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Meiner lieben Mutter.

848 D6880 L28

G

Gift

Dr. D. M. Gilbert

2-8-55

De Visé,

sein Leben und seine Dramen.

Im zweiten Teile seines i. J. 1674 erschienenen Theatre françois1) gibt Chapuzeau eine Liste der bekanntesten damals lebenden dramatischen Dichter an und nennt ausser «Boursaut, Boyer, Corneille l'Aisné, Corneille le Jeune, Gilbert, Montfleury, Quinaut, Racine» auch einen Anonymus D. V., mit welchem er Jean Donneau de Visé bezeichnete.

De Visé, Theaterdichter und Journalist, gehörte zu jenen Schriftstellern, die zwar neben und nach Molière die Gunst des Publikums und des Hofes in oft unverdientem Masse genossen, weil sie die Kunst des Sichgeltend machens verstanden, die aber sehr bald in Vergessenheit geraten und darum den Meisten unbekannt geblieben sind. De Visé erweckte allerdings das Interesse insofern mehr als seine gleichartigen Zeitgenossen, als er in dem berühmten Streit Molière's mit dem Hôtel de Bourgogne die wichtigste Rolle spielte und wegen seines Einflusses bei Hofe und in der höheren Gesellschaft ein nicht zu unterschätzender Gegner war. Diesem Umstande hat er es zu verdanken, dass er bei Fournel, Mahrenholtz, Mangold, Schweitzer, Fritsche und anderen MolièreForschern Beachtung gefunden hat. Da indes eine Anzahl ihn und seine Stücke betreffender Fragen noch nicht gelöst oder doch vielfach noch umstritten ist, da es ferner an einer eingehenderen Betrachtung dieses Autors fehlt und seine Werke zum grössten Teil nur dem Titel nach bekannt sind, so sei uns in Folgendem der Versuch gestattet, de Visé's Leben und Dramen vorzuführen und einer näheren Kritik zu unterziehen.

1) Wir haben in den Titeln und Citaten die Schreibweise des Originals genau beibehalten.

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KAPITEL I.

De Visé's Leben und Chronologie seiner Werke.

Über des Dichters Familienleben wissen wir nur sehr wenig. Schon über sein Geburtsjahr sind verschiedene Ansichten verbreitet. Robinet, einer seiner Zeitgenossen, nennt ihn in der Lettre en vers vom 11. Oktober 1665 einen «Auteur de vingt ans». Im Anschluss an diesen sagen die Gebrüder Parfaict2): «de Visé naquit en 1645». Dabei haben sie aber ausser acht gelassen, dass Robinet's Angabe nicht wörtlich zu nehmen, sondern dass nur eine runde Zahl gewählt ist, wie das dem Dichter ja erlaubt war. In den grossen Werken von Larousse3), Michaud1), Vapereau3) u. a. finden wir als Geburtsjahr 1636, 1638 und 1640 angegeben. Die Geburtsakte de Visé's, sowie alle anderen auf sein Leben bezüglichen Papiere sind bei dem Brande der Abtei von St. Germain l'Auxerrois im Mai 1871 vernichtet worden"). Unsere einzige authentische Quelle zur Klarstellung dieses Punktes ist deshalb das Dictionnaire critique de Biographie et d'Histoire von A. Jal (Paris 1872), der uns einige Auszüge aus den Zivilakten gibt, die ihm noch zugänglich gewesen sind, und dem wir deshalb unbedingt vertrauen dürfen. Bei ihm heisst es folgendermassen1): << Jean Donneau naquit le 3 ou le 4 décembre 1638 et fut baptisé le 3, fils d'Antoine Danneau (sic) de Visé (sic) mareschal des logis de Monsieur, frère unique du Roy, e de de Claude Gaboury». Sein Pate war «noble homme Jean Gaboury (der Vater von Claude) valet de chambre ordinaire du Roy et garde meuble de S. M.», seine Patin «Renée Coudray, femme de Jacques Donneau de Vizé, commissaire d'artillerie de France». Wenn es im Anfang heisst:,,de Visé wurde am 3. oder 4. Dezember geboren und am 3. getauft", so ist das ein offenbares Versehen des derzeitigen Kirchenbuchführers und umzuändern in:,,wurde am 3. Dezember geboren und am 3. oder 4. getauft". Damit wäre also das Geburtsjahr und der Geburtstag unseres Autors genau bestimmt.

De Visé stammte aus einer alten Adelsfamilie, von der er selbst sagt): «Je vous diray d'abord que peut estre auroit-on de la peine à trouver encore une Famille aussi nombreuse sans qu'aucun eust jamais pris d'autre party que celuy de servir le Roy, et les Rois ses Predecesseurs dans leurs Maisons, et dans leurs Armées, et qui ait répandu plus de sang pour le service de sa Majesté». In diesem Berichte werden noch als Kinder von «Antoine Donneau Devizé» und damit als Geschwister unseres Dichters angegeben: «Jacques, premier Valet de Chambre de la feue Reine, Henriete, premiere femme de Chambre de Monseigneur le Duc d'Anjou, et Madelaine, qui avoit epousé Gaspard Donneau Devizé», ihren Vetter.

2) Histoire du Theatre françois, X, 173.

3) Grand Dictionnaire universel.

4) Biographie universel.

5) Dictionnaire universel des Littératures.

Wir haben Gelegenheit gehabt, dieses zu Paris in den Archives départementales et communales, Quai Henri IV 30, festzustellen.

Unter dem Namen «Vizé».

8) Mercure galant vom Februar 1699, S. 160.

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