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vermittelnd, nie das des Verfassers ihm aufdrängend. So haben wir es mit einem nach Form und Inhalt wahrhaft klassischen Werk zu thun, das verlässlich ist in allen seinen Angaben und dabei ebenso genufsvoll wie anregend sich liest.

Dem Lehrer der Erdkunde kommt dasselbe nicht weniger zu statten als dem der Mineralogie und Geologie. Der ganze erste Band ist Fragen der allgemeinen physischen Erdkunde gewidmet (hier hat naturgemäfs das Kapitel über Gebirgsbildung in der Neuauflage die wichtigsten Veränderungen erfahren); der zweite Band läfst der umfassenden Geschichte der Erde in den einzelnen geologischen Perioden wieder einen vorwiegend geographischen Teil folgen, der auf nicht voll 70 Seiten eine sehr gute geologische Charakteristik der Hauptgebirge der jetzigen Erdausgestaltung darbietet. Der von Prof. Uhlig neu hinzugefügte Schlufsteil über die nutzbaren Minerale (Salze, Kohlen, Edelsteine, metallische Minerale und zu technischen Zwecken verwendete) giebt namentlich dem Mineralogen willkommenen Unterrichtsstoff an die Hand. Doch auch für Schüler oberer Klassen eignet sich das Werk recht wohl zur Lektüre.

Irrtümlichkeiten wird einer so reif durchdachten, so sorgfältig und sachkundig ausgeführten Leistung trotz ihrer Umfanglichkeit selbst ein Fachgeolog kaum nachweisen können. Auch in Namenformen spürt man gewissenhafte Genauigkeit (nur der grofse Schöpfer der ,,Physikalischen und chemischen Geologie" ist statt Gustav Bischof irrig stets Bischoff geschrieben). Auf der nach Wallace gezeichneten Karte der tiergeographischen Reiche ist die schlechte Terminologie des englischen Forschers verbessert: es heifst nicht ,,paläarktisch", sondern ,,altweltlich nordisch", nicht,,nearktisch", sondern ,,nordamerikanisch" (,,arktisch" ist ja doch allein für nord polar berechtigt); warum dann aber nicht auch,,indisch" für Wallaces mifsverständliches ,,orientalisch"? Ob an Stelle des einmal eingebürgerten Terminus Diluvium besser ,,Pleistocän" einzuführen sei, dünkt doch fraglich; gar kein Grund vollends liegt dafür vor, das Quartäralter der Erde auf das Diluvium einzuschränken und die mit letzterem aufs innigste verbundene ,,Jetztzeit als selbständige Formationsepoche von ihm abzuschneiden. Das ist doch so logisch, als wollte man die Oberprima nicht zur Prima rechnen.

Halle a. S.

A. Kirchhoff.

1) Gustav Holzmüller, Methodisches Lehrbuch der Elementarmathematik. Dritter Teil. Mit 160 Figuren im Text. Leipzig 1895, B. G. Teubner. 224 S. 8. 2,80 M.

Schon auf dem Titelblatt bezeichnet sich der vorliegende dritte Teil der Holzmüllerschen Elementarmathematik als ein Buch, welches Lehr- und Übungsstoff zur Auswahl für die Prima realistischer Vollanstalten und höherer Fachschulen nebst Vorbereitungen

auf die Hochschulmathematik enthält. In dem Begleitwort eine an und für sich lesenswerte Beigabe wird auf diesen Charakter des Buches nochmals verwiesen. Die Fachgenossen sollen in dem Buche pädagogisch verarbeitetes Material zur freien Verfügung und Auswahl vorfinden. Dabei stehen,,die einzelnen Kapitel fast ganz unabhängig voneinander da", so dafs ,,der Streichung dieses oder jenes Gegenstandes nichts im Wege steht". In der That ist es so, und man kann beifügen: es ist gut so; und ,.obwohl mehr gegeben wird als die Schule verarbeiten kann“ und obwohl das Buch,,mehr für den Lehrer als für den Schüler geschrieben ist", so kann es doch unbedenklich dem Schüler in die Hand gegeben, d. h. als Schulbuch eingeführt werden.

Der Berichterstatter hat schon früher (diese Ztschr. Bd. 48 S. 723) seine Zustimmung zu den Holzmüllerschen Anschauungen ausgesprochen. Meine eigenen Schulbücher bewegen sich trotz aller Verschiedenheiten im einzelnen darum auf gleichen Richtlinien, weil ich mit dem Herrn Holzmüller in der Grundansicht übereinstimme. Auch zum dritten Teil kann ich mich in der Hauptsache nur zustimmend äufsern und werde, wie früher, nur an einigen Stellen meine abweichende Ansicht aussprechen. Dabei bemerke ich im voraus, dafs mir bezüglich der Oberklassen realistischer Anstalten eigene pädagogische Erfahrungen nicht zu Gebote stehen.

Die Reichhaltigkeit des Buches ist erstaunlich. Wenn ich mich einfach darauf beschränkte aufzuzählen, wieviel interessante, besonders auch praktisch wichtige Aufgaben auf diesen 214 Seiten gelöst werden, — ich würde dem Buche eine warme Empfehlung damit ausstellen. Die Geometrie (bis S. 46) z. B. bietet viel mehr als das Inhaltsverzeichnis vermuten läfst. Konstruktionen mit alleiniger Hülfe des Lineals, Folgerungen für Centralperspektive, Doppelverhältnis u. s. w. werden ebenso anregend wie gründlich behandelt; überdies wird der ausgiebige Nachweis erbracht, dafs die Konstruktionen von Pascal und Brianchon eine neue (projektivische) Erklärung von selbst zuwege bringen. Gewifs wird ein in solcher Weise erteilter Unterricht die schönsten Früchte bringen, und man kann es dem Verfasser nachempfinden, was er im Begleitwort S. 6 im Anschlufs an die kinetische Parabelerklärung in etwas kühnem Gedankenfluge aufsert. Nach einigen Übungen aus der analytischen Geometrie, welche die allgemeine Gleichung zweiten Grades wohl etwas zu kurz beiseite schiebt, aber in andern Aufgaben, wie im Ovalwerk des Leonardo da Vinci und bei der Bestimmung der Centrifugalkraft einer elliptischen Bewegung, die gesunde Richtung zum Praktischen bethätigt, gelangen wir zur Stereometrie. Die durchsichtige Methode des Verfassers bewährt sich glänzend bei den Kreisscharen des dreiachsigen Ellipsoids u. s. w., ebenso bei manchen Körperberechnungen. Der Praktiker wird die Behandlung der Gewölbeformen und die KonZeitschr. f. d. Gymnasialwesen L. 6.

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struktionen der orthographischen Axonometrie willkommen heifsen. Aber nicht würde ich die Kühnheit des Verf.s S. 52 nachzuahmen wagen. Dort errichtet er ,,an jeder Stelle der Fläche ein Lot z, wo z die Entfernung von der Achse bedeutet"; auf der folgenden Seite steht gar ,,über jedem Flächenteilchen f eine Säule g2, wo g der Abstand vom Pol ist". Ich meine, wenn ein Schüler in der Handhabung des Begriffes der Dimension und der Infinitesimalteilung so gefestigt ist, dafs er ohne Begriffs verwirrung die durch Anführungsstriche hervorgehobenen Worte unmittelbar neben einander lesen darf, dann ist es nicht mehr gerechtfertigt, ihn ohne Kenntnis der Elemente der Integralrechnung zu lassen; dann kann der Schüler auch schon eher als auf der Hochschule sehen, dafs es mit ein wenig Integralrechnung viel leichter geht.

Im übrigen handelt es sich um Dinge, in deren Behandlung weder Theorie noch Lehrerfahrung ihr letztes Wort gesprochen haben. Wenn ich daher z. B. die Behandlung der Maximalaufgaben ein wenig eingehender, die Behandlung der Reihen etwas weniger umständlich gestalten würde, so bin ich weit entfernt, damit einen Tadel auszusprechen. Schon jetzt fürchte ich in der Darlegung meiner abweichenden Ansichten zu ausführlich gegenüber dem befriedigenden Eindrucke gewesen zu sein, mit welchem ich das Buch vor Niederschrift dieser Zeilen aus der Hand legte. Es bleibt mir daher zum Schlusse die angenehme Pflicht, das Werkchen allen Fachgenossen auf das wärmste zu empfehlen.

2) Paul Wiecke, Lehrproben. Geometrische und algebraische Betrachtungen über Maxima und Minima. Zum Gebrauch in den oberen Klassen höherer Lehranstalten, sowie zum Selbstunterricht, als Vorbereitung für den Besuch deutscher Hochschulen. Berlin 1894, Georg Reimer. XVIII u. 180 S. 8. 5 M.

Kein Zweifel, wir stehen im Zeichen fortschreitender Lehrkunst. Auch das vorliegende Buch erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Leistung, im Gegenteil der Gedanke allein hat den Verfasser geleitet, pädagogisch thätig zu sein. Der Inhalt des Buches ist sehr reichhaltig, und es zeigt sich der glückliche pädagogische Takt des Verfassers insbesondere auch darin, dafs er seine Erörterungen stets an ganz bestimmte Aufgaben anknüpft und das Einherschreiten auf dem hohen Kothurn der Systematik durchaus vermeidet. Geometrisch hat besonders der Symmetriegedanke mit Geschick Verwertung gefunden. Bei den rechnerischen Auflösungen spielt die bekannte Methode eine Hauptrolle, welche in dem Quotienten

f(x) — f (y)

x-y

xy setzt. Dabei werden aber die verschiedenartigsten wissenschaftlichen Fragen angeregt. Wenn ein abgehender Schüler mit dem Inhalte dieses Buches vertraut ist, dann wird er an der Hochschule in dem Krümmungskreise, dem Krümmungsmaßse, im

Differentialquotienten, ja in der Wendetangente und Spitze Begriffe erkennen, die ihm bereits geläufig geworden sind. Ob aber das Eindringen gerade auf diesem Wege besonders leicht ist? Ob der Verfasser nicht oft besser gethan hätte, gewisse Zweifel und deren Lösungen nur frageweise anzudeuten, statt dieselben in weitausholender Darstellung zu erledigen? Ich meine, hier hat ein gedrucktes Buch auch Rücksichten auf Knappheit und Übersichtlichkeit zu nehmen, und ich kann nur für den mündlichen Vortrag, nicht aber für eine Schrift dem hübschen Bilde in der Vorrede zustimmen, dafs die Jugend das Gefühl der Abspannung nicht kennt, ,,wenn es über Gräben geht, wenn sie sich Bahn durch Nesseln und Dornen, allenfalls mit dem Stock, brechen mufs, wenn der Weg bald vorwärts, bald scheinbar rückwärts geht. Hiermit soll gewifs nicht gesagt werden, dafs unser Buch den Leser durchweg solche Pfade zurückzulegen zwinge. Im einzelnen sei noch bemerkt, dafs die ermüdende Breite mir in der Schlufsbetrachtung S. 53 bis 62 besonders aufgefallen ist. Die Behauptungen S. 80:,,Unmöglich sind alle Gröfsen, deren Mafszahlen imaginäre Werte haben. Sie entstehen auf mancherlei Weise, namentlich dann, wenn eine Wurzel geraden Grades aus einer negativen Zahl gebildet werden soll" und S. 140,,es ist ein direktes Verfahren noch nicht gefunden, nach welchem ein allseitig gerades Parallelepipedon in einen Würfel verwandelt werden könnte" diese Behauptungen werden kaum allgemeine Zustimmung finden und hätten sich leicht durch bestimmtere und wissenschaftlich haltbare ersetzen lassen.

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Im übrigen sei das Buch bestens empfohlen. Druck, Papier und Figurenzeichnung sind nicht blofs löblich, sondern, namentlich die beigegebenen Tafeln, von besonderer Vollendung.

Düren.

K. Schwering.

DRITTE ABTEILUNG.

BERICHTE ÜBER VERSAMMLUNGEN, NEKROLOGE,
MISCELLEN.

Die 43. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Köln vom 24. bis 28. September 1895.

10. Pädagogik.

Prof. Dr. Hensell (Darmstadt) besprach einige seiner Modelle zur Veranschaulichung antiken Lebens. Er hatte schon an den vorhergehenden Tagen in der Aula des Marzellengymnasiums aufser den früher von ihm veröffentlichten Modellen (römisches Haus, römische Katapulte, aufrechter Webstuhl, Spinoapparat, homerische Thür, Diptychon mit Stilus und Buchrolle) seine neuen Modelle (homerischer Streitwagen und sieben Belagerungsmaschinen) ausgestellt und die Aufmerksamkeit der Schulmänner auf sie hingelenkt. Nach einigen einleitenden Worten über den Wert des Modells für den Schüler und Lebrer erklärte er au zwei von ihm verfertigten Modellen die bisherigen Versuche von Buchholz und Fink, den homerischen Thürverschlufs zu rekonstruieren, und wies deren Unwahrscheinlichkeit aus Od. 21, 6 u. 41 ff. nach, um sodann die von ihm auf Grund der Autenriethschen Aunahme vorgenommene äufserst einfache Rekonstruktion näher zu begründen. Nachdem er sodann an einem in natürlicher Gröfse hergestellten Modelle die Handhabung des Spinnrockens gezeigt und erläutert hatte, ging er näher auf sein Modell des aufrechten Webstuhls ein, das nach den Abbildungen auf der chiusinischen und Branteghemschen Vase gearbeitet ist. Er erklärte an ihm die Entstehung des Gewebes durch Anknüpfen der Kettenfäden (μíros) an den Zeugbaum und den Eintrag des Einschlagfadens (víov) mit Hilfe der nadelförmigen zɛoxís, die Bildung des natürlichen und künstlichen Faches u. s. w. und sprach die Vermutung aus, dafs die zahlreichen von Schliemann gefundenen Spinnwirtel z. T. nichts anderes als Zeddelstrecker wären. Dafs die Stellung der Frau, die lange Zeit, die Penelope zur Herstellung des Gewebes gebrauchen durfte, der Wert der Gewänder und ihre Verwendung als kostbare Geschenke sowie die Schwierigkeit ihrer Anfertigung erst durch die Anschauung eines solchen Modells in die richtige Beleuchtung gerückt wird, war eine Ansicht des Vortragenden, die wir durchaus teilen.

Am eingehendsten verbreitete sich Hensel über sein Modell des homerischen Streitwagens wohl schon deshalb, weil er an ihm eine Reihe

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