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eines Diebstahls oder drgl. schuldig gemacht, zu Folge eines Selbstgeständnisses die eigentliche Strafe, bis auf / Ueberschuss, gänzlich erlassen wird (so dass also auch nachträgliches Zeugniss dem Bestohlenen den 2-4 fachen Ersatz nicht mehr schaffen konnte) K. 63. §. 2. 801). So war also zur Anwendung physischer oder geistiger Folter 802), zu sogenannten Gehorsamsstrafen, zu einem den vielleicht unschuldig Angeklagten oft entwürdigenden, misstrauischen, nicht immer ohne Leidenschaft geübten Verhör keine Veranlassung gegeben. Anderseits aber möchte man wohl annehmen, dass die Richter, zu ihrer eigenen Beruhigung, vor Vollziehung des Urtheils, ein Geständniss herbeizuführen suchten 803), wofür das Beispiel Josua's (7, 19.) s. ob. §. 2. vielleicht um SO mehr spricht, da hier nur ein summarisches, ausnahmsweises 804) und jedenfalls kriegsrechtliches Verfahren vorliegt. Im Civilprocesse konnten allerdings wohl die Zugeständnisse 805) der einen Parthei, so wie überhaupt ihr ganzes Benehmen 806) den Vorstellungen der

801) Dass das R. d. Thalmuds die eigne Aussage des Verbrechers als kein Beweismittel ansehe, ist bereits im Frühern angedentet worden, s. Kap. 55. Note 553. vgl. Note 580. S. 465. Kap. 56. Note 562.

802) Dass bei allen andern Völkern im Alterthum sowohl, als in neuerer Zeit die mannigfachen Arten der furchtbarsten Martern ein ganz gewöhnliches, gegen jedes Geschlecht und Alter angewendetes Rechtsmittel waren, um Geständnisse oder Zeugnisse zu erlangen, ist be kannt. In Rom Inden die Herren Freunde und Gäste ein, um bei dem Protokoll der Geständnisse gegenwärtig zu seyn, wenn sie ihre Sklaven folterten! In Baiern war die Folter 1805 noch im Gange, wurde aber 1807 abgeschafft. In Hannover wurde sie erst 1822 durch Verordnung förmlich aufgehoben. Feuerbach, peinl. R. §. 590. Note c. In Frankreich wurde sie 1780 versuchsweise u. 1789 durch die Nationalversammlung für immer abgeschafft.

803) Auch das R. d. Mischnah dringt darauf, Sanh. VI, 2. 8. S. 465. i. d. Note.

804) Vergl. K. 56. Anm. 562.

805) Von der Wirkung eines theilweisen Eingeständnisses (der Forderung) von Seiten des Beklagten, nach der in der Mischnah geltend gemachten Erläuterung der Mos. Bestimmungen, ist bereits K. 89. Anm. 795. die Rede gewesen, da der ursprünglich nicht zu Belangende dadurch zu einem Eide verpflichtet wird.

806) Dahin gehört nach dem R. d. Gemara namentlich eine öfter in Anwendung gebrachte, aus den Depositionen des Verklagten sich ergebende, für ihn günstige Betrachtung, welche durch das be

andern gegenüber viel dazu beitragen, um den Richter über die Sachlage aufzuklären und eben so wohl wie früher vor gültigen Zeugen geschehene, ernstliche Aeusserungen 807), bei der Fassung des Urtheils, brauchbare Beweismittel darbieten 808).

Anhang.

Der Process Jesu.

Für das in diesen Abschnitt gehörige thalmudische Recht bietet der Process Jesu ein so bemerkenswerthes Beispiel, dass man es vielleicht als eine Unvollständigkeit an diesem Buche rügen könnte, wenn wir denselben ganz übergingen, da fast alle Schriftsteller, bei den betreffenden Materien, auf ihn zurückkommen.

Eine vollständigere Darstellung des Processes giebt Salvador, Inst. d. M. L. IV. Ch. 3. Dupin hat in einer eigenen Abhandlung (Jésus devant Caïphe et Pilate) den Versuch gemacht, Jenen zu widerlegen. Aber, wie es uns scheint, nicht mit besonderm Glücke. Er legt das meiste Gewicht darauf, dass die Verurtheilung ohne Beobachtung der gehörigen Formen geschehen sey, deren regelmässige Anwendung Salvador aus den Evangelien zu erweisen sucht. Aber diese Frage ist jedenfalls nur von untergeordnetem Interesse. Die Hauptfrage bleibt, ob Jesus, in so fern er seinen Richtern die Uebe zeugung von seiner Göttlichkeit nicht

mitthoch),

zeichnende Anfangswort der Phrase: Miggo, (= in Anbetracht dessen, angedeutet wird. Z. B. Jemand fordert von einem Handwerker (der, als solcher, überhaupt ein beschränkteres Erwerbungsrecht hat) irgend einen (nicht offen da liegenden) Gegenstand, den er ihm angeblich zur Reparatur gegeben. Der Handwerker sagt: ich habe ihn, aber du hast ihn mir verkauft. So spricht zu seinen Gunsten ein,,in Anbetracht dessen" nämlich, dass er hätte (den Besitz gar nicht eingestehen und) sagen können:,,du hast mir nie so Etwas anvertrauet" oder (wenn Zeugen es gesehen): „ich gab es dir bereits zurück,“ Gemara u. Commentatoren zu Bab, bathr. III, 3. Ausführliches über diesen Rechtsgrundsatz und dessen Anwendung s. bei Frankel, Beweis §. 193 ff. nebst den Bemerkungen, vergl. Mendelsohn, Ritualgesetze d. Juden. Abschn. X. §. 3. Note.

807) Betreffende Bestimmungen 8. Sanh. III, 6. vgl. Gemara u. Chosch. Mischp. Tit. 81.

808) Ueber die Rabb. Bestimmungen in Hinsicht des Geständnisses im Civilprocesse siehe Ausführliches bei Frankel, Beweis §. 110-136. u. Bemerkungen.

einflössen konnte, oder wollte, nach dem Gesetze den Tod verdient hatte, oder nicht. Im erstern Falle kann man, vom dogmatischen Gesichtspunkte aus, die Verblendung jener Richter beklagen, und gleichwohl vom juridischen, der uns auch hier natürlich allein interessirt, zugeben dass sie nach dem Buchstaben des Gesetzes verfuhren, was heutigen ungläubigen Richtern, gegenüber ähnlichen Ereignissen, die für sich etwa die Berechtigung der Ausnahme und des Wunders moralisch in Anspruch nehmen könnten, gleichfalls widerfahren möchte. Nach Matth. 26, 59. suchte der Rath,,falsches Zeugniss" (yevdopaorvolar) gegen Jesus, um ihn verurtheilen zu können. Dies bildet einen offenbaren Widerspruch mit dem unmittelbar Folgenden, dass sie „keines fanden", obschon ,,viele falsche Zeugen" auftraten, V. 60. Wer falsch Zeugniss sucht, hat es mit den falschen Zeugen offenbar gefunden. Daher ist die Relation bei Mark. 14, 55. ohne Zweifel einleuchtender, wo jenes ,,falsch" fortgeblieben ist und nur gesagt wird, sie hätten Zeugniss (agrvolar) gesucht und es nicht gefunden, da die Zeugen einander widersprachen. Aus den betreffenden Stellen ergiebt sich, dass die Vernehmung der Zeugen (wofür das Thalmud. R. die scrupulöseste Gewissenhaftigkeit vorschreibt, s. K. 88.) hier keinesweges tumultuarisch erfolgte, dass namentlich, der bestehenden Gerichtsordnung gemäss, Jeder derselben besonders, und zwar in Gegenwart des Beklagten, Matth. 26, 62., wie auch Michaelis §. 299. bemerkt, vernommen wurde und dass ihr Verhör darum eben Nichts zum Nachtheile des Angeklagten ergab; denn selbst das Zeugniss, dass Jesus den Wiederbau des Tempels (wie seine Worte verstanden wurden) in drei Tagen bewerkstelligen zu können glaubte, Joh. 2, 19, 20. vgl. 21., erschien als von keinem Belang, Matt. 26, 61. Mark. 14, 58 f. Aber die Verurtheilung erfolgte, nachdem Jesus selbst vor Allen, in Folge der an ihn gerichteten Beschwörung, zugab und behauptete 809), dass er Christus (der Gesalbte) und Sohn Gottes sey, den man sehen werde ,,sitzen zur Rechten der Macht und kommen in den Wolken des Himmels", Matth. 26, 62-66. Mark, 14, 61-64. Luk. 22, 69–71. Zweierlei Anklagen fanden in dem hier unverhohlen Ausgesproche

809) Es war kein Geständniss, auf welches hin, nach Rabb. R., keine Verurtheilung erfolgen kann, sondern die in gewiss edler Offenheit wiederholte, gravirende Behauptung einer religiöspolitischen Würde und Berechtigung, deren Ablehnung oder Widerruf hier wahrscheinlich andernfalls erwartet wurde und genügt hätte, um die Untersuchung gänzlich niederzuschlagen.

nen ihre Bestätigung. Die Hauptanklage für die Juden lag in dem Zweiten, der Einführung einer neuen Gottheit. Um dieser Behauptung willen, Joh. 10, 30., will ihn das Volk schon einmal steinigen, indem man ihm zuruft: „du machest, ein Mensch seyend, dich selbst zum Gotte" Joh. 10, 33. Auch dem Pilatus wird dieses Vergehen, auf Grund des Mos. Gesetzes, als den Tod fordernd bezeichnet, Joh. 19, 7. Die andere Anklage auf welche, in Rücksicht der politischen Verhältnisse des Volkes und dem Pilatus gegenüber, gleichfalls besonderes Gewicht gelegt wird, bestehet darin, dass Jesus sich Christus nennt, welches der gewöhnliche Beiname der (mit Oel gesalbten) Könige (K. 7. Note 114. Luk. 23, 2.) war. Die wirkliche, an ihm vollzogene Salbung durch eine Frau heisst Jesus selber gut, Matth. 26, 7-10. Der feierliche Einzug in Jerusalem hängt hiermit zusammen. Viel Volk kommt ihm mit Zweigen entgegen und die Jünger rufen ihn aus als Sohn Davids, als König, wobei Jesus in den Tempel ziehet, die Wechseltische umwirft und die Verkäufer hinausjaget, die hier Tauben und andere Opferthiere feil boten (wie auch an den spätern christlichen Kirchen gleiche Bedürfnisse der Wallfahrer ebenfalls Märkte erzeugten) Matth. 21, 1—13. Mark. 11, 1 ff. Luk. 19, 30 ff. Joh. 12, 12, 13. 2, 13 ff. Diese Aufregung des Volkes durch die Jünger, die Christus, von seiner höhern Sendung überzeugt, gegen die Warnung einiger Pharisäer, genehmiget, Luk. 19, 39. 40., so wie dies Schalten im Tempel, im Gefühle eigner Machtvollkommenheit, machte die, hiervon durch Zeugen unterrichteten (Joh. 11, 46.) Obersten des Volkes, besonders auch den Römern gegenüber, ängstlich, da letztere überall nur Gelegenheit zu weitern Eingriffen suchten. In der That sprechen die Mitglieder des obersten Gerichtes die Befürchtung aus, dass Jesus einen grossen Anhang im Volke gewinnen, dies aber,,die Römer veranlassen möchte, Ort und Volk sich gänzlich anzueignen", Joh. 11, 47. 48. Kaiphas, der Hohepriester, bemerkt hiebei, dass es ,,besser sey, wenn ein Mensch stürbe, als dass das ganze Volk ins Verderben gerathe", das. V. 49-51.

-,,Messen"

Da Jesus sich nicht mehr so frei überall zeigte, als früher, Joh. 11, 54., so mussten besondere Anstalten getroffen werden, um seiner habhaft zu werden, das. V. 57. Dies gelang endlich, und der Thatbestand wurde durch seine eigne, offene und muthige Behauptung rechtlich constatirt. So wie die Zeugenaussagen wohl geprüft wurden, so beobachtete der Gerichtshof auch darin die vorgeschriebenen Formen, dass das Urtheil, an dem einen Tage gefällt, doch an dem andern noch einmal der Diskussion unterworfen

wurde, Matth. 26, 66. vgl. 27, 1. und die andern Evangelien. Da das Sanhedrin das Recht, ein Todesurtheil zu vollziehen nicht mehr hatte, Joh. 18, 31. vgl. ob. Note 762. S. 596., so musste Pilatus deshalb angegangen werden, der namentlich das politische Element in dem Auftreten Jesu würdigen konnte. Dies wird ihm also auch (neben den andern s. ob.) besonders vor Augen gestellt, Luk. 23, 2. Auch Jesus selbst verneint die von Pilatus an ihn gerichtete Frage: ,, bist du König der Juden?" keinesweges, V. 3. Matth. 27, II. und an dem Kreuze lässt Pilatus ihn als solchen, zur Angabe seines Vergehens, bezeichnen, nicht ganz nach dem Wunsche der Juden, Joh. 19, 19–22. Der Benennung „König“ giebt Jesus zwar, bei Joh. 18, 36., vor Pilatus eine mehr geistige Ausdeutung, indem er sagt:,,mein Reich ist nicht von dieser Welt". Aber in den andern Berichten tritt dies nicht so bestimmt hervor, und gewiss ist es, dass die Apostel von Christus Gründung einer weltlichen Macht und weltliche Ehrenstellen erwarteten, und selbst nach seinem Tode noch auf seine baldige Wiederkehr, zur Gründung eines tausendjährigen Reiches auf Erden, hofften, welches Alles durch Christus selbst bestätiget ward, Matth. 16, 27. 28. 19, 27 f. 24, 29-34. 26, 27-29. (vgl. de Wette, bibl. Dogm. S. 195). Es ist also natürlich, dass diejenigen, die ihm ferner standen, als seine Jünger, umsomehr bei ihm politische Absichten voraussetzten. Der Tod Jesu gehörte, nach d. N. T., mit in die ganze Oekonomie seiner Sendung und seines Wirkens. Es konnte somit nicht in seiner Absicht liegen, den Gerichtshof an der buchstäblichen Anwendung des betreffenden Gesetzes zu hindern, das den Propheten einer neuen Gottheit zum Tode verurtheilt, 5 Mos. 13, 2-6, 8i0), eben so wie der Gerichtshof, der das Urtheil fällte, ohne ihm einleuchtende höhere Offenbarung, nicht ahnen konnte, dass das Gesetz hier nicht zur Anwendung kommen solle. Beging er also einen dogmatischen Irrthum, gleichsam einen dogmatischen Justizmord, so ist dies eben so verzeihlich, als das Ausbleiben jener Offenbarung für die Männer, die nach Vorausbestimmung einer göttlichen Ordnung der Dinge (Matth. 26, 39.) Jesu den bittern Kelch darzureichen hatten, erklärlich ist.

810) Nach Winer Rub. II. S. 641. stand Jesus vor dem Sanhedrin in der Kategorie eines falschen Propheten. Dann würde der Fall, genau genommen, in das Bereich des Gesetzes 5 Mos. 18, 20-22. gehören. Aber eben die angeführte Stelle Joh. 11, 47. verweiset ihn, sammt den übrigen Umständen wohl eher an 5 Mos. 13, 2—6. (K. 70.), denn hier blieben selbst geschehene Zeichen indifferent, 13, 2. 3. vgl. K. 1. Note 16. Mark. 13, 22.

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