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gangenheit, im Verkehr vor allem auch mit der wahren Philosophie, deren Gold durch keine fachwissenschaftlichen Bereicherungen in kleiner Münze aufgewogen werden kann.

Inkommensurabel bleibt das pädagogische Problem von Seiten des Lehrenden auch deshalb, weil es niemandem, auch dem für den Lehrerberuf Geschaffenen nicht, gegeben ist, jugendlich zugleich und reif zu sein. Die pädagogischen Seminare werden den Anfänger vor groben Mifsgriffen bewahren und ihn schnell in den Sattel heben, wie 0. Frick zu sagen pflegte. Bisweilen aber werden sie ihm vielleicht auch die Natur austreiben und ihn zu methodesüchtig machen. Was dann auf der einen Seite gewonnen wäre, wäre auf der andern reichlich verloren gegangen. Denn alle pädagogische Einwirkung mufs diskret sein. Was sich mit Gewalt den Eingang erzwungen hat oder mit Pauken und Trompelen eingezogen ist, bringt nur selten heilsame Entwicklungskrisen des Inneren hervor. Denn der Mensch ist ein freiheitliebendes Geschöpf und will an unsichtbaren Fäden gelenkt sein. Wie es ardoaлоdades ist, am Gehorchen aufs Wort Freude zu finden, so ist es auch nicht Pädagogen-, sondern Tyrannenart, den eigenen berrischen Willen sichtbar dem fremden Willen auferlegen und diesem seine Abhängigkeit fühlbar machen zu wollen. Nicht das ist die Kunst, Fremdes an die Stelle des Eigenen zu setzen, sondern leise das Eigene in den Weg einer fruchtbaren Entwicklung zu leiten. Sensim sine sensu, sei unsere Losung. Auch der Schüler wird verstimmt, wenn er die Absicht merkt. Solange also die erworbene Methode nicht mit der unaufdringlichen Leichtigkeit gehandhabt wird, mit der wir unsere erstarkten und geschickt gewordenen Organe handhaben, wird nicht viel mit ihr gewonnen sein. Wo einige Befähigung vorhanden ist, wird ein naturalistisches Unterrichten, falls es sich nur der elementaren Hauptsachen bemächtigt hat, trotz seiner natürlichen Unvollkommenheiten reichere Erfolge erzielen. Vor allem aber kann jene pädagogische Psychologie, ohne welche alles Unterrichten ein eitles Thun bleibt, nicht einfach und schnell aus Lehrbüchern oder aus der Unterweisung eines andern herübergenommen werden. Anfänge dazu sind in jedem normalen Menschen vorhanden, und durch eine richtige Unterweisung werden diese Anfänge ein gutes Stück weiterentwickelt werden. Aber von da bis zur reifen Weisheit eines psychologisch durchaus richtigen Verfahrens ist sehr weit. Wer kann sich rühmen, dieses Ziel erreicht zu haben? Nicht gar zu weit dahinter zurückgeblieben zu sein, ist schon ein grofses Verdienst. So viel aber steht fest, dafs das Klappern mit dem Handwerkszeug den geschickten Arbeiter nicht macht. Für die Schule besteht immer die Gefahr, zumal in einer Zeit, wo die Losung ist, mit bewufster Methode unterrichten zu lernen, dafs sie einer Fabrik ähnlich wird, wo dem Eintretenden ein beängstigendes Schnurren, Sausen und Tosen entgegenschallt. Beim Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen. L. 1.

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Verlassen des Gebäudes atmet man dann wohl auf und wünscht sich Glück, dafs man seine Knochen heil aus diesem Teufelshause gerettet hat. Einem ganz leise gehenden Uhrwerk vielmehr soll die Schule gleichen, das, ohne lästig zu werden, doch merklich den Geist einer friedlichen und vernünftigen Ordnung atmet.

Sieht man von glänzenden Ausnahmen auf anderen Gebieten des Lebens ab, so wird man mit der Anerkennung nicht zurückhalten können, dafs der Lehrerstand, wie früher, wo er dem Stande des Geistlichen verwandter war, so auch jetzt, wo er mehr der weltlichen Wissenschaft, wie auch dem praktischen und politischen Leben zuneigt, alle anderen Berufsklassen überragt, sowohl an Reichtum des Wissens wie an geistiger Bildung. Und doch ist von jeher über keinen Stand so viel geklagt worden. Man ist heute, auch in Lehrerkreisen, schnell bereit, diese Klagen für frühere, von der richtigen Methode nicht erleuchtete Lehrergenerationen als berechtigt gelten zu lassen, findet sie aber den jetzigen Schulen und den jetzigen Lehrern gegenüber übertrieben und ungerecht. Wie verfallende Institutionen noch eine ganze Zeit lang ein unverdientes Ansehen geniefsen, so wird auch dem, was längst seine Mängel abgestellt hat, hört man sagen, noch eine Weile die Anerkennung versagt. Man tröstet sich aber mit der Hoffnung, dafs diese unerquickliche Übergangsperiode bald abgelaufen sein wird. Sollte diese Erklärung die richtige sein? So genufsreich und so dankbar der Lehrerberuf in der einen Hinsicht ist, so undankbar ist er in anderer Hinsicht stets gewesen, wird er immer sein. Über diese Wahrheit soll man keinen optimistischen Schleier zu werfen versuchen. Es wird immer schon viel sein, wenn über einen nicht gar zu kleinen Prozentsatz der Lehrer von Schülern und Eltern freundlich und anerkennend geurteilt wird; an dem ganzen Schulbetriebe wie an der grofsen Masse der Lehrer wird man immer viel zu tadeln und zu mäkeln finden. Dazu kommt, dafs die Einwirkungen der Schule langjährige und täglich fühlbare sind. Wer nur in weiten Zwischenräumen einen Arzt nötig hat, pflegt über die Medizin ganz glimpflich zu urteilen. Ein Kranker hingegen, der aus der ärztlichen Behandlung nicht herauskommt, schwört bald darauf, dafs die Ärzte alle nichts verstehen. Was die Juristen nun vollends betrifft, so kann ein friedlicher, ordentlicher, nicht eigensinniger Mensch das höchste Alter erreichen, ohne auch nur einmal mit ihnen zu thun zu haben. Ebenso begegnet man Vertretern der übrigen Berufsklassen nur in weiten Zwischenräumen, wo dann ihr Gutes voll wirkt, verstärkt noch dazu durch den Reiz des Neuen; ganze Klassen von Menschen sieht man überhaupt nur wie durch ein Fernglas, nur von weitem. Wie ganz anders steht der Lehrer seinem Publikum, der Jugend, gegenüber! Tag für Tag erscheint er immer wieder, und nicht auf flüchtige Augenblicke, auf ganze Stunden vielmehr. Dabei verlangt er angestrengte Hingabe und

duldet nichts anderes neben sich. Man bedenke, wie schnell sich der Mensch selbst an das Aufserordentliche gewöhnt. Die bescheidenen Durchschnittseigenschaften sind nun vollends von matter Wirkung, sobald der flüchtige Reiz des Neuen geschwunden ist. Ungeschicklichkeiten und offenbare Fehler aber werden, wenn man ihnen täglich ausgesetzt ist, geradezu unerträglich und erzeugen in reizbaren und ungeduldigen Gemütern schliefslich Hafs, Widerwillen und Verachtung, wiewohl auch der Fall eintritt, dafs man sich an Fehler gewöhnt und ihnen vielleicht sogar eine Art von Interesse abgewinnt. Und scheint man nicht berechtigt, von den Vertretern dieses Berufes, wie von den Geistlichen, eine vorbildliche Vollkommenheit zu erwarten, im Umkreise des Intellektuellen wie des Moralischen? Wie geschärft ist ferner der Blick des Menschen für fremde Fehler! Nur hervorragende Menschen wissen an andern freundlich das Gute zu würdigen; um Fragwürdiges oder offenbar Falsches an ihnen zu bemäkeln, dazu besitzt meist auch der Dümmste Urteil und Verstand genug. Darum kann der Lehrer die Sorge um Bildung und Geschicklichkeit gar nicht weit genug treiben. Nur während der Unterrichtsstunden umgiebt ihn die schützende Hülle der Autorität. In dem Mafse, als dem jugendlichen Geiste die Flügel wachsen und sie fangen sehr früh an zu wachsen, wird das Urteil über ihn freier und kecker. Wer Gelegenheit gehabt hat, Schüler oder gar Schülerinnen in Gesprächen über ihre Lehrer zu belauschen, wird in seinem Glauben an die Hingabe und Pietät der Jugend arg erschüttert worden sein. Wirklich gebildete Familien, in welchen den frechen Reden des jungen Volkes gesteuert wird, sind auch nicht gerade häufig: meist freut man sich vielmehr, so scharf beobachtende und mit so überlegener Miene urteilende Spröfslinge zu haben, und stimmt mit eigenen verwandten Jugenderinnerungen ein. Mit abwägender Gerechtigkeit zu urteilen liegt eben nicht im Charakter des Menschen, am allerwenigsten im Charakter der Jugend: erst nach langem Herüber- und Hinüberschwanken des Züngleins stellt sich das Gleichgewicht her. Die nicht leicht zu erfüllenden und in gewissem Sinne unerbittlichen Ansprüche der Schule bringen bei Eltern wie bei Schülern dem Lehrer gegenüber eine Neigung zur hämischen Krittelei hervor. Man verlangt von ihm, dafs er vollkommen sei. Die ausgestandenen Mühen, die Enttäuschungen, das beschämende Gefühl der nicht recht zureichenden Kraft lassen nach Gelegenheiten spähen, im Tadel gegen den Lehrer sich Luft zu machen, und es entsteht so eine Art von gehässiger oder wenigstens achtungsloser Stimmung, welche dort, wo Disciplin herrscht, sich allerdings nicht zu äufsern wagt, aber doch im Stillen wühlt und so die Wirkungskraft des vom Lehrer Gebotenen beeinträchtigt. Zum Glück ist dem Menschen freilich auch das Bedürfnis zu bewundern und zu verehren angeboren. Starke und überwältigende Eindrücke pressen

Worte wärmster Anerkennung heraus, und sich fortwälzend nimmt das Lob oft gigantische Proportionen an. So bilden sich über Lehrer von glänzenden Eigenschaften bisweilen wahre Legenden. Man macht in Schule und Haus wahre prodigia daraus: sie wissen alles, haben alles gelesen, ihr Gedächtnis ist ein phänomenales und nie versagendes, an Beredsamkeit kommen sie dem Demosthenes und Cicero mindestens gleich. Was man den andern nimmt, legt man ihnen zu. Diese übertreibende Wertschätzung hat dann das Gute, dafs sie einen schützenden Wall gegen die Gleichgültigkeit bildet. Denn der Lehrer kann nicht wie ein glänzendes Meteor aufgehen und verschwinden. Ein Glück für ihn, wenn seine vortrefflichen Eigenschaften während der ersten Periode, wo sie mit der fast zu starken Kraft des Neuen wirkten, eine auch für spätere Zeiten unerschütterliche Grundlage der Liebe, des Vertrauens, der Wertschätzung haben entstehen lassen. Denn dies vor allem ich wiederhole es macht den Beruf des Lehrers zu einem so schwierigen, dafs von ihm ununterbrochene und so lange fortgesetzte Wirkungen erwartet werden. Ein Dichter, ein Schriftsteller, ein Künstler, selbst ein Schauspieler tritt doch nur in weiteren Zwischenräumen vor sein Publikum und noch dazu in Augenblicken, die von diesem selbst gewählt sind und wo es also willig ist sich ihm hinzugeben. Ein Lehrer kann nicht warten, bis ihm das Herz seiner Schüler wieder sehnend entgegenschlägt. Schon ehe sich wieder brennender Durst eingestellt hat, mufs er ihnen meist den Trank der Wissenschaft von neuem reichen.

Man wird nicht erwidern dürfen, dafs das alles Übertreibungen seien, dafs hier die Ausnahmen zur Regel gemacht seien. Nein, so grofsen Schwierigkeiten begegnet der Beruf des Lehrers in der eigentümlich menschlichen Anlage. Nicht um zufällige Hindernisse handelt es sich hier, sondern um solche, welche mit der unerbittlichen Regelmässigkeit eines Naturgesetzes immer wieder, wo unterrichtet und erzogen wird, in Wirksamkeit treten werden. Es erklärt sich das aus der nicht zu eliminierenden Künstlichkeit alles Unterrichtens, vornehmlich des gemeinsamen Unterrichtens. Ganz anders steht es mit der häuslichen Erziehung durch die Eltern. Diese nimmt einen natürlichen Verlauf und kann stets an passende Gelegenheiten anknüpfen. Aufserdem hat sie an der Liebe, welche zwischen Eltern und Kindern ein der Regel nach unzerreifsbares Band geflochten hat, einen mächtigen Bundesgenossen. Schliefslich handelt es sich in diesem Verhältnis nur um Anregungen und um allgemein sittliche, nur ausnahmsweise um geistige Förderungen. Was an sich schwerer sei, zu erziehen oder gut zu unterrichten, soll hier nicht untersucht werden. Doch ist bekannt, wie wenig Erfolg gerade die Väter, selbst solche von hervorragender Bildung, beim Unterrichten ihrer eigenen Kinder zu haben pflegen.

Eine wie unerschöpfliche Geduld gehört ferner zum Berufe des Lehrers, eine wie grofse Selbstbeherrschung! Welch natürlicher Adel der Gesinnung ist nötig, damit er davor bewahrt bleibe, die trotz aller Überwachung sehr grofse Gewalt, die in seine Hände gelegt ist, zu mifsbrauchen! Er soll von männlicher Festigkeit sein, aber weder eigensinnig, noch tyrannisch. Auch den Faulen, Störrischen, Böswilligen ist er einen Grad von Interesse schuldig. Er darf nicht von schlaffer Gutmütigkeit sein, aber noch schlimmer ist es, wenn er von seinem persönlichen Empfinden nicht absehen kann, wenn er Neigung hat sich beleidigt zu glauben, wenn er nicht vergessen und verzeihen kann und schlechte Schüler mit unversöhnlichem Hasse behandelt und sie so immer wieder in den alten Weg zurückschleudert. Es sind das Forderungen, die schnell ausgesprochen sind und als selbstverständlich gelten, und die doch so schwer zu erfüllen sind. So viel Strenge und Festigkeit im Verein mit einem so unversieglichen Vorrat echt menschlicher Teilnahme, mit einem so unausrottbaren Wohlwollen findet sich in demselben Charakter doch nur selten zusammen. Und dazu dieser vultus semper idem, freundlich zugleich und ernst, allen Launen entrückt, wie er sich nur bei Menschen von vollkommener körperlicher, geistiger, sittlicher Gesundheit findet, die, was über allen Schein erhaben ist, in sich fühlen und unerschütterlich in sich selbst ruhen. Give me that man, wird der Menschenkenner mit Hamlet ausrufen, and I will wear him in my heart's core, ay, in my heart of heart. Hofft man je Lehrer dieser Art in ausreichender Anzahl zur Verfügung zu haben? Nur von solchen Lehrern aber das ist klar können tiefere Wir

kungen ausgehen.

Jede Berufsthätigkeit ist der Entwicklung gewisser Tugenden wie gewisser Fehler in eigentümlicher Weise förderlich. Die heilsamen Wirkungen kann man sich, ohne viel darüber nachzudenken, gefallen lassen; die schädlichen aber mufs man kennen, um ihnen entgegenarbeiten zu können. Man hört oft von der Politik sagen, sie verderbe den Charakter. Sollte man dasselbe vielleicht von der Thätigkeit des Lehrers sagen dürfen? Diese Gefahr ist allerdings vorhanden. Nur im Widerstreit ungefähr gleich starker Kräfte bewahrt sich auf die Dauer das Gleichgewicht. Einflufsreiche Beamte aller Klassen laufen Gefahr schroff, hochmütig, rechthaberisch, tyrannisch zu werden, trotzdem sie doch mit Erwachsenen zu thun haben, über welchen allen das Gesetz mit gleichem Schutze wacht. Die Thätigkeit des Lehrers nun ist erstens viel zu feiner und mannigfaltiger Art, als dafs die gesetzlichen Bestimmungen überall an sie heranreichen könnten, sodann erstreckt sie sich auf Minderjährige, durch einen weiten Zwischenraum des Alters wie der Reife von ihm Getrennte. Wie leicht kann da das milde Wohlwollen, die vorsichtig abwägende Gerechtigkeit verloren gehen! Um so leichter, als die intensive

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