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dafs die blutigen Sachsenkriege gegen die Schilderung der Thätigkeit Karls zurücktreten, die er der inneren Entwickelung seiner Lande zuwandte, wie sie in den Capitularien überliefert ist: das capitulare de villis sollte unseren Schülern nicht nur dem Namen nach bekannt sein, hier zeigt sich die Gröfse des Kaisers deutlicher und klarer, als durch viele andere Worte. Nach Karl d. Gr. werden Konrad I., Heinrich I., Otto I., Konrad II., Heinrich IV. und V., Friedrich Barbarossa und Friedrich II. behandelt. Sehr dankenswert ist eine Zusammenstellung von Sätzen über die Gewalt der Päpste aus den pseudo-isidorischen Dekretalien. Nicht minder wertvoll ist es dann, wenn die goldene Bulle, die 95 Thesen, das Wormser Edikt, der Augsburger Religionsfrieden oder auch die Klagen der Fürsten über Wallenstein auf dem Kurfürstentage zu Regensburg, wenn auch nur im Auszuge leicht zugänglich gemacht werden. Der 2. Teil begleitet die Entwicklung Preufsens und bietet für jedes wichtigere Ereignis einen lehrreichen und bezeichnenden Quellen nachweis. Nicht ganz am Orte erscheint hier die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich, da es doch kein besonderes deutsches oder preufsisches, sondern ein weltgeschichtliches Ereignis war, als diese Erklärung in die Welt ging. Nicht in die Schule gehört auch die Proklamation des Königs Friedrich Wilhelm IV. „An meine lieben Berliner". Bietet die Persönlichkeit gerade dieses Königs der Schwierigkeiten genug für den Unterricht es genüge, an die Auffassungen Rankes und Treitschkes zu erinnern so möchte es doch vor allem gelten, unsere Jugend auf die Höhen zu führen. Vermifst wird die Erwähnung der kolonialen Bestrebungen unserer Tage, die ja von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewonnen haben und deshalb in ihren Anfängen nicht übergangen werden sollten.

Die Übersetzung der in einer anderen Sprache als der deutschen abgefafsten Originale ist lesbar, wenn auch nicht jede Kürzung sich von selbst ergiebt. So kürzt H. um das Verfahren des Herausgebers an einer Stelle zu zeigen S. 17 in dem Berichte, welchen er Ammianus Marcellinus XXXI 2, 1-11 entnimmt, ohne zwingenden Grund. H. übersetzt:,,Ihre Kleider sind von Linnen oder aus Fellen", während Marcellinus charakteristischer berichtet: ,,Sie kleiden sich in leinene Gewänder oder Pelze aus den Fellen der Waldmäuse". Kurz darauf wird die Angabe, die behaarten Beine schützen sie mit Ziegenfellen" ohne weiteres weggelassen. Bei umfangreicheren Originalen konnte nur ein Auszug geboten werden; mit Geschick ist so aus der goldenen Bulle, aus Luthers Thesen, aus den Bestimmungen des Westfälischen Friedens das Wichtigste ausgeschieden worden. Als ein Mangel des QuellenLesebuches ist es zu bezeichnen, dafs Anmerkungen durchweg fehlen nur vereinzelt finden sich im Texte selbst eingeschaltete Zusätze, die manches aufklären und manche Beziehung verständlicher machen. Wünschenswert wäre es auch gewesen, bei den

aus Schriftstellern entnommenen Stücken die Stelle nach Buch und Kapitel genau anzugeben.

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Für die Verwendbarkeit seines Buches hat H. nach dem Vorworte eine doppelte Möglichkeit angenommen: er hat an Lehrerbildungsanstalten (vergl. S. V.) und höhere Unterrichtsanstalten überhaupt gedacht. Von den ersteren ist hier nicht zu handeln, für die letzteren dürfte kaum ein allgemeinerer Gebrauch möglich sein. Schon aufsere Gründe werden die allgemeine Benutzung eines so umfangreichen Quellen-Lesebuches unmöglich machen. Es klingt ja recht hoffnungsvoll und vielversprechend, dafs das Quellen-Lesebuch (vgl. S. VI.) zur Belebung und Erweiterung des Geschichtsvortrages des Lehrers dienen soll und zwar so, dafs die Quellenstücke je nach ihrer Art unmittelbar in den Vortrag des Lehrers sich einfügen oder nach demselben gelesen, erläutert und besprochen werden, oder aber auch so, dafs sie den Ausgangspunkt der Geschichtslektion bilden. Jedenfalls meint H. doch nur die oberste Stufe denn in Tertia wird das deutsche Lesebuch genügen müssen, es würde weder Zeit noch genügendes Verständnis für so eingehende Verwendung von Quellensätzen zu finden sein. Aber auch auf der Oberstufe in Prima wird das Buch kaum in den Händen von Schülern von Nutzen sein: fast wäre zu befürchten, es möchte bei Einführung eines solchen Buches der Ruf der Überbürdung ertönen. Wie vollends das Buch (vgl S. VI) Hilfe leisten soll, den Geschichtsunterricht in unseren Schulen mehr und mehr erziehlich zu gestalten, bekennt Ref. in dieser Ausdehnung nicht zu verstehen. Liegt denn in der Bekanntschaft mit einzelnen Quellenstücken wirklich ein erziehliches Moment? Quellenbelege werden den Geschichtsunterricht, zumal in den oberen Klassen, beleben, aber es wird heifsen, Mafs halten, und es dürfte besser sein, Quellen-Lesebücher den Schülern nicht in die Hände zu geben. Die Erfahrungen auf dem Gebiete der alten Geschichte mit den Quellenbüchern von Baumeister und Weidner fordern nicht zur Nachahmung auf anderen Gebieten auf. Die Quellen gehören in die Hände des Lehrers: der Lehrer wird auch, zumal wenn ihm eine gröfsere Bibliothek nicht zur Verfügung steht, in H.'s Quellen-Lesebuche mancherlei Anregung finden und das Buch selbst gern zur Hand nehmen. Auch die Hoffnung H.'s, es möchten die Quellenstücke den Ausgangspunkt des Geschichtsunterrichts in der Lehrstunde selbst bilden oder auch viele Stücke nach dem Unterrichte der Privatlektüre überlassen bleiben, wird sich nicht verwirklichen. Zur Privatlektüre zumal dürften den Schülern doch wohl in erster Linie Werke wie Freytags Bilder aus der deutschen Vergangenheit empfohlen und zugänglich gemacht werden. Die aufsere Ausstattung des Buches verdient alle Anerkennung: der Druck empfiehlt sich durch Klarheit und Korrektheit. Neuhaldensleben. Th. Sorgenfrey.

Otto Dingeldein, 300 kleine Aufsätze erzählenden Inhalts für die Unterklassen höherer Lehranstalten, für Bürger-, Mittel- und Volksschulen. Giefsen 1895, Verlag von Emil Roth. VIII u. 132 S. 8. 1,60 M.

In dem Buche werden 300 Aufsätze erzählenden Inhalts in 9 Abschnitten, nicht nach der Schwierigkeit, sondern nach dem Inhalt geordnet, gegeben; und zwar sind zwei Drittel derselben der alten, der deutschen und aufserdeutschen Sage und Geschichte, vorwiegend aber der neueren deutschen entnommen. Z. B. behandeln die beiden letzten Aufsätze des 4. Abschnittes:,,Die Fahne der Einundsechziger; Wilhelm II. und der Postillon", welcher in der Frühe des 27. Januar 1889 vor dem kaiserlichen Palais in Berlin das wohlbekannte Lied: Schier dreifsig Jahre bist du alt" dem Kaiser als Geburtstagsmorgengrufs blies. Auch in den Erzählungen vermischten Inhalts, den Sagen, Legenden, Parabeln, Anekdoten und Tiergeschichten tritt uns vielfach deutsches Leben der Vergangenheit in Scherz und Ernst im einfachen, anheimelnden. Gewande entgegen. Es begegnen da Schwänke von Till Eulenspiegel, Sagen vom Mummelsee, von Stavoren, die Geschichte von dem braven Mütterchen in Schleswig, und unter den Tiergeschichten die von dem boshaften Schneider und dem Elefanten, Rachgier des Kamels und Mutterliebe einer Störchin. Natürlich kann im Stoff immer nur eine Auswahl geboten werden, und so erklärt es sich auch, dafs weder die Barbarossa- noch die Tell-Sage behandelt ist, ebenso wenig wie die netten Geschichten von dem neckischen Berggeist Rübezahl. Im ganzen aber kann man die Auswahl als eine gelungene bezeichnen; dasselbe gilt von der Darstellung und der Länge von Aufsätzen, die für Kinder von etwa 10-14 Jahren bestimmt sind; denn es stehen im Durchschnitt 2-3 auf einer Seite, was schon die Vergleichung der Seitenzahl des Buches mit der Zahl der Aufsätze beweist. Geschichte vom Kaiser Rudolf und dem Bettler (S. 45) erzählt übrigens Hebel in seinem Schatzkästlein in etwas anderer Fassung unter der Aufschrift: „Der kluge Sultan"; die von dem alten Wrangel und den Schulknaben (S. 77) ist durch das Fröhlichsche Gedicht:,,Fridricus Rex, der grofse Held" aus dem Leben Friedrichs des Grofsen bekannt. Nur ganz vereinzelt kommen stilistische Härten vor, wie S. 1:,,Lange sann Dädalus nach einem Mittel", oder S. 122:,,Ein Engländer und ein Franzose, von denen jeder fest überzeugt war von der Vortrefflichkeit seiner Nation, stritten sich einst". Ein Versehen ist es wohl blofs, wenn dem Friesenfürsten Radbod, der die Taufe empfangen wollte, die Frage in den Mund gelegt wird (S. 31): ,,Was hat es aus meinen Vorfahren nach ihrem Tode gegeben?" S. 35 ist irrtümlich Quedlinburg für Frankfurt a. M. gesetzt, S. 58 Friedrich I. für Friedrich II., S. 59 und 60 Kollin für Kolin, S. 72 das Jahr 1807 für 1806. giebt wohl pommersche, aber nicht ,,pommerische Regimenter" (S. 78), und der pommersche Bauer Müsebeck war aus Koserow

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(S. 85). Wenn den Satzzeichen, der Schreibung des Ä, Ö, Ü und der Verwendung des Apostrophs eine etwas liebevollere Aufmerksamkeit zugewendet worden wäre, so hätte das nur nützen können.

Eine besondere Frage ist die nach der Brauchbarkeit des Buches im Unterricht der Unterklassen höherer Lehranstalten, die hier allein in Betracht kommen. In VI und V der preufsischen höheren Lehranstalten liefern die mit dem Deutschen verbundenen Geschichtserzählungen einen passenden Stoff zum mündlichen bezw. schriftlichen Nacherzählen, wie es in den Erläuterungen zu den Lehrplänen von 1892 mit Recht heifst; aufserdem aber könnte man hinzufügen auch die Erzählungen in lateinischer Sprache, welche die lateinischen Übungsbücher für diese Klassen bieten: ein Verfahren, welches in wünschenswerter Weise den lateinischen Unterricht auch für den deutschen fruchtbar macht. Doch wird ausnahmsweise die eine und die andere kleine Geschichte sich im Unterricht auch dieser Klassen verwenden lassen, ebenso aushilfsweise in IIIb, für IV dagegen möchte Ref. das Buch ein willkommenes Hilfsmittel nennen. Durch demselben entnommene Aufsätze würde sich z. B. der Unterricht in Geschichte und Erdkunde ergänzen und beleben lassen, obwohl auch in dieser Klasse das lateinische Lesebuch passenden Stoff bietet, und obwohl auch hier, wie in VI und V, die Lokal- und Provinzialsage und Geschichte in Wettbewerb treten werden.

Stargard in Pommern.

R. Brendel.

0. Lyon, Bismarcks Reden und Briefe nebst einer Darstellung des Lebens und der Sprache Bismarcks. Leipzig 1895, B. G. Teubner. VI u. 243. 8. 2 M.

Ein begeisterter Verehrer Bismarcks giebt in diesem Buche eine Auswahl von Reden und Briefen des Altreichskanzlers, die aus dem Hintergrunde, den ein Lebensabrifs bietet, ein plastisches Bild des grofsen Mannes als Staatsmann und Mensch hervortreten lassen. Auf 55 Seiten zusammengedrängt, aus den Quellen geschöpft, ist das Leben Bismarcks mit Wärme geschrieben, reich an charakteristischen Zügen; ein fesselnder Brief Motleys ist wirkungsvoll verwandt, um den Leser den unmittelbaren Eindruck der gewaltigen Persönlichkeit empfinden zu lassen. Ein besonderer Abschnitt über die Sprache Bismarcks (S. 56-76) leitet zu dem eigentlichen Kern des Buches hin. Zehn Reden sind aus der Fülle, die sich bot, ausgewählt worden (S. 77-203); im Jahre 1849 mit einer Kritik der Frankfurter Verfassung beginnend, führen sie uns durch einige Hauptphasen unserer neuesten Geschichte hindurch Über die Grundlagen der Bundesverfassung 1867, die politische Lage vor dem deutsch-französischen Kriege 1870, die Vereinigung von Elsafs-Lothringen mit dem deutschen Reich 1871, die Lage im Orient 1878, Über die politische Gesamtlage Europas, die berühmte grofse Rede vom 6. Februar 1888 oder sie zeigen Bismarcks Urteil über politische Kernfragen unserer Zeit, z. B.

Über die nationalen Bestrebungen der Polen 1867, Über die deutsche Kolonialpolitik 1885. Von den Briefen (S. 204-243) sind die meisten Familienbriefe: es ist eine Auslese aus den reizenden Briefen an seine Schwester und an seine Gemahlin; nur drei sind politischen Inhalts: darunter ist der amtliche Bericht an den König über die Kapitulationsverhandlungen von Sedan.

Wer einen knappen Überblick über Bismarcks Leben wünscht und in kurzer Zeit aus den Quellen seines Geistes einen Hauch verspüren will, dem sei Lyons Büchlein empfohlen; ob es je ein Schulbuch wird, ist mir sehr zweifelhaft. Der Verfasser hat zwar, wie der Titel sagt, für Schule und Haus geschrieben, allein die Einleitung zeigt, dafs er doch vorzugsweise an die Schule gedacht hat: er wünscht Bismarcks Reden und Briefe dauernd in den eisernen Bestand der Schullektüre aufgenommen zu sehen, um dadurch gesunde ästhetische und sprachliche Bildung zu erzielen; nicht nur der deutsche Unterricht soll dadurch gewaltige Förderung und ungeahnte Belebung erfahren, sondern auch der Geschichtsunterricht. Allerdings fordern die neuen preufsischen Lehrpläne von 1892 bei der deutschen Litteratur in Prima ein Herabgehen über die Goethische Zeit, jedoch nur in Lebensbildern bedeutenderer neuerer Dichter, Lebensbilder, denen Proben aus dem Lesebuche Halt und Inhalt geben müssen. Über die Dichter darf die litterargeschichtliche Behandlung schon um der geringen Zeit willen, die für diese neueste Litteratur erübrigt werden kann, nicht hinausgehen. Aus dem Lesebuch wird der Primaner auch solche moderne Prosa kennen lernen, die nicht vom litterargeschichtlichen Standpunkt aus behandelt wird, sondern ihres klassischen Stils wegen sein Vorbild sein soll. Hier im Lesebuch haben Reden oder Briefe Bismarcks ihren Platz, aber als Schulbuch wird Lyons Sammlung kaum auf Einführung hoffen können. Auch die Geschichtslehrer, die Gegner von Quellenlektüre sind und wer ist es nicht?—, werden sich ablehnend verhalten; denn wie soll bei unsern drei wöchentlichen Geschichtsstunden in der Prima, während deren die ganze Geschichte vom Untergang des weströmischen Reiches bis zur Gegenwart durchgenommen werden mufs, auch nur Zeit zum Quellenstudium bleiben? Dagegen möchte ich Lyons Buch in recht vielen Schülerbibliotheken sehen, damit der Geschichtslehrer möglichst viele Primaner zur Lektüre dieser schönen Auswahl Bismarckscher Reden und Briefe als Ergänzung der Geschichtsstunde anregen könne.

Bei einer zweiten Auflage wäre an einigen Stellen ein erläuternder Zusatz erwünscht: z. B. S. 5 Seccatura, S. 45 Boswell, S. 64 Dutken Sommer, S. 171 supodnii Gubernii (Ist das Übersetzung von: in den westlichen Provinzen?), S. 181 ist colonial in der Übersetzung unten ausgelassen; wenn der Satz ins Deutsche übersetzt wird, so wäre auch die Übersetzung der Überschrift Gin-Sling angemessen gewesen; S. 213: Schlippenbach.

Köln a. Rh.

J. F. Marcks.

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