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Immermann.') Auch die Memorabilien nahm er zur Hand, deren erster Teil im Todesjahr Immermanns (1840) bei Hoffmann und Campe erschienen war. Es scheint mir sogar nicht unmöglich, dass der Eindruck der Memorabilien ihn überhaupt bestimmte, sich in Immermanns Schriften zu vertiefen. Denn hier, in des „strengen" Immermann gross angelegter Lebensbeschreibung fand er, was seiner innersten und freudigsten Zustimmung sicher sein musste.

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In grossen Strichen al fresco war ein Bild der allgemeinen litterarischen Entwicklung entworfen und keine abschliessende Linie gezogen mit Goethe's Tod. Die Entstehung der klassischen Litteratur der Deutschen vergleichend mit der der romanischen Völker, erschloss sich Immermann nicht die Aussicht auf ein dürres Epigonentum, sondern vom Wehen und Weben der eigenen Übergangszeit bestärkt, that sich vor ihm auf als eine zweite Möglichkeit unserer Litteratur" „die deutsche Poesie als Kunst".2) Die ganz subjektive Poesie unserer Klassiker, deren Individualitäten sich inmitten des Chaos des aufgelösten Staates, der verwesten Kirche, der zerrütteten, leitenden Begriffe auf sich selbst zurückgezogen hatten, diese Poesie bot, von keinem äusseren Gesetze bestimmt, nur den innersten stofflichen Gehalt eben dieser Individualitäten und zwang die Mehrzahl der Empfangenden in ein subjektives Verhältnis.) „Gerade wegen ihres Stofflichen und Subjektiven war aber die Litteratur besonders geeignet, die Trösterin eines zerdrückten Volkes zu sein.“ *) Die innere, geistige Form, die Immermann aus Shakespeare, Dante, Cervantes deutlicher entgegentrat als aus Goethe, weil eben bei jenen der Einschlag ihrer Persönlichkeit in ein objektiv giltiges Gewebe stattgefunden hatte ein Gewebe, dessen Fäden sich aus politischen, sozialen, wissenschaftlichen Elementen zusammensetzten und in dem sich

der Dichter mit seinem Volk begegnete diese Form,

1) Ta I 295, 320, 322.
3) a. a. O. 158 f.

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2) Memorabilien I 160.
4) a. a. O. 160.

welche die Frucht und der Genuss glücklicher Zeiten ist, schien Immermann seinem deutschen Volk noch vorbehalten zu sein. Die romantische Schule habe in ihren eigenen Schöpfungen den subjektiven Weg der älteren Meister verlassen, aber sie konnte nicht populär sein, da sie nicht auf der Breite des wirklich Vorhandenen ruhte, sondern aus der Sehnsucht nach einem Nichtdaseienden hervorging, ,,und zwar aus einer Sehnsucht, die nur ein feines ästhetisches Bedürfnis zum Ursprunge hatte." „Das Ziel der Entwicklung, von welcher die romantische Schule einen Punkt bildete, scheint noch vorwärts zu liegen. Wir müssen durch das Romantische, welches der Ausdruck eines objektiv Giltigen sein sollte, aber nicht ward, weil seine Muster und Themen ganz anderen Zeitlagen angehörten, hindurch in das realistisch-pragmatische Element. An diesem kann sich, wenn die Musen günstig sein werden, eine Kunst der deutschen Poesie entwickeln." 1)

Der Eindruck, den solche Worte auf Hebbel machten, spiegelt sich nicht nur in jener kurzen Bemerkung in der Replik gegen Heiberg, wo er das „realistisch-pragmatische Element" als das alleinbedeutende für das Drama anerkannte und es in Gutzkow „noch mehr instinktmässig als mit entschiedener Klarheit" hervortreten sah, wie denn auch Immermann es an einigen Schriftstellern der jüngsten Gegenwart wahrgenommen zu haben glaubte, sondern nach meiner Ansicht gerade in dem beredten Schweigen, das ihn weder in den Tagebüchern noch in den Briefen auf jene Immermannschen Gedanken eingehen liess.2) Sollten den Dichter in Stunden überschäumenden Selbstbewusstseins nicht messianische Gedanken angewandelt haben? Freilich verwahrt er sich dagegen, wenn dergleichen auf

1) a. a. O. 165, 167.

2) Ein Fall verwandter Art ist es, wenn, wie Kuh (W VI 26) vermutet, H. durch Grabbes „Hannibal" auf den Moloch aufmerksam gemacht wurde. Während H. z. B. des „Napoleon" und „Don Juan und Faust" mehrere Male gedenkt, wird „Hannibal“ (Düsseldorf 1835) nirgends erwähnt.

dem Markte laut wurde (W X 98). Aber noch mehr: es scheint mir nicht unmöglich, dass jene Anregungen in den Strom eingingen, der um jene Zeit in der „Maria Magdalena“ hervorbrach,') ja wohl gar den Ausbruch beschleunigten. Sah er doch in der inneren Notwendigkeit der Charaktere und ihrer Entwicklung und dabei in seinem eigenen völligen Zurücktreten, kurz also in jenem realistisch-pragmatischen Element einen Triumph seiner Kunst.2)

Soviel ist jedenfalls gewiss, dass die in Kopenhagen empfangenen ästhetischen Anregungen, der Blick auf seine dramatischen Zeitgenossen und der Gedanke an das eigene Entstandene und Entstehende3) ihm nahe legten, ein „Wort über das Drama" 4) zu sprechen, um so den erarbeiteten Gedankenmassen Form und Klärung zu geben.

Hebbel ist es in dem genannten Aufsatz vor allem um die Frage zu thun: „In welchem Verhältnis steht das Drama zur Geschichte und inwiefern muss es historisch sein?" (W X 15.) In den Knoten dieser Frage schlingt sich nicht nur seine Auffassung des Dramas, sondern auch sein eigenes dramatisches Ziel. Schon in Hamburg hatte er aphoristisch den Gedanken ausgesprochen, dem er jetzt seine Ausführung gab. „Die Dichtkunst, die höchste, ist die eigentliche Geschichtschreibung, die das Resultat der historischen Prozesse fasst und in unvergänglichen Bildern festhält, wie z. B. Sophocles die Idee des Griechentums."

1) Br I 127, 129, 132; Ta I318.

2) Br I 190; 370; Mag. f. Litt. 1893, 689.

3) Zwar schlummerte der Plan zum „Moloch", dem er erst in Paris wieder näher trat (Br I156, 244; Mag. f. Litt. 1893, 690), aber „Maria Magdalena" fing an sich zu rühren (Br 199: „ein populäres Theaterstück“) und zu zwei Tragödien hatten sich die Stoffe ausgebildet: „Fiat justitia et pereat mundus“ und „Struensee“, in dem aber nicht Struensee, sondern der kindisch-wahnsinnige König die tragische Person werden sollte. „Genug davon, mir schweben seltsame, tolle Dinge vor." (Br I 112.)

4) „Vor längerer Zeit habe ich einen Aufsatz,über das Drama‘ geschrieben" (Br I 126; 27. Febr. 1843), die Erwiderung an Professor Heiberg geschlossen: 31. Juli 1843 (Ta I 323).

Palaestra. VIII.

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ten Pulsschlag herausfühlt. en Drama würde sich also das

Le présent est chargé du passé ..g drum der poetische Handwerker würmer, die der deutschen Nation sen haben, in Spiritus setzen (W X 60), its anderes geben als sich selbst, als sprozess. Und eben deshalb soll sich icht klein und eigensinnig in sein dürftiges sondern wenn er Lebendiges schaffen will, at leben. Und wenn er dies thut, wenn er i wird von den unsichtbaren Elementen, die Zten im Fluss sind und neue Formen und orbereiten, so darf er dem Zug seines Geistes gen und kann gewiss sein, dass er in seinen Bedie Bedürfnisse der Welt, in seinen Phantasien der Zukunft ausspricht, womit es sich freilich verträgt, dass er sich in die Kämpfe, die eben stasse vorfallen, nicht persönlich mischt." (W X 18.) also Lebendigkeit, dieses erste und höchste Er

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des Dramas, zu erreichen, hat es der Dichter tig, nach der gemeinen Identität zwischen Gegebenem rarbeitetem zu streben, er darf ruhig die materielle der Geschichte ausstreichen, um der geistigen, die die Kunst wiedergeboren werden soll, die gebührende tung zu erobern, ja es ist lächerlich, „nach der ebenso lichen als überflüssigen Identität der Ingredienzien" egen, wofern nur die Identität der letzten Eindrücke ht wird. (Ta I 253.) Dann aber erhebt sich das a zum Symbol, nnd nicht nur in seiner Totalität, ern schon in jedem seiner Elemente ist es symbolisch. Auf das symbolische Drama, das auch zugleich das

historische ist, weil es den höchsten Gehalt der schichte in sich aufnimmt, zielt Hebbel von Anfang an. e Centralsonne blendet seine Augen. Vereinigte sich ich das soziale Drama, das den Menschen im Kampf der Gesellschaft zeigt, das richtig verstandene historische

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