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lichen Zustand derselben, mitzuwachen und mit ihrer Kraft und ihrem Ansehen dafür mitzuwirken. Sie theilen ihre Beobachtungen und Vorschläge den Directionen und Lehrerconferenzen mit, und sind daher zu lehteren einzuladen.

Sie wohnen auch den öffentlichen Prüfungen bei.

Ohne die Verbindlichkeit an der Verwaltung der Fonds der Anstalt Antheil zu nehmen, sollen sie gleichwohl sich die Ausmittelung aller ökonomischen Hülfsquellen für die Anstalt besonders angelegen seyn lassen.

S. 57.

Besondere Instructionen sollen nach Ablauf eines Jahres, und nach Vernehmung der Directoren und Lehrerconferenzen, von der Oberstudienbehörde erlassen werden, und die Pflichten und Befugnisse der Lehrer, Classenvorstände und der Lehrers conferenz, die Functionen des Directors und der Ephoren nåher bestimmen.

Beilage I.
Studienplan

für die

Gymnasien des Großherzogthums Heffen.

A. Allgemeine Bestimmungen.

§. 1.

Die Idee, welche der Erziehung und dem Unterricht auf Gymnasien vorschwebt, ist eine solche allseitige harmonische Entwicklung der Gesammtanlagen des Menschen, hei welcher nicht nur eine allgemeine wissenschaftliche Vorbildung, die dem erfolgreichen Studium eines besonderen Faches nothwendig vor ausgeht, sondern auch die möglichst hohe Veredlung des Gefühls und die bestimmteste Entschiedenheit der Gesinnung für das Gute gewonnen wird.

Der Unterricht darf sich daher nie an eine einzelne Kraft halten, sondern soll den ganzen Menschen ergreifen und sein gesammtes Wesen zur Blüthe voller Humanitåt entfalten. Am wenigsten soll ein einseitiges Raffinement des Verstandes auf Kosten des Gemüths und Charakters erstrebt, vielmehr das sitt liche und religidse Moment ganz vorzüglich berücksichtigt werden.

Das Princip, nach welchem im Besonderen die Bedeutung der Lehrgegenstände zu bemessen ist, kann demnach weder ein einseitig humanistisches noch ein einseitig realistisches feyn. Jede Wissenschaft und Sprache erhält vielmehr ihre Bedeutung für den Gymnasialunterricht durch die Stellung zugewiesen, welche sie

als immanentes Moment des Bewußtseyns der Menschheit über die Welt oder als nothwendige Bedingung zur Gewin nung dieses Bewußtseyns einnimmt.

§. 2.

Die Lehrgegenstände, welche nach diesem Grundsaße in die Gymnasien des Großherzogthums aufgenommen werden, sind also:

I. Sprachen, im Besonderen

a) die deutsche;

b) die antiken, im Besonderen die lateinische und grie chische, und speciell für künftige Theologen und Philologen die hebräische ;

c) die für die Literatur und das werkthätige Leben wichtigsten neueren, die französische, die italienische und englische.

II. Wissenschaften, im Besonderen

a) Religions- und Sittenlehre,

b) Mathematik,

c) Naturkunde,

d) Geographie,

e) Geschichte,

f) Philosophie und Encyklopädie.

III. Technische Fertigkeiten und Künste, im Besonderen

a) Kalligraphie,

b) Gesang,

c) Zeichnen.

§. 3.

Bei der Abtheilung der Gymnasien in acht Classen schreitet der Unterricht auf eben so viel abgemessenen Stufen in stetiger Entwicklung fort. Das Normaljahr der Aufnahme in das Gymnasium ist das vollendete zehnte.

Die Anzahl der Lehrstunden, welche eine Classe wöchent lich erhält, ist im Allgemeinen auf 30 gesetzt.

§. 4.

Vor allem ist dem Unterricht eine feste Grundlage zu geben und zu sichern. Wie also zu Ende jedes Monates und jedes Lehrcurses, so wird auch auf jeder höhern Stufe, also in jeder

weitern Classe, vorerst das in der vorhergehenden Gewonnene wiederholt und befestigt, damit es als sichere Basis der weitern Entwicklung zu dienen vermöge.

§. 5.

Die Lehrart ist erotematisch, und wird nur in den höhern Classen mehr akroamatisch. Zwar kann der Lehrer gestatten und selbst verlangen, daß die Schüler sich Bemerkungen aus seinem mündlichen freien Vortrage aufzeichnen, alles eigentliche Dictiren aber, sofern sich dasselbe nicht auf kleine Zusäße zu dem Lehrbuche beschränkt, ist untersagt.

Dem Gange, welchen die natürliche Entwicklung des Geistes befolgt, gemäß wendet sich der Unterricht auf den niedern Stufen mehr an das Gedächtniß, jedoch niemals so, daß der Schüler in reiner Passivität erhalten werde, nimmt aber in dem weitern Fortgange, mehr zur Selbstthätigkeit auffordernd, vorzugsweise den Verstand und die Urtheilskraft in Anspruch, und entläßt den Zögling mit der Fähigkeit, auf dem Gebiete der Wissenschaft mit selbstständigem Urtheil thätig zu seyn.

§. 6.

Wenn im Allgemeinen auch die Anforderungen an alle Zöglinge gleichmäßig gestellt werden, so ist doch wieder jeder Einzelne seiner Individualitåt gemåß zu behandeln und ein hervorstehendes individuelles Talent mit Sorgfalt zu hegen und aus sich selbst zu entwickeln.

§. 7.

Der Privatfleiß der Schüler steht unter der genauen Controle der Lehrer. Jene sollen zwar auch in Nebenstunden be: schäftigt, aber nie auf Kosten ihrer physischen Ausbildung mit Arbeiten überladen werden, weßhalb über das Maß und die Art der Aufgaben zwischen den Lehrern unter der Leitung und endlichen Entscheidung des Directors eine bestimmte Verabredung stattfinden muß.

§. 7. b.

Das in dem Studienplan aufgestellte Maß und die bezeich= nete Art der Bildung soll auf allen Gymnasien gleichmäßig erstrebt werden; da indessen noch nicht alle diese Anstalten hinsichtlich der innern Einrichtung und der Anzahl der Lehrer gleich stehen,

so können Modificationen, die gehörig motivirt sind, mit Genehmigung des Oberstudienrathes eintreten.

B. Von den Lehrgegenständen im Besondern.

aa. Sprachen.
§. 8.

Die Methode des Unterrichtes in den Sprachen muß nothwendig bei den synthetischen antiken einen andern Gang nehmen als bei den analytischen modernen. Bei jenen ist die nothwendige Voraussetzung glücklicher Fortschritte eine gründliche Ein: übung der abstracten grammatischen Regeln, weßhalb diese vorausgehen muß; bei diesen geht, wie aus ihrer Natur folgt, und die Erfahrung gelehrt hat, der Unterricht am besten unmittelbar an die Auffassung und Behandlung der concreten Sprachgebilde, beginnt also mit dem Lesen und Sprechen, ohne jedoch zu versäumen, das Allgemeine der sprachlichen Erscheinungen in der Form von Regeln zum Bewußtseyn zu bringen.

§. 9.

Deutsche Sprache.

Der Unterricht in der deutschen Sprache hat eine der bedeutendsten Stellen in der gesammten Gymnasialbildung einzunehmen, da demselben die dreifache Aufgabe vorschwebt, die bestimmte Weise, wie sich der Geist in dem Elemente des Lautes objectivirt hat, zum klaren Bewußtseyn zu bringen, und somit zur Einleitung für jedes weitere Sprachstudium zu dienen, Sinn und Verständniß für die classischen Werke der Nation zu bilden, und bewußte Gewalt über die Sprache, die Meisterschaft in der Kunst des Ausdrucks zu geben, wie ihn theils höhere åsthetische Zwecke, theils die Bedürfnisse und Convenienzen des gemeinen Lebens heischen.

Von der Betrachtung der concreten Sprachgebilde in der Lecture mustergültiger Schriftsteller bewegt sich der Unterricht durch die Abstractionen der Grammatik zur Sprachkunst in Stylistik, Rhetorik und Poetik und erhebt sich zuletzt zur Philosophie der Sprache überhaupt und zur Vergleichung stammverwandter Sprachen. Uebungen in schriftlichen Aufsätzen, im Recitiren und Declamiren begleiten die Theorie auf allen Stufen.

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