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biographische Parallelen für die Schulerklärung unserer Klassiker sind. Im ganzen aber erweist sich die Arbeit P.s auf verhältnismäfsig kleinem Raum reichhaltig und anregend, und man darf ihr im Interesse des deutschen Unterrichts weitere Verbreitung wünschen.

Berlin.

Rudolf Lehmann.

Abrifs der deutschen National-Litteratur. Nach G. Brugier zum Gebrauch an höheren Unterrichtsanstalten und zur Selbstbelehrung bearbeitet. Freiburg i. B. 1895, Herdersche Verlagshandlung. X u. 286 S. 8. 2,20 M.

Das vorliegende Buch ist ein Auszug aus G. Brugiers Geschichte der deutschen National-Litteratur, den E. M. Harms hergestellt hat. Das Originalwerk ist ein Band von mehr als 800 Seiten und liegt bereits in neunter Auflage vor. Der nach ihm gefertigte Abrifs enthält in 70 Paragraphen nach einer sehr kurzen Einleitung über Litteratur im allgemeinen und über deutsche Sprache und Schrift in der hergebrachten Periodeneinteilung einen wohl alles Wesentliche erwähnenden Überblick über die deutschen Dichter und ihre Dichtungen. Denn das Wort 'Litteratur' des Titels ist nur im Sinne von poetischer Litteratur gemeint.

Das Werk ist ein Lernbuch zur Einprägung der Hauptthatsachen und der überall wiederkehrenden Schlagworte der Geschichte der deutschen Dichtung. Es hat aufserlich betrachtet viele Verwandte in Schule und Haus. Seine Eigenart die übrigens schon die Verlagsstelle erraten läfst beruht auf seinem scharf ausgeprägten römisch-katholischen Standpunkte. Das persönliche Glaubensbekenntnis der Dichter und weiter ihre in ihren Werken zum Ausdruck gekommene Stellung zur christlichen Kirche, ja zur römisch-katholischen Lehre entscheidet im letzten Grunde über Wert und Unwert ihrer Leistungen, über eingehendere Würdigung oder kurze Notierung ihrer Erzeugnisse. Es mufs genügen, diesen Ausgangspunkt der hier beliebten Kritik der deutschen Dichtung mitzuteilen. Welche schiefen Urteile er zeitigt, lehrt fast jede Seite; wie Walther von der Vogelweide und unser Martin Luther, wie Lessing, Goethe, Schiller dabei fahren, kann sich jedermann denken. In naiver Weise ist dieser Standpunkt dadurch gekennzeichnet, dafs von der sogenannten Reformation" (S. 46) ab alle katholischen Persönlichkeiten mit einem Sternchen bezeichnet werden, den natürlich auch Männer wie Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Zacharias Werner und der gelegentlich erwähnte Winckelmann erhalten. Als Autoritäten werden vor allen Janssen und „,P. Alexander Baumgartner* S. J.“ citiert. Sapienti sat.

Eberswalde.

H. Winther.

Albert Bielschowsky, Goethe. Sein Leben und seine Werke. In zwei Bänden. Erster Band mit Photogravüre: Goethe in Italien von Tischbein. München 1896, C. H. Becksche Buchhandlung. X u. 520 S. gr. 8. 5 M, geb. 6 M.

Eine gute Biographie zu schreiben, ist nicht leicht. Der Biograph mufs recht viel verstehen: er soll sich hineinleben in seinen Helden, sich aber nicht so in ihn verlieben, dafs er wie der vernarrte Liebhaber die Schäden des geliebten Wesens gar nicht mehr sieht; er soll noch einmal alles mit- und durchempfinden, was vor langer Zeit an Empfindungen in seinem Helden auf- und niederwogte; er soll wieder gegenständlich machen, was in die Ferne der Zeiten gerückt war; er soll lebendig machen, was dahingeschieden ist; er soll Zeiten und Zustände uns vergegenwärtigen, die der Vergangenheit angehören und sich mit der Gegenwart wenig oder gar nicht mehr berühren. Dabei soll er aus dem Grofsen herausarbeiten und nicht bei Kleinigkeiten sich aufhalten, die flüchtig und vergänglich sind und es deshalb nicht verdienen, geschichtlichen Wert und geschichtliches Leben zu erhalten. Ein Dichterbiograph mufs aber noch etwas anderes, überaus Wichtiges mitbringen; er mufs selbst etwas von einer Dichternatur in sich tragen, um mit dem Dichter in seine Lande gehen und die Schönheiten des Landes verstehen zu können. Alle diese Eigenschaften bringt B. zu seiner Goethebiographie mit. Er will den Versuch machen, ,,auf Grund des reichen Materials, das die wissenschaftliche Forschung, die Eröffnung des Goethearchivs und glückliche Funde im letzten Menschenalter zu Tage gefördert haben, eine neue Darstellung von Goethes Leben und Werken zu geben". Diese soll,,den weitesten Kreisen zugänglich und nützlich sein"; also für jedermann, der denken und empfinden kann, ist das Buch bestimmt. Und man darf sagen, dafs es seine Bestimmung in so hohem Mafse erfüllt, wie keine andere Goethebiographie. B. hat sich mit grofsem Geschick in das Bedürfnis seiner Leser hineinversetzt; er hat es verstanden, die grofsartige Einfachheit, die Wahrhaftigkeit und die unergründliche Tiefe des Goetheschen Wesens einfach, wahrhaftig und gründlich darzustellen und das geheimnisvolle Wirken und Schaffen dieses gewaltigen Menschenlebens unserem ahnenden Geiste, soweit wir Kleinen Grofses verstehen, zu erschliessen. Wie Leben und Dichtung, enger Schaffenskreis und weite Welt, Natur und Kunst, ideales Ringen und reales Sichfügen in Goethe sich wechselseitig ergänzen, gegeneinander und ineinander wirken, wird uns hier gezeigt in einem Stil, der etwas von Goethes Art an sich hat. Und was die Schule besonders interessiert: die Entstehungsgeschichte und die Analyse der Charaktere und des Inhalts der Goetheschen Werke werden uns in geradezu unübertrefflicher Klarheit und Knappheit dargeboten. Der Meisterschaft des Biographen entspricht seine schöne Bescheidenheit: wo er

Kritik übt, spricht nirgendwo absprechende Nörgelsucht, sondern mafsvolle Art und Achtung vor dem Genie, das sicherlich selber stets gewufst und lebhaft empfunden hat, wie viele Lücken und Schäden auch dem Menschengeiste anhaften, der immer bis zum letzten Augenblicke seines Erdenlebens strebend sich bemüht. Der

erste Band reicht bis zur Rückkehr Goethes aus Italien und IphigenieTasso. Wenn der zweite, dem man mit Spannung entgegensehen mufs, dem ersten Band entspricht, werden wir um ein wertvolles Litteraturwerk reicher sein.

Düsseldorf.

A. Matthias.

1) W. H. Riehl, Die Familie. Schulausgabe von Th. Matthias. Stuttgart 1896, J. G. Cotta. 199 S. 8. 1,20 M.

In dieses (3.) Bändchen der Schulausgabe von Riehls Naturgeschichte des Volkes konnte Matthias den gröfseren Teil des Originalbandes und fast auch in seiner vollständigen Gliederung aufnehmen. Wir geben kurz die einzelnen Abschnitte und Kapitel an: I. Mann und Weib (1. Die soziale Ungleichheit als Naturgesetz. 2. Die Scheidung der Geschlechter im Fortschritte des Kulturlebens. 3. Die Emanzipierung von den Frauen. 4. Zur Nutzanwendung). II. Haus und Familie (1. Die Idee der Familie. 2. Das ganze Haus. 3. Die Familie und die bürgerliche Baukunst. 4. Verleugnung und Bekenntnis des Hauses. 5. Die Familie und der gesellige Kreis. 6. Zum Wiederaufbau des Hauses). Anmerkungen am Schlufs des Bändchens geben die nötigen Erläuterungen. Die Einleitung bietet eine knappe Übersicht über den Gesamtplan des Originalbandes. Daran schliefst sich eine Charakteristik und eine Aufzählung der Novellen Riehls in geschichtlicher Folge jeweils mit Angabe des Grundgedankens und des geschichtlichen Hintergrundes. Matthias hält die Ausbeute dieser 50 Novellen, die Riehl in einer Zuschrift an ihn als das Dauerhafteste bezeichnet, was er geschrieben habe, für die Schule kaum minder nutzbringend als die Auswahl aus der Naturgeschichte des Volkes, die jetzt in drei Bändchen vorliegt. Er betont besonders den durch und durch deutschen Charakter dieser Novellen, besonders den echt deutschen Inhalt, indem sie, die Zeit von 762 bis 1880, also über ein Jahrtausend deutscher Geschichte umfassend und mehr auf die Darstellung des Innenlebens ihrer Personen und der ihre Zeit bewegenden Ideen und der ihrer Zeit eigenen Sitten und Gebräuche als auf äufsere Geschehnisse abzielend, von den mannigfachsten Seiten die Eigenarten der deutschen Volksseele enthüllen. Auch wir glauben, dafs durch eine geordnete Privatlektüre dieser Novellen, die den Schülern die Schülerbibliothek zu bieten hätte, nicht wenig zu einer Vertiefung des Geschichtsunterrichts beigetragen werden könnte.

Zum Schlufs möchten wir dem Verleger den Plan nahelegen, doch auch noch aus den übrigen Schriften Riehls (Wanderbuch,

Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen. L. 9.

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Freie Vorträge, Kulturgeschichtliche Charakterköpfe, Musikalische Charakterköpfe, Religiöse Studien) Passendes für die Schule zu einem Bändchen zusammenstellen zu lassen, während wir

2) W. H. Riehls Kulturstudien aus drei Jahrhunderten. Stuttgart 1896, J. G. Cotta. VIII u. 470 S. 5 M.

die jetzt in 5. Auflage erschienen sind, unverändert und vollständig in jeder Schülerbibliothek sehen möchten. Der Verfasser liefert in diesem Buche, das er selbst nicht als ein Buch der strengen Forschung, sondern als ein Lesebuch angesehen wissen will, das in künstlerisch abgerundeten Bildern uns die Vergangenheit unseres Volkes nahe führt, das uns ebenso unterhalten wie belehren und zu eigenem Nachdenken anregen soll, einen neuen Beweis seiner beneidenswerten Gabe, in die Tiefe dringende Auffassung mit einer auch wissenschaftliche Fragen für weitere Kreise anziehend gestaltenden schönen Form zu verbinden.

3) H. Allmers' sämtliche Werke. 6 Bände. Oldenburg o. J., Schulze. 459,469, 259, 279 S. 8. 15 M.

Der echte Sohn jenes zähen, kräftigen, unabhängigen friesischen Bauernvolkes, dessen Grufs Eala frya Fresena und dessen Wahlspruch lautete: Lieber tot als Sklav, das der weltlichen und geistlichen Gewalt ebenso kühn Trotz bot wie den wilden Wogen, denen es seine Marschen abgerungen, aus einem alten Osterader Bauerngeschlecht stammend, das seit alten Zeiten den Reichsadler in seinem Wappen führte und sich den Edelingen als ebenbürtig erachtete, und jetzt hochbetagt auf seinem alten Stammhofe in Rechtenfleth, den er durch hervorragende Künstler zu einer Kultusstätte der Kunst hat umschaffen lassen, mitten unter dem Volke lebend, das er so prächtig geschildert und zu dem er immer wieder nach mannigfachen Fahrten im sonnigen Süden zurückkehrte, ist der Marschendichter Hermann Allmers eine der eigenartigsten und charaktervollsten Erscheinungen der deutschen Litteratur. Nicht etwa durch den Umfang seiner schriftstellerischen Thätigkeit, vielmehr durch das scharfe, eigenartige Gepräge, das sein ganzes Schaffen trägt, ragt er unter den Dichtern und Schriftstellern der Gegenwart hervor. In ihm läfst sich der Dichter und Schriftsteller vom Menschen am wenigsten trennen. Einfach und schlicht, urwüchsig und kerngesund in seinem ganzen Wesen, erfüllt von der herzlichsten Menschenliebe, die besonders den Armen und Niederen sich zuwendet, von jugendfrischer Begeisterung für alles Schöne in Natur und Kunst, voll der lebensfrohesten Daseinslust, dem kräftigsten Wirklichkeitssinn und dem unwiderstehlichsten Drang nach Schaffen und Arbeiten, der ihn jetzt noch an den wissenschaftlichen, künstlerischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bestrebungen seiner Heimat so regen Anteil nehmen läfst, mit allen Fasern seines Wesens mit seinem Volksstamm aufs innigste verwachsen und doch voll des regsten Inter

esses für das Gesamtvaterland, ja für die höchsten Anliegen der ganzen Menschheit, voll Mannesmut und Freiheitsdrang, treu, echt und gerade, ein echter Friese, so steht der Marschendichter

vor uns.

Mit der vorliegenden Sammlung seiner Schriften hat der Verleger dem Dichter zu seinem fünfundsiebzigjährigen Geburtstage ein schönes Angebinde dargebracht. Nur hätten das,,Marschenbuch" und die Römischen Schlendertage" nicht als vier Bände bezeichnet zu werden brauchen; bildet doch jedes dieser Werke innerlich und aufserlich nur einen Band, wie sie sich auch in dieser Ausgabe in Wirklichkeit darbieten. Eröffnet wird die Sammlung mit Recht durch das ,,Marschenbuch", das, jetzt in 3. Auflage vorliegend, eine ebenso liebevolle als fesselnde Schilderung der Elbe- und Wesermarschen und ihrer Bewohner liefert, das Schlönbach in der Vorrede zu seinem Epos:,,Der Stedinger Freiheitskampf" mit Recht ein klassisches Buch, bedeutsam für den Historiker wie für den Naturforscher, für den Dichter wie für den freidenkenden Volksmann genannt hat und dem sich nur noch Riehls entsprechende Schriften und Fontanes Schilderungen der Mark Brandenburg zur Seite stellen lassen. Dieses Marschenbuch, das in so vortrefflicher Weise die Kenntnis eines durch und durch eigenartigen deutschen Landes und Volksstammes vermittelt, sollte, da es auch einzeln käuflich ist, in keiner Schülerbibliothek fehlen. Der 3. und 4. Band (eigentlich der 2.) enthält die,,Römischen Schlendertage", die, jetzt in 7. Auflage erschienen, in der Heimat zum Teil nach Briefen entworfen, all die Eindrücke wiederbeleben, die der Dichter einst in Gemeinschaft lieber Freunde an den klassischen Stätten des Südens empfing, ein sprechendes Zeugnis für die jugendfrische Weltfreudigkeit, die unverwüstliche Daseinslust und das heilige Entzücken, mit dem der Dichter dem Anschauen der Schönheiten der südlichen Natur und der Kunst sich hingab. Der 5. Band bietet die Dichtungen (in 3. Auflage). Hier finden wir u. a. die,,Historischen Marschenbilder", Gedichte, mit denen Allmers die von Dörnberg in seinem Marschenhof gemalten kulturhistorischen Bilder aus den Nordseemarschen begleitete, das leider unvollendete, teilweise in plattdeutscher Sprache gedichtete Epos „Die Stedinger", Dichtungen wie ,,Friesengrufs“,,,Einladung in die Marsch",,,Strandlust",,,Heimatstreue",,,Der Halligmatrose", „,Friesentreue“, „Friesensang", in denen wie in den vorher genannten der Dichter seiner innigen Liebe zu seiner norddeutschen Heimat so ergreifenden Ausdruck giebt, endlich Lieder und Gedichte von anspruchsloser Schlichtheit und tiefer Empfindung, voll Liebe und Güte wie ergreifend hat er der Liebe zu seiner Mutter, der Freundschaft zu einem treuen Knechte Ausdruck gegeben Lieder, die bereits von hervorragenden Komponisten, wie Brahms, Hentschel u. a., in Musik gesetzt und so Gemeingut des deutschen Volkes geworden sind. Der

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