedenteten Grenzen, vollkommen passiv zu verhalten. Die eigentliche Strafe für das letztere Verbrechen ist Ausrottung, zwar nicht nach Andeutung der Bücher Mosis, aber wohl nach Maleachi 2, 11 f., Sanh. IX, b. vgl. mit Gemar. 81, b ff. u. Comment. Eine ähnliche Gerechtsame wird in Bezug auf einen solchen Priester angedeutet, der den heiligen Dienst verrichtet, ohne rein gewesen, oder die sonstigen Bestimmungen für Anstand u. s. w. beachtet zu haben. Ebend.

608) Die gewöhnliche Angabe, dass die Crethi und Plethi die Lebensstrafen zu vollziehen hatten, gründet sich auf den einzigen Umstand, dass Salomo die von ihm beschlossene Tödtung des Adonijah und des Joab dem Benajah auftrug, 1 Kön. 2, 25. 29-34., und dass dieser (von David), nach 1 Sam. 8, 18. 20, 23., „über die Crethi und über die Plethi' gesetzt war, welches Umstandes bei jenem Auftrage

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