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DRITTE ABTEILUNG.

BERICHTE ÜBER VERSAMMLUNGEN, NEKROLOGE,
MISCELLEN.

Die 43. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Köln vom 24. bis 28. September 1895.

Übersicht.

Als 1893 zu Wien der 42. Philologentag Köln zum nächsten Versammlangsort gewählt und den Direktor des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums Dr. O. Jäger in Köln zum ersten, den Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Buecheler in Bonn zum zweiten Vorsitzenden bestimmt hatte, da ergriff ein freudiges Bangen die Philologenherzen am Rhein. Freude erfüllte sie, denn endlich, am Ende des sechsten Jahrzehnts unserer Wanderversammlungen, sollte die bedeutendste Stadt der Rheinlande die deutschen Gelehrten zum ersten Male als Gäste bewillkommnen. Aber eine gewisse Zaghaftigkeit stahl sich in die Freude. War doch Wien die unmittelbare Vorgängerin gewesen, und mit der Kaiserstadt an der blauen Donau könne die bescheidene rheinische Provinzialstadt den Vergleich nicht aushalten. Doch dieses Bedenken war nur ein Antrieb, um so rühriger zu arbeiten. Vor allen war der erste Vorsitzende unermüdlich. In der neuerstandenen,,Freien Vereinigung akademisch gebildeter Lehrer Kölns" fand er die nötigen Hilfskräfte und durch Vermittelung des zweiten Vorsitzenden wulste er auch die Bonner Universitätskreise lebhaft für die Kölner Tagung einzunehmen. Der Kölner Arbeitsausschufs hatte denn auch schon viele Tage vor der amtlichen Eröffnung die Genugthuung, die Fachgenossen aus allen deutschen Gauen zahlreich nach Köln strömen zu sehen. Besonders angenehm berührte dabei der reiche Zuzug aus dem stammverwandten und verbündeten Österreich. Das sommerlich warme, von keinem Regenwölkchen getrübte Wetter der letzten Septemberwoche that ein übriges, und so schlofs Freitag den 27. nachmittags 3 Uhr die Mitgliederliste mit 1055 Teilnehmern, einer Zahl, die noch kein Philologentag erreicht hat. Und dafs die Gäste es nicht bereut haben, Dach Köln gekommen zu sein, das beweist der Verlauf der Tagung, das beweisen die zahlreichen Dankschreiben, die noch lange nachher beim ersten Vorsitzenden einliefen. Von den festlichen Veranstaltungen kann in einer wissenschaftlichen Zeitschrift nicht ausführlich gesprochen werden. Nur kurz andeuten will ich, dafs jeder Tag von Dienstag bis Samstag neben seinem reichlichen Arbeitsteil auch sein nicht weniger reichliches Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen, L. 2. 3.

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Mafs von geselligen Vergnügungen aufzuweisen hatte. Vom Festausschuf's veranstaltet war am Dienstag eine zwanglose Zusammenkunft in der „Lese“, am Mittwoch eine Festvorstellung im Stadttheater mit anschliessendem Kommers in der „Bürgergesellschaft". Im Theater ging damals Ad. Wilbrandts Frauenherrschaft, eine Nachdichtung von Aristophanes' Lysistrate und Ekklesiazusen zum ersten Mal über eine deutsche Bühne. Donnerstag Nachmittag vereinigten sich auf dem geschichtlich berühmten Gürzenich so viel Teilnehmer, als der Saal nur fassen konnte, zum Festbankett. Hunderte mufsten zurückgewiesen werden. Der Freitag Abend sah die Philologen beim Gartenfeste im Volksgarten, und endlich der Samstag wurde fast ganz der Dampferfahrt nach dem Siebengebirge gewidmet. Während der ganzen Tagung aber luden unzählige Sammlungen und Veranstaltungen durch erleichterte Eintrittsbedingungen zum Besuch ein. Zoologischer Garten sowohl wie „Flora" hatten ihre Preise herabgesetzt, alle städtischen Sammlungen, Gebäude und Betriebe waren den Philologen geöffnet, selbst solche, die sonst unzugänglich sind, wie Elektrizitätswerke und Schlachthof.

Im Wallraf-Richartz-Museum eröffnete Hofrat Aldenhover den Philologen zu Ehren die durch die Freigebigkeit Kölner Kaufleute glänzend ausgestatteten pompejanischen Zimmer. Sie enthalten eine ausgewählte Sammlung von Gipsabgüssen nach Antiken, berühmte Werke des fünften und vierten Jahrhunderts vor Christi Geburt, darunter den Speerträger und die Amazone des Polyklet, die lemnische Athene des Phidias, den Marsyas des Myron, die Eirene des Kephisodot, den Hermes des Praxiteles und den Staubabschaber des Lysippos; ferner die altertümliche Wettläuferin aus dem Vatikan, den Idolino aus Florenz, die Venus von Arles, den Apollo citharoedus und andere. Alle diese Statuen sind vollständig ergänzt und gefärbt, so dafs sie eine Vorstellung davon geben können, wie wir uns die Originale zu denken haben. Es sind also die Abgüsse der Marmorstatuen, welche Kopieen nach Bronzewerken sind, in den verschiedenen braunen und grünen Tönen des Erzgusses ausgeführt, an anderen dagegen ist die Behandlung des Marmors in Politur und Färbung nachgeahmt. Um für diese Skulpturen den dazu gehörigen Hintergrund zu schaffen, hat man die Wände, in welche farbige Reliefs eingelassen sind, nach pompejanischen Mustern in.lebhaften Farben gemalt.

Die Kölner Kirchen, die für romanische und gotische Baukunst das beste und vollständigste Anschauungsmaterial liefern, wurden unter sachverständiger Führung besichtigt. Wer aber, fern von allem Zwang, beim Glase Wein oder Bier geistige Aussprache pflegen wollte, der traf überall Anregung genug. Korpsstudenten und Burschenschafter, Landsmannschafter und kath. Studentenvereinler fanden ihre Kölner Stammkneipen geöffnet. Die neusprachliche Sektion und der klassisch-philologische Verein luden zu gemütlicher Aussprache bei einem kühlen Trunke ein. Trotz all dieser Ablenkungen aber waren Hauptversammlungen wie Abteilungssitzungen stets überfüllt. Die Masse des zu verarbeitenden Stoffes war so grofs, dafs viele Redner gar nicht zu Worte kamen, trotzdem vielfach die Abteilungen gleichzeitig mit den Hauptversammlungen tagten. Am fleifsigsten arbeiteten die Neusprachler und die Archäologen. Die ersteren hielten von Mittwoch bis Freitag vier Fachsitzungen, die Archäologen verzichteten gar auf die geselligen Veranstaltungen. Statt zum Festtrunk im Volksgarten, fuhren sie zur Museumsbesichtigung nach Bonn, nachdem sie die Kölner Kunst

und Altertumsschätze schon Mittwoch bei Konstituierung der Abteilung im Museum Wallraf-Richartz eingehend betrachtet hatten. Nach dem amtlichen Schlufs des Philologentages hielten sie noch eine letzte Festsitzung und fuhren dann statt nach Königswinter nach Ehrenbreitstein zur Besichtigung des von dem Altertumsforscher Major Dahm eben freigelegten Kastells Niederberg. Ja noch am Sonntag 29. September machten sie sich auf, um unter Prof. Löschkes Leitung den von diesem ausgegrabenen Teil des Limes oberhalb Sayn zu begehen. Aber auch abgesehen von Neusprachlern und Archäologen ist die wissenschaftliche Arbeit des Kölner Tages so reich, dafs es für eine übersichtliche Darlegung der Ergebnisse geraten ist, von der rein zeitlichen Aufeinanderfolge der Haupt- und Sonderversammlungen abzusehen und alles in Festschriften und Vorträgen an die Öffentlichkeit getretene Material nach sachlichen Gruppen zu vereinigen. Was an Festschriften geboten, was in Hauptversammlungen und Abteilungssitzungen an Vorträgen geleistet worden ist, zeigt die folgende chronologische Übersicht:

I. Festschriften.

1. Festschrift der 43. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner, dargeboten von den höheren Lehranstalten Kölns, 251 S. 4o, Bonn, C. Georgi, 1895, enthält: A. Chambalu: Die wiederverschüttete Besitzung der Julia Felix beim Amphitheater in Pompeji (S. 1—20, mit einer Tafel in Steindruck). Jos. Franke: De Sili Italici Punicorum figuris (S. 21-60). Abeck: Die Shakespeare-Bacon-Frage (S. 61-101).

Finsterwalder: Auswahl der Lektüre für Untersekunda nach den Grundsätzen der Konzentration (S. 102-162). Alph. Simon: Zur Anordnung der Oden des Horaz (S. 163-172). Joh. Friedr. Marcks: Kleine Studien zur Taciteischen Germania (S. 173–192). Joh. Jos. Hoeveler: Die Excerpta Latina Barbari (S. 193–214). Ant. Decker: Die Hildeboldsche Manuscriptensammlung des Kölner Domes (S. 215-251, mit der Wiedergabe eines Handschriftblattes in Lichtdruck).

2. Geschichte des Höheren Schulwesens der Rheinprovinz unter preussischer Regierung von Fr. Moldenhauer, Prof. am Königl. Fr.-W.Gymn. zu Köln, überreicht im Auftrage des Vereins Rheinischer Schulmänner, IV und 120 S. 8°, Köln, Neubner, 1895.

3. Vorlage für pädagogische Besprechungen in preufsischen Seminaren. Der pädagogischen Sektion dargebracht von Osc. Jäger, Dir. des Königl. Fr.W.-Gymnasiums zu Köln. 20 S. 8° Wiesbaden, C. G. Kuntzes Nachfolger 1895.

4. Die Bereicherung des Wortschatzes unserer Muttersprache von Prof. Dr. H. Dunger, Conr. am Wettiner Gymn. zu Dresden. 23 S. Sonderabdruck aus den Wissenschaftlichen Beiheften zur Zeitschr. d. allg. deutsch. Schulvereins. 9. X. 1895.

5. Köln-Führer von Fr. Th. Helmken.

6. Colonia Agrippinensis. Festschrift, der XLIII. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Köln gewidmet vom Verein von Altertumsforschern im Rheinlande. Sonderausgabe des 99. Heftes der Jahrb. d. Vereins. 171 S. gr. 8°, mit 17 Tafeln in Stein- und Lichtdruck. Den lokalantiquarischen Teil haben die Bauiospektoren Rudolf Schultze

vom

Hochbauamt und Carl Steuernagel vom Tiefbauamt verfasst. Der allgemeine Teil: Zur Geschichte des römischen Köln rührt vou Geh.-Rat Dr. H. Nissen in Boon her.

7. Festschrift der Oberrealschule zu Düren. Der mittelalterliche Minnedienst in Deutschland von Dr. Reinhold Becker, Direktor der Oberrealschule zu Düren. Leipzig Ernst Frauk. 70 S. 8°.

8. Festschrift des Klassisch - Philologischen Vereins in Bonn zur Begrüfsung der XLIII. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Köln. Philodemi volumina rhetorica, edidit Siegfried Sudhaus, Supplementum (Leipzig 1895, B. G. Teubner). 62 S.

9. Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte. Im Auftrage der Gesellschaft herausgegeben von Karl Kehrbach. Austria heft, herausgegeben und der 43. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Köln gewidmet von der Gruppe Österreich.

112 S.

10. Dionysii Halicarnasei quae fertur Ars rhetorica, recens. Hermannus Usener. Philologorum praeceptorumque Germaniae concilio Coloniensi universitas litterarum Friderica Guilelma Rhenana hoc donum dedicavit. Leipzig 1895,, B. G. Teubner. 166 S.

11. Dr. Jul. Asbach, Zur Erinnerung an Arnold Dietrich Schaefer. Mit einem Bildnis Schaefers. Leipzig 1895, B. G. Teubner. 80 S. . Diesen Sonderschriften reihen sich an die folgenden Festnummern von Zeitschriften:

12. Jahrbuch des Kais. deutschen archäologischen Instituts. Bd. X. Heft II (Archäol. Anzeiger 1895. 2).

a.

13. Zeitschr. f. vergleichende Litteraturgeschichte von Dr. Max Koch, o. Prof. an der Universität Breslau. Neue Folge. Bd. IX Heft 1 und 2. 14. Zeitschr. des allgem. deutschen Sprachvereins. X, 9 (1. IX. 1895). 15. Deutsche Zeitschrift f. ausländisches Unterrichtswesen, hrsg. von Dr. J. Wychgram. Leipzig, R. Voigtländer. Einführungsheft. Sep

tember 1895.

16. An die Kenner und Verehrer der deutschen Sprache. (Ein Aufruf zur Unterstützung der Häufigkeitsuntersuchungen; vgl. Zeitschr. d. allgem. deutschen Sprachvereins, wiss. Beiheft VI. Mai 1894).

17. Tagesblatt der XLIII. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner, 4. Nr., Dienstag 24., Donnerstag 26., Freitag 27., Samstag 28. September; in der Donnerstagsnummer: die Kölner Gelehrten seit dem Jahre 1000 n. Chr., zusammengestellt von Archivar Dr. Keussen.

18. Alphabetische Liste der Teilnehmer an der 43. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner.

II. Hauptversammlungen.

1. Mittwoch, 25. September, von 10 Uhr ab im Gürzenich unter Leitung des 1. Vorsitzenden Gymn.-Dir. Oskar Jäger.

Begrüfsungen. Es sprachen: der 1. Vorsitzende namens des Vorstandes. (Die programmatischen Ausführungen über den Zweck der klassischen Bildung s. unter Pädagogik.)

Prov. Schulrat Geh. Rat Dr. Deiters, namens des Ministers und des Oberpräsidenten der Rheinprovinz.

Geh. Rat Dr. Nissen namens der Universität Bonn.

Oberbürgermeister Becker namens der Stadt Köln.

Universitätsprofessor Senator Dr. Tocilesko (Bukarest) namens der rumänischen Regierung. (Die Ausführungen über Adamklissi s. unter Archäologie.)

Museumsdirektor Dr. Patsch (Sarajewo) namens der bosnisch-herzogowinischen Landesregierung.

Vortrag des Univ.-Prof. Dr. Theobald Ziegler (Strafsburg): Die Philosophie im Schulunterricht, ein Kapitel aus der Geschichte der hohen Karlsschule in Stuttgart.

2. Donnerstag, 26. September, von 10 Uhr ab in der Lesegesellschaft unter Leitung des 2. Vorsitzenden Geh. Rat Prof. Dr. Buecheler (Bonn).

Begrüfsungstelegramme des Oberpräsidenten der Rheinprovinz Dr. Nasse und des Kartellverbandes klassisch - philologischer Vereine an deutschen Hochschulen.

Vorträge: Prof. Dr. Hettner (Trier): Bericht über die vom deutschen Reich unternommene Erforschung des obergermanisch-rätischen Limes. Im Anschlufs an diesen Vortrag spricht die Versammlung allen bei der Limeserforschung Beteiligten ihren Dank aus. Der Reichskanzler soll gebeten werden, weitere Mittel flüssig zu machen. An Mommsen geht ein Begrüfsungstelegramm ab. Die Antwort Mommsens lautet: Relictus solus fere inter aequales: Theodorus Mommsen salutem reddit iis qui operam nostram continuabant priorum memores posteris prospicientes. Prof. Dr. Diels (Berlin) spricht über den von den fünf Akademieen unternommenen Thesaurus linguae Latinae. Prof. Dr. Heiberg (Kopenhagen): Die Überlieferung der griechischen Mathematik.

3. Freitag, 27. September, von 10 Uhr ab in der Lesegesellschaft unter Leitung des 1. Vorsitzenden.

Vorträge. Bibliothekar Dr. Wenker (Marburg): Über den Sprachatlas des deutschen Reiches. Geh. Rat. Prof. Dr. Stahl (Münster): Über den Zusammenhang der ältesten griechischen Geschichtsschreibung mit der epischen Dichtung. Sekretär des archäologischen Instituts Dr. Wolters (Athen): Eine spartanische Apollostatue. Prof. Reisch (Innsbruck): Zur Entwicklungsgeschichte des griechischen Theaters. Prof. Marx (Breslau): Das Haus des Faun in Pompeji.

4. Samstag, 28. September, von 8 Uhr an im Gürzenich. Die Abteilungen erstatteten Bericht über ihre Thätigkeit. Die neuphilologische und die mathematisch-naturwissenschaftliche Sektion verlesen folgenden Einspruch gegen die Eröffnungsrede des ersten Vorsitzenden:,,Die Sektionen geben gegenüber den Äufserungen,, die der erste Vorsitzende in der Begrüfsungsrede über Wert und Bedeutung des altsprachlichen Unterrichts im Gegensatz zu jedem andern gemacht hat, ihrer Überzeugung dahin Ausdruck, dafs keinem Unterrichtsfache ausschliefslich diese Bedeutung zukommt, dafs vielmehr jeder Unterrichtszweig, welches auch seine Eigenart sei, dem gemeinsamen Zwecke alles höheren Unterrichts dient, den Schüler nach Geist und Gemüt so zu erziehen und heranzubilden, dafs er als Mann in führender Stellung auf allen Gebieten des menschlichen Lebens auch für die idealen Güter unseres Volkes mit Begeisterung zu wirken vermag“. Direktor Dr.

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