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Die Aufstellung, dafs ne feceris die eindringlichere und schärfere, ne facias oder noli facere die mildere und höflichere, daher in gehobener Darstellung bevorzugte Form des Prohibitivs sei, erscheint zunächst plausibel, wenn man die im ersten Teile gegebenen zahlreichen Beispiele aus Plaut., Ter., Cic. ins Auge fafst. Die Unterscheidung mag auch im allgemeinen richtig sein; aber dafs sie nicht streng durchgeführt ist, zeigen die in Teil II behandelten Beispiele mit nec (nihil, nunquam) feceris und ähnliche. Denn der Versuch Elmers, alle diese Konjunktionen potential zu erklären, ist entschieden verfehlt. Zum Beweise führe ich Folgendes an.

Gar nicht selten steht neque (nicht neve, wie E. verlangt) im zweiten Gliede eines finalen Nebensatzes, wenn ut vorausgeht. Freilich sucht E. diese Beispiele durch andere Interpretation zu beseitigen; so will er solche Sätze vielfach konsekutiv statt final aufgefafst wissen. Und man wird ihm zugeben müssen, dafs an manchen Stellen ein Schwanken zwischen beiden Erklärungen möglich ist; aber die konsekutive Deutung eines suadeo ut (div. in Caecil. 52), commonefacio ut (Verr. II 41), video ut (off. II 73) u. s. w. ist doch zu gewaltsam und unnatürlich, als dafs jemand sie annehmen dürfte. Dann de or. I 19 hortemur liberos nostros . ., ut.. complectantur neque eis se aut praeceptis aut magistris sed aliis quibusdam, quod expetunt, consequi posse confidant soll neque in dem scharfen Gegensatze des neque eis zu sed aliis begründet sein; aber zur Hervorhebung dieses Gegensatzes würde eben e non gesetzt sein; vgl. de inv. 1 28 ut omnino paucas res dicant et non plures quam necesse sit. Aufserdem ist durch neque fortgesetztes ut häufiger, als E. zu wissen scheint. Wenigstens fehlen bei ihm folgende Cicerostellen: Verr. III 18 (nach postulo), Flacc. 65 (quaeso), orat. 98 (elaboro), de or. II 350, fam. 1, 10 (fac) rep. III 3 (impello), off. Ill 87 (illa sententia). Ja neque ist in diesem Falle sogar noch etwas häufiger als neve; für jenes habe ich im ganzen 14, für dieses 9 Stellen bei Cicero gefunden. Ebenso steht ut neque neque korrespondierend in offenbar finalem Sinne häufiger bei Cicero (9 mal) als ut neve das ich nur 4 mal finde; dabei sind natürlich die Stellen mit regierendem efficio, perficio etc. wegen des bekannten Schwankens zwischen finaler und konsekutiver Auffassung nicht berücksichtigt. E. giebt auch hier unvollständige Belege und unnötig künstliche Erklärungen; ich bemerke nur, dafs neque-neque sich in solchen Sätzen auch findet, wo die Negation sich nicht blofs auf ein einzelnes Wort bezieht; vgl. rep. II 23; Att. 15, 13, 1.

neve,

Gar nicht berücksichtigt hat E. Stellen wie fam. 4, 13 animadvertas velim nec exspectes; Att. 3, 8, 4 utinam vidisses neque dedisses; off. II 3 utinam stetisset nec incidisset; Flacc. 76 utinam neque neque. Ferner für das gar nicht seltene nec beim Hortativus der 1. und 3. Person erwähnt er nur zwei Stellen

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(rep. I 3; off. I 92) und kennt nach S. 36 offenbar keine weiteren Belege; vgl. indes Sest. 143 cogitemus neque existimemus und ähnlich orat. III 44; 48; fin. II 41; Lael. 21; Cael. 14 respuatur nec

haereat und ähnlich off. I 92; 134; or. III 191 und wohl noch öfter. Und doch sind alle diese Stellen für die vorliegende Frage von Wichtigkeit. Denn nimmt man diese und die vorher gegebenen Beispiele zusammen, so ist klar, dafs der Lateiner in Finalsätzen wie in Aufforderungen und Wunschsätzen, also in 'volitive clauses' um mit E. zu reden jeder Art nach positivem Gliede ein zweites Glied mit neque anknüpft (neve findet sich in den gegebenen Beispielen sogar nur in Finalsätzen). Ist das aber der Fall, so sind auch in dieser Weise mit nec angeknüpfte Imperative (z. B. legg. III 11 agunto nec consulunto), mit denen sich E. S. 26-27 abquält, ohne alles Bedenken; dann wird man auch ein nec feceris oder nec putaveris nicht künstlich und unnatürlich zu einem Potentialis machen, sondern einfach als Prohibitivus erklären, wie es schon richtig geschehen ist und wie es E. offenbar nur seiner Theorie zu Liebe nicht will. Wie unnatürlich wäre z. B. Att. 10, 18, 2 perge nec dem Imperativ die potentiale Auffassung!

exspectaris neben

E. spricht noch gelegentlich das Bedenken aus, dafs bei der üblichen Erklärung ein negativer Potentialis in der 2. sing. perf. auffallender Weise sich nur leg. III 1 nec laudaveris finde; aber einmal ist auch die positive Form in diesem Falle nicht häufig (ich finde nur 5 sichere Stellen bei Cicero), sodann steht noch Att. 12, 5, 2 non facile inveneris; fam. 11, 24, 2 non erraris. Die Belege der Abhandlung sind überhaupt nicht so vollständig, wie E. glaubt: so fehit noch fam. 3, 11, 5 ne putaris; Quint. 2, 5, 3 ne omiseris; ferner ungefähr 20 Belege aus Cicero für noli, auf deren Anführung ich hier verzichte. Auffallend ist auch, dafs die falsche Angabe Kühners, die Negation beim coni. dubitat. sei ne, weitläufig widerlegt wird; ich weifs nicht, ob hier nicht ein blofses Versehen bei Kühner vorliegt, jedenfalls wird sonst doch wohl non für diesen Fall gefordert.

2) W. Jerusalem, Die Psychologie im Dienste der Grammatik und Interpretation. Wien 1896, Hölder. 23 S. 8.

J. hat gewifs recht, wenn er in dem obigen, im Verein ,,Mittelschule" im Dezember 1895 gehaltenen Vortrage die,,Notwendigkeit und Erspriefslichkeit psychologischer Sprachbetrachtung“ betont und ihre Verwertung auch für die Schule verlangt; und auch im einzelnen wird man seinen Aufstellungen fast durchweg zustimmen müssen. Nur, meine ich, ist das meiste, was er bringt, gerade nicht neu. Die Fassung z. B., die er bei der Lehre von den Fragesätzen für num und nonne verlangt (num wird verlangt, wenn der Fragende andeuten will, dafs er 'nein' zur Antwort erwartet u. s. w.), findet sich mehr oder weniger wörtlich schon im Ellendt-Seyffert 1o § 306, Menge § 256, Landgraf-Fritzsche

19

§ 204, Goldbacher § 549 u. s. w.; ähnlich steht es bei der Lehre von den Bedingungssätzen und dem Imperfekt. Immerhin bleiben die Ausführungen des Verfs. anregend und beachtenswert, ebenso was er S. 13 fr. über die Förderung der Interpretation durch psychologische Betrachtung sagt; nur wird man behaupten dürfen, dafs auch hier J. keine neue Forderung aufstellt, sondern dafs das, was er verlangt, wohl jeder denkende Lehrer zu erreichen versucht. Norden in Ostfriesland. Carl Stegmann.

A. H. Kurz, Der lateinische Lernstoff für Sexta und Quinta. Berlin 1896, Reuther und Reichard. 110 S. 8. geb. 1 M.

Wenn man im allgemeinen auch der Ansicht zuneigt, dafs diejenigen grammatischen Lehrbücher als die zweckmäfsigsten erscheinen, welche den Schüler aus den unteren bis in die oberen Klassen begleiten und durch die Vereinigung des gesamten Lehrstoffes ein bequemes Zurückgreifen auf früher behandelte sprachliche Erscheinungen noch in späterer Zeit ermöglichen, so sind doch auch Fälle denkbar, in denen der Gebrauch einer besonderen Formenlehre neben der Syntax wünschenswert oder geboten erscheinen kann. Wo dies zutrifft, wird der vorliegende Leitfaden mit Nutzen zu verwenden sein. Derselbe enthält die regelmäfsige und unregelmäfsige Formenlehre sowie einige syntaktische Belehrungen über die Konjunktionen, Orts-, Raum- und Zeitbestimmungen, die Satzlehre, den Abl. abs., das Part. coni. und den Acc. c. inf., wie sie dem Quintaner mit Rücksicht auf die bevorstehende Neposlektüre gegeben werden müssen. Der Verfasser ist, meist mit Erfolg, bemüht gewesen, durch knappe Darstellung und zweckmäfsige Verwendung von Übungsbeispielen, deren Wert und Bedeutung für die Wiederholung durch das Hinzufügen der deutschen Übersetzung wohl noch hätte erhöht werden können, diesen Teil möglichst anschaulich und fafslich zu gestalten. Ebenso tritt in der Formenlehre das Streben nach Beschränkung auf das Notwendige überall hervor, wenngleich hier und da, besonders bei Darstellung der Unregelmäfsigkeiten der Deklination und der unregelmässigen Verba, der Tradition mehr Zugeständnisse gemacht worden sind als nötig war. Als ein Vorzug erscheint die Fülle von Vokabeln, die den einzelnen Deklinationen folgen; auch der bei Einübung der Deklination durchgeführte Grundsatz, anfangs nur solche Paradigmen zu verwenden, deren Geschlecht im Deutschen und Lateinischen übereinstimmt, verdient Beachtung. Bei der Lehre von den Adverbien wäre ein Hinweis auf das Verhältnis derselben zum Hülfszeitwort esse erwünscht, da die Regel, dafs die Adverbien der Art und des Grades auf die Frage wie? stehen, sonst leicht zu bedenklichen Irrtümern verführt.

Der Druck und die übrige Ausstattung des Buches befriedigen.
Bensberg.
J. Hartung.

Cäsars Gallischer Krieg. Zum Schulgebrauch bearbeitet und erläutert von H. Kleist. Bielefeld and Leipzig 1896, Velhagen & Klasing. Text XIX u. 266 S. 1,80 M; Kommentar 211 S. 1,50 M.

Die Schülerausgaben, die vor kurzem im Verlag von Velhagen & Klasing unter Leitung von H. J. Müller und O. Jäger erschienen sind, erfreuen sich vielfacher Anerkennung. Diese verdient auch die Cäsar-Ausgabe von H. Kleist. Der Text ist auf Grund der beiden Handschriftenklassen hergestellt, doch so, dafs a grundsätzlich eine gröfsere Glaubwürdigkeit beigemessen wird. Daraus ergeben sich vielfache Abweichungen von dem Meuselschen Text, deren Vergleichung von Interesse ist. Bei Beurteilung derselben möchte ich zunächst auf einen Grundsatz hinweisen, der meiner Meinung nach allgemein zu billigen ist. Da nämlich feststeht, dafs beide Handschriftenklassen einerseits deutliche Lücken, andererseits deutliche Zusätze zeigen, so sind sie in dieser Beziehung beide völlig gleich zu behandeln. Deshalb meine ich, dafs man alles das in den Text zu nehmen hat, was die eine Handschriftenklasse mehr bietet als die andere, solange dies nicht dem Sprachgebrauch Cäsars widerspricht oder als unechter Zusatz deutlich erkennbar ist. Daher hat Kl. mit Recht auf Grund von a geschrieben: II 33, 4 omnis spes salutis, III 24, 2 sine ullo vulnere, VI 13, 11 translata esse, VII 32, 3 creatum esse, 47, 3 sibi esse. Ob auch VII 72, 1 summa fossae labra zu schreiben ist, bezweifle ich, da schon fossam und fossae unmittelbar vorhergehen. Nach demselben Prinzip verdienen auch die Komposita den Vorzug vor den Simplicien. So schreibt Kl. abweichend von M. III 19, 6 ad calamitates perferendas, VII 47, 2 ex audito. Dasselbe Recht nehme ich allerdings auch für ß in Anspruch und glaube deshalb, dafs mit M. z. B. VII 83, 2 necessario que (statt necessario) zu schreiben ist. Bemerkenswert ist, dafs Kl. auf Grund von VII 45, 1 imperat his schreibt, während M. nach a his wegläfst. Noch ein zweiter Grundsatz erheischt meiner Meinung nach allgemeine Zustimmung. Wo nämlich die eine Handschriftenklasse eine unzweifelhaft falsche Lesart bietet, ist die Lesart der andern ohne weiteres in den Text zu setzen, falls sie einen guten Sinn bietet und nicht gegen Cäsars Sprachgebrauch verstöfst. Daher ist VII 63, 6 conveniunt undique frequentes zu schreiben, nicht eo conveniunt; denn dies eo ist erst aus dem fehlerhaften eodem, das sich in a findet, konjiziert. Für blofses convenire aber finden sich 14 Beispiele bei Casar. Ebenso ist VII 71, 5 mit zu stellen qua erat nostrum opus intermissum, weil die in a stehenden Worte quam opus erat intermissum sinnlos sind. An der Wortstellung in ß, die ohne Anstofs ist1), a zu Liebe zu ändern, wie nach Holders Vorgang mehrere Herausgeber,

1) Vgl. I 22, 3 zugleich mit VII 47, 2; ferner I 48, 7; III 14, 8; IV 12, 1; V 18, 3; VI 35, 6; VII 58, 4; 81, 4.

unter ihnen auch Kl., thun, halte ich nicht für richtig. VII 88, 3 heifst es in a nostri omissis pilis gladiis rem gerunt, was neuere Herausgeber nicht beanstandet haben; M. dagegen ebenso wie Kl. halten diese Lesart für falsch, und ich glaube, mit Recht; denn die Römer unter Labienus (= nostri) haben durchaus keine Veranlassung, gegen die heranstürmenden Feinde auf den Vorteil der Pilensalve zu verzichten; will ja doch Labienus vor Casars Eintreffen gar nicht den Kampf überstürzen. Die ruhige Entwickelung des Kampfes 1) aber verlangte erst die Pilensalve, die den Ansturm der Feinde abschwächt, dann den Schwerterkampf. Also ist omissis falsch; bietet dafür richtig emissis. Kl. schreibt missis, aber auch II 23, 1 heifst es pilis emissis, wie beide Handschriftenklassen überliefern, wofür allerdings auch dort Kl. das Simplex setzt. Ich erwähne nun einige Stellen, an denen Kl. in Übereinstimmung mit den bisherigen Herausgebern mit Recht Lesarten von a beibehält, während M. dafür Lesarten von in den Text nimmt: V 3, 5 familiaritate Cingetorigis (auctoritate Cingetorigis B); 35, 2 recipi (recipere 8); VI 8, 7 sese domum receperunt (contulerunt 8), 27, 2 aut sublevare (ac sublevare ẞ).

In Übereinstimmung mit M. hat Kl. stets die längeren Formen auf averunt in den Text gesetzt. Aber er geht noch weiter in dieser Beziehung, indem er stets faciendi statt faciundi und ähnliche Formen schreibt und die griechischen Akkusativformen, wie Lingonas, phalanga u. a. durch die lateinischen ersetzt.

kennt Lange) lobend an; aber er verlangt im Interesse der Schule dieses Gleichmachen noch weiter auszudehnen. Ich möchte davon abraten, weil dieses Prinzip der Sprache Gewalt anthut und den Schüler gar zu einseitig macht. Auch Langes zahlreiche Athetesen) verdienen sicher nur in den wenigsten Fällen Beachtung. Bisher ist Kl. in Athetesen vorsichtig gewesen. Mir sind nur folgende Stellen aufgefallen: 17, 1 hat er id vor nuntiatum esset getilgt; IV 28, 2 suo (sui) zwischen magno und periculo; V 9, 8 eos vor fugientes; VII 54, 3 is hinter discedentibus. Dafs die betreffenden Pronomina fehlen könnten, gebe ich zu; dafs sie überall fehlen müssen, erscheint mir zweifelhaft. I 53, 1 streicht Kl. die Worte milia passuum ex eo loco circiter quinque, da sie sich jeder Konstruktion entziehen. Hiermit ist zu vergleichen V 11, 8 der Zusatz a mari circiter milia passuum LXXX, den Kl. ebenfalls aus dem Text entfernt. An drei anderen Stellen sind meiner Meinung nach keine Athetesen vorzunehmen. So möchte ich II 20, 1 die Worte signum tuba dandum erhalten sehen; denn sie bedeuten hier, dafs Cäsar durch die Hörner das Signal

1) Ganz anders liegt die Sache I 52, 3.

2) Vgl. seine Abhandlung,,Zu den neuesten Schulausgaben von Cäsars bellum Gallicum" (Progr. Neumark i. W. 1896) S. 5 ff.

3) a. a. O. S. 8-21.

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