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Stiess nun aber der Ochse einen (heidnischen) Knecht, oder eine Magd, so bestimmt das Gesetz selbst gleich die Summe der Entschädigung 676), nämlich den gewöhnlichen Werth eines Knechtes, durch dessen Ersatz an den Herrn des Getödteten, so wie durch den, für alle diese Fälle gleichmässig geforderten, Verlust des Thieres der Fahrlässige bestraft wurde. Von einem eigentlichen Lösegelde, im frühern Sinne (V. 30. 31.), konnte hier keine Rede seyn, da für den Herrn des Sklaven nur der Verlust, nicht aber der Schmerz um den Tod eines Verwandten, als dessen Goël er aufzutreten hätte, zu berücksichtigen war. Hier musste also die Entschädigung (statt der Lebensstrafe) genügen.

Um die Gefährdung eines menschlichen Lebens in seiner ganzen Sündhaftigkeit zu zeigen, wird in vorgehenden Gesetzen, ausser der rechtlichen Bestrafung des unvorsichtigen Menschen, auch noch die Tödtung des unwissenden Thieres selbst angeordnet 617), und der Gebrauch und Genuss desselben verboten. Dies steht im Einklange mit 1 Mos. 9, 5. (K. 71. §. 1.), wo von der Ahndung des vergossenen Menschenblutes selbst an Thieren die Rede ist 678).

§. 3. Eine andere Art von Fahrlässigkeit wird 5 Mos. 22, 8. bezeichnet, in dem Gesetze, um das Dach eines neu gebaueten Hauses ein Geländer zu machen (s. K. 21. S. 214.), mit dem Zusatze,,bringe nicht Blutschuld auf dein Haus, wenn Jemand von

676) Die entsprechenden Bestt. der Mischnah s. Erachin III, 3.

677) Auch nach Zend. Av. Vend. F. XIII, soll das Thier, wel. ches Schaden thut, bestraft werden, so wie auch nach einem Gesetze Drakons (Potter 1. 8. 363.) selbst leblose Dinge, die ein Werkzeug zum Morde waren, aus dem Attischen Gebiet geschafft werden mussten, vgl. Michaelis VI. §. 274.

678) Auch nach Rabb. R. muss der Ochse, der einen Menschen todt gestossen hat, getödtet werden. War die Verwarnung vorhergegangen (indem der Ochse z. B. drei Thiere bereits getödtet hatte) so muss dessen Herr auch noch das Lösegeld zahlen, bei Tödtung eines Knechtes oder einer Magd, ohne Rücksicht auf ihren Werth, 30 Silberstücke (Schekel) Bab. q. IV, 5. vgl. II, 4. Der Ochse gilt hier nur als Beispiel und das Gesetz findet auch auf jedes andere Thier Anwendung. So wird Eduj. VI, 1. von der Steinigung eines Hahnes, der einen Menschen getödtet hatte, berichtet. Vgl. Bab. q. V. 7. Sanh, 1, 4. Genuss eines Thieres das gesteinigt werden soll, hat die Strafe von 40 Geisselhieben zur Folge Maimonid, Tr. Sanh. K. XIX.

demselben herabfiele", Eine bestimmte Strafe wird hier nicht hinzugefügt, wahrscheinlich weil der Gesetzgeber voraussah, dass ein Jeder ohnedies eine Gefahr beseitigen würde, die zunächst die Kinder seines Hauses traf, Dass, wenn ein fremder Erwachsener von dem Dache herunterfiel, Lebensstrafe, oder selbst ein dieser entsprechendes 1.ösegeld eintrat, lässt sich wohl nicht annehmen, weil ein Jeder diese Gefahr durch eigne Vorsicht vermeiden konnte (was z. B. bei einem stössigen Thiere nicht der Fall war). Doch ruhete immer auf dem Hause moralische Blutschu'd 679).

Kap. 74.

Sühnung eines Mordes, dessen Thäter unbekannt. §. 1. Eine besondere Feierlichkeit wird für den Fall angeordnet, dass man auf dem Felde einen Erschlagenen gefunden hätte, ohne Es sollen dann die dem Thäter auf die Spur kommen zu können. Obrigkeiten (der zunächst umliegenden Orte) ausgehen 680) und von der Stelle, auf welcher man die Leiche fand, die Entfernung zu den Ortschaften umher messen. Die Aeltesten desjenigen Ortes nun, welcher als der zunächst liegende befunden wird, sollen eine junge Kuh nehmen, die noch zu keinerlei Arbeit gebraucht worden, mit derselben zu einem immer durchströmten Wasserthale (Na

679) Merkwürdiger Weise fehlt die, dem Obigen entsprechende, Warnung einer Menschen drohenden Gefahr bei dem Offenlassen von Gruben, 2 Mos. 21, 33. 34. (s. K. 112.), wobei nur die Strafe für ein dadurch beschädigtes Thier festgestellt wird. Dass dergleichen als auch für Menschen sehr gefährlich angesehen wurde und häufige Unfälle erzeugte, ersiehet man aus vielen darauf anspielenden Stellen als: Ps. 7, 16. 119, 85. Spr. 26, 27. 28, 10. Hiob 6, 27., vgl. Ps. 119, 85., wo ausdrücklich bemerkt wird, dass es gegen das Gesetz sey. Ob Indess eine Strafe, und welche darauf erfolgte, wenn Jemand durch eine solche Unvorsichtigkeit Schaden nahm, wodurch der Schuldige eben so wie beim uneingefassten Dache Blutschuld auf sich lud, lässt sich nicht bestimmen, da das Gesetz darüber gänzlich schweigt. Nach Rabb. R. ist, wenn in die offen gelassene Grube ein Mensch, sey es auch ein Kind fiel, der Eigenthümer, da von diesem Falle das Gesetz nicht spricht, nicht strafbar, da auch ein Kind sich in Acht nehmen konnte. Bab. q. V, 6, (vgl. noch ob. Anm. 672.).

680) Eine, aus Fünfen bestehende, Deputation von dem hohen Gerichtsamte in Jerusalem wurde, nach Sotah IX, 1., hierzu abgesandt.

chal ethan) hinuntergehen, dessen Bette niemals besäet und zu Feldarbeit benutzt werden kann. Daselbst sollen sie der Kuh das Genick brechen, in Gegenwart der Priester über derselben im Bache die Hände waschen und sprechen: „Unsere Hände haben nicht vergossen dieses Blut, und unsere Augen haben nicht gesehen“, worauf noch das Gebet folgt: „Sühne dein Volk Israel, lass nicht unschuldiges Blut haften in seiner Mitte, und die Blutschuld an ihnen gesühnet seyn". 5 Mos. 21, 1–9.

In Hinsicht des zu wählenden Wasserthales, muss man sich erinnern, dass es in jenen Gegenden viele Thäler giebt, in welchen nur zu manchen Zeiten des Jahres Wasser fliesset, welches aber in der heissen Jahreszeit austrocknet, so dass dann diese Thäler zu Saatfeldern oder auch sonst, wie z. B. das Bette des Seees Merom als Jagdrevier, benutzt werden. Die Wahl eines immerfliessenden Baches 681) ist hier offenbar symbolisch, dass die Blutschuld durch denselben auf das Sicherste hinweggespület werde.

§. 2. Die Aeltesten in der zunächst liegenden Ortschaft waren zu dieser Sühne besonders veranlasst, weil die Stelle, an weicher die That muthmasslich geschehen, in ihrem Aufsichtskreise lag, ihnen also zunächst die Pflicht oblag, den Thäter auszumitteln. Daher sprechen sie auch in der Sühneformel:,,unsere Augen haben nicht gesehen" d. h. es ist uns nicht kund geworden, wer das Verbrechen begangen, und, unsere Hände haben das Blut nicht vergossen". Sie wollten mit Letzterm wohl nicht sagen, dass unter ihnen selbst nicht der Mörder sey, denn auf den Personen der Richter und Aeltesten ruhete kein Verdacht, auch nicht dass Keiner ihrer Gemeinde das Blut vergossen, denn mit welcher Ueberzeugung konnten sie wohl Solches behaupten? Sondern es war nur eine Formel, um die allgemeine Blutschuld von sich abzuwälzen, die denen vorzüglich zur Last fiel, welche die Pflicht hatten, durch strenge Gerechtigkeits-Pflege und Aufsicht solche Frevel zu verhüten 682).,,Unschuldig Blut" also im folgenden V. 8. heisst so viel als: Blut des schuldlos Gemordeten, vgl. K. 55, S. 441.

681) Nach den Rabbinen heisst ethan, ¡N, hart, d. i. steinigt. Sotah. IX, 5.

682) Auch nach den Rabbinen deutet das, was die Aeltesten des nächstgelegenen Ortes sprechen, nur darauf hin, dass sie in ihrer Amtspflicht nicht lässig gewesen, Sotah IX. 6.

Findet sich der Mörder nach vollbrachter Entsühnung, so erleidet er natürlich nichts desto weniger seine Strafe, Sotah IX, 7.

Kap. 75.

Eltern- und Kindermord. Selbstmord.

§. 1. Die besondere Erwähnung dieser Verbrechen kommt im Mos. Rechte nicht vor. Die erstern waren auch wohl im Volke unerhört 683). Rechte über Leben und Tod der Kinder, wie bei den Römern, hatten hier die Eltern nicht. Bei gegründeten Klagen über die Zügellosigkeit jener mussten sie, wenn sie den Tod der Widersetzlichen und Unverbesserlichen forderten, sich an die Obrigkeit wenden, und zwar nachdem sie jedes sonstige Mittel der Besserung und jede ihnen erlaubte Züchtigung versucht hatten. Hier konnte erst das Todesurtheil gefällt werden, welches dann von Seiten aller Einwohner der Stadt, durch Steinigung, vollzogen ward, 5 Mos. 21, 18—21. (K. 85.). Von einer Art des abscheulichsten Kindermordes im Heidenthume und den strengen Massregeln zu dessen Verhütung s. K. 66, 684).

§. 2. Fälle von Selbstmord kommen in den kanon. Büchern des A. T. zwei vor, nämlich bei Saul, in so fern er sich, aus

683) Dies ersparte dem Gesetzgeber die Androhung jener ausserordentlichen Strafen, wie sie z. B. das Aegyptische Gesetz, Diod. 1, 77., vorschrieb, dass Kinder, welche einen Eltern-Mord begangen, auf Dornen lebendig verbrannt, vorher aber ihnen Stücke Fleisch vom Körper gerissen werden sollten. Die Eltern wiederum mussten den Leichnam des ermordeten Kindes drei Nächte lang in den Armen halten, blieben aber ausserdem straflos! Diod. ebend. Von den Persern rühmt Herodot, I. 137., dass bei ihnen nie ein Elternmord vorgekommen seyn soll, es sey denn von solchen Kindern, die nachher für unächt befunden wurden.

684) Erscheint bei den Kaanitern der Kindermord als Religion, so fehlt es auch nicht an dem gegenseitigen Beispiele von Elternmord, in Folge religiöser Verirrungen. So soll es in Indien noch geschehen, dass gefährlich erkrankte Greise von ihren Söhnen den Fluthen des Ganges übergeben werden, um so ins Paradies zu gelangen. Auch die Neger beschleunigen, durch rohe Thätlichkeiten, den Tod ihrer kranken Anverwandten, im Glauben, ihnen dadurch eine Wohlthat zu erweisen, Meiners, Gesch. d. Relig. II. S. 765.

Furcht vor, seinen Verfolgern, auf das eigene Schwerdt stürzt, 1 Sam. 31, 4., und bei Ahitophel, nachdem sein Rath von Absalon verworfen worden war, 2 Sam. 17, 23. Ein tadelndes Urtheil wird in diesen Fällen nicht hinzugefügt. Nur bei Hiob kommt Etwas dergleichen vor, wenn er sagt: „,schon dachte ich an Erwürgen, an den Tod von eigenen Gliedern (Händen), doch ich verabscheuete es", 7, 15., vgl. 2, 9. 10., wo die Frau des Hiob ihn auffordert, durch das Aussprechen eines sündigen Wortes sich den Tod zuzuziehen, und er ihr darauf antwortet: „du sprichst wie Eine der Verworfenen". Aus diesen Stellen, deren Sinn übrigens nicht vollkommen sicher ist, möchte etwa hervorgehen, dass man den Selbstmord für verwerflich hielt. Dass aber irgend eine Strafe auf den versuchten Selbstmord gesetzt war, oder eine Entehrung bei dem Begräbnisse des Selbstmörders eintrat, ist kaum anzunehmen. 2 Sam. 17, 23., wird von Ahitophel, der auch zuvor beliebige Anordnungen in Hinsicht seines Hauses traf, nur einfach berichtet, er wäre im Begräbnisse seines Vaters begraben worden. Uebrigens umfasst wohl das allgemeine Verbot: „Du sollst nicht morden" zumal bei dem angedeuteten Motiv: weil der Mensch ein Ebenbild Gottes sey, auch den Fall des Selbstmordes. Sehr schöne Worte gegen diesen spricht bekanntlich Josephus, indem er eine Schaar Israelitischer Soldaten, welche, wie dies damals oft geschah, lieber sich selbst tödten, als den Römern in die Hände fallen wollten, hiervon zurückzuhalten sucht, d. bell. Jud. III. 8, 5. Der daselbst angedeutete Gebrauch, Selbstmörder bis zum Abend unbegraben zu lassen, möchte erst in späterer Zeit in Uebung gekommen seyn.

Кар. 76.

Beschädigungen und Real-Injurien.
Menschenraub.

§. I. Wer einem Andern (absichtlich) einen Schaden an seinem Leibe zugefügt, unterliegt dem Rechte der Talion, 3 Mos. 24, 19. 20. 3. K. 57. §. 1.

Dass die Talion nur Princip seyn konnte, und welchen vollen Schutz sie dennoch auch so vor absichtlicher Bosheit gewährte, haben wir in dem gen. K. §. 2—4. ausführlich besprochen.

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