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Thätigkeit des Unterrichtens, neben welcher das Thun der grofsen Beamtenmasse sich wie harmloses Kinderspiel ausnimmt, leicht üble Laune und empfindliche Reizbarkeit erzeugt. Es gehört ein hoher Grad von Besinnung und Selbstbeherrschung dazu, um sich dabei vor herrischem, unfreundlichem Wesen zu bewahren. Der Lehrer vor der Klasse ist ja auch nicht ein primus inter pares. Er spricht, wie ex tripode, und wo einer etwas zu erwidern wagt, sagt er, wie Andreas Doria:,,Schweig, Knabe, ich bin gewohnt, dafs das Meer aufhorcht, wenn ich rede". Viel grofser aber noch ist die Gefahr, dafs der Lehrer zum Pedanten werde. Es bedarf in der That eines fortwährenden Ringens, um die Jugend an äufsere Ordnung, an Sorgfalt, an Sauberkeit zu gewöhnen. Wie traurig ist es aber, wenn sich die ganze Kraft des Lehrers in solchen Sorgen aufreibt! Wo bleiben da die tieferen Wirkungen des Unterrichts? Überdies macht die Pedanterei verhafst zugleich und verächtlich. Was soll auch der Schüler von dem Urteil eines Lehrers denken, für welchen bei allen Leistungen Eigenschaften, denen offenbar nicht der erste Platz gebührt, allein oder hauptsächlich den Ausschlag geben? Gerade das also, was dem ganzen Unterrichte Weihe und Wirkungskraft verleiht, das sympathische Wohlwollen mit vernünftiger Strenge gepaart und die hoch über dem unmündigen Sinne thronende Reife des Urteils und Weite des Gesichtskreises geht dem Lehrer, wenn er es von Natur besessen und durch Selbsterziehung in sich befestigt hat, beim täglichen Ringen mit der Ungeschicklichkeit, Schlaffheit und Widerwilligkeit so leicht verloren. Man denke ferner an die herabziehende Tendenz der vollen Klassen. Quintilian, ein erfahrener Schulmann, sagt zwar: „,Gerade die besten Lehrer lieben volle Klassen (optimus quisque frequentia gaudet)"). Auch soll nicht geleugnet werden, dafs es eine Art freudigen Siegesbewusstseins gewährt, erfolgreich mit nicht gewöhnlichen Schwierigkeiten gerungen zu haben. Aber einer vollen Klasse gegenüber stellt sich doch bald ein Gefühl grämlicher Resignation ein, und, mag man wollen oder nicht, über die groben Hauptsachen wird man da nie sehr weit hinausdringen. Um eine so schwer

1) Bonnell pflegte dieses Wort seinem Quintilian zustimmend zu citieren und freute sich seiner vollen Klassen. Anders dachte sein Kollege Kiefsling, der frühere Direktor des Joachimsthalschen Gymnasiums. Dieser pflegte zu sagen, er wünsche nicht, dafs die Gesamtzahl seiner Schüler über die Zahl der Tage im Jahr hinauswachse. Würden es viel mehr, so könne ein Direktor von dem einzelnen nicht mehr Kenntnis nehmen. Es kam vor, erzählt man, dafs er die erste Konferenz des Semesters mit Worten, wie diese, eröffnete: „Meine Herren, ich kann Ihnen die freudige Mitteilung machen, dafs wir wieder um drei weniger geworden sind". Sein Nachfolger Schaper wiederum hielt es mit Bonnell.,,Meine Herren", soll er in der das Semester einleitenden Konferenz mehr als einmal gesagt haben, es ist mir eine grofse Freude, Ihnen mitteilen zu können, dafs wir wieder um zehn mehr geworden sind".

fällige Masse an dem Ziele angelangen zu lassen, wird man den einzelnen nicht nahe genug kommen können, wie auch für das, was man die Imponderabilien des Unterrichts genannt hat, zu wenig Zeit übrig sein wird. Man begreift, wie viel von jener Behagen und Lernlust schaffenden Kraft des wahren Unterrichtens dabei verloren geht. Dazu kommen gleichfalls uneliminierbare aufsere Schwierigkeiten. Vor allem wird in Räumen, wo viele zusammen sind, trotz aller Ventilationstheorieen, stets eine stumpf machende und leise verdriefslich stimmende Luft herrschen. Wäre das Unterrichten eine reine Verwaltungsarbeit, so würde auch bei solchen Hemmungen die Kraft ausreichen. So aber geht leicht dem Gegenstande, wie der Art der Darbietung eine gewisse einschmeichelnde Kraft verloren, welcher der Unterricht seine schönsten Wirkungen verdankt.

Trotzdem möchte es keinen Beruf geben, der für seine Mühen so reich belohnte wie der des Lehrers, es müfste denn der des Geistlichen sein. Und zwar gewährt er dieses Glück auf allen Stufen des Unterrichtes, wenn auch die Elemente, aus denen es besteht, beim niederen und höheren Unterrichte und nach der Natur des Unterrichtsgegenstandes verschieden gemischt sein können. Erstens ist die Jugend, trotz aller bösen Neigungen, liebenswürdiger und interessanter als das sogenannte reife Alter. Wer das nicht finden kann, pafst nicht zum Lehrer und sollte so schnell wie möglich etwas anderes werden. Sieht man einen, den man als Schüler vor sich gehabt hat, später als Mann wieder, so schaudert man nicht selten über die Veränderung, die mit ihm vorgegangen ist. Meist möchte man mit Ophelia ausrufen: O, what a noble mind is here o'erthrown! So sehr ist alles, trotz aller männlichen und geschäftlichen Gereiftheit, ins Gemeine gezogen. Auch dem Baume merkt man nachher im Sommer von der überquellenden Blütenpracht seines Frühlings nicht mehr so gar viel an. Dazu kommt der für jeden Denkenden unzerstörbare Reiz, der von den Gegenständen des Unterrichts, schon auf den untersten Stufen, auch von den nüchternsten, ausgeht. Auf der obersten Stufe nun vollends weilt der Sinn auf den Höhen der Menschheit, wenn auch nicht auf den Höhen der Fachwissenschaft, und das tröstet wieder reichlich dafür, dafs den Schülern dieses Alters schon viel von ihrem Frühlingsschmuck verloren gegangen ist. Daher, für den Berufenen wenigstens, das unversiegliche Glück dieser Thätigkeit. Montesquieu sagt von sich: Je n'ai jamais éprouvé de douleur assez vive dont une heure de lecture sérieuse ne m'eût bientôt consolé. Dieselbe Nebel, Kummer und Sorgen verscheuchende Kraft hat das Unterrichten, für den, der dabei in seinem Elemente ist.

Grofs-Lichterfelde bei Berlin.

O. Weifsenfels.

ZWEITE ABTEILUNG.

LITTERARISCHE BERICHTE.

Neutestamentliche Schriften im Zusammenhang erläutert für höhere Schulen. Erstes Heft: Der Galaterbrief von P. Schultze. Gotha 1894, Fr. Andreas Perthes. 29 S. 8. 0,40 M.

Mit Freude begrüfsen wir das neue Unternehmen, das sich die Aufgabe einer zusammenhängenden Erläuterung neutestamentlicher Schriften stellt. Ausgehend von der unbestrittenen Forderung, dafs die Behandlung des neuen Testaments im Mittelpunkte des Religionsunterrichts in höheren Schulen stehen mufs, streben die Herausgeber der Sammlung ein tieferes Eindringen in die wichtigsten Schriften, sowie eine lebendige Erfassung ihres Inhalts an und lassen alles, was diesem Zwecke nicht unmittelbar dient, weg. Von dem griechischen Texte ist aus verschiedenen Gründen abgesehen und statt dessen der deutsche nach der revidierten Ausgabe der Lutherschen Übersetzung vorausgeschickt worden. Die ganze Sammlung ist auf neun Hefte berechnet, die die Evangelien des Matthäus, Markus und Johannes, die Apostelgeschichte, den Römer-, ersten Korinther-, Galater- und Philipperbrief und den Brief des Jakobus enthalten. Als erstes Heft ist der Galaterbrief, erläutert von Dr. Paul Schultze, erschienen.

In der kurzen Einleitung behandelt der Herausgeber die Gründung christlicher Gemeinden in Galatien durch Paulus, die Veranlassung und den Zweck des Briefes. Die Einteilung des Briefes ist die bekannte; doch finden wir, unter Aufgabe der Versabteilung, seinen Inhalt in sogenannte Sinnesabschnitte, bald kleinere, bald gröfsere Gruppen von Versen, in denen ein bestimmter Gedanke weiter entwickelt wird, zerlegt. Aber gerade die Behandlung dieser Abschnitte legt Zeugnis davon ab, wie der Herausgeber seiner Aufgabe in jeder Weise gerecht wird und durch eine ebenso durchsichtige Gliederung des Inhalts, wie auch klare Aufweisung des Gedankenfortschritts uns das Verständnis verhältnismäfsig schwieriger Teile eines paulinischen Briefes erleichtert. Sehr zweckmäfsig erscheint uns ferner am Schlusse dieser Abschnitte die Aufstellung einer Reihe von Fragen, die in trefflicher Auswahl das Interesse der Schüler für den besprochenen Gegenstand noch mehr anzuregen wohlgeeignet sind.

Ein kurzer Anhang, der eine Übersicht über das Leben und Werk des Apostels enthält, bringt nichts Neues.

Mit dem Plane und Ziele der Erläuterungen im allgemeinen, sowie mit dem Inhalte dieses ersten Heftes der Sammlung im besonderen erklären wir uns völlig einverstanden und unterlassen nicht, dem ganzen Unternehmen die ungeteilte Anerkennung von seiten der Fachgenossen zu wünschen.

Cōthen.

Alwin Sterz.

Gottlieb Leuchtenberger, Dispositionen zu deutschen Aufsätzen und Vorträgen für die oberen Klassen höherer Lehranstalten. Berlin 1894, R. Gaertner (H. Heyfelder). 1: 5. Auflage. VII u. 160 S. 8. II: 4. Auflage. 149 S. 8. je 2 M.

Bereits bei ihrem ersten Erscheinen (1875) wurde diese Sammlung von den Fachmännern freudig anerkannt. In dieser Zeitschrift (1878 S. 365 ff.) bezeichnete sie Jonas als aus den mannigfachsten Gründen ganz besonders beachtenswert. Er stand nicht an die Wahl der Themata für eine ganz vortreffliche, ihre Behandlung und Ausführung für eine ganz vorzüglich gelungene zu erklären. In ähnlich lobender Weise hat sich derselbe Berichterstatter über das zweite Bändchen und die ersten Neu-Auflagen beider Hefte ausgesprochen (1881 S. 222 ff. und 1884 S. 237). Der Erfolg des Werkes hat dem Lobe der Beurteiler entsprochen. Wie die vorliegenden Auflagen beweisen, behauptet die treffliche Sammlung nun schon zwanzig Jahre ihren Platz.

Wie der Verfasser selbst im Vorworte berichtet, sind wiederum im einzelnen einige Verbesserungen vorgenommen; hauptsächlich aber ist die Verteilung der Aufgaben in die beiden Bändchen und die Aufeinanderfolge der Aufgaben etwas anders geordnet worden. So findet man jetzt sämtliche Aufgaben aus Schiller und aus Horaz im ersten, die Aufgaben aus Goethe im zweiten Teile, wo sich jetzt auch diejenigen Aufgaben alle finden, welche sich an die griechische Lektüre anlehnen. Diese letzteren sind auch um zwei neue vermehrt worden: „,Ödipus und seine Unterthanen im Prolog des Sophokleischen König Ödipus" und „In welchen Gedanken nimmt der 'Kriton' auf die 'Apologie' Bezug?".

Zu Aufgaben im Anschlufs an die Litteratur und Lektüre enthält jetzt das erste Bändchen 42, das zweite 49, zu Aufgaben allgemeinen Inhalts jenes 34, dieses 27 Dispositionen.

Eberswalde.

H. Winther.

Johann Schmaus, Aufsatzstoffe und Aufsatzproben für die Mittelstufe des humanistischen Gymnasiums. Zweiter Teil. Bamberg 1895, C. C. Buchner (Rudolf Koch). VIII u. 129 S. S. 1,60 M.

Der Verf. trägt sich mit dem Gedanken, später auch für die Unter- und Oberstufe Aufsatzstoffe und Aufsatzproben zu veröffentlichen, und hat deshalb sein Buch vorweg als zweiten Teil bezeichnet. Es zerfällt in zwei Abschnitte, einen theoretischen auf 54 Seiten und einen praktischen (Aufsätze) auf 75 Seiten.

Der erste Abschnitt behandelt nach einer allgemeinen Erörterung über Aufsatzthemen 1. Erzählungen, 2. Beschreibungen und Schilderungen, 3. Abhandlungen, und der zweite liefert dazu 18, 20, 12, zusammen 50 Aufsätze. Im ersten Teile kam es dem Verf. darauf an,,,möglichst viele Arten von Themen für die Mittelstufe namhaft zu machen, sie durch Beispiele klarer zu bestimmen und gelegentlich einige Winke über ihre Ausführung zum besten zu geben". Der zweite Teil enthält von jeder Art von Themen mindestens eine Ausarbeitung, darunter auch 15 Schüleraufsätze (der Unter- und Obertertia, teilweise auch der Quarta), die,,teils vom Verf. überarbeitet, teils fast ganz so gelassen sind, wie sie eingeliefert wurden“.

Ref. erblickt in diesen Aufsatzproben den eigentlichen Wert des Buches. Abgesehen von den Themen 45, 46 und 47, die besser für die Oberstufe aufgespart bleiben, sind sie in der That geeignet, die Stoffe und Ziele für den Aufsatz der Mittelstufe in concreto zu bezeichnen. Besonders ansprechend sind die Beschreibungen und Schilderungen, sowie die 10 Erzählungen aus dem Leben, d. h. aus dem Familienleben und der örtlichen Umgebung der Verfasser. Übrigens nehme ich an, dafs diese gemütund phantasievollen kleinen Bilder aus dem Bamberger Leben, unbeschadet aller individuellen Zuthaten, Grundrifs und Farbe der Vorbereitung des Lehrers verdanken. An sich erfordert nämlich gerade diese Gattung von Darstellungen einen Grad von Selbständigkeit, der bei jüngeren Schülern kaum vorausgesetzt werden kann

darin gebe ich R. Lehmann gegen Schmaus (S. 11) vollkommen recht, entweder wird also der Schüler vom Lehrer inspiriert, oder er sucht und findet seine Egeria aufserhalb der Schule. Bei solchen Aufsätzen hilft mitunter die ganze Familie. Nur eins möchte ich unbedingt dem eigenen, unbeeinflufsten Gefühle des Schülers überlassen: den Ausdruck frommer Empfindungen etwa einem Kreuze oder Hochaltar gegenüber (vgl. S. 62, 106). Schablonenhaftes Nacherzählen der ganzen Klasse müfste hier nahezu als Profanierung wirken. Die Forderung des Verf.s, dafs man einen anziehenden, wenn es angeht poetischen Stoff in fesselnder Form zur Bearbeitung stellen solle, ist gewifs beherzigenswert; freilich ist nicht jedem Lehrer die,,Lust zu fabulieren" angeboren. Dafs die Aufsätze nicht zu schwierig sein dürfen, ist richtig, andererseits aber mufs man sich hüten, die Schwierigkeit lediglich aus dem Wortlaute des Themas beurteilen zu wollen. Z. B. kann der Primaner trotz Schmaus (S. 2) das Thema: ,,Wie würde Schiller die Handlung eines Drama Egmont gestaltet haben?" recht wohl bearbeiten. Man denke sich den Zusatz:,,im Anschlufs an Schillers Rezension des Egmont", und es zeigt sich, dafs der Schüler, weit entfernt,,sein armes Gehirn martern zu müssen“, ein ein

faches Referat zu liefern hat!

Wie oben erwähnt, will der Verf. späterhin auch den Aufsatz

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