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fich dieß Zuwider sein fast allein geltend, so daß miß. anschei nend mit Schärfe verneint, aber mehr in den Begriff des unange nehmen, widrigen Gegentheiles umsegt, z. B. mißlaunig, miß. billigen, mißfallen u. a. m. Damit steht in enger Verbindung, daß miß auch vorkommt den Begriff des Nachtheiligen, Schädlichen mit dem Unrechten verbindend oder nur mit einem leisen Anstriche von diesem hervorhebend, z. B. Missethat goth. missadèds, Mißgeburt, agf. miswëore Mißwerk, Mißjahr, Mißwachs, Miß gunst (Nr. 41.), Mißglaube (b. Luther), mißrathen (in dem Sinne von miß gerathen), miß glücken, mißlingen, (durch Übergang des Begriffs) mhd. misserâten bösen Rath geben, miß kennen, u. s. w. Das Beiwort übel-, goth. ubils, ahd. up(b)il, agf. yfel, altn. zusammenverflößt illr, gibt nach seinem Wortbegriffe (S. Schlecht) die Bed.: ungut mit unangenehmem, widerwärtigem Eindrucke, es mag nun mit mehr oder weniger Stärke ungut sein, z. B. Übelthat ahd. ubiltât u. ags. yfeldæd, Übelthäter goth. ubiltôjis, mhd. übeldiep, übelman, Übelflang, Übellaut, übeldeuten, übel verstehen, u. a. m. Dabei mischt fich gelinder oder stärker der Nebenbegriff des Nachtheiligen, Schädlichen ein. Die untrennbar_erscheinende Partikel un-, goth., ahd., alts., ags. un-, altn. ô anft. on oder un, nicht ganz ohne Wahrscheinlichkeit mit ahd. âna ohne, durch welches Wort sie auch im Neuhochd. zuweilen vertreten wird, verwandt, steht eig. bloß in Zus sammensegung mit Haupt- und Beiwörtern, während die mit ihr zusammengesetzten Zeitwörter aus Hauptwörter-Zusammensegungen abgeleitet sind, und gibt dem Begriffe des Grundwortes schwächende, beraubende (privative) Bed., indem sie dasselbe meistens zu seinem (allgemeinen) Gegentheil umbildet, mit gelinderer oder härterer Bestimmung, welche bei dem Worte nach Mundart und Zeit schwankt 2). So bei abstracten Begriffen, z. B. Unheil (vgl. goth. unháili Krankheit), Un kraft abd. unchraft, Undank ahd. undanch, ahd. untât Beschädigung (Un that, aber hier nur wie unser Un thätchen), Un tiefe (abd. untiuphi Syrten), Unwille ahd. unwillo, ahd. ungiwitiri Un gewitter, ahd. unzuht Unzucht, Unglück altn. ôlucka, ungeheuer ähd. ungahiuri, unstät ahd. unstâte, un fest ags. unfäst, ungesund, verunehren (ahd. unêran. Docen 1, 241 a), ver untreuen, beunruhigen u. s. w. Doch schwankt bei einigen neuhochdeutsch die Bed. des un- über in den Begriff, allzuviel beraubend", welchen es eig. nur leiblichen Hauptwörtern (Personen, Thieren, Pflanzen) mittheilt, indem es die Bez. des Verkehrten, Gehässigen, in hohem Grade Widrigen ausdrückt. Von den obengenannten Wörtern z. B. in Ungewitter ahd. ungiwitiri, Unthat, Unwille, Unstern u. s. f.; eigenthümlich aber z. B. in Unhold goth. unhulpa (= der Teufel), Unkraut ahd. uncrout, Unmensch abd. unmennisco, Unthier, Ungethüm u. s. w. (S. Grimm II, 775-783.). Nicht (S. Mit Nichten) bildet erst im Neuhochd. Zusammensegungen, in welchen der Begriff des Grundwortes nur geradezu verneint wird, während un- Abwesenheit des Be

griffes anzeigt und zugleich das Gegentheil bejaht; vgl. z. B. Nicht gelehrter u. Ungelehrter, nichtdichterisch u. undichterisch, Nichthöflichkeit (b. Seume) u. Un höflichkeit, u. s. w. Ahd. steht ni an der Stelle des neuhochd. nicht, z. B. ahd. ni mennisco Nichtmensch (Graff II, 755.) neben ahd. unmennisco Unmensch (Ebendas.).

1) Man schreibt gewöhnlich miß- wegen goth. u. ahd. missa- u. ahd. missi-; Andre, wie Grimm, Graff, früher Schottelius u. s. w. schreiben mis-, wofür auch mis- spricht, so wie daß ss und nicht zz vorkommen.

2) Jedes Wort mit un- ist aus seiner Zeit und aus seinem Orte zu beurtheilen, wie z. B. unser Unzucht gegen ahd. unzuht, Unthat (altu. ôdâd) gegen ahd. untât (s. oben), u. s. w. zeigen. Die stärkere Bed. des un kann sich somit auf eine ursprünglich gelindere gründen, da man, anstatt manches Böse geradezu zu nennen, verhüllende Ausdrücke mit un schuf, z. B. Unfitte, ahd. unzuht, untât, mhd. ungeloube, u. a. m., bis sich nach und nach diese gelinden Ausdrücke zu hoher Schärfe des Begriffes fortbildeten, wie sie un- vielen Wörtern mittheilt. Überhaupt aber umgehen viele Ausdrücke mit un die Härte gerade entgegengesetter Aus: drücke, wie z. B. unschön, un lieb, un klug, viel gelinder als häßlich, verhaßt, thöricht sind (S. Grimm II, 782.). Manche Wörter übri gens kommen ohne un gar nicht mehr vor, z. B. Unbill, Unflat, un: gestüm, Ungeziefer.

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1317. Mißbehagen. Unbehagen. Ü. Zustand in innerlich beschwerend beengender Empfindung des Unangenehmen aus Unangemessenheit von etwas oder da etwas nicht anspricht (Vgl. Behagen Nr. 783.). V. Das Mißbehagen, die Nennform (Infinitiv) mißbehagen mhd. einfacher missehagen (Nibelungel. 1028, 4.) als Hauptwort, bez. diese Empfindung als eine widrige, unrechte, im Gegensatz zu Wohlbehagen; aber das Unbehagen, dasveraltete mhd. Zeitw. unbehagen,,nicht ansprechend angenehm sein" (Minnes. II, 222 a) als Hauptwort, drückt nicht allein Abwesenheit des Stammbegriffes Behagen aus, sondern zugleich das positive Gegentheil von demselben (Vgl. Miß- und un- Nr. 1316.). 3udem scheint Unbehagen mehr von einem beziehungslosen, bloßen Zustand der bezeichneten Art gebraucht zu sein.

1318. Mißdeuten. Übel deuten (übeldeuten). Ü. Etwas unrecht erkennen machen, was es ist oder sein soll (S. Deuten Nr. 260.). V. Mißdeuten (b. Luther) = etwas einen unrechten Sinn beilegen, dem wahren Sinne zuwider deuten; übel deuten (übeldeuten) etwas einen widerwärtig ungu ten Sinn beilegen (Vgl. Miß- und un- Nr. 1316.). Wer z. B. Worten, die ein Andrer gesprochen, einen Sinn beilegt, der dem wahren Sinne derselben zuwider ist, der mißdeutet fie; wer aber gegen die Absicht des Sprechers in ihnen Beleidigung oder Bes schimpfung findet, der hat sie nicht bloß gemißdeutet, sondern übelgedeutet. Vgl. miß- und übel Nr. 1316.

1319. Mißfallen. Mißvergnügen. Unluft. Verdruß. U. Unangenehme, widrige Seelenstimmung worüber. V. Vgl. Miß- und un- Nr. 1316. Das Mißfallen, die Nenn<

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form (Infinitiv) mißfallen abd. missevallen (Tristan u. Isolt 5785.) als Hauptwort, bed., im Gegensag von gefallen (Nr. 783.):,, unangenehme, widrige Empfindung, welche man über etwas hat". Dann überhaupt:,, unangenehme, widrige Stimmung worüber“. Das Mißvergnügen ist Gegensatz von Vergnügen (S. dieses Wort) und bed.: unangenehme, widrige Stimmung aus Nichtverwirklichung von irgend etwas, was man verwirklicht möchte, oder darüber wie man es verwirklicht haben möchte. Die Unlust, goth. unlustus, abd. diu unlust (gloss. Jun. 254. Gloss. Ker. 181.), welche mehr s. v. a. Widerwille" bedeuten, ist das Mißvergnügen in seiner finnlichen Stärke, und kann auch ohne Beziehung auf einen Gegenstand, worüber es sich erregt hat, als unangeneh mer Zustand einer Seelenstimmung, aber mehr einer erhöhten da sein (Vgl. Lust Nr. 314. Anm. und unter dem Artikel „Vergnügen"). 3. B. Ihr seid unluftig, weil Euch Orleans - Entgieng und last nun Eures Zornes Galle - An mir, dem Bundsfreund, aus" (Schiller, J. v. D. II, 1.). Der Verdruß, ehedem der Verdrieß (z. B. im Theuerdanck), von verdrie Ben (Nr. 453.), bed.: sehr empfindliche beschwerliche Unlust worüber. Ungerathene Kinder z. B. machen ihren Eltern viel Verdruß.

1320. Mißgeburt. Mondkalb. Wechselbalg. Ü. Auffallend mißgestaltes Menschengeschöpf. V. Die Mißgeburt ist agf. misbyrd, was s. v. a. unzeitige oder Fehlgeburt bedeutet, von mißgebären eine unzeitige oder Fehlgeburt zur Welt bringen (abortiren), und dann ein ausgeartetes widriges Geschöpf zur Welt bringen (Vgl. Miß- Nr. 1316.), z. B.,,Daß ich den franken Stamm mit reinem Zweig Veredle, euch bewahre vor dem miß- Gebornen Sohn des hirnverrückten Vaters!" (Schiller, J. v. O. I, 5.). Daher dann auch Mißgeburt = ein von seiner Art abweichendes mangelhaftes mißgestaltes widris ges Geschöpf, insofern es so zu seinem Dasein gekommen ist, es mag nun ein menschliches oder ein thierisches sein. So ist z. B. das Kind bei Gellert eine, Mißgeburt", wenn die Frau Gevatterin erzählt, Lucinde habe,, Ein Kind mit langen Hasenohren,

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Ein recht abscheulich Kind geboren ". 27. Ein Kalb mit zwei Köpfen oder sechs Ohren ist eine Mißgeburt. In diesem Sinne auch figürlich von mangelhaftem mißgestalten widrigen. Hervorgebrachten [da gebären figürlich = hervorbringen wie durch Zeugung. S. Nr. 1124.], 3. B. "Ja selbst die lorbeer- bäume Der Daphne mißgeburt" (Lohenstein in Neukirch's Gedichtsamml. I, 281.). Da der vergebne rath ihn nur dahin kan treiben, Daß er mit größrer wuth maß lauter reime schreiben. Wenn er die mißgeburt mit plerren her erzehlt, Gebt freund und nachbar durch, damit er sie nicht qvält" (E. G. R. ebendas. 1, 231.). Der gemeine Stolz auf Geburt, Reichthum, ist die unförmlichste Mißgeburt der Ehrbegierde" (Gellert). Der Wechselbalg, ahd. der wihseline (Notker, Ps. 17, 46.)

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d. i. Wechseling, später Wächselkind (Clara Hätzlerin), ist eig., nach dem alten Aberglauben, ein durch die, als diebisch gedachten, Zwerge und Elbe (Elfen) an die Stelle eines von ihnen entwen deten wohlgestalten Kindes der Menschen untergeschobenes [fremedaz chint erflärt Notker a. a. D.] eignes häßliches oder gar eines dieser kleinen Wesen felbst (S. Grimm, D. Mythologie S. 263.); nach späterer Ansicht ein vom Teufel untergeschobenes mißgestaltes Kind (Zeno in Bruns altplattd. Ged. S. 27 ff.). Insbesondere werden solche menschliche Geschöpfe mit geschwundenem Fleische an den Gliedern (Grimm, ebendas. S. LXVII.), aber dickem Halse und überaus unförmlich dickem Kopfe so genannt, die sonst auch Kielkröpfe heißen. 3. B. «Von der unnatürlichen grossy [Größe] des haupts der kind, darumb man si wechselkint haist» (Bei Schmeller IV, 16.). Wechselbalg benennt nun nur das Geschöpf selbst und zwar das in großem Maße mißgestalte bei Menschen, insofern es so nächst seiner Geburt erscheint, als ein verwechseltes (ausgewe echseltes) und untergeschobenes, wie denn auch Balg ein beschimpfender Ausdruck ist, im Besondern für ein Kind (S. Nr. 923. Anm.). In solchem Sinne nennt Gellert die oben erwähnte Mißgeburt Lucindens auch einen Wechselbalg. So mag dann das Wort auch figürlich stehen. Der Ausdruck das Mondkalb, b. Adelung, Voigtel, Campe lieber nach älterer Form Monkalb (S. Mond), ist in Anspielung auf das unerwachsene, unzeitige Junge der Kuh gebildet, vielleicht mit mythischer Vorstellung, wie sich auch Aber, After, Eberfalb unechtes Kind finden Sonnen falb als Eigenname, abd. wazarkalb geschwulstige Wassersucht (Diut. II, 181 ). Vgl. Grimm, D. Mythol. 673. Zunächst bed. das Wort ein lebloses unförmliches fleischiges Gewächs, welches anstatt eines Kindes zur Welt kommt, im Niederd. Mânenkind genannt; dann die unzeitige mangelhafte höchst mißgestalte Leibesfrucht; biervon endlich, wie engl. mooncalf, die höchst mißgestalte fleischige plumpe Mißgeburt. So wird z. B. in Shakspeare's Sturm das höchst plumpe mißgestalte Ungeheuer Caliban mit Recht Act II, Sc. 2. ein Mondkalb genannt. Übrigens weist der Ausdruck in Kalb vorzugsweise auf das dumme plumpe Thierische. Wie aber auch Mißgeburt im gemeinen Leben mancher Gegenden als Schimpfwort gebraucht wird, so finden sich gleicher Weise Wechselbalg und Mondkalb.

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1) In den Rechten versteht man unter einer Mißgeburt ein von Menschen erzeugtes Geschöpf vhne menschliche Gestalt und Vernunft.

2) Aber in folgendem Sinugedichte bei Fr. v. Logau (XI, 6.) ist es unklar, ob unter Mißgeburt im eig. Sinne eine unzeitige oder Fehlgeburt, oder ein ungestaltes Kind gemeint sei: «Amea ist so wunderhübsch, daß Schwangere sich segnen: Es geht nicht ab ohn Mißgeburt, sobald sie ihr begegnen.»>

1321. Mißgestalt. Ungestalt. Ü. Nach dem Ansehen vom Gewöhnlichen und Angemessenen abweichend mangelhaft oder widernatürlich und häßlich, indem bei Übermaß oder Dürftigkeit an Masse keine

gehörige Naumbegränzung oder kein Verhältniß in der Anordnung der Theile sich darbietet (S. Gestalt Nr. 720.). Beide Wörter find Bei- oder vielmehr Mittelwörter (S. gestalt Nr. 720. S. 453.). V. Mißgestalt, mbd. missestalt (Barlaam 32, 12.), bez. mehr das fehlerhaft und dadurch widrig Aussehende, aber ungestalt geht auf die Abwesenheit einer eigentlichen Gestalt und hebt das positive Gegentheil von dieser hervor, wie wenn man ein häßliches widriges Gestaltloses erblickt (Vgl. Miß- und un- Nr. 1316.). Hiernach ist also dieser Ausdruck stärker als mißgestalt. Wie aber miß und ungestalt, so sind auch die davon entstandenen Hauptwörter die Wißgestalt und die Ungestalt verschieden, mögen diese nun von einer äußerlich sich gebenden Beschaffenheit, oder von einem wirklichen Geschöpfe selbst stehen. Beispiele: ,,Die Mißgestalt ihres Charakters" (Thümmel). bessert sich der Sachen Mißgestalt“ (Wieland). „Des Hammers [Hammerfisches] gräuliche Ungestalt" (Schiller, d. Tau cher). Mißgestalten der Gespenster.“ Ein scheußliches Gemisch von Ungestalten" (Gries).

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1322. Mißhandeln. Beleidigen. Ü. Einem andern Geschöpfe etwas thun, was es unangenehm, schmerzlich empfindet. V. Beleidigen (s. Nr. 343.) bez. nur dieß, besonders insofern es als dem Rechte des Andern zuwider diesen schmerzlich unangenehm stimmt. In Bezug auf Thiere gebraucht, mischt sich dem Worte der Gedanke an menschliche Empfindung und menschliches Necht bei (Vgl. Nr. 343.). Mißhandeln, wovon mhd. sich missehandelen sich vergehen (H. v. Krolewiz 2292.) vorkommt, bed.: mit Unrecht und gegen Angemessenheit in hohem Grade Widriges und Schmerzen zufügen (Vgl. miß- Nr. 1316.), übermäßig hart und beschwerend verfahren gegen jemanden oder etwas. So z. B. fann ein Wort gegen jemanden schon beleidigen, aber Franz Moor in Schiller's Räubern mißhandelt seinen Vater in mancherlei Weise auf das Empörendste und Widernatürlichste. (Eboli:) 2oran Erinnern Sie mich, Prinz? (Karlos:) An deine Güte Und meinen Undank... Ach! ich weiß es wohl! Schwer hab' ich dich beleidigt, Mädchen, habe Dein sanftes Herz zerrissen, habe Thränen – Gepreßt aus diesen Engelblicken" (Schils ler, D. K. IV, 15.). Wenn aber König Philipp ohne gerechten Grund seine Tochter unsanft von der Mutter stößt, so spricht die Königin: Dieß Kind Muß ich doch sicher stellen vor Mißhandlung" (Das. IV, 9.). So auch wenn mißhandeln allgemein unrecht und übermäßig beschwerend und verlegend thatig auf etwas wirken. 3. B., Leidenschaften mißhandeln die Lebenskraft" (Schiller, d. R. II, 1.).

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1323. Mißkennen. Verkennen. Ü. Ein Ding ans ders erkennen, als es in der Wahrheit ist. V. Verkennen bed. zunächst s. v. a. „nicht kennen, des Kennens von etwas verlustig sein", ähnlich wie goth. frakunnan in eig. Bed. (Grimm

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