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mend, die Truppen, die sich seinem Marsch entgegenseßten, bis gegen Warschau zurückgedrångt; die Oestreicher håtten, i indem sie sich hinter den Bug gezogen, der Division Lambert die wichtige Stellung von Minsk, wo sich unsre Depots und ungeheure Vorråthe befanden, preisgegeben, und es marschire der Admiral auf Borisow, um uns den Uebergang über die Beresina abzuschneiden, und hier seine Vereinigung mit den Korps von Wittgenstein und Steinheil zu bewerk stelligen. Da nämlich diese Generale seit der unglücklichen Schlacht von Polozk am 18. October nicht mehr durch das zweyte und sechste Korps im Zaum gehalten waren, rückten fie, der Eine auf Czasnicki, um sich mit der moldauischen Ars mee in Verbindung zu sehen, der Andre auf Wileika, um die Bayern abzuschneiden. Von der Vereinigung aller dieser Korps hing der Untergang der französischen Armee ab, und um dieser schrecklichsten und merkwürdigsten aller Niederlagen zuvorzukommen, rückte Napoleon in Eilmårschen nach der Beresina.

(17. November.) Sobald Marshall Davouft sich mit uns vereinigt, und Marschall Ney sich diesseits des Dniepers geworfen hatte, feßten wir uns gegen eilf Uhr, Morgens nach Liadui in Bewegung. Während der augen= blicklichen Ruhe, die wir in Krasnoi genossen, waren die Kosaken über die Stadt hinausgekommen, und folgten uns Kolonnenweise långs der Straße. Sie wagten es nicht, be waffnete Soldaten anzugreifen; aber da einige ihrer Pars teven wahrnahmen, daß der Rest unsers Gepäcks stille hielt, und dasselbe sich wegen der Schwierigkeit für die Pferde durch das Thal, das die Stadt von der Anhöhe trennte, zu gelan gen, in großer Unordnung befand, warfen sie sich darauf, und bemächtigten sich dessen ohne Widerstand. Hier verloren wir den Packwagen des Chefs des Generalstabs, der alle. Korrespondenzregister und alle sich auf unsre Unternehmung beziehende Plane, Charten und Memoiren enthielt.

Wir trafen bey einbrechender Nacht in Liadur ein. Oberhalb des kleinen Flusses, über den man kommt, ehe man anlangt, befand sich eine ziemlich beträchtliche Anhöhe, deren Abhang so schlüpfrig war, daß man sich hinabrollen musste. Liabui gewährte uns einen für uns neuen Anblick, nåmlich die Anwesenheit von Einwohnern. Waren es gleich Alle Juden, so vergaßen wir doch die Unreinlichkeit dieses verkäuflichen Volks, denn durch die Macht der Bitten oder vielmehr des Gelds gelang es uns, durch dieselben einige Hülfsmittel in dem Flecken, der dem ersten Ansehen nach ganz zu Grunde gerichtet schien, aufzufinden. So ward uns die Geldgierde, wegen welcher wir die Juden so sehr verachten, zum Heil, da fie sie allen Gefahren troßen ließ, um uns zu verschaffen, was wir verlangten.

Da Liadui litthauisch ist, glaubte man, es würde als zum ehemaligen Polen gehörig verschont bleiben. Als wir es aber des folgenden Tags (18. November) vor Tag ver liessen, leuchtete uns zu unserm großen. Erstaunen, wie gewöhnlich, das Feuer der in Brand gesteckten Häuser. Diese Feuersbrunst veranlasste einen der schrecklichsten Auftritte während unsers ganzen Rückzugs, ja ich würde meine Federnicht zu dessen Erzählung leihen, håtte nicht diese ganze Ge schichte den Zweck, den verderblichen Ehrgeiz, der civilifirte Völker zwang, den Krieg wie Barbaren zu führen, gehässig zu machen.

Unter den brennenden Häusern befanden sich drey mit bedauernswürdigen meist verwundeten Soldaten angefüllte Scheunen. Man konnte aus den zwey leßten nicht herauskommen, ohne durch die erste zu müssen, die in vollen Flammen stund. Wer noch gut zu Fuß war, rettete sich durch die Fenster; aber die Kranken oder Verstümmelten, die sich nicht rühren konnten, sahen, wie die Flammen sich allmählich sie zu verzehren nahten. Auf das Geschrey dieser Unglückttchen suchten einige weichere Seelen sie zu retten, aber vergeblich,

denn schon lagen fie unter brennenden Balken halb begraben. Zwischen dem wirbelnden Rauch hervor baten sie ihre Kame raden, ihr Leiden zu enden und sie zu tödten; aus Menschlichkeit glaubte man es thun zu müssen. Einige noch Lebende hörte man mit gebrochener Stimme im Hinziehen rufen: Schießt auf uns nach dem Kopf! nach dem Kopf! Verfehlt uns nicht! Diese zerreißende Töne hörten nicht eher auf, bis die unglücklichen Schlachtopfer vom Feuer verzehrt waren.

Da die Reiterei alle Pferde verloren hatte, und Na poleon Bedeckung bedurfte, vereinigte man zu Liadui alle Offiziere, die noch Pferde besaßen, um vier Kompagnien, jede von 150 Mann, daraus zu bilden. Die Generale thaten Hauptmanns- und die Obristen Unteroffiziers-Dienste. Zum Anführer erhielt diese, die heilige zubenannte, Schwadron, General Grouchy, unter den Befehlen des Königs von Neapel. Nach ihrer Bestimmung sollte sie den Kaiser nicht aus dem Gesichte verlieren. Aber alle Pferde, die bis jet ausgedauert hatten, so lange sie besser als diejenigen der Soldaten verpflegt worden, gingen zu Grunde, sobald man sie mit denen der Generale zusammenbringen wollte. Daher be: stund die heilige Schwadroń nur wenige Tage.

Wir rückten Alle zugleich zu Dubrowna ein. Dieser Ort war von allen denen, die wir seit unserm Abzug aus Moskau angetroffen, am besten erhalten. Wir fanden hier einen polnischen Unterpråfekten und einen Platzkommandan ten. Die Juden, die die Häuser bewohnten, verschafften uns etwas Mehl, Branntwein und Meth. Sie wechselten auch den Soldaten die Papierrubel gegen Geld aus. Erstaunt über die Sicherheit der Israeliten, und die Rechtlichkeit unfrer Soldaten, die Alles bezahlten, was sie nahmen, wähn ten wir bereits, der Ueberfluß sey im Zurückkehren, und unfer Uebel dem Ende nahe.

Im Gegentheil berührten wir die äußerste Grånze des ·

Elends. Brod! Brot! war jest der Ruf der Ueberbleib fel des mächtigsten der Heere. In einer sehr unglücklichen Lage befanden sich die Angestellten aller Art, besonders die ohnedies an keine Entbehrungen gewöhnten Kommissairs und Gardemagazins; noch mehr Bedauern verdienten die Aerzte, und vor allen die Wundärzte, die, ohne Hoffnung auf Be förderung, sich eben so der Gefahr aussehen wie die Krieger selbst, so oft sie diese auf dem Schlachtfeld verbinden. Bey einem Hause zu Dubrowna, dem die Soldaten in Menge zuströmten, weil sie vernommen, man båte darin Lebensmittel feil, erblickte ich einen jungen Wundarzt in tiefe Traurigkeit versenkt, der wie von Sinnen auch hinein zu gelangen suchte. Da er, immer durch die Menge zurückgestoßen, Zeichen ei ner lebhaften Verzweiflung von sich gab, fragte ich ihn nach der Ursache. Er antwortete mir kläglich, er sey ein verlor ner Mensch, der seit zwey Tagen nicht gegessen; nun da er einer der Ersten hier eingetroffen, habe er erfahren, daß man in diesem Hause Brot verkaufe, worauf er der Schildwache sechs Franken gegeben, um hineingelassen zu werden; da aber das Brod noch im Ofen gewesen, habe ihm der Jude keines versprechen wollen, wenn er ihm nicht einen Louisd'or zum Voraus gåbe; er habe eingewilligt, nun aber da er zu zurückgekommen, befånde sich eine andre Schildwache da, die ihn unbarmherzig zurückstoße. Ach Herr! sagte er mir wei nend, wie unglücklich bin ich, ich verliere das wenige Geld, das mir noch blieb, um mir Brod zu verschaffen, dessen ich. seit einem Monat entbehre.

Bis zu diesem Zeitpunkt war Napoleon in einer gu ten, hermetisch verschlossenen, mit Pelz wohl ausgefütterten Kaleshe *) gereist; er trug überdies einen Pelz und eine Müße von Zobelfell, die ihn vor dem Eindruck der heftigsten

*) Der Verfasser bedient sich dieses Worts, wiewol es eigent lich einem verschlossenen Wagen gewöhnlich nicht zukommt.

Kälte beschüßte. Den Tag unfrer Ankunft zu Dubrowna hatte er einen großen Theil des Wegs zu Fuß zurückgelegt. Dieser Gang war geeignet, ihn von dem elenden Zustand der Armee zu überweisen, und ihn einsehen zu lassen, wie sehr ihn die falschen Gerüchte gewiffer Korpschefs betrogen, die ihm die Wahrheit verheimlichten, weil sie wussten, wie ge fährlich es war, sie ihm zu sagen, und befürchteten, sich seine Ungnade zuzuziehen. Er dachte jest, seine Reden würden die Wirkung der Manna in der Wüste hervorbringen, und hoffte durch Schimpfworte, die er den Offizieren, und durch abgeschmackte Scherze, die er den Soldaten sagte, den Einen Furcht, den Andern Muth einzuflößen. Aber die Zeiten des Enthusiasmus, wo ein einziges feiner Worte Wunder bes wirkte, waren vorbey. Seine Tyrannei hatte Alles erdrückt, und indem er selbst alle großherzigen Ideen in uns erstickte, beraubte er sich des einzigen Triebwerks, das noch unsre Seelen hatte aufregen können.

Was Napoleon am schmerzlichsten angriff, war zu sehen, daß seine alte Garde der nåmlichen Muthlosigkeit unterlag; mit blutendem Herzen vereinigte er einen Theil der felben, ehe er Dubrowna verließ, begab sich in ihre Mitte und empfahl den Offizieren die Erhaltung der Mannszucht, indem er sie erinnerte, wie die Garde sonst den Stolz seiner Heere machte, und welche Siege man ihr verdankte! Aber alle diese schönen Anreden kamen jest zur Unzeit; dieser Mann, der, ohne sittlichen Werth zu besigen, zum Heldenthum strebte, machte nun die Erfahrung, daß die großen Entwürfe keinen Ruhm gewähren, wenn sie keinen löblichen Zweck haben, und ihre Vollziehung in keinem Berhältniß mit den Kräften der schwachen Menschheit stehet.

(19. November.) Eine halbe Stunde, nachdem wir Dubrowna verlassen hatten, ging unser Weg durch eine sehr breite und tiefe Schlucht, in deren Mitte sich ein Fluß befand. Das entgegengeseßte Ufer beherrschte dasjenige, auf

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