Images de page
PDF
ePub

Amerika verkauft ist, und dafs die in den Handexemplaren eingetragenen Bemerkungen nicht haben benutzt werden können. Alle Gelehrte, die bei der Herausgabe der ausgewählten Schriften Sauppes mitgewirkt haben, dürfen des Dankes der Leser gewifs sein. Zu wünschen bleibt, dafs eine Sammlung der Vorträge und Reden Sauppes veranstaltet würde; seine Vorträge über Job. Matth. Gesner (Progr. Weimar 1856), über Gesner und Heyne, über die Grimm, seine Rede auf Aug. Meineke und Imm. Bekker u. a. m. würden gewifs allgemein willkommen geheifsen. G. Lothholz.

Halle a. S.

Friedrich Leo, Plautinische Forschungen zur Kritik und Geschichte der Komödie. Berlin 1895, Weidmannsche Buchhandlung. 346 S. 8. 13 M.

Zweck dieser Zeilen ist, die Leser dieser Zeitschrift auf ein Werk hinzuweisen, dessen Bedeutung über das speziell behandelte Thema hinausgeht: sie ist eine prinzipielle und für unsere Wissenschaft methodologische.

Um zunächst das Wesentliche zu sagen: Plautus war in den letzten Jahren in Gefahr, teils zu einem Versuchsobjekt für mehr oder minder gewagte Konjekturen herabzusinken, teils einseitig verwertet zu werden für sprachliche Observationen, die ja an sich nützlich genug sind, aber doch nur zu oft über dem Detail das Ganze aus den Augen verlieren lassen. Leo hat, wie seine vortreffliche (bald vollständig vorliegende) Ausgabe des Plautus zeigt, diesen Spezialuntersuchungen die genauste Aufmerksamkeit gewidmet, aber er ist über sie hinausgegangen und hat den Dichter als solchen, seine Stücke als Erzeugnisse der Litteratur seit langem wieder zum ersten Mal zu würdigen und zu verstehen gesucht, ausgerüstet mit allen Mitteln, welche unsere Wissenschaft seit Ritschls für alle Zeit grundlegenden Forschungen auf allen Gebieten hinzugewonnen hat. Vor allem hat Leo gezeigt, dafs die Errungenschaften, die auf dem Gebiet der griechischen Philologie gemacht sind, übertragen werden müssen und können auf die lateinische Litteratur. Wir beginnen immer klarer zu sehen, dafs derjenige im Dunkeln tappt, der glaubt, irgend ein lateinisches unua lösen zu können ohne die Kenntnis analoger Verhältnisse im Griechischen: dies ist der einzige litterarhistorisch berechtigte Standpunkt, und ihn haben, freilich bis zur Einseitigkeit, vertreten unsere Vorgänger im Altertum selbst, die Philologen seit Accius und Varro. Dafs Leo diese Erkenntnis in grofsem Mafsstab angewendet hat auf die vielen und wichtigen Fragen, die sich an Plautus und seine Stücke anschliefsen, halte ich für den gröfsten Fortschritt seines Buches.

Gleich das 1. Kapitel: Geschichte der Überlieferung der plautinischen Komödien im Altertum" ist getragen von dieser An

schauung. Man kann es freilich nur verstehen, wenn man weifs, wie wir heutzutage gewohnt sind, solche Fragen zu behandeln. Wer die Geschichte des Tragikertextes von v. Wilamowitz nicht kennt, also nicht weifs, dafs wir über die zufällig uns erhaltenen Handschriften hinaus vordringen müssen in die Zeit, in der die Grundlage aller dieser Handschriften geschaffen ist: der mufs der Leoschen Darstellung ratlos gegenüberstehen und mag sich sehr verwundern, wenn er zu hören bekommt von einem Grammatiker der neronischen Zeit, der die Komödien sammelte, oder von solchen der hadrianischen Zeit, die sie edierten. Wir haben gelernt, dafs es von der gröfsten Wichtigkeit ist, in der Geschichte der Textüberlieferung die Grenze unserer Erkenntnismöglichkeit festzustellen, zu konstatieren, dafs wir im Homer nicht über den Text des Aristarch, bei den Tragikern und Aristophanes nicht über den des Aristophanes von Byzanz und des Didymos hinwegkommen können, und dafs unsere Aufgabe darin besteht, diesen Text wiederzugewinnen, während alles, was darüber hinaus liegt, problematisch bleibt, weil unsere Mittel versagen. Leo hat diese Erkenntnis auf Plautus angewandt und bewiesen, dafs unsere Überlieferung basiert ist auf der Grundlage der hadrianischen Zeit. Ich wiederhole hauptsächlich wegen ihrer methodologischen Wichtigkeit seine wesentlichsten Argumente.

Dafs der A(mbrosianus) und die P(alatini) in letzter Instanz auf eine und dieselbe Quelle zurückgehen, ist eine allgemein anerkannte Thatsache, z. B. geben beide Poen. 670 prae sibi st. praesidi, Pers. 418 servitritium st. servitutium, Pseud. 627 (res rationesque eri) Ballionis curo, argentum accepto expenso et quoi debet dato, wo expenso zu dato geschrieben war und dann in den Text drang. Wir wollen die zu präsumierende Urhandschrift X nennen. Wie war sie beschaffen? Es gilt, um das zu bestimmen, eine Geschichte der Plautusüberlieferung im Altertum, für die Ritschl in den 'Parerga' die Grundzüge gegeben hat, und an die Leo mit neuen Mitteln herangegangen ist.

Die 1. Periode ist die der Überlieferung in Bühnenexemplaren (184-c. 120 v. Chr.). Weder zu Lebzeiten des Pl. noch bald nach seinem Tode konnte ein Interesse vorhanden sein, die für die Bühne geschriebenen Stücke in Ausgaben für ein Lesepublikum zu veröffentlichen. Was auf der Bühne vor sich ging, war für den Augenblick bestimmt: mit dem 'plaudite' war Stück und Interesse des Publikums zu Ende. Welche Veränderungen in dieser Epoche die Stücke des Pl. erfahren haben, sehen wir an den unerhörten Umarbeitungen, welche durch die Forschungen seit Ritschl konstatiert sind.

2. Periode. Die Textausgaben in republikanischer Zeit. Von der Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. machte sich das Bedürfnis geltend, die Litteratur der Vergangenheit zu sammeln und zu edieren. Die grofsen Dichter, die 100 Jahre Rom eine um

fangreiche Litteratur gegeben hatten, waren tot; die Gegenwart war, wenn man von der Tragödie absieht, in der Poesie unproduktiv geworden, dafür war aber der wissenschaftliche Sinn, welcher die Achtung vor den Leistungen der Vorfahren in sich schlofs, erwacht, vor allem durch Berührung mit der griechischen Philologie, die vor 170 in Rom einzog. Wie die Alexandriner die griechische Litteratur, so sammelten jetzt die Römer die ihrige. Damals wurde also auch Plautus ediert auf Grund der Schauspielerexemplare. Es war den Editoren gar nicht mehr möglich, durch Ausscheidung des Unplautinischen die Hand des Dichters zu restituieren. Es ist ein Glück, dafs man die Unmöglichkeit einsah und es nun vorzog, lieber alles zu tradieren als bei dem Versuch, das Echte vom Falschen zu sondern, in die Irre zu gehen. Das ist überhaupt ein für unsere ganze Überlieferung der antiken Litteratur sehr folgenreicher textkritischer Grundsatz des Altertums gewesen. Die deutlichsten und sichersten Beweise ergeben sich aus der Edition postumer Schriften: man liefs sie so, wie sie waren, setzte die verschiedenen Fassungen, die der Autor mehreren Stellen gegeben hatte, nebeneinander: so hat es Cicero mit Lucrez, so Varius mit Vergil gemacht (vgl. Hermes XXVIII 402), und so machten es auch die Editoren des Plautus. Wesentliche Verderbnis wird der Text in dieser Zeit nicht erfahren haben zwar wufste man von Fehlern durch Abschriften, Varro de 1. 1. IX 106 rechnet bei einer Form mit der Möglichkeit eines librarii mendum; ferner drangen aus den Kommentaren, die man zu Pl. zu schreiben anfing, schon damals Glosseme in den Text: an drei Stellen bezeugt Verrius Flaccus varias lectiones, die sich was von eignem Interesse ist noch in unserer Überlieferung nachweisen lassen: Epid. 620, Mil. 1180, Truc. 271; vgl. Leidolph in den comm. phil. Jen. II (1883) 199 ff. Endlich werden schon damals manche veraltete Sprachformen modernisiert sein; denn im 1. Jahrh. v. Chr. verstand man schon manches nicht mehr, was noch der Gracchenzeit, geschweige denn der Generation des hannibalischen Krieges geläufig war.

[ocr errors]

3. Epoche. Die Vernachlässigung des Plautus bis in die neronische Zeit. Das augusteische Zeitalter war auch für die Litteratur eine neue Ära, man warf den alten Plunder in die Ecke und wandte sich den neuen Interessen zu: Verfeinerung des Inhalts und der Form wurde die Parole. Leo hat diese moderne Strömung sehr schön aus der ganzen Zeit heraus zu verstehen gesucht. Am deutlichsten repräsentiert Horaz diesen neuen Standpunkt: in der berühmten litterarhistorischen Epistel II 1 wirft er den Verehrern der alten Dichter den Fehdehandschuh hin, und von Plautus stehen dort v. 170 ff. die bekannten Worte, in denen er als der Hauptrepräsentant der alten Zeit in den Staub gezogen wird. Den Höhepunkt erreichte diese Richtung in der neronischen Zeit: ihr Führer war Seneca, von dem überliefert ist,

dafs er, um sich in den Vordergrund zu stellen, alles, was vor ihm war, herunterrifs, und zu derselben Zeit wagte es Remmius Palaemon den Varro, in dessen Namen das Altrom noch immer hypostasiert erschien, ein Schwein zu nennen.

4. Epoche. Die Reaktion von der neronischen bis zur hadrianischen Zeit. In der Geschichte der Litteratur wie jeder geistigen Bewegung tritt erfahrungsgemäfs gerade dann eine Reaktion ein, wenn die entgegengesetzte Richtung an ihr Extrem angelangt ist. So war es in der neronischen Zeit: zugleich mit Seneca, dem Verächter der Alten, lebte in Rom M. Valerius Probus, ihr Bewunderer. Seine Bedeutung hat erst Leo ins rechte Licht gesetzt. Der Editionsthätigkeit des Probus verdanken wir es nicht nur, dafs eine Reihe von Autoren wie Vergil und Horaz so ausgezeichnet überliefert ist, sondern vor allem auch, dafs er seine Kraft in den Dienst jener reaktionären Bewegung stellte, durch welche die alten republikanischen Autoren wieder zum Vorschein kamen. Sueton in der vita des Probus (de gramm. 24) berichtet, er habe in der Provinz, wo das Studium der alten Autoren noch nicht abgeschafft war wie in Rom, einige alte Bücher gelesen; in Rom (nur so kann man die Worte Suetons mit Leo verstehen) habe er es sich dann, unbekümmert darum, dafs es ihm nicht zur Ehre und zum Gewinn, sondern zum Vorwurf gereichte, zur Aufgabe gemacht, die alten volumina, woher es eben ging, zusammenzubringen und in kritischen Ausgaben nach dem Muster der alexandrinischen Grammatiker zu edieren. So wurde durch ihn das Interesse für Plautus wieder belebt; ediert hat er ihn nicht, wenigstens nicht mit kritischen Zeichen, weil Sueton de notis S. 138 Reiff. nur von kritischen Ausgaben des Lucrez, Vergil und Horaz spricht; aber in seinen 'observationes sermonis antiqui' hat er den Plautus reichlich herangezogen, wie die Citate daraus bei Gellius beweisen, und aus dem anfänglich engen Kreis seiner unmittelbaren und mittelbaren Schüler mufs eine Ausgabe hervorgegangen sein. Denn den Höhepunkt erreichte die durch Probus begonnene Reaktion in der Zeit Hadrians und der Antonine, und in diese Epoche fällt eine Ausgabe des Plautus, die für unsere Überlieferung mafs gebend geworden ist. Sie umfafste nur die von Varro als sicher plautinisch bezeichneten 21 Stücke, d. h. dieselben, die unsere Tradition kennt. Es ist dies also eine Auswahl, die erinnert an die Auswahlen, die in der Thätigkeit griechischer Editoren der Kaiserzeit konstatiert sind und die ebenfalls für unsere Überlieferung ausschlaggebend geworden sind. Diese jedenfalls von gelehrten Männern (man denkt an den Kreis, in dem Gellius lebte) gemachte Ausgabe wird schon zahlreiche unheilbare Fehler gezeigt haben, welche die Überlieferung in der Zeit der 3. Epoche erfahren hatte; es wird gar nicht mehr möglich gewesen sein, für alle Stücke genügend zahlreiche und gute Exemplare zu finden,

um einen fehlerfreien Text herzustellen. Leo erklärt den verschiedenen Überlieferungsstand einzelner Komödien daraus, dafs Probus nicht für alle gleich gute Exemplare mehr auftreiben konnte: mir scheint das durchaus einleuchtend zu sein, und ich glaube nicht, dafs der ihm gemachte Einwurf stichhaltig ist, die schlechte Überlieferung z. B. des Truculentus betreffe nur die blofs in den mittelalterlichen palatinischen Handschriften enthaltenen Partieen, sei also sekundärer Natur. Dafs nun unser Text in letzter Instanz zurückgeht auf eine Ausgabe dieser Zeit, wird durch eine feststehende, zuerst wohl von Bücheler hervorgehobene, von Leo verwertete Thatsache bewiesen: unser Plautustext wimmelt von Hiaten, die sicher unplautinisch sind, die wir aber durch kein verfügbares Mittel beseitigen können. Nun wissen wir, dafs die Synalöphe des Vokals, nachdem sie von Vergil noch im weitesten Umfang angewandt war, seit der spätaugusteischen Zeit immer mehr und mehr beschränkt wurde: die Dichter der neronischen Zeit elidierten nur mehr que. In der hadrianischen Zeit war die Abneigung gegen die Verschleifung so hochgradig geworden, dafs man sich, was bisher unerhört war, sogar Hiate der stärksten Art erlaubte, nur um die Verschleifung zu vermeiden: das beweisen unwiderleglich die Inschriften jener Zeit und die der Zeit der Antonine angehörigen metrischen Argumente zu den Komikern. Nur in einer Plautusausgabe dieser Epoche konnten so viele Verse mit so schweren Hiaten geduldet bezw. durch vermeintliche Korrektur neu eingeführt werden.

5. Periode. Zeit der Handschriften A und P (c. 350 n. Chr.). In der Zeit nach den Antoninen beginnt die Trennung der Handschriften durch Sonderüberlieferung. Das Jahrhundert 250-350 ist für die Überlieferungsgeschichte der Texte dadurch verhängnisvoll geworden, dafs man die strenge Kritik des Probus, die vor allem in pietätvoller Scheu vor der naоadoois lag, verliefs und die Absicht durchführte, dem Publikum mehr oder weniger bequeme Leseexemplare in die Hand zu geben, in denen die Schwierigkeiten geglättet waren. Am deutlichsten sehen wir das in der Überlieferung des Terenz, wo wir das nicht durchkorrigierte Exemplar neben dem korrigierten des Calliopius haben. Auch über den Plautustext sind damals die Hände der Korrektoren gekommen: ihre Ausgaben sind es, die uns vorliegen in A und P. Es mufs noch eine ganze Reihe solcher Ausgaben gegeben haben, die eine so, die andere so korrigiert: so nahm der Plautuskodex des Turnebus eine Art Mittelstellung zwischen A und P ein, und die Citate bei Nonius sind wieder aus einer andern Hs. dieser Art. Unter diesen Umständen können wir von Glück sagen, dafs wir in A und P zwei Ausgaben dieser Zeit vor uns haben, denn nun kontrollieren sie sich gegenseitig, während, wenn sie beide einem Korrektor angehört hätten, die Lage so trostlos gewesen

« PrécédentContinuer »