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III.

ACTENSTUECKE

ueber

die inneren Verhaeltnisse Deutschlands seit

Aufloesung des deutschen Reiches.

Rheinische Bundesacte.

(12. Juli 1806.) Die alte Politik Frankreich's, den Zusammenhang der deutschen Reichsglieder möglichst zu lodern, um die Kraft des Reiches und ganz besonders des östreichischen Kaiserhauses gegen Außen zu schwächen, auf diese Weise die Rheingrenze zu gewinnen und Frankreich das Uebergewicht in Europa zu verschaffen, erfreute sich in den Kriegen der Revolutionsperiode besonderer Erfolge. Preußen hatte sich schon zu Basel (5. Apr. 1795) von der Sache des Reidhjes losgesagt und seinen Separatfrieden mit Frantreid gesblossen. Bayern, Würtemberg und Baden, den Angriffen der französischen Heere immer zunächst ausgesept, hielten es für rathsamer, als Napoleon im August 1805 mit 300,000 Mann gegen das sübliche Deutschland anrüdte, fich den Franzosen anzuschließen, und hatten nach der Schlacht bei Austerliß im Presburger Frieden (26. Dez. 1805) vollständige Souveränetät, die Kurfürsten von Bayern und Würtemberg auch die königliche Würde erlangt. Napoleon wünschte nun, die ihm anhängigen süddeutschen Staaten näher unter sich und mit Frankreich zu verbinden. Am 21. April 1806 erließ er an den Minister Talleyrand eine Drdre, ihm einen Plan zur Bildung eines rheinischen Bundes vorzulegen. Den ursprünglichen Entwurf zur Bundesacte lieferte der Kurerzkanzler des deutschen Reiches; Talleyrand ließ davon aber nur so viel übrig, als er im französischen Interesse fand. Den Gesandten der einzelnen Staaten, die beitreten sollten, wurden von der Urkunde nur diejenigen Punkte, welche ihren Fürsten betrafen, vorgelegt; am 12. Juli mußte der Graf von Beust, Gesandter des Rurerzkanzlers (welcher Präsident des Bundes werden sollte), die Acte bei Talleyrand unterschreiben, ohne daß ihm eit gelassen wurde, sie durchzulesen; ebenso die übrigen Gesandten; Napoleon unterzeichnete die ürkunde am 19. Juli 1806 zu St. Cloud. So war also unter französischem Einfluß ein Bund von sechzehn deutschen Fürsten zu Stande gekommen, der sogenannte Rheinbund, welcher fidh förmlich und für immer vom deutschen Reichsverband lossagte und unter dem Protectorat des französischen Kaisers stand. Die sechzehn Fürsten, welche gleich anfangs zum Rheinbund gezogen wurden,

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find folgende: Die Könige von Bayern und Würtemberg, der Reichserzkanzler und Kurfürst von Mainz (welcher am 28. Mai 1806 den Cardinal fejdy, Napoleon's Oheim, eigenmädytig zu seinem Coadjutor und Nachfolger ernannt hatte), der Kurfürst von Baden, der neue Herzog von Cleve und Berg (Joachim Murat, Napoleon's Schwager), der Landgraf von Hessen - Darmstadt, die Fürsten von Nassau- Usingen und von Nassau-Weilburg, die Fürsten von Hohenzollern-Hedingen und Hobenzollern-Sigmaringen, die Fürsten von Salm-Salm und Salm-Kyrburg, der Herzog von Ahremberg, der Fürst von Liechtenstein, der ohne sein Wissen von Napoleon, welcher dem Fürsten dadurch einen Beweis seiner Achtung geben wollte, in den Bund aufgenommen wurde, und der Graf von der Leyen. In der Bundesacte werden allen diesen Fürsten, mit Ausnahme der Fürsten von Hohenzollern - Hedingen, liedytenstein und des Grafen von der Leyen, neue Territorial - Acquisitionen zugeschrieben. Höhere Titel nahmen an: Baden, Berg und Darmstadt den von Großherzogen, Nassau den eines Herzogs, der Graf von der Leyen, ein Verwandter des Kurerzkanzlers, den eines Fürsten (Art. 5. der Bundesacte). Der neue Bund wurde von allen Staaten anerkannt, mit Ausnahme Englands, Rußland's und Sdweden's. Vermöge ihrer Souveränetät mediatisirten die Rheinbundesfürsten, nach den Bestimmungen der Bundesacte, die Reichsstädte, Reidsgrafen und Reichsritter, deren Befißungen ihr Gebiet umschloß. Auf diese Weise kam die Reichsstadt Nürnberg an Bayern, die Reichsstadt Frankfurt an den Kurfürsten von Mainz, der als Vorsipender der Rheinbundesversammlung den Titel Fürst Primas führte, das Johanniter - Fürstenthum Heitersheim an Baden. Mediatisirt wurden unter Anderen die Fürsten von Hohenlobe, Löwenstein, Dettingen, Leiningen, Solms, Sdwarzenberg, Thurn und Taris 2c. Da der Kaiser Napoleon und mit ihm der rheinische Bund ausdrüdlich erklärten, daß sie keinen deutschen Kaiser und kein deutsches Reid) mehr anerkennen, so legte Kaiser Franz II. am 6. August 1806 die deutsche Kaiserfrone nieder. Am 3. Oktober 1806 trat der Großherzog von Würzburg dem Bunde bei, am 11. Dezember 1806 der Kurfürst von Sadsen, der jeßt den Titel eines Königs annahm, am 15. Dezember 1806 die Herzoge von Weimar, Gotha, Koburg, Meiningen und Hildburghausen, am 13. April 1807 die drei Fürsten von Anhalt, welche von da an den Titel Herzoge führten, die zwei Fürsten von Reuß, der Fürst von Walded, die Fürsten von Lippe- Detmold und Lippe-S dy a u mburg. Das neue Königreich Westphalen bloß fich vermöge seiner Verfassung vom 15. Nov. 1807 dem Bunde an; im Jahre 1808 folgten die Herzoge von MeďlenburgStrelif, Medlenburg-S dywerin und Oldenburg. Der Bund erhielt fid bis in das Jahr 1813, wo sich zuerst die medlenburger Herzoge von ihm losjagten und an Preußen anschloßen. Mit der Schlacht von Leipzig hatte er ein Ende.

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Die wichtigsten Bestimmungen der Bundesacte selbst sind folgende. Art. 1. Die dem Bunde angehörigen Staaten trennen sich für immer som deutschen Reide. Art. 2. Zebes Gesep des deutschen Reiche ist für die Fürsten und die ihnen angehörenden Staaten fortan ungültig. Art. 3. Die Fürsten verzichten auf jeden Titel, der eine Beziehung zum Reiche hat. Art. 6. Die Bundesversammlung (die aber niemals tagte) hat ihren Siß in Frankfurt und besteht blos aus einem Cola legium der Könige und einem Collegium der Fürsten. Art. 8. Wenn ein Fürst des Bundes seine Souveränetät abtreten will, kann dies nur an einen Fürsten des Bundes geschehen. Art. 9. Streitigkeiten unter den Mitgliedern des Bundes werden auf der Versammlung in Frankfurt entschieden. Art. 10. Dem Collegium der Könige präsidirt der Fürst Primas, dem der Fürsten der Herzog von Nassau. Art 12. Der Kaiser der Franzosen ist der Protector des Bundes und ernennt den Nadfolger des Fürsten Primas. Die Artikel 13 bis 25. enthalten die Bestimmungen über Abtretungen und Gebietsvergrößerungen, welche den Mitgliedern des Bundes zu Theil werden sollen. Art. 35. Die Bundesglieder bilden eine Alliance, vermöge deren jeder Continentalkrieg, in welchen eine Bundesmacht verwidelt würde, allgemeine Sache des ganzen Bundes wird. Art. 37. Augsburg und Lindau follen Waffenpläße des Bundes werden und der König von Bayern verspricht, diese beiden Pläße zu befestigen. Art. 38. feßt die Contingente fest, welche die einzelnen Staaten zu stellen haben.

Wir geben folgende Urkunden. a) Die Rheinbundes acte. Sie findet sich im Moniteur Nr. 225, Jahrg. 1806, bei Poffelt, europ. Annalen Jahrg. 1806, neuntes Stüd, und öfter abgedruct. b) Die Note des franzöfischen Geschäftsträgers Bader an den Reich 8tag zu Regensburg vom 1. Aug. 1806, worin er die Errichtung des Rheinbundes anzeigt. Man findet sie in derselben Nummer des Moniteur und in demselben Stüd der Posielt'schen Annalen. c) Die losjagungsurkunde der Mitglieder des rheinischen Bundes von Kaiser und Reich, datirt vom 1. August 1806, abgedrudt im 9. Stüd der europ. Annalen von Porfelt, Jahrg. 1806. Ueber den Rheinbund selbst hat geschrieben der nassauische Minister Ernst von Gagern in dem Buche: Mein Antheil an der Politik. Stuttg. 1823. Der Marquis Lucchesini: Sulle cause e gli effetti della confederazione renana 1819, deutsch von Halem, lpgg. 1821. Ferner gehören hieher: P. A. Win= kopp: der rheinische Bund, eine Zeitschrift hist. polit. stat. geogr. Inhalts. Frankf. u. Áschaffenb. 1807 - 13, 23 Bände. Desterreicher: Archiv der rheinischen Bundes, Bamberg 1806 — 16, und desselben Kriegsarchiv des rheinischen Bundes, Bamberg 1807. G. H. v. Berg: Ábhandlungen zur Erläuterung der rhein. Bundesacte, Hannover 1808.

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