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Ueber das auf Verhinderung von Unzucht bezügliche Verbot, Kleider des andern Geschlechts anzulegen, s. K. 32. §. 2. 752).

Kap. 85.

Verbrechen gegen die Eltern.

§. 1. Das richtige moralische Verhältniss der Kinder zu den Eltern kann als eine der wichtigsten Grundlagen des bürgerlichen Wohles betrachtet werden, weil eine gute Erziehung den Bürger am sichersten für seine höhern Pflichten vorbereitet, der Festigkeit und dem Gedeihen des Staates die bedeutendsten Garantieen darbietet. Von diesem Gesichtspunkte aus wird auch 2 Mos. 20, 12. vgl. 5 Mos. 5, 16. Ehrerbietung gegen die Eltern vorgeschrieben, mit dem Zusatze: „damit deine Tage lange seyn mögen und es dir wohlgehe in dem Lande, welches dein Gott dir giebt." Auch Michaelis hat diesen Zusatz, in herkömmlicher Weise, falsch aufgefasst und ihn auf den Einzelnen bezogen, als verspreche der Gesetzgeber dem gehorsamen Kinde ein hohes Alter, und es übersehen, dass diese Worte, wie so oft ähnliche Verheissungen, an das ganze Volk gerichtet sind, und demnach nichts Anderes sagen wollen als: deine Erhaltung im Lande, oder die Dauer des Staates hängt davon ab, dass das moralische Verhältniss der Kinder zu den Eltern den Gesetzen der Natur und Gottes gemäss sey. Es ist hierbei auch nicht zu übersehen, dass in obigen Vor

752) Auf Uebertretung dieses Verbots steht nach Rabb. R. die Strafe der 40 Geisselhiebe, Maimonid. Tr. Sanh. K, XIX. Es ist schon öfter darauf hingedeutet worden, dass der Gesetzgeber, bei seinen Massnahmen gegen jede Art von Unzucht, den zwiefachen Zweck hatte, die Sitte zu schützen und das Heidenthum fern zu halten, za dessen eigentlichem Wesen Unzucht gehörte, durch welche es mächtig über die Sinne herrschte. Selbst im heiligen Dienste der fei her empfindenden Griechen gab es Ceremonieen, welche die Scham verletzten. Aristoteles sagt (Polit. 1. 7. c. 17.), dass in diesem Falle das Gesetz erlaubte, dass die Väter der Familie zum Tempel gingen, um für ihre Frauen und Kinder solche Mysterien zu feiern: Loi civile admirable qui conserve les moeurs contre la Religion. Montesqu. Espr. d. L. XXIV. 15.

schriften, nach der höhern Stellung der Frauen bei den Hebräern, Ehrfurcht gegen die Mutter, in gleicher Weise wie gegen den Vater, eingeschärft wird, vgl. 3 Mos. 19, 3., wo jene sogar vorangestellt ist. Demgemäss werden auch einige strenge Gesetze gegeben, um die Zucht aufrecht zu erhalten. Indess wie das Gesetz im Allgemeinen der persönlichen Willkühr keinen Spielraum lässt, so wird auch den Eltern kein Recht über das Leben ihrer Kinder eingeräumt, wie Solches bei andern Völkern Statt fand. Nur die regelmässige Anklage vor Gericht stand ihnen frei, wenn es ihnen nicht mehr möglich war, den ungerathenen Sohn selbst zu bändigen.

,,Hat ein Mann einen ungehorsamen und widerspenstigen Sohn, er höret nicht auf die Stimme seines Vaters, die Stimme seiner Mutter, sie züchtigen ihn, aber er gehorchet ihnen nicht. Dann sollen sie ihn ergreifen, sein Vater und seine Mutter, und ihn hinausführen zu den Aeltesten der Stadt und zum Thore seine: Ortes, und sprechen zu den Aeltesten seiner Stadt: Dieser unser Sohn ist ungehorsam und widerspenstig, er höret nicht auf unsere Stimme, ist ein Schlemmer und ein Säufer 753) (vgl. Spr. 23, 20.). Und es sollen ihn bewerfen alle Männer seiner Stadt mit Steinen, dass er sterbe, auf dass du tilgest das Böse aus deiner Mitte und ganz Israel es höre und sich fürchte." 5 Mos. 21, 18-21.

Es blieb natürlich den Eltern freigestellt, von diesem Rechtsmittel Gebrauch zu machen, zu dem sie gewiss nur in dem äussersien Falle, vielleicht niemals schritten, und welches als letzte Drohung ausreichen mochte, um seine factische Anwendung zu verhüten 754).

753) Michaelis verstehet hierunter (VI. §. 294.), vielleicht nicht mit Unrecht, einen gefährlichen Trunkenbold, der im Rausche, welcher im Süden die Leidenschaften zu einer fürchterlichen Höhe steigert, jedes Verbrechen zu begehen im Stande ist.

754) Der angedeuteten Strafe (der Steinigung) für Widerspenstigkeit gegen Eltern verfällt nach d. Rabb. der im Gesetze hierbei ausdrücklich genannte Sohn, nicht aber eine Tochter, und zwar jener erst nach dem Eintritte von ersten Zeichen der Mannbarkeit (und Erreichung des 13ten Jahres), nicht aber im Knabenalter und ebensowenig nach vollkommener Ausbildung der Mannbarkeit (d. i. 3 Monate nach dem angegebenen Zeitpunkte, s. K. 99.) Sanh. VIII, 1. Nähere

Wer seinen Vater oder seine Mutter schlägt, soll getödtet werden, 2 Mos. 21, 15.

Wer seinem Vater oder seiner Mutter fluchet, soll getödtet werden, das. V. 17., vgl. 3 Mos. 20, 9., wo mit Emphase wiederholt wird: „,seinem Vater, seiner Mutter hat er geflucht, sein Blut komme über ihn 155).

Der Eltern-Mord wird im Gesetze, wie bereits erwähnt, gar nicht unter der Zahl der möglichen Verbrechen aufgeführt.

Bestimmungen über die unnatürliche und betrügerische Unmässigkeit, deren er sich, dem Gebote der Eltern zuwider, schuldig gemacht haben muss s. das. 2. 3. Die Eltern müssen über die Anklage vollkommen mit einander einig, und auch nicht etwa gebrechlich, als blind, taub, lahm u. s. w. seyn, damit dem Wortlaut des Textes in allen Stücken genügt werde. Auch wird die Strafe der Steinigung nicht eher vollzogen, als bis der Schuldige schon vorher einmal, vor dreien Richtern, die körperliche Züchtigung erhalten und dann sein Verbrechen wiederholt, wo er denn durch ein Gericht von 23, unter welchen aber jene ersten 3 Richter gleichfalls seyn müssen, verurtheilt wird, ebends. 4. Die Rabb. unterwerfen also die Vollziehung dieses Urtheils so vielen Bedingungen und gestatten die Anwendung des Gesetzes für eine so kurze Zeit, dass sie jedenfalls nur sehr selten eintreten konnte, eine offenbar absichtliche Beschränkung elterlicher Gewalt, vielleicht mit herbeigeführt durch die in dieser Beziehung zum Theil barbarischen Gesetze der Römer. (Vgl. noch K, 55. Anm. 557.).

755) Für Schlagen der Eltern erfolgt, nach den Rabb. nur dann die Todesstrafe, wenn es Spuren zurückgelassen hat. Für Fluchen derselben tritt auch dann die Todesstrafe ein, wenn es nach deren Tode geschah. Sanh. XI (X), 1. vgl. Bab. q. VIII. 2. 3. 5. Im erstern Falle geschieht die Execution durch den Strang, im andern durch Steinigung, s. K. 58. Anm. 580. Um der Todesstrafe zu unterliegen, muss der Fluch (d. i. die Anwünschung eines von Gott ihnen zuzufügenden Leides) gegen die Eltern unter Mitaussprache eines wirklichen Gottesnamens (nicht eines blossen Beinamens oder sonstiger zweifelhafter Bezeichnung, vgl. K. 64.) geschehen seyn, Sanh. VII, 8. Ausführlichere Bestimmungen s. bei Maimonid. Tr. Mamrim K. V. ff.

Kap. 86:

Verbrechen gegen die Obrigkeit.

§. 1. ,,Richtern (wörtlich: den Göttlichen, Gottesmännern 756) 8. K. 4. §. 2.) sollst du nicht fluchen, und gegen den Fürsten in deinem Volke keine Verwünschung aussprechen". 2 Mos. 22, 27.

Eine bestimmte Strafe für Denjenigen, der öffentlich gegen dieses Gebot handelt, wird nicht angegeben. Es stand aber unstreitig in der Befugniss der Obrigkeit, ihn zu züchtigen. In der spätern Geschichte wird des Vorfalles erwähnt, dass Simei den David auf seiner Flucht vor Absalon mit Verwünschungen und Steinwürfen verfolgt, 2 Sam. 16, 5 ff. Abisai will ihn tödten, aber David verhindert es, V. 9 f, und giebt ihm bei seiner Rückkehr nochmals das Versprechen, dass er nicht sterben solle, 2 Sam. 19, 24. vgl. 19 — 23. Doch hat dieses Ereigniss mittelbar seine Hinrichtung, auf Befehl Salomos, zur Folge, 1 Kön, 2, 36–46. vgl. 1, 8-9. Dass man Mord des Königs, als des Gesalbten Gottes, für besonders sträflich hielt, gehet aus 1 Sam. 24, 5—8. 26, 9. 2 Sam. 1, 14-16. hervor,

§. 2. Ein anderes Verbrechen gegen die Obrigkeit, dessen das Gesetz erwähnt, ist wirkliche Insubordination der Ortsgerichte gegen den höchsten Gerichtshof. Es wird 5 Mos. 17, 8. 9. vorausgesetzt, dass die Entscheidung eines Rechtsfalles den Ortsgerichten zu schwierig seyn könnte, und ihnen in diesem Falle vorgeschrieben, nach dem obersten Gerichtshof in der Hauptstadt zu gehen, sich daselbst Belehrung über den Fall zu holen und diese genau zu befolgen (vgl. K. 6. §. 1.). Der Mann aber, der so trotzig seyn wird, nicht zu gehorchen dem Priester, der daselbst stehet im Dienste Gottes oder dem Richter, der Mann soll sterben und sol

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756) Da die Stelle auch übersetzt werden kann: „,Göttern sollst du nicht fluchen" so hat man in alter Zeit dieselbe so ausgelegt, als wenn in ihr eine schonende Rücksicht gegen das Heidenthum empfohlen werde, welches aber gegen den deutlichen Sinn anstösst. S. Philo, de vita Mos. III. p. 166. (Ed. Mang. T. II.), de Monarchia I. p. 219. Joseph., Ant. IV, 8. c. Apion. I. §. 33.

chergestalt das Böse getilget werden aus Israel, das Volk aber es hören und sich fürchten und nicht wieder solchen Trotz · üben“, 5 Mos, 17, 12. 13.

Der Priester oder Richter sind hier, vgl. V. 8., die Vorsitzer des obersten Gerichtshofes (K. 6.) Đá sich nun an diesen nách V. 8. und 9., das Ortsgericht und nicht die Partheien selbst gewendet, so scheint, nach dem klaren Zusammenhange der Stelle, kein Zweifel darüber entstehen zu können, dass hier von der Insubordination des Unterrichters (und nicht etwa eines sonstigen Privatmannes), so wie von seiner Bestrafung die Rede ist. Es könnte unwahrscheinlich aussehen, dass die Ortsricher sich zuerst freiwillig an den höhern Gerichtshof wenden, und dann sich weigern sollten, seinem Ausspruche Folge zu leisten. Indess giebt uns 2 Mos. 23, 2. über die Möglichkeit eines solchen Vorfalles Aufschluss. Diese Stelle (vgl. K. 87. §. 4.) verbietet dem Richter, sich gegen seine Ueberzeugung dem Urtheile der Mehrheit anzuschliessen, sie setzt also eine mögliche Meinungs-Verschiedenheit unter den Richtern voraus. Gerade in diesem Falle konnte man es für nothwendig erachten, die Entscheidung des Ober- Gerichtes zu fordern, und hierbei die bezeichnete Insubordination von Seiten der mit ihrer Ansicht zurückgewiesenen Richter vorkommen 157). Dass die Behörden das Recht und die Mittel hatten,

757) Insubordination gegen den obersten Gerichtshof trat auch nach den Rabb. in dem Falle ein, dass der Richter irgend einer Stadt mit seinen Kollegen über die Entscheidung eines Rechtsfalles nicht einig war und, nachdem sie den Fall den vorgesetzten Behörden vorgelegt und diese gegen ihn entschieden hatten, dennoch nach seiner Rückkehr nicht bloss bei seiner Meinung blieb und darnach lehrte, sondern auch darnach handeln liess. Nur im letztern Falle war er schuldig. Auch trifft die Strafe nur denjenigen, der selbst zu dem Gerichte der ',,Alten“ gehört, nicht aber einen Schüler, da Keiner befugt ist, nach dessen Aussprüchen zu handeln. Sanh. XI (X), 2. Der Richter, der sich durch Widerspenstigkeit des Todes schuldig gemacht hat, wird nirgend anders, als vor dem hohen Gerichte in Jerusalem und zwar zur Festzeit, bei Anwesenheit einer grossen Volksmenge, nach 5 Mos. 17, 13., gerichtet. Sanh. XI (X), 4. vgl. K. 61. Anm. 606. Die Execution geschieht durch den Strang, Kap. 58. Note 580.

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