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fäus, Kinderflapper S. 54.). ,, Ein rauber Ostwind herrscht schon mehrere Tage lang." Herrschende Krankheiten." In dieser allgemeinen Bed. schließt dann auch das Wort den oben ges gebenen Übereinstimmungsbegriff ein. Das, nach Adelung (III, 1024.) zu Anfang des 15. Jahrh. schon völlig gangbare 1), eingebürgerte regieren (besser, wie Manche schreiben: regiren), ist das lat. regere = einer Thätigkeit ihre Richtung geben und fie darin erhalten. So z. B., wenn wir sagen, daß ein Fuhrmann seine Pferde regiere, u. dgl. m. In der Fortbildung des Begriffs, verbunden mit dem Gebrauche des lat. Wortes, hat sich dann sein Nebenbegriff entwickelt, daß das Verhalten zu einem gewissen Zweck bestimmt werde. 3. B. „Die Liebe der Ehe mit einem ftäten Augenmerke auf ihre ehrwürdige Absicht durch Klugheit regieren" (Gellért). ,,Sonst war ich [der Freiherr von Attinghausen] selber mit in Feld und Wald, Mit meinem Auge ihren [seiner Knechte] Fleiß regierend, Wie sie mein Banner führte in der Schlacht" (Schiller, Tell II, 1.). In Rücksicht dieses Begriffs wird man denn von vielen Königen sagen müssen, daß sie wohl zu herrschen, aber nicht zu regieren verstanden hätten; auch singt mit Recht ein frommer Dichter:,, Bist du doch nicht Regente, Der Alles führen foll: Gott fist im Regimente Und führet Alles wohl" (Paul Gerhard). Dieser Nebenbegriff aber ist regieren eigenthümlich und unterscheidet es wesentlich von herrschen, welches übrigens denselben auch einschließen kann, 3. B., Er kann sich selbst nicht regieren, wie wird er flüglich und sanftmüthig in seinem Hause zu herrschen wissen?" (Gellert). Wenn nun auch wohl gesagt wird, daß z. B.,, ansteckende Krankheiten regieren" (Adelung) anst. Herrschen; so ist dieß nicht schrift= gebräuchlich, sondern gehört nur dem gemeinen Leben an. Aus der Vergleichung von herrschen und regieren ergibt sich auch die Verschiedenheit zwischen Herrscher (ahd. der hërisari. Graff IV, 999.) und Regent, so wie zwischen die Herrschaft“ und ,,das Regiment".

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1) Regieren machte sich geltend, als das entsprechende ahd. rihtjan Richtung geben und als Herr überwalten (z. B. Tatian in Matth. 2, 6. Notker Ps. 22, 1. u. öfter) und garihtjan, so wie das häufige rîhbisôn = lat. regnare, ein Land oder Volk überwalten, ags. ricsjan, von ahd. daz rîhhi Reich, zu veralteu begannen.

959. Herum streifer. Herumstreicher. Herumschwärmer. Landläufer. Landstreicher. Vagabund. Ü. Ist jemand, der unftät und ohne bestimmtes Ziel bald zu dem, bald zu jenem Orte sich begibt. V. Der Herumstreifer bez. in der Abstammung des Grundwortes von streifen, daß dieß unstäte Sich-bewegen da oder dorthin ohne Aufenthalt ge= schehe, aber ohne auszuschließen, daß dabei Beschäftigung mit vorkommenden Gegenständen Statt haben könne. Der Herumstreicher, von mhd. strichen = einen Weg still aber schnell machen (Ruother

2970. Iwein 1975.), verbindet mit dem unftäten schnellen Bewegen eine verdächtige Absicht, z. B. etwas heimlich mitzunehmen, zu fangen oder was dergleichen mehr ist. Der Herumschwärmer treibt sich, wie dieß in schwärmen (Nr. 671.) liegt, regellos bald da bald dorthin, besonders von seinen Einbildungen und Gefühlen fortgeriffen. 3. B., Sie weiß mich in Wüsten irren, und im Elend herumschwärmen" (Schiller, d. R. IV, 5.), Der Landläufer und der Landstreicher sind gewöhnlich ohne festen Wohnort und Aufenthalt, während bei den vorhergebenden Ausdrücken doch ein solcher vorausgeseßt werden kann. Der LandLäufer aber treibt sich aus Müßiggang im Land umher und erhält sich auf Kosten Anderer, wie z. B. durch Betteln u. f. w.; der Landstreicher thut nicht nur dieß, sondern hat auch hierbei die verdächtige Absicht des Stehlens, wenigstens wird sie ihm, seines durch seinen übeln oder liederlichen Kleidungszustand verdächtigen Aussehens wegen, beigemessen. Z. B. Wie er ihn [den Bogen] umdreht Hin und her in den Händen, der landdurchstreichende Gaudieb!“ (I. H. Voß, Odyssee XXI, 399 f.) Anm. Über herum in den oben verglichenen Wörtern s. « Um. Herum.» Der Gauner und der Gaudieb, welche Ausdrücke mit Landstreicher in Sinnverwandtschaft stehen, sind in Nr. 473. zu ers sehen. Das Fremdwort «der Vagabund» ist das lat. vagabundus, franz, le vagabond, fommt von lat. vagari (vagiren ) = umherstreichen und bed. den Landläufer, vornehmlich aber den Landstreicher, ohne gerade immer die Härte dieses Ausdrucks zu verbinden.

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960. Herzlich. Herzig. Ü. Beide Wörter gebraucht man in der Bez.: mit lebhafter wahrer innerer Empfindung, insbe sondere mit Zartheit derselben. V. Über herzlich, in dessen Begriff der gegenwärtige im Allgemeinen enthalten ist, f. Nr. 961. Herzig, im Ahd. hërzic? bed. eig. s. v. a.,, worin sich Herz befindet", z. B. landschaftl. ein herziger Baum" ein ferniger d. i. der viel inneres festes Holz [Herz genannt, im Gegensag des äußern weichern Holzes, welches man Spind nennt] hat (ATLgem. deutsch. Biblioth. 29. Bd. 2. Stück). Hiernächst ist das Wort von der innern Empfindung gegen Andre gebraucht, in Beziehung darauf, daß das Herz als Sig der Gefühle gedacht wird (S. Nr. 961.). So z. B. weich, hart, offen, groß, gut, barmherzig u. f. w. Hieraus endlich entwickelte sich in der traulichen und gewöhnlichen Sprache der Begriff: „durch Ausdruck oder Erregung von Zartheit wahrer innerer Empfindung gegen Andre und durch Zuneigung angenehm." Z. B. ein herziges Kind. „Ein Veilchen auf der Wiese stand -Gebückt in sich und unbekannt; Es war ein herzig's Veilchen" (Göthe, Balladen). In dieser Bed. ist das Wort dann mit herzlich näher sinnverwandt.

961. Herzlich. Innig. Herzinnig. Ü. Von lebhafter wahrer innerer Empfindung, oder solche ausdrückend. Die V. wird wesentlich durch die Grundbegriffe herzlich von Herzen" und innig im Innern" bestimmt. 1) Jener Grund

begriff hat ahd. herzlihho (Kero 9.), wie das Wort auch später, im Gegensag zu mündlich, vorkommt, z. B.,,Herzlich hassen, mündlich lieben" (Fr. v. Logau). Herzlich drückt hiernach im Neuhochd. aus, daß die Empfindungen von Herzen, als dem Size derselben wie der Gemüthsneigung (Vgl. Nr. 427.), gehen. Innig, mbb. innec (Leyser, Predd. 33, 40. 16, 17.), altschwed. innig, in Ähnlichkeit mit dem lat. intimus, bez. die innere Empfindung in ihrer Tiefe 1), drückt also einen starken, hohen Grad dieser Empfindung aus, und ist hiermit eine viel stärkere Bezeichnung, als herzlich. Eine Freundschaft z. B. ist herzlich, wenn fie auf lebhafter wahrer innerer Zuneigung beruht; sie ist aber innig, wenn sie recht stark und warm ist. Wir herzten, wir drückten, wie innig, wie warm! Und wiegten uns, eia popeia! im Arm" (Bürger, Ged.). „Gar innig ward Sarpedon dessen froh" (Ders., Ilias V, 847. ). Wie innig

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fühl ich mich gerührt!" (Göthe, im Faust). Um, wie Adelung (II, 1385.) und Campe (II, 826.) sagen, die Bed. von innig noch zu erhöhen, wird auch Herz davorgesezt, woraus dann berzinnig entsteht,,, mit der wärmsten und lebhaftesten innern Empfindung." 3. B., füße Zeit herzinniger Gefühle O Der Kindlichkeit! Wie denk ich dein so gern im Weltgewühle, - Du süße Zeit" (Salis); wobei man beachte, wie die herzinnige findliche Zeit dem zerstreuenden Weltgewühle schön gegenübersteht. Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine - Bersammle sie [die Glocke] die liebende Gemeine" (Schiller, L. v. d. Glocke). 2) Herzlich gebraucht man auch von solchen innern Empfindungen, welche Andern feindlich oder doch verlegend sind; innig und herzinnig finden sich in solchen Beziehungen nicht leicht. So z. B. „Die laute Lache ist voller herzlicher Spott" (Klopstock, Gelehrtenrep.); aber nicht „inniger, herzinniger Spott." Mit herzlichem (innigem) Hasse gegen jemanden erfüllt sein. 3) Herzlich kommt auch, wie „von Herzen“, im weitesten Sinne verstärkend als Nebenwort vor, wo es dann die Geltung eines stärkern, sehr“ hat, wie mhd. herzenlichen (Wigalois 7857.); innig aber und herzinnig sind in ihrem Gebrauche nicht so ausgedehnt. 3. B., Madam, es thut mir herzlich leid" (Göthe, Faust). Es ward mir herzlich sauer; ein herzlich schlechtes Essen; ein herzlich elendes Gedicht, u. f: w. Doch erhebt sich dieser Gebrauch im Neuhochd. nicht über die geringere Sprechweise.

1) Die Junigkeit steht eig. der Ausdehnung entgegen, und die mystischen Redner gebrauchen den Ausdruck von dem Abschließen des menschlichen Gemüthes gegen die äußern Empfindungen, um sich ganz der innern Anschauung Gottes zuzuwenden. 3. B. Diesen frieden in allen diesen dingen leret man alleine in worre [wahrer] abgescheidenheit und in innekeit (Tauler)

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962. Hilfe. Beistand. Vorschub. Ü. Mitwirfung zu eines Andern Zwecken; dann auch, durch Übertragung auf das Gethane, s. v. a.,,was man zu den Zwecken eines Andern

Weigand, Wörterb. d. deutsch. Synonym. II.

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mittbut. "V. Die Hilfe (S. Anm.) bez. den Begriff am Allgemeinsten, und wird auch, wie aus helfen Nr. 944. hervorgeht, gesagt, wann es die eignen Zwecke gilt, und wann überhaupt die thätige Wirkung auf Beförderung der Zwecke hingeht, ohne daß fie gerade immer eine Mitwirkung ist. Der Beistand, Präsentialform von beistehen ags. bigstandan 1), bed., seinem Zeitwort gemäß (Nr. 944.), nur Mitwirkung zu des Andern Zwecken, oder Thätigkeit wie Mitwirkung zur Unterstügung des Andern, z. B. zur Erleichterung der Leiden desselben u. s. w. Der Vorschub, von vorschieben, und so eig. die Handlung und dann der Zustand des Vorschiebens, auch sofort „was vorgeschoben wird", hat demnach die figürliche Bed., in welcher das Wort in der gegenwärtigen Sinnverwandtschaft zu betrachten ist: die Thätigkeit zu jemandes Zwecken in etwas durch Dargeben von Mitteln, deren Anwendung die Sache zum Zwecke vorwärts bringt 2). 3. B.,,Und nennet fein Vergnügen eitel, Dem Wein und Liebe Vorschub thut" (Hagedorn). In diesen Begriffsbestimmungen sind also nun folgende Verschiedenheitsmerkmale enthalten: 1) Man kann nur einem Andern Beistand und Vorschub leisten, aber auch Hilfe sich selbst. Daher redet man z. B. von Selbsthilfe, wie von Hilfs leistungen gegen Andre; man wählt sich aber einen Rechts beist and bei schwierigen Angelegenheiten vor Gericht, und spricht zur Abhilfe in Geldverlegenheiten wohl einen Freund darum an, daß er Vorschub leisten möge. 2) Vorschub geht auf die Mittel, die jemanden zur Verfolgung seines Zweckes gegeben werden; Hilfe und Beistand gehen auch allein auf die Thätigkeit für den Zweck des Andern. Einem Verwundeten z. B., welchen man aus der Schlacht führt, leistet man Hilfe und Beistand, aber keinen Vorschub; diesen leistet man aber z. B. einem Landmanne, welchem man das mangelnde Getraide zur Aussaat borgt. 3) Den Begriff von Hilfe dehnt man auch weiter aus, und gibt dem Worte die Bed.:,, eine, durch die für jemanden angewandte Thätigkeit, bewirkte Befreiung desselben von einem übeln Zustande." Beistand und Vorschuß aber zeigen, auf solche Beziehung hin gebraucht, nur an, daß Thätigkeit zu diesem Zwecke für jemanden Statt habe, ohne den Erfolg mit einzubegreifen. Aller Vorschub z. B., den man einem Menschen, der in Gefahr zu ertrinken ist, thut, wie der Beistand, den man ihm mit eigner Lebensgefahr leistet, können ihm vielleicht nicht zur Hilfe gereichen, und er kommt elend um.

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1) Beistehen eig. bei jemanden stehen, um ihn zu schüßen, ihn in seinem Thun kräftig zu unterstüßen u. f. f. 3. B. Grimhart sprach: ich will mit euch gehen, Und als ein trew freund bei euch stehen (Rein. Fuchs II, 4.). «Wer stehet bei mir wider die Boshaftigen? Wer tritt zu mir wider die Übelthäter? » (Pf. 94, 16.)

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2) Vorschieben « Mittel für jemanden auf dessen Zwecke hin anwenden, woher Vorschub, findet sich im frühern Neuhochd., wie Frisch II, 178 a belegt, ist aber dann veraltet. Eben so das einfache fchieben in solchem Gebrauche, z. B. in Tschudi's Schweizerchron. II, 593 a.

Anm. Hilfe, eine Präsentialform von helfen, ahd, hëlfan, ist ahd. diu hilfa (Diut. III, 39. Graff II, 924.), gewöhulich hëlfa (z. B. bei Kero, Otfr, Notker), alts. hëlpa, ags. hëlpe, altn. hiâlp; daneben aber findet sich auch ahd. ein Mal die, aus ahd. hulfumes (wir halfen) hervorgebildete Präteritalform diu hulfa (Diut. II, 549 a) d. i. Hülfe, mittelniederd. die holpe (Diut. II, 498 a 200 a), hulpe (Reineke Vos 1759.), holländ. hulp. Ob übrigens ahd. hëlfan (anst. urspr. hëlafan?), wie Grimm II, 183. vermuthet, von ahd. hëlan hehlen = verbergen stammt, wonach der Grundbegriff von helfen der des in Verbergen liegenden Schüßens wäre, läßt sich nicht näher belegen.

963. Hinderniß. Schwierigkeit. Ü. Was dem Fortgang oder der Ausführung von etwas entgegensteht, so daß dieses nicht vorwärts kommt. V. Das (die) Hinderniß, ein neuhochd. Gebilde von hindern (Nr. 42.), bez. den Begriff am Allgemeinsten; es zeigt sowohl das an, was den Fortgang oder die Ausführung verweilt, daß etwas nicht recht fortkommen kann, als auch das, was macht, daß sie gar nicht eintreten. Die Schwierigkeit, ähnlich von schwer abd. svari (mhd. swære ob. swêr), was in swërn schwären (eig. = schmerzen, empfindlich sein) seinen Stamm hat, und wovon sich im spätern Mittelhochd. swirec = schwürig d. i. schwärend und empfindlich (Vocabular. v. 1419.) findet, gebildet, wie langwierig und Langwierigkeit (Wierigkeit mittelhochd. wërikeit) von währen mhd. wërn, bed.:,, was macht, daß der Fortgang oder die Ausführung von etwas Anwendung größerer Kräfte und Anstrengung erfordert (= erschwert wird)." Hierin nun fann allerdings auch der Grund liegen, daß der Fortgang oder die Ausführung von etwas ganz unterbleibt, nämlich insofern die erhöhten Kräfte und die vermehrte Anstrengung zu dem Fortgang oder der Ausführung nicht angewendet werden oder auch nicht zureichen, wo dann in beiden Fällen die Schwierigkeit zum Hindernisse wird. Alerander dem Großen z. B. könnten alle Schwierigkeiten bei der Eroberung des persischen Reichs fein Hinderniß entgegen stellen, seine siegreiche Laufbahn_zu unterbrechen oder gar zu verlassen; aber die Weigerung seiner Krieger, in Indien weiter vorzudringen, war nach Überwindung aller Shwierigkeiten das Hinderniß, an welchem sein Unternehmen, auch dieses Land zu erobern, gänzlich scheiterte.

964. Hingang. Hintritt. Ü. Figürliche Ausdrücke der edeln Sprache für den Tod des Menschen als ein Kommen von dieser Welt in eine andre. V. 1) Wie sich aus der Vergleichung von gehen ahd. k(g)ank(g)an und treten Nr. 800. ergibt, so bez. der Hingang den Begriff überhaupt, besonders aber insofern dieses Kommen von längerer Dauer ist; der Hintritt dagegen deutet auf schnelle und kurze Dauer dieses Kommens, daß es nämlich gleichsam wie ein Tritt geschehe. So wird z. B. der Hingang Christi zum Vater, wie er nach seinem Tode noch vierzig Tage unter seinen Jüngern weilte, bis er gen Himmel fuhr, nicht sein Hintritt genannt; aber wen z. B. ein Schlaganfall tödtet, der kann einen sanften Hintritt haben, sofern er schnell aus diesem

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