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Kirche. Es ist herrlich, wenn die Philosophie auf ihre Weise zu Ergebnissen kommt, die mit denen der Religion übereinstimmen, aber es ist ein zweifelhafter oder vielmehr gar kein Gewinn, wenn sie im Bann der Religion arbeitet. Darum war es ein Segen, dafs Luther der Unfreiheit des Denkens ein Ende machte, auf die Unterstützung der scholastischen Philosophie verzichtete und das Christentum wieder rein auf Gottes Wort stellte. Dafür wird er von Willmann recht unfreundlich behandelt. Willmann verurteilt die Reformation als eine heillose That, die alles Unheil verschuldet, und Luthern spricht er allen und jeden Idealismus ab. Ich habe mich an einer anderen Stelle über die Voreingenommenheit, die so etwas schreiben kann, eingehender geäufsert und beschränke mich hier darauf, sie einfach zurückzuweisen. Wer hätte das von einem Willmann erwartet, dafs er einer der gröfsten und segensreichsten Bewegungen der Weltgeschichte so verständnislos gegenüberstände? Mit hoher Achtung vor der geistigen Kraft des Verfassers, vor seinem Tiefsinn und seiner Gestaltungsgabe lese ich den zweiten Band auch; aber der erste ist mir sehr viel lieber. Auch der zweite Teil ist durchweg fesselnd geschrieben, und die Charakteristiken Augustins, des Aquinaten und anderer bedeutender Männer, ihrer Lehrsysteme und Schulen sind glänzende Leistungen; aber mit reinerer Freude liest man doch die Würdigungen der grofsen Denker des Altertums, die zum Teil in ganz neuem Lichte erscheinen. Soll ich es kurz sagen, so steht Willmann im zweiten Teile im Banne des Katholizismus, während er im ersten vom Geiste des Christentums erleuchtet ist.

Doch ich möchte nicht auf jemandes Urteil vorweg bestimmend einwirken. Es hat ein jeder selbständig zu urteilen. Mir kommt es nur darauf an, auf das unstreitig hervorragende Werk hinzuweisen und es der besonderen Aufmerksamkeit der Herren Kollegen zu empfehlen.

Cassel.

Christian Muff.

0. C. Wohlleben, Leitfaden für den evangelischen Religionsunterricht in den oberen Klassen höherer Lehranstalten. Leipzig 1895, August Neumanns Verlag (Fr. Lucas). 212 S. 8. 2,50 M. Nachdem in den Lehrplänen vom Jahre 1892 der Lehrstoff für den Religionsunterricht an höheren Schulen genau vorgeschrieben ist, haben die seitdem erschienenen Religionslehrbücher im allgemeinen denselben Inhalt. Sie unterscheiden sich wesentlich von einander nur durch die Form der Bearbeitung und den religiösen Standpunkt des Verfassers. Dem Lehrstoffe nach, welcher Bibelkunde, Kirchengeschichte und christliche Glaubens- und Sittenlehre umfassen soll, zerfallen die Lehrbücher in drei Hauptabschnitte, denen anhangsweise Mitteilungen über das Kirchenjahr, das evangelische Kirchenlied und dergleichen hinzugefügt sind. Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen L. 10.

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Den Schlufs bildet gewöhnlich ein Abdruck der ökumenischen Symbola und der ersten 21 Artikel der Confessio Augustana. Damit ist auch der Inhalt des oben erwähnten Leitfadens angegeben. Was die Ausführung anbetrifft, so hat der Verf. die Bibelkunde des A. T. mit der Geschichte des Reiches Gottes im alten Bunde auf das engste verbunden, indem er auf die litterargeschichtlichen Bemerkungen über die einzelnen Bücher eine kurze Inhaltsangabe folgen läfst und dadurch den Schülern einen Überblick über die Geschichte des jüdischen Volkes gewährt. Die litterarischen Notizen über die Bücher beschränken sich auf das Notwendigste und bedürfen hier und da der Ergänzung durch den Lehrer. Der Pentateuch, so heifst es S. 4, ist nicht das zusammenhängende Werk eines Verfassers, sondern aus vier selbständigen Quellenschriften verschiedenen Alters etwa 440-400 v. Chr. zusammengestellt. Auf eine weitere Darlegung des Pentateuchproblemes läfst sich der Verf. nicht ein, sondern giebt nur an, was in jedem der fünf Bücher erzählt wird. Das Buch Josua verbindet er eng mit dem Pentateuch und fafst alle sechs Bücher als Hexateuch zusammen, worauf die Inhaltsangabe des Buches Josua folgt. Auf ähnliche Weise sind auch die übrigen Bücher des A. T. behandelt, einige jedoch mit ganz auffallender Kürze. Über das Buch Ruth z. B. finden sich nur fünf Zeilen vor, während dasselbe doch wegen seiner Tendenz gegen den engherzigen jüdischen Partikularismus wie wegen seines Eintretens für die Berechtigung auch der Heiden zur Teilnahme an dem in Israel herrschenden Gottesglauben mehr Berücksichtigung verdiente. Unzulänglich ist auch die nur drei Zeilen umfassende Darstellung der Formen der hebräischen Poesie. Für die verschiedenen Arten der Parallelismen sind mindestens Beispiele erforderlich, an denen der Schüler ihre Eigentümlichkeiten erkennen kann.

Die neutestamentliche Bibelkunde wird mit einer kurzen Charakterisierung der vier Evangelien eingeleitet und dann S. 30 -51 eine vergleichende tabellarische Übersicht über den Inhalt der Synoptiker und des Ev. Johannis in vier neben einander stehenden Rubriken gegeben. Eine solche Übersicht mag einen für die Evangelienkritik bedeutsamen Wert haben, da sie das den Evangelien Gemeinsame und das jedem Evangelium Eigentümliche leicht erkennen läfst; aber für den Schulunterricht wird man einen besonderen Nutzen davon nicht erwarten dürfen. Hier empfiehlt es sich vielmehr, durch die Lektüre eines synoptischen Evangeliums im Urtext in Sekunda und des Ev. Johannis in Prima die Schüler mit dem Leben Jesu vertraut und daneben auch mit den Eigentümlichkeiten der Synoptiker und des 4. Evangeliums bekannt zu machen.

Die übrigen Bücher des N. T. sind wie die Schriften des A. T. behandelt worden. Die Frage nach der Authentie einzelner Bücher wird mit wenigen Worten nur gestreift. In betreff der

Echtheit der Pastoralbriefe heifst es ganz kurz: die Untersuchung darüber ist noch nicht abgeschlossen. Ferner: die Echtheit des 2. Petrusbriefes wird vielfach bezweifelt; die Einheit des Verf.s der Apokalypse mit dem des 4. Evangeliums ist zweifelhaft.

Die Kirchengeschichte, welche den 2. Hauptteil des Buches bildet, ist eingehend dargestellt und der Stoff übersichtlich gruppiert. Übergangsperioden hat der Verf. durch Andeutungen und oft nur durch einzelne Namen gekennzeichnet, um mehr Raum für die Schilderung hervorragender Persönlichkeiten und epochemachender Ereignisse zu gewinnen. Bei der Erwähnung namhafter Kirchenlehrer hat er sich nicht damit begnügt, nur eine biographische Skizze von denselben zu entwerfen, sondern er hat auch eine Exposition ihrer besonderen Lehrmeinungen gegeben. Die Analyse von Luthers reformatorischen Hauptschriften aus dem Jahre 1520 hätte jedoch etwas ausführlicher sein können; und gegen einzelne historische Angaben wird man Einspruch erheben müssen. S. 74 wird der Manichäismus als eine neue Religion bezeichnet. Das war er jedoch nicht, sondern nur eine Mischung der Lehren Jesu mit denen des Zoroaster, und seine Entwicklung ist erklärlich durch den Umstand, dafs das Christentum bei seinem Eindringen in die Heidenwelt die religiösen Vorstellungen der heidnischen Völker nicht sofort überwinden, sondern sie zunächst nur umformen und sich assimilieren konnte. S. 72 und a. a. O. wird der Name des Kirchenvaters Origenes irrtümlicher Weise stets Origines geschrieben, richtig dagegen S. 73 der Name Origenisten. Ratramnus hat nicht, wie es S. 88 heifst, auf Wunsch Karls des Grofsen gegen die Brotverwandlungslehre des Paschasius Radbert geschrieben, sondern auf Wunsch Karls des Kahlen. Radberts Schrift De sanguine et corpore Domini erschien im J. 831; Karl der Grofse aber starb bereits 814.

Der 3. Hauptteil des Buches behandelt die evangelische Glaubens- und Sittenlehre. Diese ist nicht im Anschlufs an die Confessio Augustana dargestellt, wie das in vielen neueren Lehrbüchern geschehen ist, sondern in freier Anlehnung an das Apostolicum. Über den Rahmen dieses Symbolums hinausgehend, erörtert der Verf. auch die Gottesbeweise, Gottes Wesen und Eigenschaften und dann erst die Schöpfung, Erhaltung und Regierung der Welt durch Gott. Mittels der Lehre von der Sünde führt er dann die Schüler zu der Lehre von der Erlösung durch Christus und von dieser zu der Lehre vom heiligen Geiste und der Heiligung. Mit der letzteren ist in sehr geschickter Weise die christliche Ethik verbunden worden, indem der Verf. die christliche Sittlichkeit als ein Leben im heiligen Geiste betrachtet und in ihren Äufserungen darstellt. Mit der Entwicklung der Glaubenslehre ist der Verf. zu der alten Katechismuslehre zurückgekehrt, welche alle Fragen über Gott, Christus und den heiligen

Geist auf Grund des 2. Hauptstückes des lutherischen Katechismus erörterte. Dieses Verfahren empfiehlt sich deshalb, weil die Schüler den Wortlaut des 2. Hauptstückes auswendig wissen, also keines Textes bedürfen, während die Augustana gelesen und interpretiert werden mufs und ihre Artikel nicht in systematischer Reihenfolge verfafst worden sind. Die Kenntnis der Augustana ist für evangelische Primaner allerdings notwendig, weil sie die protestantische Glaubenslehre im Gegensatze zur katholischen darstellt; die Erläuterung dieser Konfessionsschrift aber wird am zweckmäfsigsten mit der Reformationsgeschichte verbunden, deren Höhepunkt sie gleichsam bezeichnet.

Berlin.

J. Heidemann.

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Aufgaben aus deutschen Dramen zusammengestellt von H. Heinze und W. Schröder. IV. Bändchen: Aufgaben aus ,Götz von Berlichingen" und ,,Egmont", zusammengestellt von H. Heinze. 88 S. 1 M. V. Bändchen: Aufgaben aus,,Iphigenie auf Tauris“, zusammengestellt von H. Heinze. 81 S. 1 M. Leipzig 1895, Engel

mann.

Der Wunsch, den ich bei Besprechung der ersten drei Bandchen dieser Sammlung Zeitschr. f. d. GW. 1895 S. 338-aussprach, dafs die versprochenen weiteren Hefte bald folgen möchten, ist schnell in Erfüllung gegangen. Die beiden neuen vorliegenden Bändchen schliefsen sich ihren Vorgängern in jeder Hinsicht gleichwertig an und verdienen dasselbe Lob. Zu Goethes ,,Götz" werden 34 ausgeführte Dispositionen geboten und 293 Aufgaben zur Auswahl ohne Disposition. Etwas spärlicher bedacht ist „,Egmont“ mit 24 ausgeführten und 159 nicht ausgeführten Aufgaben. Für ,,Iphigenie auf Tauris" bietet das 5. Bändchen 60 ausgeführte Dispositionen und 271 Aufgaben zur Auswahl. An Auswahl ist also kein Mangel, und der Schulmann, der dem alten Cholevius gegenüber erklärte, er gebe für ein hübsches Thema gern zwei gute Groschen, könnte bei Benutzung der Heinze-Schröderschen Bücher sein Geld behalten.

Die neuen Bändchen bieten nicht nur, wie die früheren, schon aus anderen Büchern bekannte Aufgaben, sondern Heinze hat aus dem Eigenen hinzugethan, wenigstens spreche ich die ohne Quellenangabe mitgeteilten Stoffanordnungen als sein Eigentum an. Damit bekommen die Bücher selbständigen Wert und dürfen nicht mehr blofs als geschickte, brauchbare Zusammenstellungen betrachtet werden. Da mir aber bei der Durchsicht etwas durchaus Falsches, was natürlich zurückgewiesen werden müfste, nicht aufgefallen ist, so enthalte ich mich auch in dieser Besprechung der Kritik einzelner Aufgaben, indem ich den in der Besprechung der ersten Heftchen angeführten Gründen noch das Wort des Cholevius, mit dem er seine ,,Dispositionen und Materialien" einleitete, hinzufüge:,,Wir stimmen in unserem Urteile

über die Brauchbarkeit der Themata selten überein. Von hunderten, die uns in älteren und neueren Sammlungen dargeboten werden, gefallen jedem nur wenige und nicht einmal dieselben".

Für eine neue Auflage des 4. Bändchens gestattet sich Ref. auf die im Anhange seiner Götzausgabe zusammengestellten Aufgaben aufmerksam zu machen. Mehrere der dort angegebenen Themata finden sich bei Heinze nicht. Für Heft 5 möchte ich noch zur Benutzung empfehlen: Mayer, Studien III: Die Iphigenien des Euripides, Racine und Goethe; ein Beitrag zur Geschichte der tragischen Kunst. Leipzig 1874. Aus dieser Schrift dürfte sich eine ganze Reihe für den Primanerstandpunkt passender Aufgaben, die auch den Forderungen der Konzentration entsprächen, zusammenstellen lassen.

Zur Empfehlung der Heinze - Schröderschen Bücher möchte ich darauf hinweisen, dafs ich bei der Besprechung des ,,Tell“ im verflossenen Schuljahre das betreffende Bändchen mit gutem Erfolge verwandt habe. Vor allem wird der junge, in der Dramenerklärung noch ungeübte Lehrer aus den Büchern für die Erklärung reichen Nutzen ziehen können; sie bewahren ihn vor dem Fehler, an Kleinigkeiten zu haften und die grofsen Gesichtspunkte aus dem Auge zu verlieren, weisen also seiner Erklärung die richtigen Wege und bieten ihm aufserdem in reicher Fülle Aufgaben für die zu fordernden freien Vorträge, für die jetzt üblichen kleinen Arbeiten im Anschlusse an die Lektüre und für die Aufsätze.

Die Ausstattung auch dieser Heftchen ist tadellos. Wir sehen mit Freude den folgenden Heften entgegen und empfehlen wie die Bändchen 1-3, so auch 4-5 aufs wärmste.

Schleiz (Reufs).

Walther Böhme.

Fr. Stolz, Stammbildungslehre. Zweite Hälfte des ersten Bandes der Historischen Grammatik der Lateinischen Sprache, bearbeitet von Blase, Golling u. s. w. Leipzig 1895, B. G. Teubner. VI u. S. 365-706. 8. 7 M.

Das

Die erste Hälfte des ersten Bandes, die Lautlehre enthaltend, ist im vorigen Jahrgang dieser Zeitschrift, S. 283-285, von mir angezeigt worden; inzwischen hat der Verfasser, wie eine Vorbemerkung sagt, auch Lindsays The latin language, Oxford 1894, auf welches Werk ich damals hinwies, benutzen können. vorliegende Heft nun behandelt die Stammbildungslehre, mit Ausschlufs der Tempus- und Modusstämme, und zwar zunächst die Wortzusammensetzung (S. 366-439). Nach einer kurzen allgemeinen Betrachtung und nach Darstellung der Ansichten der altrömischen Grammatiker folgt (S. 369-433) die Untersuchung der Nominalkomposition. Dieselbe beginnt mit einem ge

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