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der oberen Stufe behandeln. Er darf auf guten Erfolg rechnen, falls er erst nach mehrjähriger Erfahrung im Unterrichte der oberen Klassen ans Werk geht. Auch für die Oberstufe empfiehlt sich in erster Reihe die induktive (dialektisch-heuristische) Methode, nicht die deduktive (S. 5). Die Disposition zu Nr. 45: der Mensch hat zu kämpfen 1. mit sich selbst, 2. mit seinen Mitmenschen, 3. mit der Natur ergiebt nur in umgekehrter Reihenfolge sachgemäfse Steigerung. Ebenso sehe ich in der Einteilung zu Nr. 46, II 2: die menschliche Seele ist a) unsterblich, b) mit freiem Willen ausgerüstet, c) mit Vernunft und Verstand begabt

nicht organischen Aufbau, sondern nur mehr ein mechanisches Nebeneinander. Dialektischer Fortschritt, Handlung, kommt hinein, wenn man disponiert: Der Mensch besitzt nicht blofs höheren Verstand als die Tiere (Übergang von 1 zu 2), sondern auch a) Vernunft und vermöge derselben auch b) freien Willen, c) den Glauben an Gott und die Unsterblichkeit. Was hier die Vernunft,,mit ihren Postulaten erfliegt" (Schiller), das erhebt die göttliche Offenbarung zur unmittelbaren Gewifsheit. Selbst wenn man engere Anlehnung an unsere idealistische Philosophie verschmähen zu dürfen glaubt, so sind doch jedenfalls die Begriffe Verstand und Vernunft streng zu sondern, trennt sie doch selbst der Darwinismus, wenngleich er die menschliche Vernunft nur dem Grade, nicht der Art nach vom tierischen Verstande verschieden sein läfst. Nebenbei dürfte aus einer derartigen Behandlung des Themas zu erkennen sein, dafs der deutsche Aufsatz der Oberstufe keineswegs blofs formale Ziele, wie Schmaus S. 2 meint, sondern auch gewichtige materiale Interessen (durch Reproduktion gewonnene Aneignung philosophischer Grundanschauungen) zu verfolgen imstande ist.

Kleine Unebenheiten sind wohl: es hat Reiz auf jemand (für) S. 12, die Noten S. 14, zu obliegen S. 22.

Dortmund.

Paul Geyer.

Band I.

Michael Bernays, Zur neueren Litteraturgeschichte. Stuttgart 1895, G. J. Göschensche Verlagshandlung. 454 S. 8. 9 M, geb. 10,20 M.

Michael Bernays bietet hier den ersten Teil seiner auf vier Bände berechneten Sammlung von Schriften zur Kritik und Litteraturgeschichte"; er ist dem Genius Goethes und Schillers gewidmet. Unter dem Titel,,Bemerkungen zu einigen jüngst bekannt gemachten Briefen an Goethe" behandelt Verf. 1.,,die erste Aufführung des Mahomet" und 2.,,Beziehungen Goethes zu Walter Scott", weiter,,der französische und der deutsche Mahomet“. Nebst diesen in der glücklichen Mufse der jüngsten Jahre begonnenen und ausgeführten Abhandlungen erscheinen zwei Aufsätze älteren Ursprungs betreffend den Briefwechsel zwischen

Schiller und Goethe in der Ausgabe von 1881" und ,,die Urschriften der Briefe Schillers an Dalberg".

Das Vorwort richtet Verf. an Erich Schmidt in Berlin; ihm widmet er das Ganze als Freundesgabe; seiner wiederholten und nachdrücklichen Mahnung folgend, habe er sich zur Sammlung der kleineren und umfangreicheren Schriften, in denen er von Zeit zu Zeit einzelne Ergebnisse litterarischer Studien vorgelegt, entschlossen; umfassendere Mitteilungen aus dem Vorrate älterer Arbeiten werden den folgenden Bänden vorbehalten sein. Aus den Aufsätzen dieses Bandes wie der folgenden werde der Weg ersichtlich sein, den er sich vorgezeichnet, das fortdauernde Wechselverhältnis des Gebens und Empfangens zwischen der deutschen Litteratur und der Litteratur des Auslandes nachzuweisen; zu dem veredelnden, seelenerregenden Genusse, den unsere Dichter gewähren, bedürfe es zwar keiner Ausblicke in fremde Kunstgebiete, aber unsere Litteratur in ihrer weltgeschichtlichen Bedeutung zu erfassen, den Gang ihrer Ausbildung mit eindringendem Verständnisse zu überblicken, sie als eine der grofsartigsten Erscheinungen im Geistesleben der Völker anschauend zu erkennen

das bleibe eine wissenschaftliche Aufgabe höchster Art.

Diese Aufgabe hat sich der Verf. gestellt, und dafs es ihm gelungen, dieselbe zu erfüllen, wird jedem der gewaltige Eindruck bezeugen, den er beim Lesen in wachsendem Mafse empfinden wird. Die Arbeiten zeugen von staunenerregendem Wissen; von scheinbar kleinen und unbedeutenden Fragen anfangend, bei oft ganz minutiösen Untersuchungen eröffnet Verf. einen weiten Blick in die grofse, volle Menschenwelt; von der Werkstätte unserer Dichter ausgehend, führt er uns in den gewaltigen Verkehr der Nationen, wie sie einander befruchtend gefördert, wie das Hüben und Drüben in einer wunderbaren Verbindung gestanden und aus dem Wetteifer der Edelen Schönes hervorgegangen. Mit Entzücken folgen wir den scheinbar oft weit abführenden Irrgängen des Verf.s, um dann wieder plötzlich mitten im Leben und Treiben unseres Volkes und seiner grofsen Männer zu stehen: so weckt Bernays Begeisterung für unsere Dichter, so Liebe zum Vaterlande, so nährt er das Selbstgefühl, an dem wir Deutschen es oft haben fehlen lassen. Der Deutsche braucht jetzt nicht mehr zu besorgen, dafs er geblendet von dem Glanze der Schätze, deren die anderen Völker sich rühmen, den Wert der eigenen Besitztümer geringer anschlage oder sie gar verachte. Hat er in vorurteilsfreier Bewunderung Herz und Geist an den Herrlichkeiten des Auslandes geweidet, so mag er froher wieder zu seinem schöneren Eigentum zurückkehren.

Die Darstellung ist schön, die Sprache vornehm, dem edelen Stoffe entsprechend. Alles vereinigt sich, um dem Leser einen geistigen Genufs zu gewähren, aus dem der Kopf Klarheit, das Herz Reinigung, das Gemüt Erhebung schöpft.

Die erste Abhandlung geht von der Bestimmung der Daten aus, an denen Goethes Mahomet zuerst aufgeführt und im Druck erschienen, und wendet sich dann der Frage zu, warum damals die Wiener Zensur die Aufführung verboten. Schon im Jahre 1799 hatte Goethe einige Szenen in den Propyläen mit Randbemerkungen über sein Unternehmen veröffentlicht, Abzüge derselben kamen an die Theaterdirektion in Wien mit der Anfrage, ob man dort eine vollständige Abschrift verlange. Als danach die ganze Übersetzung erschien, verbot die Wiener Zensur die öffentliche Darstellung. Man glaubte eine bedenkliche Ähnlichkeit zwischen Mahomet und Napoleon herauszufinden; politische Rücksichten drängten zum Verbote der Übersetzung der Dichtung, die in Frankreich seit 1751 von der Bühne festen Besitz genommen. Auch in jüngster Zeit haben Franzosen aus den Prunk- und Lügenreden des tragischen Mahomet den Ton Napoleonischer Proklamationen und Manifeste heraushōren wollen. Bernays schliefst die scharfsinnige Abhandlung mit dem ironischen Bemerken, dafs die Wiener Zensur nicht nur wie immer Vorsicht und Strenge, sondern auch einen Spürsinn, einen Scharfblick bewährte, den man ihr sonst nicht immer zuzutrauen pflegte.

Der zweite Aufsatz behandelt die Beziehungen Walter Scotts zu Goethe. Das Verhältnis beider entsprang nicht aus der Verwandtschaft der Geister, es ergab sich aus der Förderung, die der jüngere von dem älteren empfing. Was der junge Goethe geschaffen, hatte etwa zwanzig Jahre später den jugendlichen Scott berührt wie mit einem kräftigenden Anhauch, unter dem sein eigener Dichtersinn zu lebhafterer Beweglichkeit erwachte und zu unaufhaltsamer Thätigkeit erstarkte. Scotts Jugend war zugleich die Werdezeit der neueren englischen Dichtung, die wie durch inneren Trieb gedrängt eine Annäherung an die deutsche suchte, dann wieder eigenwillig ihr auszuweichen schien, bis endlich doch zwischen dem Dichten und Denken der beiden urverwandten Volksgeister das unvermeidliche Bündnis sich vollzog. In diese Bewegung versetzt uns der Verf.; von ihr eingehender zu berichten, geht über die Grenzen dieser Anzeige; aber das soll gesagt sein, dafs Verf., indem er vor uns die Beziehungen Scotts zu Goethe, besonders in seiner Anteilnahme an Scotts Geschichte von Napoleon, entfaltet, uns mit dem gröfsten Interesse für den englischen Dichter erfüllt, uns in sein äufseres und inneres Leben tief hineinblicken läfst; seine Dichtungen gehen an unserem Auge vorüber, und wer sich je an ihnen erfreut hat, wird, was er empfunden, hier ausgesprochen lesen. Zu einer persönlichen Bekanntschaft zwischen Scott und Goethe ist es nicht gekommen. Als Scott in Italien vergebens Heilung von einem drückenden Leiden gesucht, aber nicht gefunden hatte, trat ihm das Geistesbild Goethes vor die Seele, seine Heimreise sollte ihn über Weimar führen; er wollte sich erfrischen und erholen an dem Anblick Goethes. Da

traf ihn die Trauerkunde von Goethes Tode. Wenn er in der Folgezeit über Goethes Tod klagte, pflegte er mit einem Rückblick auf sich selbst hinzuzufügen: Aber wenigstens starb er zu Hause. Zu einer Erfassung des Goetheschen Genius ist es seitens Scotts nicht gekommen. Zur Zeit, da Goethe und Scott aus dem Leben schieden, besafs England nur einen Mann, der zur vollen Erkenntnis Goethes vorgedrungen. Es war Thomas Carlyle. Ihm sind die letzten Worte der Abhandlung gewidmet.

Die dritte Abhandlung. „der französische und der deutsche Mahomet", geht von einer Äufserung Schopenhauers aus, in der er den Schlufs des Voltaireschen Mahomet, die Worte der sterbenden Palmira, welche sie dem Mahomet zuruft: ,,Die Welt ist für Tyrannen: Lebe du!", zum Zeugen für seine Theorie der Tragödie und seine Weltanschauung anführt. Die Untersuchung, ob Schopenhauer berechtigt war, Voltaire seine Weltanschauung zuzuschreiben, führt zu einer Charakteristik Voltaires mit steter Beziehung zu Schopenhauers Philosophie; das Ergebnis ist, dafs Voltaire jene Worte nicht im Sinne Schopenhauers geschrieben haben kann; es sind überhaupt nicht Worte des französischen Dichters, sondern Worte der Goetheschen Übersetzung, die sich durchaus nicht mit dem Originale decken. Aber dieser einzige Vers schon giebt eine anschauliche Lehre, wie Goethe da, wo er selbständig in seiner Übersetzung eingreift, das Voltairesche Wort umdichtet oder es vielmehr in höhere Regionen hinaufdichtet. Indem nun der Verf. Goethes Übersetzung einer eingehenden Vergleichung mit dem Originale unterzieht, führt er uns in gleicher Weise in die Geistesarbeit des französischen Dichters wie in die Werkstätte des Goetheschen Genius. An die subtilsten philologischen Untersuchungen schliefsen sich die grofsartigsten Perspektiven in das Leben und Treiben der französischen Dichter, er entrollt vor uns das Bild der Litteratur, welche der grofsen Revolution voranging, sie zum Teil unbewufst förderte, und leitet uns dann wieder in unsere klassische Litteratur zurück und lehrt uns durch seine ebenso tiefen wie begeisternden Betrachtungen unseren grofsen Dichtern Huldigung und Dank darbringen.,,Immer mehr sollte in selb ständig denkenden Deutschen die Erkenntnis reifen und erstarken, dafs der Revolutionsgeist, dessen Entfesselung ein Voltaire vorbereitete, seinen mächtigsten und hoffentlich einst siegreichen Gegner in dem Geiste findet, der sich in unserer grofsen Litteratur einen unvergänglichen Körper geschaffen hat. Kant, Schiller und Goethe sind uns Bürgen dafür, dafs dieser Geist ein Geist wahrhaftiger Freiheit ist".

Die Abhandlung ,,der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in der Ausgabe von 1881" ist wie die andere,,,die Urschriften der Briefe Schillers an Dalberg", älteren Ursprungs. Die eine soll nach des Verf.s eigenen Worten uns vergegenwärtigen, wie der Text des Briefwechsels zwischen Schiller und Goethe all

mählich gereinigt und vervollständigt worden; die andere begründet die Notwendigkeit einer Gesamtausgabe der Schillerschen Briefe, einer solchen, wie sie uns Fritz Jonas nun in musterhafter Bearbeitung darbietet; sie ist würdig, sich den Werken Schillers anzuschliefsen, in ihr besitzen wir sein Selbstbekenntnis. Ausstattung, Druck, Papier sind vorzüglich. Stettin.

Anton Jonas.

1) Th. Flathe, Deutsche Reden. Denkmäler zur vaterländischen Geschichte des 19. Jahrhunderts. 2 Bände. Leipzig 1893/94, F. W. von Biedermann. XXXV u. 638 u. 675 S. 8. 10 M, geb. 11,25 M. Es war ein glücklicher Gedanke des Herausgebers, in vorliegendem Sammelwerk einerseits Meisterwerke deutscher Beredsamkeit zu bieten, zugleich aber auch dadurch, dafs alle in demselben aufgeführten Reden zu der nationalen Entwicklung des deutschen Volkes in irgend welcher Beziehung stehen, die Wandlungen der Anschauungen über unsere nationalen Verhältnisse und damit auch die Kämpfe unserer Väter um die Güter des öffentlichen Lebens, deren sich die Gegenwart erfreut, in ihren bedeutendsten Phasen zur Anschauung zu bringen. Die Sammlung wird eingeleitet durch Giesebrechts Rede über die Entwicklung des deutschen Volksbewusstseins (gehalten 21. März 1861). Daran schliefsen sich 108 Reden, mit Ausnahme von 3, in chronologischer Reihenfolge, beginnend mit Fichtes 14. Rede an die deutsche Nation (1808) und schliefsend mit Rogges Festrede bei der Grundsteinlegung der Gedächtniskirche der Protestation in Speier (24. August 1893). Die Auswahl zeugt von Takt und Sachkenntnis; akademische Reden wechseln mit politischen; unter den letzteren, die selbstverständlich bei weitem die Mehrzahl bilden, finden wir die bedeutendsten Redner aller Parteien vertreten. Kurze Vorbemerkungen zeichnen, wenn nötig, die Situation, und knappe Anmerkungen erläutern sachliche Schwierigkeiten. Jedem Lehrer der neueren Geschichte, aber auch jedem Deutschlehrer wird die Sammlung sehr willkommen sein. 2) W. H. Riehl, Land und Leute. Schulausgabe von Th. Matthias. Stuttgart 1895, J. G. Cotta. 176 S. kl. 8. geb. 1,20 M.

Durch dieses Bändchen ist der Kreis der für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der höheren Lehranstalten bestimmten Prosaschriften um ein sehr brauchbares Buch erweitert worden. Riehls Naturgeschichte des Volkes gilt seit ihrem Erscheinen in den fünfziger Jahren als ein klassisches Werk wegen des gediegenen Inhalts wie wegen der meisterhaften Form der Darstellung. Die vorliegende Auswahl aus dem 1. Bande (Land und Leute) enthält folgende vollständige Abschnitte: I. Feld und Wald. II. Wege und Stege. III. Stadt und Land: 1) Gruppen der Gemeindebildung. Die Grofsstädte, 2) die politische und die soziale Gemeinde. IV. Die Dreiteilung in der Volkskunde Deutschlands:

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