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seyn, zu nichtigem, täuschendem Spiele. Ein Verdacht in dieser Beziehung liegt wenigstens vor, wo beide Theile verschiedenseitig

aus

Sollte dem Judenthum und Christenthum zusammentreten. nicht vielleicht die Christinn, die einem Juden die Hand reicht und das Ehebündniss nach der Norm seiner Religion einsegnen lässt, diese, gegenüber ihrer christlichen Ueberzeugung, für grundfalsch, die auf sie basirte Trauungsweihe für nichtig, die Möglichkeit einer Israelitischen Erziehung der Kinder für sündhaft halten? Hat man in dieser Beziehung keinen Verdacht, nimmt man an, dass beide Theile über die Gültigkeit der ein- oder anderseitigen, gewählten Trauungsformen, so wie über die Consequenzen ihrer Anerkennung übereingekommen seyen (da die Erziehung der Kinder consequent nach Bestimmung derjenigen Religion erfolgen müsste, die die betreffende Ehe geweihet hat), so wäre eine darauf bezügliche Frage an die zu Trauenden nur höchstens überflüssig. Andernfalls aber wäre von Seiten derjenigen, welche dieser religiösen Handlung assistiren und sich, unter eigner Verantwortlichkeit, von ihrer Wesenheit zu überzeugen haben, die Frage an denjenigen Theil, der sich die anderseitig en religiösen Trauungsnormen gefallen lässt, wohl nicht ungeeignet, ja vielleicht Pflicht: Erkennst du diese Normen, nach ihrer religiösen Bedeutsamkeit und Geltung, für dich als bindend an? Wird auch dein eheliches Leben, sammt der Erziehung der Kinder, dies bethätigen? Was wäre nun das Ja auf diese Fragen, das auch, wo sie etwa nicht gestellt würden, doch vorauszusetzen ist, Anderes, als ein wirkliches Bekenntniss zu den religiösen Principien des andern Theiles? Ob dies Bekenntniss dann, je nach der Forderung der beiden Confessionen, auch durch die äussern, vorgeschriebenen Formalitäten bekräftigt werden müsste, ist eine andere, jedenfalls minder wesentliche Frage, die wir hier übergehen können.

Anders stellt sich obige Haupt-Frage der Civil-Ehe gegenüber. Bei dieser abstrahirt der Staat von der Anwendung religiöser Formen, indem er dieselbe dem Gewissen des Einzelnen ebenso überlässt, wie die Uebung anderer religiöser Pflichten. Die positive, christliche sowohl als Jüdische Religion, als solche, muss zwar die Civil-Ehe für durchaus ungenügend und ungeeignet halten. Die Rabbinischen Bestimmungen würden ein eheliches Zusammentreten, ohne Segenssprechung, ohne Beiseyn von gültigen Zeugen, ohne übliche Verschreibung der Kethubah, für sündhaft, ja bloss für Concubinat gelten und die zu erzeugenden Kinder als unehelich erscheinen lassen, s. K. 102. Note 942, 946. Indess die

Religion hat da, wo die Civil-Ehe eingeführt ist, keine Mittel, und es würde überall allein ihrer Würde gemäss seyn, keine äusserlich zwingenden Mittel anzuwenden, um den Einzelnen, wenn er es nicht von freien Stücken thut, zu bewegen, ihren Forderungen Genüge zu leisten. Jedenfalls aber scheint uns zwar das Geltenlassen der bloss en Civil-Ehe eine Inconsequenz des „christlichen“ so wie überhaupt, desjenigen Staates zu seyn, der, bei seinen Institutionen, das religiöse, zumal das confessionelle Element als ein Integrirendes betrachtet, aber in ihren unumgänglichen Consequenzen die gemischte Ehe zu liegen. Denn ist es das Wesen der CivilEhe, dass sie ausser jeden religiösen Einfluss gestellt, demnach zu einem reinen Civil-Pakt, einem blossen Vertrage wird, so dürfte einen solchen zu schliessen auch Anhängern verschiedener Confessionen gestattet werden müssen, nachdem jene wesentlich juridische Ansicht von dem Ehebündnisse Platz gegriffen hat, dem dann auch nur Juristen, als solche, assistiren. In den fernern, unausweichlichen Consequenzen liegt aber auch eine absolute Zwangslosigkeit in Hinsicht der Erziehung der Kinder. Denn wenn der Staat einmal auf die Berücksichtigung der Religion bei der Schliessung der Ehe verzichtet hat, wenn er diese consequentermassen ausser dem Einflusse der confessionellen und allgemein religiösen Ueberzeugung der Individuen stellt, so muss jene der Religion auferlegte Passivität, auch bei Demjenigen fortdauern, was als blosse Wirkung und Folge jenes Hauptpaktes eintritt, folglich seiner Natur theilhaft bleiben muss. Die Erziehung der Kinder in irgend einer der im Staate bestehenden Religionen, deren moralische Lehren nur kein Bedenken erregen, worauf zu achten dem Staate auch als Rechts - Institute obliegt, müsste lediglich dem Ermessen der Eltern anheim gestellt bleiben. Sonst hätte, wie es wenigstens scheint, der Staat, um der persönlichen Religions- und Gewissens - Freiheit Vorschub zu leisten, zuvörderst nur die religiöse Würde der Ehe beeinträchtigt, ohne doch jene Freiheit in Wirklichkeit bestehen und zu voller Entwickelung gelangen zu lassen. Ob die reine Civil-Ehe an und für sich wünschenswerth sey, oder nicht, welches ihre etwanigen Nachtheile, oder Vortheile, ob erstere oder letztere überwiegend seyen, worüber sich jedenfalls, von verschiedenen Gesichtspunkten aus, Mannigfaches sagen lässt, diese Frage müssen wir natürlich, als viel zu weit führend und nicht hieher gehörig, gänzlich übergehen und einer andern Gelegenheit vorbehalten.

Kap. 106.

Ehescheidung.

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§. 1. Wenn Jemand eine Frau genommen und mit ihr ehelich gelebt hat, sie nun aber keine Gunst findet in seinen Augen, da er an ihr etwas Hässliches gefunden, und er schreibt ihr einen Scheidebrief (Sepher Kerithuth, vgl. Jes. 50, 1. Jer. 3, 8.), giebt ihn in ihre Hand und schickt sie aus seinem Hause; und sie verlässt sein Haus, gehet weg, wird einem andern Manne eigen wenn sie nun der andere Mann auch hasset und ihr einen Scheidebrief schreibt, giebt ihn in ihre Hand und schickt sie aus seinem Hause, oder wenn der andere Mann, der sie sich zum Weibe genommen, stirbt, so darf sie der erste Mann nicht wieder zum Weibe nehmen, nachdem sie entweihet worden, denn ein Gräuel ist es vor dem Ewigen, und nicht soll das Land sündig gemacht werden, das Gott zum Erbe gegeben, 5 Mos. 24, 1-4.

Michaelis legt mit Recht Gewicht darauf, dass Moses im vorstehenden Gesetze die Ehescheidung keinesweges begünstige, oder auch selbst nur einführe, sondern sie lediglich, als etwas bereits Bestehendes, nicht abschaffe, dass schon der Ausspruch 1 Mos. 2, 24.: „darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden ein Leib seyn", die ursprünglich-moralische Unauflöslichkeit der Ehe bezeichne (vgl. Matth. 19, 4. 5.) und dass Moses die Willkühr eben einschränken und Missbräuchen vorbeugen wolle. Es ist ferner nicht zu übersehen, worauf Michaelis gleichfalls aufmerksam macht, wie es im Text nicht heisse, er soll ihr einen Scheidebrief geben, sondern dies Alles, nach dem alten Rechte geschehend, vorausgesetzt wird und die ganze Tendenz dieses Gesetzes nur auf Verhinderung einer solchen Wiederheirath gehe.

Der Ausdruck, den wir etwas Hässliches" übersetzt haben und der im Texte Ervath Dabar 1030), wörtlich:,,die Blösse einer Sache" lautet, ist sehr verschieden ausgelegt worden, und bekannt ist der Streit der beiden Schulen Hillel und Scham mai, von

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denen erstere in diesen Worten die Andeutung auch einer geringen Veranlassung fand, die zweite aber nur grober fleischlicher Vergehen 103). Zieht man in Betrachtung, dass ganz derselbe Ausdruck 5 Mos. 23, 15. von gechlechtlich Unreinem und sonst Ekel Erregendem, wodurch das Kriegs-Lager entweihet würde, vorkommt, und dass das Wort Ervah 1032) ursprünglich „die Blösse, Schaam" bedeutet, so scheint wohl hier der natürlichste Sinn der zu seyn, dass der Mann seine Frau unkeusch, möglich auch, dass er an ihr leiblich einen hässlichen Fehler gefunden habe. Der Gesetzgeber lässt also in diesem Falle das Herkommen bestehen und Keiner in der Welt würde im Stande seyn, die Ehescheidung factisch gänzlich aufzuheben 1033). Ja, Denen, welche gegen einander Verachtung, Ekel, oder unauslöschlichen Hass empfinden, die Trennung unmöglich zu machen, würde ein grausamer und, freien Wesen gegenüber, unbilliger Zwang seyn, der übrigens den schädlichsten Einfluss auf die Erziehung der Kinder und selbst auf die Neigung, rechtmässige Ehen zu schliessen haben müsste 1934).

Uebrigens bieten sich bereits in dem Herkommen selbst, wie es in das Mosaische Recht eintritt, dreierlei Bürgschaften dar, dass die Ehescheidung nicht willkührlich und leichtsinnig vorgenommen

1031) S. Note 1038. Ein ganz entsprechender Ausdruck, bei dem die Wortstellung nur umgekehrt ist, kommt in der Mischnah Kethub. III, 5. vor. Debar Ervah, „Etwas das schändet, unehrbar ist“, wird daselbst von einem Mädchen in dem Sinne gebraucht, dass leibliche Fehler, als Lahmheit, Blindheit und Aussatz nicht unter die Kategorie der Bezeichnug fallen, wohl aber Unkeuschheit.

עֶרְוָה (1032

1033) Dass auch in Folge der Bemerkungen Christi Matth. 5,31.32. 19, 3-9. Mark. 10, 2-9. 11. 12, die übrigens nicht in rechtlicher sondern nur in moralischer Beziehung gemacht wurden, die Ehescheieidung selbst in der katholischen Kirche nicht thatsächlich aufgehoben ward, ist bekannt. Man wird also wohl die Herzenshärtigkeit, von der dort die Rede ist, als einen Fehler annehmen müssen, der sich überall zeigt, und überall Nachsicht und Zugeständnisse erfordert.

1034),,Da sprachen die Jünger zu ihm: Stehet die Sache eines Mannes mit seinem Weibe also, so ist es nicht gut ehelich werden, Matth. 19, 10.

werde. Zuerst wird vorausgesetzt, dass der Mann sich nicht ohne Grund scheide; er muss etwas Unehrbares, oder Ekelhaftes an der Frau entdeckt haben. Zweitens geschah die Scheidung nicht ohne eine sehr bedeutsame Förmlichkeit, wie es doch zu damaliger Zeit unstreitig die Ausfertigung eines schriftlichen Dokuments war. Drittens konnte dies kaum, und sollte Mosaischem Recht wahrscheinlich auch nicht geschehen, ohne Dazwischenkunft der Richter, an die sich die Frau ohnedies wird gewandt haben, wenn sich der von dem Manne angegebene Umstand bestreiten liess 1035).

es nach

Ferner fordert das Mos. R. für die Formalität der Scheidung selbst wiederum Dreierlei, was sogar zweimal an unserer Gesetzesstelle, als von Seiten des ersten und dann des zweiten Mannes geschehend, ganz mit denselben, ausführlichen Worten wiederholt wird: „Er schreibt ihr einen Scheidebrief, er giebt ihn ihr in die Hand, und schickt sie aus seinem Hause", V. 1. 3. Das Dokument muss also in gehöriger Form abgefasst seyn, Jener muss selbst dafür sorgen, dass es sicher in ihre eigenen Hände komme, und sie muss aus dem Hause wirklich, auf diese seine Veranlassung, geschieden seyn, erst dann ist die Scheidung als wirklich vollbracht zu betrachten. Der factischen Wegsendung aus dem Hause konnten sich manche Hindernisse, als z. B. Schwangerschaft entgegenstellen, deren Nichtvorhandenseyn, wie Michaelis anführt, auch bei den Arabern in diesem Falle, durch die untrüglichen, natürlichen Merkmale sich zeigen muss. Während der in diesen dreien Punkten möglichen Verzögerungen konnte sehr leicht die ganze Absicht des Mannes, sich zu scheiden, wankend werden 1036).

1035) Konnte sie aber ihre Unkeuschheit etwa nicht läugnen, so liess sie den Mann wohl gern, auch ohne Richter, oder doch ohne dass er den Grund genau angab, gewähren, denn wenn sie als nnkeusch gerichtlich erkannt war, so hatte sie den Tod als Strafe zu gewärtigen. 5 Mos. 22, 20-24. K. 80. 81.

1036) Wenn de Wette, Archäol. §. 158. der Meinung ist, dass Moses die Scheidung durch die erwähnten Formalitäten nicht selbst einschränke, sondern dass dies Alles zu den Voraussetzungen gehöre, so kann man dies theilweise zugeben, doch aber nur so, dass die als herkömmlich vorausgesetzte Scheidungsnorm von dem Gesetze als allein genügend und berechtigt anerkannt werde, folglich in demselben, wie es die folgende Praxis auch aufgefasst hat, ihre wirkliche Sanction erhält.

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