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hier von ungewöhnlichen Mafsregeln in einem verdorbenen Heere bei einer Belagerung berichtet wird. Dazu kommt Livius XXX 6: Quinctius. . vallum secum ferente milite ut paratus omni loco castris ponendis esset, progressus modicum iter, wo der Zusatz ut.. paratus esset den Schlufs erlaubt, dafs der Soldat den Schanzpfahl nur ausnahmsweise auf besonderen Befehl getragen hat. Die Entscheidung in dieser Frage aber mufs die Erwägung bringen, dafs der schwer bewaffnete Legionar nicht imstande war, auf weitere Strecken einen oder gar mehrere dieser Pfähle fortzuschaffen, da die Last seiner Waffen und des Gepäcks allein gegen 60 Pfund schwer gewesen sein mufs, eine Last, die zweifellos eine Steigerung durch den Schanzpfahl nicht vertrug. Wenn daher in älterer Zeit die Pallisaden von der Truppe mitgeführt wurden, so mochten diese den Leichtbewaffneten aufgebürdet sein. Seitdem jedoch die Legion einheitliche Bewaffnung erhielt und die marianische Tragvorrichtung des Gepäcks üblich wurde, konnte der Legionar schon aus dem Grunde den Schanzpfahl nicht tragen, weil jetzt auf der Schulter die Stange mit dem Gepäckbündel ruhen musste. Für die Beschreibung des Lagers ist die möglichste Kürzung des überreichen Stoffes geboten. Denn die Lektüre dürfte nirgends Anspruch auf die Kenntnis der zahlreichen von Polybius und Hyginus überlieferten Einzelheiten erheben und die umständlichen Angaben über die Einteilung des Lagers z. B. für die socii, auxilia, extraordinarii, ablecti etc. werden das Verständnis der römischen Kriegführung an sich kaum fördern können. Es genügt vielmehr, wenn dem Schüler von dem Lager die Befestigungen, die Thore, die Strafsen, die Prinzipia und die Lage der Zeltreihen für die Legionen bekannt sind. Von diesen wichtigsten Teilen aber ist eine genauere Vorstellung nötig, als sie aus Wohlrabs Darstellung gewonnen werden kann. Wenn dort z. B. angeführt wird (S. 67): „Der Platz für das Lager wird von Kriegstribunen und einigen Centurionen möglichst am Abhange eines Hügels in der Nähe von Wasser, Holz und Futter ausgesucht. Die Form des Lagers ist gewöhnlich viereckig. An jeder Seite ist ein Thor, so vermifst man die nähere Bestimmung der Thore, die in der Lektüre vielfach erwähnt sind. Hierfür könnte die vorhergehende Bemerkung Raum geben; denn diese ist überflüssig und im ersten Teile auch nicht genau, da Cäsar ausdrücklich Centurionen nennt, die zum Aussuchen des Lagerplatzes vorausgeschickt werden.

Dafs aber ein Schulbuch der Realien in seinen Angaben sich der peinlichsten Genauigkeit zu befleifsigen habe, ist eine selbstverständliche und wegen der Vortrefflichkeit der zu Gebote stehenden Hilfsmittel wohl berechtigte Forderung. Umsoweniger können in dem kurzen Abrifs der Kriegsaltertümer von Wohlrab einige nicht unerhebliche Versehen entschuldigt werden. So ist als eine Änderung der Heereseinteilung in der Kaiserzeit (S. 69) ange

geben, dafs die Fufstruppen in Kohorten und Centurien, die Reiter in alae eingeteilt werden. Nun bestanden die alae der Reiter schon lange und sind auch (S. 64) mit ihren Abteilungen erwähnt; weshalb also eine Änderung der Kaiserzeit hier vorliegen soll, ist nicht ersichtlich. Ferner mufs die Einteilung der Fufstruppen in Kohorten und Centurien auf die auxilia beschränkt werden, bei denen sie ebenfalls zur Zeit der Republik schon üblich war. Die regulären Truppen behielten ihre alte Einteilung in Legion, Kohorten, Manipeln und Centurien für den Teil der Kaiserzeit, dessen Litteraturdenkmäler die Schule angehen, unverändert bei. Ebensowenig läfst sich Wohlrabs Bestimmung des Militärtribunats (S. 65) halten: „,tribuni militum, sechs in jeder Legion, mit Verwaltungsgeschäften betraut, von Cäsar auch mit der Führung einzelner Truppenabteilungen beauftragt". Denn die Tribunen waren die Befehlshaber der Legion und keineswegs Verwaltungsbeamte. Cäsar war es gerade, der ihr Kommando einschränkte, um an die Spitze gröfserer Truppenkörper die Legaten zu stellen.

Damit dürfte der Beweis erbracht sein, dafs das Hilfsbuch von Wohlrab, in dem überdies nur ein winziger Teil der für den Schulgebrauch notwendigen Realien dargeboten ist, den Ansprüchen des Unterrichts nicht genügen kann. Wenn es dem Verf. dabei gelungen sein sollte, die wichtigsten Grundsätze für die Behandlung der Realien in der Schule und für die Anordnung eines neuen, dringend erwünschten Leitfadens der Altertümer darzulegen, so ist vielleicht ein nicht unwichtiger Dienst dem klassischen Sprachunterricht geleistet, der durch die ungesichtete Menge der Realien empfindlich behindert würde.

Königsberg i. Pr.

G. von Kobilinski.

Ein Vorschlag zur Erweiterung der griechischen Lektüre in Obersekunda.

Die Äufserungen des Herrn Ministers und seiner Kommissare in der Schulkonferenz hatten die Hoffnung geweckt, dafs man uns gröfsere Freiheit gönnen, dafs man den einzelnen Lehrerkollegien gestatten werde, den Weg zu dem allen gemeinsamen Ziele zu wählen, der der Eigenart der einzelnen Schulen entspräche. Je freudiger die Hoffnung, um so schmerzlicher die Enttäuschung, als nun, um nur von dem Gebiete zu reden, auf dem diese Auseinandersetzungen sich bewegen sollen, für die Schriftstellerlektüre ein eng bemessener Kanon aufgestellt wurde, der auch die bisherige Freiheit noch wesentlich einschränkte. Denn wenn auch die Lehrpläne gestatten, neben den in ihnen genannten Schriftwerken andere zur Lektüre heranzuziehen, so

wird doch jeder empfinden, dafs es ein anderes ist, frei wählen zu dürfen, ein anderes, die Erlaubnis zu einer Abweichung von der allgemein giltigen Norm erbitten zu müssen. Um so gröfser scheint das Wagnis, welches ich jetzt unternehme: nicht für einen Schriftsteller, der schon vor den neuen Lehrplänen gelesen wurde, um Aufnahme zu bitten, sondern sogar die Aufnahme eines Schriftstellers in den Lektürekanon zu empfehlen, der während dieses Jahrhunderts wohl nirgends in dem Lehrplan einer Anstalt Aufnahme gefunden hat.

Soll das Neue Platz finden, so mufs es das Alte verdrängen, und so mufs ich zunächst mich über den didaktischen Wert eines Schriftwerkes aussprechen, das die neuen Lehrpläne zu den kanonischen Lehrbüchern rechnen.

Wenn man einem alten Athener erzählen könnte von den griechischen Prosaikern, die wir jetzt auf den Gymnasien lesen, so würde er sich nicht wundern, in deren Zahl die attische Biene, Xenophon, zu finden. Aber gewifs würde es ihn befremden, wenn er hörte, dafs von zehn Semestern, die der griechischen Prosa gewidmet sind, dieser genau die Hälfte allein in Anspruch nähme, und dafs alle andern griechischen Prosaiker sich in die zweite Hälfte zu teilen hätten. Denn vier Semester werden durch die Anabasis und die Hellenika ausgefüllt, und von dem darauf folgenden Jahreskursus verlangen die Lehrpläne die Hälfte für die Memorabilien.

Auf den ersten Blick klingt diese letzte Bestimmung einleuchtend. Dem Schüler die Persönlichkeit des Sokrates durch Plato lebendig zu machen, ist sicher eine der wichtigsten Lehraufgaben der Prima. Plato aber hat unzweifelhaft das Bild des Sokrates als ein freischaffender Künstler gezeichnet, die ehrfürchtige Pietät, die er sein Leben lang für seinen Lehrer im Herzen getragen, das Bewusstsein, dafs bis auf seine letzten höchsten Spekulationen alles, was er geschaffen, aus den Keimen erwachsen sei, die Sokrates in ihn gelegt, hat ihn dazu geführt, das Bild seines Meisters zu idealisieren. So könnte man sagen und hat man gesagt, dafs es wünschenswert sei, dem Schüler zunächst das schlichtere, aber auch treuere Bild vorzuführen, das uns Xenophon von ihm entwerfe, und man hat auch dieses Bild mit begeisterten Worten als ein Kunstwerk gepriesen, dessen Anschauung geistig und sittlich fördere. Man hat es das Evangelium von der sittlichen Bestimmung des Menschen genannt, das, ohne in schönrednerischer Weise die Tugenden zu verherrlichen, die Persönlichkeit des Sokrates nach seinem Streben, Leben und Reden in kurzen Bildern und Gesprächen unmittelbar zur geistigen Anschauung bringe und durch die zwingende Gewalt seiner Beweisführung unsern Verstand gefangen nehme. Ja, ein nicht unbedeutender Schulmann und Philologe hat die Memorabilien das Johannesevangelium der griechischen Menschheit genannt.

Entspräche das Werk allen diesen Lobsprüchen, so müfsten wir es als geradezu unschätzbar ansehen und alles daransetzen, es zum Eigentum der Jugend zu machen, die doch sittliche Selbstbestimmung vor allem lernen soll. Doch dafs ich es gerade heraussage will man auf Xenophons Schrift eine Bezeichnung anwenden, die einst von einem Buche des N. T. gebraucht wurde, so würde ich es lieber eine stroherne Epistel nennen. Ich will versuchen, dieses Urteil in Kürze zu begründen.

Gehen wir von den Grundsätzen der Lehre des Sokrates aus. Wir wissen, dafs das Streben nach einem festen Wissen den Kern seiner Thätigkeit bildete, und dafs das Gebiet, auf dem er sie ausübte, die Probleme des sittlichen Lebens waren. Sittliche Selbsterziehung war sein Ziel, die psychologische Grundanschauung der Satz, dafs Tugend gleich Wissen sei und also,,das rechte Wissen zum rechten Handeln führen müsse". So ist ihm also die Philosophie,,die Selbstbesinnung des vernünftigen Menschen auf das Gesetz des Guten“.

Da wurde nun freilich die Willenskraft zu einem ganz untergeordneten Faktor in der Heranbildung des wahren sittlichen Menschen herabgedrückt. Bei einer so gewaltigen Persönlichkeit indes, wie Sokrates war, bei dem Wissen und Willen ein harmonisches Ganze bildeten, der ganz Geist und Charakter war, mufste ein edler Charakter die Frucht solchen Strebens sein. Für einen Mann, der dem Tode für das Vaterland oft ins Antlitz schaute, für die Wahrheit ihn freudig erlitt, für den Mann mit dem dauóvior kann das Gute, das er in so mannigfacher Weise in seinen Gesprächen zu ergründen sucht, nur in innerster Befriedigung der Seele bestanden haben, ihm fiel das pέhipov mit dem καλόν und dem ἀγαθόν zusammen. Bei jedem aber, dessen Erkenntnis- und Willensvermögen weder gleiche Höhe und Stärke mit der des Sokrates hatten, noch in gleicher Weise sich deckten, mufsten diese Gedanken auf eine niedrigere Stufe sinken. Das Gut, welchem er zustrebte, war nicht das Gute, sondern das Nützliche, und das Streben nach Wissen verflachte sich zu dem Triebe, das Zweckmäfsige zu erkennen. Die Darstellung solcher Ansichten liegt uns in Xenophons Memorabilien vor.

In dem gröfsten Gebote und in der Bergpredigt giebt Jesus Antwort auf die Frage, welches unser sittliches Verhalten gegenüber Gott und dem Nächsten sein müsse; mit den Worten pietas und probitas hat man später dieses zwiefache Verhalten bezeichnet. In dieser Ordnung wollen wir auch jenes Johannesevangelium der griechischen Menschheit besprechen. Auch Xenophon beginnt mit der Gottesverehrung des Sokrates, und da heifst es denn (13): ,,Er flehte zu den Göttern nur kurz, das Gute zu geben, in der Meinung, dafs die Götter es ja am besten wüfsten, was gut sei. Und er glaubte, dafs, wer um Gold, Herrschaft oder Ähnliches bäte, nicht verschieden sei von dem, der um Würfelspiel, eine

Schlacht oder anderes in seinem Ausgange Unsichere sich an sie wende". Der erste Satz klingt tief und wahr; sieht man aber den zweiten an, so merkt man, wie es sich um höchst materielle Vorteile handelt. Und das leuchtet noch mehr ein, wenn wir lesen (IV 3, 17), man dürfe ja nicht in der Verehrung der Götter hinter seinen Kräften zurückbleiben in den Opfern natürlich -, dann werde man auch die gröfsten Güter empfangen. Die Götter geben also ihre Gaben in demselben Mafse den Menschen, wie diese sie verehren, und das Wort, welches Sokrates II 6, 35 ausspricht, dafs es zur Tüchtigkeit des Mannes gehöre, den Freund im Wohlthun, den Feind im Schaden zu übertreffen, gilt also wohl auch von den Göttern! An einer Parallelstelle (I 3, 4) empfiehlt er dieselbe Lebensregel,,,nach Kräften zu handeln" für die Götter wie für die Freunde.

Aber, wird man mit Cicero sagen, Socrates primus philosophiam devocavit e caelo et coegit de vita et moribus rebusque bonis et malis quaerere.

Bekannt ist die an die Volksethik sich anschliefsende Weise des Sokrates, die Tugenden, d. h. diejenigen Bethätigungen der Seele, durch die sie des Glückes teilhaftig wird, einzuteilen. Es sind die εγκράτεια, die ανδρεία, die δικαιοσύνη.

Die rxoarea ist die Kraft der Selbstbeherrschung, bei deren Wirken die Leidenschaft unterliegt, die Vernunft herrscht; sie wird als die Fundamentaltugend von Sokrates häufig behandelt. Wenn wir bei Ausbruch eines Krieges, heifst es (15), einen Mann wählen wollten, durch dessen Führung wir am ehesten unsere Rettung und der Feinde Vernichtung erwarten könnten, da würden wir doch nicht einen solchen nehmen, der sich von niedrigen Begierden besiegen liefse; auch als Vormund unserer Kinder, Verwalter unseres Vermögens könnten wir einen solchen nicht gebrauchen, nicht einmal als Diener oder zum Einholen. Wie sehr also muss man sich da in acht nehmen, ein ȧzgarns zu werden, der nicht nur sein Haus, sondern auch Leib und Seele ruiniert, den niemand zum Freunde haben will. Das ist also die κρηπὶς τῆς ἀρετῆς: Ube Selbstbeherrschung, dann lebst du gesund und heiter, man braucht dich nicht nur als Diener, sondern auch als Vertrauensmann; ja zum Heerführer kannst du es bringen, und zum Freunde wird dich jeder gern haben wollen. Die azgacía, sagt er IV 5, 9, läfst gar nicht zum Hunger und Durste kommen, also auch nicht zum wirklichen Genusse. Nur der yzoans lernt etwas Ordentliches und richtet sein Augenmerk auf solche Dinge, durch die er Leib und Seele in trefflicher Ordnung zu halten vermag und durch die er den Freunden und dem Staate von Nutzen sein, die Feinde überwältigen kann; und aus all diesem entstehen nicht nur ὠφέλεια, sondern auch ἡδοναὶ μέγισται.

Also stets bleibt das Grundmotiv das gleiche: Meide die

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