der Propheten (K. 10.) gegenüber stehet, um so mehr musste dafür gesorgt werden, dasselbe rein zu erhalten und die Grenzen zwischen Beiden scharf zu zeichnen. Dies ist der Zweck folgender Gesetze. Wenn da aufstehet in deiner Mitte ein Prophet oder Einer, der Träume hat, und er giebt dir ein Zeichen oder Wunder, und es trifft ein das Zeichen oder das Wunder, von dem er zu dir geredet hat, sprechend: wir wollen nachgehen fremden Göttern, die ihr nicht kennet, und ihnen dienen; da sollst du nicht hören auf die Worte jenes Propheten oder auf jenen Träumer, denn es prüft euch der Ewige, euer Gott, um zu erkennen, ob ihr ihn liebet mit ganzem Herzen und ganzer Seele. Jener Prophet aber, oder jener Träumer soll getödtet werden, denn er hat Abfall geredet wider den Ewigen, euren Gott. So tilge das Böse aus deiner Mitte" 5 Mos. 13, 2-6. Nach dem Gesetze, dass man auf den von Gott gesendeten Propheten hören soll, 5 Mos. 18, 19. (Kap. 10. §. 1.) fährt der Text also fort: ,,Jedoch der Prophet, welcher frevelhaft redet ein Wort in meinem Namen, das Ich ihm nicht befohlen zu reden, oder der da redet im Namen fremder Götter, ein solcher Prophet soll sterben. Wenn du aber sprechen möchtest in deinem Herzen: wie sollen wir erkennen das Wort, welches der Ewige nicht geredet? Was da redet der Prophet im Namen des Ewigen, und die Sache ist nicht und trifft nicht ein, da ist es ein Solches, was der Ewige nicht geredet, frevelhaft hat es der Prophet geredet, so fürchte dich vor ihm nicht." 5 Mos 18, 20—22. §. 2. Zwei Fälle werden in beiden vorstehenden Gesetzen von einander unterschieden. Das letzte spricht von einem falschen Propheten im eigentlichsten Sinne, der in seiner Seele nichts wirklich Prophetenhaftes erfahren hat, sondern dies nur lügnerisch, indem, er zugleich einen Frevel gegen Gott begehet, vorgiebt. Dieser tritt nun entweder auf im Namen eines fremden Gottes und bekundet so auf das Einfachste die Falschheit seines prophetischen Berufes, oder er tritt in dem Namen des wahren Gottes auf, und giebt vor, Befehle von ihm erhalten zu haben, indem er zum Zeichen seiner göttlichen Sendung irgend Etwas ankündet, was eintreffen soll. Hier muss nun ein besonderes Criterium gegeben werden, um ihn als falschen Propheten zu erkennen, und dies ist, wenn das von ihm Angekündigte nicht eintrifft. §. 3. Gegentheils scheint das erste Gesetz, 5 Mos, 13., uns einen Selbstgetäuschten vorzuführen, welcher sich in der That in einer, der prophetischen ähnlichen Ekstase befindet und in dieser wunderbare Dinge vollbringt, wie man wohl einen grossen Theil der heidnischen Priester und Propheten zu der Klasse dieser Selbstgetäuschten rechnen kann und es ein Verkennen aller damaligen Zustände verriethe, wenn man annehmen sollte, dass jene von der Unwahrheit ihrer religiösen Lehre und dem verbrecherischen ihres Fanatismus überzeugt gewesen wären 643). Einen merkwürdigen Beleg hierzu bieten die Baals-Priester auf dem Carmel dar, von deren Irrigkeit Elias das Volk überzeugt. Ihr ganzes Benehmen, indem sie den Tag über den Baal anrufen, sich Einschnitte in ihren Körper machen, dass reichlich Blut von ihnen fliesset, zeigt offenbar, dass sie an eine Möglichkeit ihrer Erhörung durch Baal und folglich an ihn selber glaubten, 1 Kön. 18, 26–29. Diejenigen also, welche den Aberglauben lehrten, waren gewiss, oft selbst von ihm beherrscht, und somit ,,betrogene Betrüger“. Natürlich sind auch diese zu den falschen Propheten zu rechnen, insofern nämlich, dass die Tendenz ihrer vermeintlichen ́ prophetischen Eingebung eine falsche, d. i. den einmal feststehenden Grundgedanken der Erkenntniss und der Religion widersprechend ist. Um nun vor solchen Täuschungen zu bewahren, wird hier der wichtige Gedanke ausgesprochen, dass Wunder selbst keine sichere Beglaubigung eines angeblich prophetischen. Ausspruchs seyen, und dass sie Niemanden veranlassen dürften, der einmal feststehenden Ueberzeugung untreu zu werden 644). Sie konnten somit, wenn sie auch täuschend vor den Augen des Volkes geschehen waren, Denjenigen, der durch sie falsche Lehren begründen wollte, vor der Strafe nicht schützen. Ist nun die Meinung unserer Stelle in der That, dass der auftretende falsche Prophet sich in einer Selbsttäuschung befinde, so könnte es vielleicht auffallen, dass seine Strafe so hart ist. Aber seiner gegenwärtigen Verirrung liegt ein früheres bestimmtes Verbrechen, nämlich der Abfall von dem wahren Gotte, zu Grunde. Welche Täuschungen auch in seiner Seele vorgingen, welche ausserordentliche Mittel, diese Täuschung sich und Andern glaublicher zu machen, ihm auch zu Gebote standen, er sollte, in dem Grundgedanken einer wahrhaften religiösen Anschauung gegen sich selber 643) Auch Hüllmann, a, a. O. S. 197., erkennt dies an. 644) Auch die spätern Israelitischen Gesetzes-Lehrer erkennen diese Wahrheit auf eine bemerkenswerthe Weise an, Bab. mez. 59, b S. K, 1. Note 16. misstrauisch seyn. Ward er das nicht, trat er mit der Lehre seines Abfalles öffentlich auf, wurde dieser zu einer erweislichen, verbrecherischen und schädlichen Thatsache, so verwirkte er die Strafe der Verführung zur Abgötterei 645). Kap. 71. Mord. Todtschlag. Schutzstädte. §. 1. Das Verbot des Mordes, sammt der Andeutung seiner Strafe, kommt bereits in einer sehr frühen Stelle der Bücher Mosis vor, welche auch darum äusserst wichtig ist, weil sie zugleich, von dem moralichen Standpunkte aus, das Urtheil über das Ausserordentliche dieses Verbrechens, so wie die Berechtigung seiner Strafe andeutet. Nach dem Verbote, Fleisch sammt dem Blute zu essen, weil das letztere das Element des thierischen Lebens sey, 1 Mos. 9, 4., heisst es:,,Jedoch euer Blut, woran euer Leben, Nephesch (s. d. sprachl. Bem.), werde ich fordern, von jedem Thiere werde ich es fordern, und von der Hand des Menschen, von der Hand des Einen gegen seinen Bruder, werde ich fordern das Leben des Menschen. Wer da vergiesset das Blut des Menschen, durch Menschen werde sein Blut vergossen; denn im Bilde Gottes schuf er den Menschen." 1 Mos, 9, 5, 6. Thiere also darf man tödten, doch soll man in ihrem Blute gleichsam das eigentliche Lebens - Princip achten und es nicht mit geniessen (s. K. 29. §. 3.). Im Menschen aber ist noch etwas Höheres zu achten, als dieses thierische Lebens - Princip, nämlich das Ebenbild Gottes, das er in sich trägt, das der Mörder mit 645) Unter dem des Todes schuldigen, falschen Propheten verstehen die Rabb. nicht allein denjenigen, welcher weissagt, ohne irgend etwas vernommen zu haben (nach 5 Mos. 18, 22.), sondern auch (nach 18, 20.) denjenigen der als eigene Weissagung ausgiebt, was nicht ihm, sondern einem andern Propheten aufgetragen worden, Sanh. XI (X), 5. Wer im Namen einer falschen Gottheit prophezeiet, ist auch dann strafbar, wenn der Inhalt seiner Rede das gesetzlich Gestattete oder Verbotene bestätigt. Ebendas. 6. Die Execution erfolgt nach d. R. d. M., sowohl bei dem falschen Propheten als dem Propheten der Abgötterei, durch den Strang. Sanh. XI (X), 1. (vgl. Anm. 580.) seinem Schlachtopfer gemein hat, und welches Jener somit, wie an dem letztern, so an sich selbst ruchlos entweihet. Er hat sich also auf solche Weise gleichsam selbst entmenscht und die menschliche Gesellschaft hat das Recht, ihn aus ihrer Mitte auszustossen, nach einem Gesetze, welches ja auch zu Gunsten des Mörders gegeben ist 646). Dies ungefähr ist der Sinn des letzten bedeutungsvollen Zusatzes. §. 2. In den zehn Geboten“ 2 Mos. 20, 13. 5 Mos, 5, 17. wird nun vor dem Morde gewarnt, jedoch ohne Zusatz der rechtlichen Strafbestimmung, wie dies dem feierlichen, Tone der daselbst vorgetragenen Warnungen gemäss ist. Sodann aber wird, in der weitern Ausführung des eigentlichen Rechts, die Todesstrafe für absichtliche Tödtung wiederholentlich festgestellt, aber auch die genaue Constatirung dieses Verbrechens gefordert, unvorsätzlicher und zufälliger Todtschlag von jener genau unterschieden und derjenige, der so unglücklich war, letztern zu begehen, von der Gerechtigkeit in Schutz genommen, wenngleich auch nicht ganz straflos gelassen. Eine besondere Veranstaltung für das Letztere war nöthig, weil die Bestrafung des Mörders dem nächsten Ver 646) Ce qui fait que la mort d'un criminel, est une chose licite, c'est que la Loi qui le punit a été fait en sa faveur. Un meurtrier, par exemple a joui de la Loi qui le condamne; elle lui a conservé la vie à tous les instans: il ne peut donc pas reclamer contr'elle. Montesquieu, Esprit des Loix XV, 2. Man hat in neuerer Zeit vielfach auf Abschaffung der Todesstrafe angetragen. Unstreitig ist die Nothwendigkeit der letzteren ein sehr schmerzliches Uebel. Doch dürfte es schwer seyn, bei dem Morde etwas Entsprechendes an die Stelle dieser Strafe zu setzen, zumal wenn man von dem Gesichtspunkte ausgeht, dass das Gesetz, wie oben (K. 58.) angedeutet worden, zugleich ein moralisches Urtheil des Gesetzgebers und der Gesellschaft über das Verabscheuungswürdige des Verbrechens enthalte, und dass nur im letztern selbst das Mass und die Art einer gerechten Strafe zu finden sey, vgl. Hegel ob. bei K. 57. Note 556. Am wenigsten möchte wohl ein neuerdings gemachter Vorschlag Genehmigung finden, den Verbrecher durch Blendung unschädlich zu machen. Das richtigste scheinen noch die Eskimo's getroffen zu haben, wenn sie den Mörder (den zu tödten, sie als Mord betrachten) durch Einsamkeit strafen. Fortgesetzte Einsamkeit aber, wenn man nicht etwa von dem Grundsatze ausginge, den Verbrecher nach bethätigter Reue, deren Nachhaltigkeit aber Niemand verbürgen kann, wieder in wandten des Gemordeten, dem Goel, Löser 647), oblag, der von dem Schmerze um den Getödteten sich hinreissen lassen konnte, den unschuldigen Todtschläger zu erschlagen (5 Mos. 19, 6.). Wer einen Menschen schlägt, so dass er stirbt, der soll getödtet werden, 2 Mos. 21, 12. vgl. 3 Mos. 24, 17. 21. Wer nicht darauf ausging, sondern nur zufällig den Andern tödtete, der soll nach einem dazu (im Weitern) zu bestimmenden Orte fliehen können, 2 Mos. 21, 13. Wenn aber Jemand in Bezug auf seinen Nächsten eigentlich darauf sinnet 648), ihn zu tödten mit Hinterlist, von dem Altare soll ein solcher weggenommen werden, um zu sterben, V. 14. 649). die Gesellschaft aufzunehmen, pflegte zum Wahnsinn zu führen. So könnte man denn vielleicht eher den Mörder als das, was er auch ist, als einen Wahnsinnigen betrachten und behandlen. Doch überall in diesen Fällen bleibt demselben die Hoffnung des Entkommens, des möglichen Befreiet werdens durch irgend welche eintretende Umstände. Auch liegt in diesem Schalten mit dem Körper oder dem Verstande des Menschen eine grosse Willkührlichkeit und die, wie einerseits die Sicherheit der menschlichen Gesellschaft, so anderseits auch wohl das Gefühl aufrichtiger Reue in dem Verbrecher ausschliesst, das demselben oft nicht fehlt, wenn er sich zum Tode vorbereitet, den er als verschuldet anerkennt und der ihn von dem Bilde und der Last seines Verbrechens befreiet. Bis sich demnach irgend eine geeignetere Auskunft darbietet, werden wohl die Gesetzgeber die Todesstrafe für Mord theoretisch beibehalten, von der es jedoch kaum gesagt werden darf, dass ihre factische Anwendung, wie dies auch die He bräischen Gesetzlehrer anerkannten (s. ob. K. 58. Note 572.) nur in den dringendsten und erwiesensten Fällen Statt haben darf. 647) Ueber die unrichtige Uebersetzung des Wortes durch ,,Bluträcher" s. ob. K. 61. 648), sud ist eigentlich: einen frevelhaften Vorsatz zur Reife bringen, gleichsam im Innern går süden. 649) Ein Beispiel des Wegholens eines dem Tode Geweiheten vom Altare findet sich 1 Kön. 2, 28-31., obschon unter eigentlich nicht hieher gehörigen Umständen. Der Altar mochte namentlich in der Wüste als Asyl betrachtet werden. Die Aufhebung dieser Art von Asylen musste zugleich dem bei den andern alten Völkern vorkommenden Uebelstande wehren, dass an heiligen Orten sich Verbrecher anhäuften, deren Menge mitunter schwer in Ordnung zu halten war, Tacitus, Annal. H. Montesqieu Esprit d. L. 25, 3. Die |