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Unsere Minister des Auswärtigen und des Innern 1846 sind mit der Vollziehung beauftragt.

Stuttgart, den 28. April 1846.

WILHELM.

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten:
BEROLDINGEN.

Der Minister des Innern :
SCHLEYER.

Auf Befehl des Königs der Staats-Sekretär:
GOES.

Text dieser Uebereinkunft:

Zwischen der Königl. Würtembergischen Regierung einer Seits und der Königl. Sächsischen Regierung anderer Seits ist nachstehende Uebereinkunft wegen gegenseitiger Uebernahme der Ausgewiesenen verabredet und abgeschlossen worden:

1. Es soll in Zukunft Niemand in das Gebiet des andern der beiden hohen contrahirenden Theile ausgewiesen werden, wenn derselbe nicht entweder von demjenigen Staate, welchem er zugewiesen wird, nach den Bestimmungen gegenwärtigen Vertrags, zu übernehmen ist, oder doch durch das Gebiet desselben als ein Angehöriger eines in gerader Richtung rückwärts liegenden Staats, nothwendig seinen Weg nehmen muss.

§. 2. Als Personen, deren Uebernahme gegenseitig nicht versagt werden darf, sind anzusehen: a) Diejenigen, welche die Unterthans-Eigenschaft (Staatsbürgerrecht) in dem Staate, welchem sie zugewiesen werden, erworben haben und seitdem entweder aus diesem Unterthansverhältniss überhaupt nicht wieder ausgeschieden, oder zwar der früheren Unterthanenschaft verlustig geworden, aber nicht in solche Verhältnisse zu dem anderen Staate eingetreten sind, welche in Gemässheit dieser Uebereinkunft die Uebernahms - Verbindlichkeit des andern Staats begründen; die Erwerbung, Fortdauer und Auflösung der Unterthans - Eigenschaft ist nach der innern Gesetzgebung des betreffenden Staats zu beurtheilen ; b) Diejenigen, welche von heimathlosen Eltern zufällig innerhalb des Staatsgebietes in welches sie gewiesen worden, geboren sind, so lange sie nicht in dem andern Staate die Unterthans-Eigenschaft erworben, oder sich daselbst mit Anlegung einer Wirthschaft unter

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Beobachtung der vorgeschriebenen nothwendigen Erfordernisse verheirathet, oder darin zehn Jahre lang sich aufgehalten haben; unter dem Begriffe von "Eltern" ist übrigens bei ehelichen Kindern der Vater, bei unehelichen die Mutter zu verstehen;

c) Diejenigen, welche zwar weder in dem Staatsgebiete geboren, noch zu Unterthanen daselbst aufgenommen worden sind, hingegen ohne Aufrechthaltung ihrer vorherigen Unterthans -Verhältnisse oder überhaupt als heimathlos, dadurch in nähere Berührung mit dem Staate, in welchen sie gewiesen worden, getreten sind, dass sie sich daselbst entweder mit Anlegung einer Wirthschaft unter Beobachtung der vorgeschriebenen nothwendigen Erfordernisse verheirathet oder darin zehn Jahre aufgehalten haben.

f. 3. Soll eine Person ausgewiesen werden, welche in dem einen Staate zufällig geboren ist, in dem andern aber die Unterthans-Eigenschaft erworben, oder mit Anlegung einer Wirthschaft unter Beobachtung der vorgeschriebenen nothwendigen Erfordernisse sich verheirathet oder zehn Jahre sich aufgehalten hat, so ist der letztere Staat dieselbe aufzunehmen verbunden. Trifft die erworbene (§. 2 Lit. a) und nicht wieder erloschene (§. 7) Unterthans - Eigenschaft in dem einen Staate mit der Verheirathung in der bezeichneten Weise oder dem zehnjährigen Aufenthalt in dem andern Staate zusammen, so ist das erstere Verhältniss entscheidend. Ist ein Heimathloser in dem einen Staate unter den vorgenannten Voraussetzungen in die Ehe getreten, in dem andern aber nach seiner Verheirathung, während des bestimmten Zeitraums von zehn Jahren geduldet worden, so muss er in dem letztern beibehalten werden.

§. 4. Sind bei einer Person keine der in den vorstehenden Paragraphen enthaltenen Bestimmungen anwendbar, so muss derjenige Staat, in welchem sie sich befindet, sie vorläufig beibehalten.

§. 5. Verheirathete Personen weiblichen Geschlechts sind von dem Staate zu übernehmen, welcher den Ehemann vermöge eines der angeführten Verhältnisse zu übernehmen hat. Wittwen sind nach eben denselben Grundsätzen zu behandeln, es wäre denn dass während ihres Wittwenstandes eine Veränderung eingetreten sei, durch welche sie nach den Grundsätzen der gegenwär

tigen Uebereinkunft einem andern Staate zugewiesen 1846 werden dürfen.

§. 6. Befinden sich unter einer auszuweisenden Familie unselbstständige, d. h. aus der väterlichen Gewalt noch nicht entlassene Kinder, so können solche, ohne Rücksicht auf ihren zufälligen Geburtsort, in denjenigen Staat verwiesen werden, welcher bei ehelichen Kindern den Vater, bei unehelichen die Mutter zu übernehmen hat. Wenn aber die Mutter unehelicher Kinder nicht mehr am Leben ist und letztere bei ihrem Vater befindlich sind, so werden sie von dem Staate mit übernommen, welcher den Vater aufzunehmen hat.

Vorstehende Bestimmung bezieht sich allein auf den Fall, wenn unselbstständige Kinder zugleich mit ihren Eltern übernommen werden sollen, und nicht auf den Fall, wenn Kinder allein, ohne ihre Eltern, sey es, dass diese nicht mehr am Leben sind, oder aus sonstigen Gründen, aus dem einen Staate ausgewiesen werden sollen. Vielmehr gilt bei Kindern, welche allein, ohne Eltern, dem einen Staate in den andern verwiesen werden wollen, wie bei allen übrigen Personen, mit Vorbehalt der Ausnahme der §§. 5 und 6, die allgemeine Regel, dass dieselben nach ihren eigenen Verhältnissen, wie solche zur Zeit des von der einen Regierung an die andere gestellten Ansinnens auf Uebernahme statt finden, zu beurtheilen sind.

§. 7. Hat ein Unterthan durch irgend eine Handlung sich seiner nach Massgabe des §. 2. a erworbenen Unterthans-Eigenschaft verlustig gemacht, ohne dass der andere Staat denselben nach den Bestimmungen der ff. 2, 3, 5 und 6 zu übernehmen verbunden ist, so kann der Staat, dessen Unterthan er früher war, der Beibehaltung oder Wiederannahme desselben sich nicht entziehen.

§. 8. Handlungsdiener, Handwerksgesellen und Dienstboten, sowie Schäfer und Dorfhirten, welche, ohne eine eigene Wirthschaft zu haben, in Diensten stehen, imgleichen Zöglinge und Studierende, welche der Erziehung oder des Unterrichts wegen irgendwo verweilen, können wegen dieses Aufenthalts, wenn derselbe auch länger als zehn Jahre dauern sollte, nicht von dem einen Staate dem andern zugewiesen werden. Zeitpächter sind den hieroben benannten Individuen nur dann

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1846 gleich zu achten, wenn sie nicht mit ihrem Hausstande sich an den Ort der Pachtung begeben haben.

§. 9. Die neben der Verheirathung geforderte Wirthschafts-Anlegung wird als vorhanden angenommen, wenn auch nur eines der Eheleute sich auf eine andere Art, als im herrschaftlichen Gesindedienste, Beköstigung verschafft, zugleich aber der Aufenthalt des Ehemannes in dem Staatsgebiete schon durch dessen sonstige Lebensund Berufs-Verhältnisse bedingt gewesen, nicht aber blos durch die Absicht, sich dort trauen zu lassen, herbeigeführt worden ist.

§. 10. Diejenigen, welche aus dem einen Staate ausgewiesen worden, ohne dass nach den in der gegenwärtigen Uebereinkunft festgestellten Grundsätzen der andere Staat zu deren Uebernahme verpflichtet wäre, ist letzterer den Eintritt in sein Gebiet zu gestatten nicht schuldig, es würde denn urkundlich zur völligen Ueberzeugung dargethan werden können, dass das zu übernehmende Individuum einem in gerader Linie rückwärts liegendem Staate angehöre, welchem dasselbe nicht wohl auf anderm Wege zugeführt werden kann.

§. 11. Sämmtlichen betreffenden Behörden wird zur strengen Pflicht gemacht, die Ausweisung von Personen in das Gebiet des andern der hohen contrahirenden Theile nicht blos auf die eigene unzuverlässige Angabe derselben zu veranlassen, sondern, wenn das Verhältniss, wodurch der andere Staat zur Uebernahme einer Person conventionsmässig verpflichtet wird, nicht aus einem unverdächtigen Passe oder aus andern völlig glaubhaften Urkunden hervorgeht, oder, wenn die Angabe des betreffenden Individuums nicht durch besondere Gründe und die Verhältnisse des vorliegenden Falls unzweifelhaft gemacht wird, zuvor die Wahrheit sorgfältig zu ermitteln und nöthigenfalls bei der vermeintlich zur Uebernahme verpflichteten Behörde Erkundigung einzuziehen.

§. 12. Sollte der Fall eintreten, dass eine von dem einen der hohen coutrahirenden Theile dem andern Theile zum weitern Transporte in einen rückwärts liegenden Staat zufolge der Bestimmung des §. 10 zugeführte Person von dem letztern nicht angenommen würde, so kann dieselbe wieder in denjenigen Staat, welcher sie ausgewiesen hatte, zur vorläufigen Beibehaltung zurückgebracht werden.

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§. 13. Die Ueberweisung von Individuen aus dem 1846 einen Staate in den andern geschieht in der Regel vermittelst Transports und Abgabe derselben an die Polizeibehörde desjenigen Orts, an welchem der Transport als von Seiten des ausweisenden Staates als beendigt anzusehen ist. Mit den Personen werden zugleich die Beweisstücke, worauf der Transport conventionsmässig gegründet wird, übergeben. In Fällen jedoch, wo keine Gefahr zu besorgen ist, können einzelne Personen auch mittelst eines Laufpasses, in welchem ihnen die zu befolgende Route genau vorgeschrieben ist, in den Staat, welcher sie zu übernehmen hat, gewiesen werden. Es sollen auch nie mehr als drei Personen zugleich auf den Transport gegeben werden, es wäre denn dass sie zu einer und derselben Familie gehören und in dieser Hinsicht nicht wohl getrennt werden können. Grössere sogenannte Vaganten - Schube sollen künftig nicht Statt finden.

§. 14. Da die Ausweisung nicht auf Requisition des zur Annahme verpflichteten Staats geschieht und dadurch zunächst nur der eigene Vortheil des ausweisenden Staats begründet wird, so können für den Transport und die Verpflegung der Ausgewiesenen keine Anforderungen an den übernehmenden Staat gemacht werden.

Wenn ein Ausgewiesener. welcher einem rückwärts liegenden Staate zugeführt werden soll, von diesem nicht angenommen und desshalb nach §. 12 in denjenigen Staat, welcher ihn ausgewiesen hatte, zurückgebracht wird, so muss letzterer auch die Kosten des Transports und der Verpflegung erstatten, welche bei der Zurückführung aufgelaufen sind.

§. 15. Können die respektiven Behörden über die Verpflichtung des Staats, dem die Uebernahme angesonnen wird, der in der Convention aufgestellten Kennzeichen der Verpflichtung ungeachtet, bei der darüber Statt findenden Correspondenz sich nicht vereinigen und ist die diesfällige Differenz derselben auch im diplomatischen Wege nicht zu beseitigen gewesen, so wollen beide contrahirende Theile den Streitfall zur compromissarischen Entscheidung eines dritten solchen deutschen Bundesstaates stellen, welcher sich mit beiden contrahirenden Theilen wegen gegenseitiger Uebernahme der Ausgewiesenen in denselben Vertrags-Verhältnissen befindet. Die Wahl der zur Uebernahme des Compro

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