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prinzen, welcher sich schliesslich mit der Eroberung einer Sängerin begnügte und damit sein halbverfehltes Leben abschloss. Der Fürst Ferdinand von Coburg hingegen, aus echterem Fürstenstamm entsprossen und mit allen Eigenschaften dieser Menschenrasse wohl versehen, schickt sich nun an, die gewagte Rolle von Sardinien gegenüber Garibaldi und Neapel zu spielen; hoffentlich mit gleichem Glück; denn die türkische Regierung ist noch weniger der Erhaltung werth, als s. Zt. die bourbonische es war, und verdient kein besseres Ende.

Ausser allem Zweifel stehen ferner weitere Kämpfe in Asien um die Herrschaft über China, Persien und in letzter Linie Indien. Dieselben sind zwar vielleicht durch den auffallenden Misserfolg der russischen Waffen gegenüber Japan etwas vertagt worden und England hat (klüger als Russland während des Boerenkriegs) den Zeitpunkt benutzt, um sich in den Aussenwerken seiner Herrschaft, nämlich in Afghanistan, Persien und selbst in Thibet neu zu befestigen. Aber es ist dafür nun eine neue und weit gefährlichere kriegerische Grossmacht in Asien aufgetreten, mit der die Europäer bisher nicht rechneten, und die ihnen allen noch mehr zu schaffen machen wird, als bisher Russland.

Alle bisherigen Verhältnisse werden dadurch verschoben und ungewiss gemacht. Sicher ist, nach unserem Dafürhalten nur 1. die Loslösung Frankreichs von seinem bisherigen Alliirten Russland, der seinen Erwartungen nicht entsprochen hat und die natürlichere enge Verbindung Deutschlands mit demselben; 2. eine Verbindung Russlands mit Japan, als zweier Gegner, die sich kennen und richtig schätzen gelernt haben, zu einer, wenigstens geheimen Allianz in Asien gegen England, das sich dafür

an Frankreich zu halten suchen wird; 3. der englischdeutsche Handelskonkurrenzkrieg, der unausbleiblich ist.

Daneben der Zusammenbruch der europäischen Türkenherrschaft mit den nächsten Folgen für Kleinasien.

Was für eine Rolle in diesem künftigen, sehr misstönenden Weltkonzert Amerika zu spielen sich vornimmt oder vornehmen kann, hängt zu sehr von der inneren Politik dieses grossen Landes ab, in der zwei sehr entgegengesetzte Strömungen dieserhalb bestehen und gerade jetzt bei der bevorstehenden Präsidentenwahl zum Ausdruck gelangen werden, als dass man darüber irgend ein sicheres Urtheil haben könnte. Auch ist es noch zweifelhaft, welche kriegerische Bedeutung die amerikanische Armee und Flotte in einem Konflikte haben könnte, der sie einem grösseren Gegner als den bisherigen, wie Mexiko, den eigenen Südstaaten und Spanien, gegenüber stellt. Immerhin aber ist die amerikanische Freundschaft oder Gegnerschaft ein Faktor, mit welchem fortan auch in Händeln, die nicht den amerikanischen Kontinent betreffen, zu rechnen ist, und es würde einer sehr grossen Niederlage der amerikanischen Waffen bedürfen, um dieses Land wieder in die politischen Gedanken Washington's oder Jefferson's zurückzuversetzen.

Alles das richtig und für den eigenen Staat vortheilhaft zu beurtheilen und einzufädeln, ist nun die Aufgabe der Diplomatie in der nächsten Periode, und wenn sie sich darin allgemein so ungeschickt erweist, wie die über Verdienen berühmte russische, welche einen völlig unvorbereiteten Krieg nicht wenigstens noch zu verzögern und einen angeblich «kleinen» Feind nicht richtig zu beurtheilen verstand, so kann man sich auf weitere grosse Ueberraschungen gefasst machen.

Der russisch-japanische Krieg,

welcher bisher im Vordergrund alles politischen Interesses stand, ist nun in dem Zeitpunkt, in welchem wir schreiben (Mitte September), am Ende des ersten Kriegsjahres angelangt, dem jedoch vielleicht kein zweites, sondern ein Friedensschluss folgt, auf Grundlagen, welche bei einiger Weisheit auch ohne den Krieg zu finden gewesen wären.

Die erste Campagne in demselben endet nun statt dessen mit einer entschiedenen und kaum von Jemand in dieser Weise vorausgesehenen Niederlage Russlands. zu Wasser und zu Lande. Die russischen Streitkräfte haben sich überall, wo sie unter annähernd gleichen Bedingungen den japanischen gegenüberstanden, als nicht gleichwerthig erwiesen; namentlich war offenbar sowohl die Heeresleitung wie die Artillerie der Japaner die bei weitem vorzüglichere, und es hat diese Königin der Waffen ihren alten Ruf, der eine Zeit lang etwas schwankte, neuerdings wieder hergestellt.

Dagegen haben sich auch die altbekannten guten Eigenschaften des russischen gemeinen Soldaten auf diesen neuen, sehr blutigen Schlachtfeldern völlig bewährt, und der Ueberzeugung wird sich der Sieger in dem ersten Feldzuge kaum verschliessen können, dass Russland nicht so leicht gänzlich zu demüthigen sein wird, vielmehr der Zeitpunkt für einen Friedensschluss jetzt, d. h. nach dem noch bevorstehenden Falle von Port Arthur und dem gänzlichen Rückzug der russischen Armee nach Kharbin und Wladiwostok, der günstigste ist, der jemals kommen kann. Denn auch Europa und Amerika

fangen bereits an, sich über diese neue kriegerische Weltmacht, die sie lieber nicht zu gross werden lassen möchten, zu beunruhigen und werden ohne Zweifel weder den Krieg noch die Ansprüche Japan's in's Ungemessene sich ausdehnen lassen. Die Japanesen werden sich vielmehr wahrscheinlich mit der Eroberung von Korea begnügen müssen. Viel bedeutender für sie als dieser materielle Erfolg wird aber die Steigerung des Selbstgefühls in ihrer aufstrebenden Nation durch diesen auffallend geschickt und glücklich geführten Krieg gegen die grösste bisherige Weltmacht, und die Vermehrung ihres Einflusses auf das chinesische Reich sein.') Sie sind nun die natürliche

1) Dass dies ihr Hauptgesichtspunkt ist, zeigt ein demnächst erscheinendes von 20 Japanern verfasstes Buch «Japan unser Vaterland», worin der Generalstabschef Yamagata u. a. sagt:

<<Unter der Voraussetzung eines energischen Kaisers würde eine Umgestaltung Chinas sogar noch leichter sein, als es in Japan der Fall war. Dann könnte auch China vorzügliche Soldaten heranbilden, und mit seinen unerschöpflichen Hülfsquellen an Männern und Schätzen könnte ein starker Kaiser eine mächtige Armee zur Verfügung haben. Wenn dieses ausführbar wäre, möchte China eine bedrohliche Macht für alle seine Nachbarländer werden, aber es scheint wenig Gefahr, dass diese Gedanken sich in nächster Zukunft realisiren werden. Ein mächtiger Kaiser wäre, wie gesagt, für ihre Ausführung nötig, doch nichts deutet auf die Möglichkeit einer solchen Erscheinung hin.» Das Letzte ist natürlich kluge Heuchelei der Japanesen.

Dieser mächtige und intelligente Kaiser ist bereits vorhanden, nur residirt er einstweilen noch in Tokio. Wie weitreichend die Gedanken der japanischen Politik sind, geht auch aus der Notiz eines Belgrader-Correspondenten einer russischen Zeitung hervor, wonach Japan der Türkei angeboten habe, ihr einen Admiral und einige tüchtige Seeoffiziere behufs Reorganisation der türkischen Flotte zu senden. Dieselbe würde dann nicht ermangeln, die Russen im schwarzen Meere anzugreifen und ihnen den Ausgang in das Mittelmeer wirksam zu sperren. Doch kommt das Angebot um ziemlich genau 50 Jahre zu spät.

Schutzmacht dieses hülflosen Kolosses gegenüber seinen zahlreichen Erbprätendenten, und diese werden es im Stillen zu bedauern haben, dieses früher fast unbekannte Volk im Jahre 1854 durch den Vertrag von Kanagawa aus seiner bisherigen Abschliessung von der Welt gewaltsam herausgerissen zu haben. Und weshalb? Zum Vortheil einiger nimmersatter Kaufleute und Industriellen, oder mit andern Worten des sogenannten «Verkehrs», dem manche Leute unserer Tage eine ganz ungemessene Bedeutung beilegen, der aber mitunter auch unbequem werden kann, wie es sich jetzt an einem grossen Exempel zeigt.

Die Sympathien in diesem bisherigen Kriege von 1904 um davon auch noch ein Wort zu sagen standen Anfangs ziemlich vorwiegend auf Seiten Japan's, wozu natürlich auch die allerersten Erfolge durch den kühnen Ueberfall der sorglosen russischen Kriegsschiffe vor Port Arthur und Chemulpo Vieles beitrugen. Mit dem fortdauernden Kriegsglück der Japanesen änderte sich das aber ein wenig zu Gunsten Russlands. Man begann sich doch zu erinnern, dass ein zum Theil europäisches und jedenfalls ein christliches Volk mit einem uns nach Race und Gesittung fremden Gegner in schwerem Kampfe liege, einem Gegner zudem, der durch seinen rücksichtslos aufstrebenden Ehrgeiz und seine völlige Religionslosigkeit ein geradezu unheimliches Gefühl hervorruft, obwohl er im Grunde nur dem «modernen Menschen» nach den Theorien Schopenhauers, Ibsen's und Nietzsche's auf ein Haar gleicht.

Manche, mehr religiös gestimmte Gemüther sahen auch in der gewaltigen Niederlage der russischen Regierung eine gerechte Strafe und Abmahnung Gottes gegen ihren

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