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Beilage H.

Lehrplan und Schulordnung

für die Gelehrtenschulen.

1. Lehrgegenstände, Umfang und Stufengang des Unterrichts.

i §. 1.

Der Unterricht in den Gelehrtenschulen umfaßt in einem zehnjährigen Curse und in sechs Classen:

Religion,

deutsche Sprache,

lateinische Sprache,

griechische Sprache,

hebräische Sprache, für diejenigen Schüler, die sich

der Theologie widmen wollen,

französische Sprache, und wo die Mittel hierzu reiz chen, italienische und englische Sprache;

Naturgeschichte,

Geographie,

Mathematik,

Naturlehre,

Weltgeschichte,

Alterthumskunde,

Rhetorik,

Psychologie,

Logik,

Kalligraphie,

Zeichnen,

Gesang.

Ueber den Umfang und Stufengang dieses Unterrichts werden folgende nåhere Vorschriften ertheilt;

§. 2.

Der Religionsunterricht,

welcher unter der verfassungsmåßigen Mitaufsicht der betreffen: den kirchlichen Behörden steht, findet in allen Classen statt.

Für den katholischen Religionsunterricht bleiben der Kirchenbehörde die, mit Zustimmung der Staatsbehörde, zu ertheilenden nåhern Vorschriften vorbehalten.

In den dem evangelisch- protestantischen Religionstheile ge hörigen Schulen werden in den beiden untersten Classen biblische Geschichten, nebst auswendig zu lernenden kurzen Sprüchen und Liederversen, zur Grundlage des Religionsunterrichts dienen.

In der dritten und vierten Classe soll dieser Unterricht auf den eingeführten Landeskatechismus gegründet werden, und mit Auswendiglernen sowohl der Sähe des Katechismus, als auch größerer Sprüche und Lieder, so wie mit Hinweisung auf die biblischen Geschichten und mit Lesung zweckmäßig gewählter Abschnitte der heiligen Schrift, verbunden seyn.

Für die fünfte Classe ist ein dem Alter und der Fähigkeit der Schüler angemessenes Lehrbuch zu gebrauchen, nach welchem in einem zweijährigen Cursus

1) die Einleitung in die heilige Schrift,

2) die Geschichte der christlichen Religion,

3) die christliche Glaubenslehre, und

4) die christliche Sittenlehre in angemessenem Umfange vorgetra

gen werden.

In der sechsten oder obersten Classe der Lyceen besteht der Religionsunterricht im Lesen des neuen Testaments in der Ur sprache, verbunden mit kurzen, sachgemäßen Erläuterungen,

Für den Unterricht der Schüler protestantischer Religion in den dem Religionstheile angehörigen Schulen werden besondere Vorschriften gegeben.

Von den Lehrern der Religion erwarten Wir, daß sie bei ihrem Unterrichte, besonders auch in den untern Classen, nicht bloß auf das Gedächtniß, sondern auch auf den Verstand und das Gemüth der Jugend wirken werden, und sich mit aller Gewissenhaftigkeit und Treue angelegen seyn lassen, einen christlichen, frommen Sinn in ihren Schülern zu erwecken. Jede Stunde dieses Unterrichts soll in den vier untern Classen mit einem einfachen christlichen Gebete, das mit gebührender Würde und Andacht gesprochen wird, angefangen und ebenso beschlossen

werden.

§. 3.

Deutsche Sprache, Rhetorik, Uebungen im Vortrage.

Der deutsche Sprachunterricht umfaßt in den beiden untersten Classen: Satzbildung, Wortbildung in Verbindung mit Orthographie und orthographischen Uebungen, Lesen, mündliche Uebungen.

In der dritten und vierten Classe findet ein weiterer grammatikalischer Cursus des deutschen Sprachunterrichts, nach einem für diese Classen geeigneten Lehrbuche statt, in Verbindung mit schriftlichen Arbeiten. Zu den schriftlichen Aufgaben, die sich an den Unterricht in der Grammatik anschließen, kommen zuerst kleinere Aufsätze, deren Stoff gegeben wird, ins besondere kleinere Erzählungen, Beschreibungen von Gegenständen der åußern Anschauung, nach ertheilter Anleitung, sodann grdßere Erzählungen und Beschreibungen, leichte Briefe, einfache Uebungen im Geschäftsstyle.

Auch in der vierten Classe bleibt die Erzählungsform, jedoch in freierer Arbeit des Schülers, die Hauptsache, und werden nebenbei die Uebungen im Brief- und Geschäftsstyle fortgesezt. Leichtere Abhandlungen, deren Stoff hinlänglich durchgearbeitet ist, können hinzukommen; der rhetorische Styl bleibt aber noch gauz ausgeschlossen.

In der fünften Classe soll, nach einem besonderen Lehrs buche, die Theorie des deutschen Styls, und zwar sowohl des prosaischen in seinen verschiedenen Arten, als auch des poetischen. vorgetragen, und die Uebung in deutschen Aufsåßen, unter denen nun Charakterschilderungen und Reden eine Stelle einnehmen, fortgesetzt werden.

Metrische Uebungen finden statt zur gründlichen Kenntniß der Formen (für die Lesung der Dichter), der Bildsamkeit und des Reichthums der Sprache.

In der sechsten oder obersten Classe wird die Rhetorik im eigentlichen Sinne, in systematischem Zusammenhange, vor: getragen, und in Verbindung mit ihr eine Uebersicht der Ges schichte der deutschen Literatur gegeben werden, um die Schüler mit den ausgezeichnetsten classischen Werken des deutschen Volkes bekannt zu machen. Dabei sollen die praktischen Uebungen im deutschen Style fortgesetzt, und auf den Lehrstyl und den philosophischen Styl ausgedehnt werden.

Mit dem Unterrichte der deutschen Sprache ist der Unterricht im mündlichen Vortrage und in der Declamation in Verbindung zu sehen. Auch schon in den beiden untern Classen sind die Schüler anzuleiten, mit gehöriger Deutlichkeit und mit richtigem Gefühle und Ausdrucke theils zu lesen, theils Gelesenes und Gehörtes zu erzählen oder wieder vorzutragen. In der dritten und vierten Classe wird zum Vortrage auswendig gelernter passender Gedichte und prosaischer Stücke fortgeschritten, und auch in der fünften diese Uebung, im Verhältnisse zur größern Fähigkeit der Schüler, fortgeseßt.

In der sechsten Classe sind die Schüler anzuhalten, selbst bearbeitete deutsche Auffäße oder Reden mit gehörigem Gefühle, Ausdrucke und Anstande vorzutragen.

Die Lehren werden bei dem Unterrichte überhaupt eine ge= naue Aufmerksamkeit auf den Ausdruck und den Vortrag der Schüler richten, und jeden Anlaß ergreifen, dieselben in der so wichtigen Muttersprache durch Beispiel und Belehrung zu unterweisen und zu bilden.

S. 4.

Lateinische Sprache.

Der Unterricht der lateinischen Sprache beginnt in der untersten Classe.

Für den ersten Unterricht in der Grammatik und zum mundlichen und schriftlichen Uebersetzen aus dem Lateinischen ins Deutsche und aus dem Deutschen ins Lateinische wird in den drei untersten Classen ein passendes, in drei Curse abzus theilendes Elementarbuch gewählt.

In der dritten Classe gehen die Schüler zu den Biographien des Cornelius Nepos und zu den Fabeln des Phädrus über, und werden in sogenannten Exercitien geübt.

In den folgenden Classen werden die Stylübungen und der grammatische Unterricht nach einem angemessenen Stufengange fortgesetzt, welchen die obere Studienbehörde durch Verweisung auf die einzuführenden Schulbücher nåher bezeichnen wird.

In der sechsten Classe insbesondere werden als Stylübungen lateinische Aufsäge von größerem Umfange und einem, dem reiz feren Alter und der vorangeschrittenen Bildung der Schüler entsprechenden Inhalte verfertigt.

Von Autoren sollen nie mehr als zwei, nämlich ein Prosaiker und ein Dichter gebraucht werden. Ein Wechsel findet nur am Ende eines halben Jahres, und ausnahmsweise im Laufe eines Semesters, nur unter Zustimmung des Directors und der Lehrerconferenz, nach Verfluß von drei Monaten statt.

In der vierten Classe sollen Julius Caesar de bello Gallico, und sodann de bello civili, ausgewählte leichtere Briefe von Cicero und Ovids Metamorphosen im Auszuge zum Uebersehen gebraucht werden.

In der fünften Classe werden Saluftius und auserlesene Reden von Cicero übersetzt. Auch können Abschnitte von Livius gewählt werden. Von den Dichtern ist Virgilius zu gebrauchen.

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