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Obgleich diese nun unter Erwägung aller Vorteile besonders für solchen Zweck eingerichtet werden, so braucht man doch dabei den Inhalt nicht vollständig zu vernachlässigen. Es heifst Mifsbrauch mit ernsten Dingen treiben, wenn wichtige sittliche Wahrheiten und Lebenserfahrungen in einem solchen Buche so häufig verwendet werden. Eine sittliche Wirkung wird wohl auch niemand sich davon versprechen, es kann höchstens abstumpfend wirken, das Moralisieren über Tugend und Laster, die Stimme der Vernunft und das böse Gewissen (277, 289 u. ö.), die zahlreichen Variationen über Gehorsam, Fleifs, Bescheidenheit, Strafe und Lob des Schülers. Zudem darf ich meine Aufgabe, inhaltlich und sprachlich eine Vorstufe für den römischen Schriftsteller zu erzielen, nicht aus dem Auge verlieren. Es ist also nicht zweckmäfsig, solche Begriffe, die der Knabe aus dem Religionsunterricht kennt und die den Alten fehlten, ohne weiteres ins Latein zu übertragen. Virtus kommt häufig bei Cäsar vor, und doch sind seine Soldaten nicht tugendhaft. Wozu nimmt also Tugend und Tugendhaftigkeit in Sexta einen so breiten Raum ein, wenn ich den Tertianern nachher, sobald das Wort vorkommt, sagen muss: virtus heifst nicht Tugend. Unser Buch scheint Tugend als Grundbedeutung zu nehmen: (134),,virtus domestica Tugend im Frieden, virtus bellica Tugend im Krieg, Kriegstüchtigkeit". Oder ist es, wenn ich die Futura einüben will, nicht zu umgehen, den Knaben auf die misera senectus als Folge einer sündhaft verlebten Jugendzeit hinzuweisen, ist es nötig, eine vielleicht überflüssige Rede des Lehrers an seine Schüler (148) zu profanieren? Dergleichen sind Erbstücke aus den Meiringschen Büchern; die Tertianer hatten früher auch eine Rede des Ordinarius am Anfang des Schuljahres und eine Abiturientenrede vom Direktor ins Lateinische zu übertragen. Soll eine Rede gehalten werden, so ist es besser, Adherbal redet (219 f.), oder wir suchen uns ein Muster bei Cäsar oder Livius. Der Lehrer, welcher mit seiner Thätigkeit früher stehende Figur in den Übungssätzen war, ist allerdings etwas seltener geworden. Die Römer kannten ja auch ebensowenig einen Lehrerstand wie eine Tugend in unserm Sinne. Eine beliebte Figur ist noch immer Catilina: 48, 167 S. 9, 195, 248, 278, was im Quintabuch fortgesetzt wird. Meiner Ansicht nach wäre es besser, Catilina mit all seinen bösen Gelüsten und sonstigen Superlativen aus den Übungsbüchern zu entfernen und für die Cicerolektüre aufzusparen. Auch verfrühte Kritik wird geübt, die Schriftsteller werden gelobt. 108, 239, 243 sind die in Quarta zu lesenden Vitae des Nepos iucundae, elegantes; 258 wird die grofse Kunst des Thucydides gewürdigt.

Das alles ist keine Nahrung für neunjährige Knaben. Angemessener ist jedenfalls: In umbra densarum arborum viatores tuti sunt ab (gegen) ardore solis 44, S. 5, auch 19 ist gut, wo Zeitschr. f. d. Gymnasial wesen. L. 12.

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vom Rheine, seiner Umgebung, seinen Bewohnern und deren Beschäftigung gesprochen wird, nur müfste der hier zusammengehäufte und nur angedeutete Stoff weiter verarbeitet sein, es ist Stoff zu mehreren Stücken. Darstellung einfacher menschlicher Thätigkeit, einfacher Verhältnisse menschlichen Lebens, die an keine Zeit gebunden sind, eignen sich sprachlich und inhaltlich vorzüglich.

Wir verlangen einen Übersetzungsstoff, wie ihn ein planmäfsiger, stetig vorschreitender Unterricht für so junge, noch wenig entwickelte Schüler nötig hat. Wir beginnen nicht gleich mit dem Schriftsteller, um nicht auf Notbehelfe angewiesen zu sein, wie der Verfasser unseres Übungsbuches sie sich gestattet. So finden wir bei der 3. Deklination (56 f.) eine Anzahl verfrühter Verbalformen mit eingeklammerter Übersetzung dahinter: auxit (hob), redegit, abstulit, auxit (vermehrte), succubuerunt, subvenit, attulit. Wahrscheinlich beabsichtigt der Verfasser nicht, dafs wir diese Formen so vereinzelt einprägen sollen. Dann sind sie aber Ballast, und was das Schlimmste ist, der Schüler wird eines solchen Arbeitens nicht froh, bei dem er zuletzt das Gefühl behält, dafs er die Sache doch eigentlich nicht kann.

II. Der Wortschatz.

,,Die Vokabeln sind sorgfältig ausgewählt, gleichmäfsig verteilt und auf ein knappes Mafs beschränkt“, sagt die Vorrede. 1. Die Vokabeln sind gleichmässig verteilt.

Meiring brachte die Wörter nach ihrer grammatischen Zusammengehörigkeit. So entstand der bunte Wechsel, das Vielerlei in den Einzelsätzen. Viele dieser Wörter aber fanden später gar keine Verwendung mehr, andere waren, wenn sie nach Monaten wieder auftauchten, längst vergessen. Mit Recht gestattet unser Buch sich gröfsere Freiheit. Wie wir schon früh in das syntaktische Gebiet hinübergreifen müssen, so steht es uns frei, bei der regelmässigen Konjugation einige wenige Verba, wie sto, do, video, mitto, relinquo, facio und fero, welche zur Bildung zusammenhängenden Inhaltes schwer zu entbehren sind, mit ihren regelmäfsigen Formen, und das sind die meisten, vorwegzunehmen, obgleich sie in der Grammatik unter den unregelmäfsigen stehen. Dafür lassen sich andere Erleichterungen finden. Z. B. 21 setzen wir puer zu vir und streichen gener socer liberi und den Gott des Weines Liber; 50 pugio und 46 ordo dienen mehr zur Vervollständigung des Schemas; es genügt hier zu lernen: Die Subst. auf o sind Masc., die auf do, go und io sind Feminina. Die Ausnahmen lernen wir in Quinta.,,Strengste Beschränkung auf das Regelmäfsige"!

Fisch hat die Wörter gleichmäfsig verteilt, aber das Teilen kann auch zu weit getrieben werden. Die Zugehörigkeit zur 1. oder 3. Deklination verbietet uns nicht, custodia nach aetas lernen

zu lassen, wenn das uns sonst vorteilhafter erscheint. Aber das Trennen ist zu weit gegangen, wenn nun die Substantiva der 3. Deklination in folgendem Rahmen auftreten:

I. Verzeichnis.

A. Substantiva auf o, l, r.

1. Auf o: Masculina. sermo, homo. 2. Auf io, Gen. ionis: Feminina. (4 Wörter.) 3. Auf do, Gen. inis: Feminina. libido. 4. Auf 1: Masculina. sol. 5. Auf or, Gen. oris: Masculina. (7 W.) Femininum: arbor, arbõris. II. Verzeichnis. 1. Auf io: Fem. (7 W.) - Cicero, ōnis. 2. Auf go, Gen. inis: Fem. (2 W.) Masculinum auf do: ordo. 3. Auf or: Masc. (8 W.) Fem. uxor. 5. Auf 7: Masc. consul. III. Verzeichnis. 1. Auf o: Masc. draco, pavo. Fem. Iuno. Abweichend: Apollo, inis. 2. Auf io: Fem. (4 W.) Masc. pugio. 3. Auf do: Fem. (4 W.) 4. Auf or: Masc. (8 W.) Fem. soror. 5. Auf und r: Masc. (4 W.) Fem. mater, mulier. Vorstehendes Bild (S. 15-17), noch mit vielen wagerechten und senkrechten Strichen und Linien versehen, kann schwerlich dazu beitragen, Klarheit in den jungen Köpfen zu schaffen und das Gedächtnis zu stützen. Sollte es z. B., schon um Raum zu sparen, nicht gestattet sein, sol und consul, uxor und soror, homo und Apollo zusammenzuschreiben und grex (Masc.) von S. 29 etwas früher unter ,,G 2. Auf ex: Masc." zu bringen, um den abermaligen Zusatz (Masc.) überflüssig zu machen?

Die Trennung ist ferner zu weit getrieben 253; denn auch dort handelt es sich um engere Zusammengehörigkeit, als die gleiche Flexionsweise bedingt. Es fehlen zu scribo: describo; sumo: assumo; dico: edico; duco: adduco, reduco; iungo: adiungo, seiungo; rego: corrigo; traho: extraho; denn alle diese Komposital werden nachher verwendet und stehen meistens schon auf den nächstfolgenden Seiten. So 238 statuo, 242 constituo, restituo, 247 instituo. Das heifst innerlich Zusammengehöriges ohne jeden Grund auseinanderreifsen zum Nachteil des Unterrichtes. Vgl. noch die Präpositionen in und sub, deren Konstruktionen und Bedeutungen zerstreut sich finden: 2, 48, 55, 85, 253.

Der Verfasser ist auch bestrebt, die Wörter nach ihrem Abhängigkeitsverhältnis von einander zusammenzustellen und zu ordnen: certus incertus, fidus perfidus, facilis difficilis, pecco peccatum, legatus legatio sind richtig vereinigt. Doch es überwiegt die eben gekennzeichnete Art zu trennen, zu zerstreuen, was noch bedenklicher wird, wenn dabei die natürliche Reihenfolge gestört wird. Vgl. 9 reportat, 169 asporto und erst 301 porto I. ich trage. 160 optabilis, 166 opto. Zu despero (und spes) fehlt spero überhaupt; 33 iniustus, 38 iustus; 100 similis und immortalis, 134 dissimilis, 139 mortalis; 38 impius (pius fehlt), 55 pietas, erst 160 impietas. Bezeichnend ist noch folgende Reihenfolge: 27 neque

neque, 36 non, 293 neque, 305 que: nahezu umgekehrt, wie sie sein müfste.

an

Ganz recht ist es, wenn der Verf. mit Rücksicht auf amicus, deus, dominus, patronus, servus, filius auch die entsprechenden Feminina voraufgehen läfst. Nach richtigem Grundsatz ist er verfahren, wenn wir 93 aeneus, argenteus, aureus, ferreus vereinigt finden. Man könnte ligneus, lapideus, marmoreus, deren Stammwörter gelernt sind, hinzufügen, wobei es nicht gerade nötig ist, dafs nun jedes dieser Adjektiva in den nächsten Stücken gebraucht wird. Mit diesen Wörtern will doch der Verf. auch die Ableitung einprägen lassen das deutet er durch die Zusammenstellung so dafs also der Lernstoff in Wirklichkeit nicht vermehrt wird, wenn wir statt vier dieser Bildungen deren sieben angeben. Das sind kleine Vorteile, die man sich nicht darf entgehen lassen. Zu antea (137) gehören: postea, praeterea, interea, propterea; zu optabilis (160): amabilis, laudabilis, mutabilis. Überall, wo die Wortbildungslehre dazu dienen kann, den Weg abzukürzen, wird man sie gern heranziehen, nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck. Etymologisch geordnete Vokabularien scheinen nicht geeignet, weil die Etymologie in unsern Schulen in untergeordneter Stellung bleiben soll, nirgends eine herrschende Rolle spielen darf. Zu der Gruppe imperare, imperator, imperium nehmen wir parare nicht hinzu, weil die Bedeutung Schwierigkeit macht; für diese Gruppe gilt,,Befehl als Grundbedeutung.

Wie mit der Grundform verhält es sich mit der Grundbedeutung eines Wortes, einer Wortfamilie. Ein einseitig wissenschaftliches Vorgehen würde nicht selten den Bedürfnissen des Unterrichtes widersprechen. Häufig genügt uns eine abgeleitete Bedeutung mit ihrer weitern Verzweigung. Wenn man den ganzen Baum mit Stamm und Wurzel nicht haben kann, ist es auch schon lehrreich, einen einzelnen Ast mit seinen Zweigen und Früchten vorzuzeigen.

So oft neben der abgeleiteten, bildlichen, geistigen Bedeutung die sinnliche noch im Gebrauch ist, wird man in der Regel von der letzteren ausgehen. Es ist nicht gleichgiltig, ob von einem Worte die gewöhnliche, dazu ursprünglichere, oder die seltnere, vielleicht nur in bestimmten Verbindungen geltende Übersetzungsweise zuerst gelernt wird. In den Fällen, wo das Deutsche keinen gleichen Ausdruck für den lateinischen setzen kann, ist es unstatthaft, dem Schüler den Ersatz, zu dem ich dann greifen mufs, gleich fertig an die Hand zu geben, ohne einen Einblick in seine Entstehung zu gewähren. Dadurch würde Oberflächlichkeit, Gedankenlosigkeit grofs gezogen. Es steht so im Lexikon“, sagt dann später der Junge nicht ohne Selbstbewusstsein bei einer Stelle, die er unglücklicherweise mit Angabe des Kapitels fertig übersetzt gefunden hat, wenn man nach der wörtlichen Übersetzung fragt; mit Bedauern sieht man sich genötigt, ihm begreif

lich zu machen, dafs er verkehrt gearbeitet hat, dafs es ganz
überflüssig war, das Lexikon zu befragen.

In der Cäsarlektüre begnügen wir uns nicht mit expeditus
,,schlagfertig", gerüstet, impedimenta,,Gepäck“, ohne den statt-
gehabten Bedeutungswandel aufzudecken, indem die Wörter mit
impeditus, impedire, pes zu einer Gruppe zusammengeschlossen
werden. Verwirrend mufs es wirken, wenn neue Wörter ganz
willkürlich zuerst eingeführt werden, wie die folgende Auslese
zeigt, zumal da die ersten Eindrücke am leichtesten haften bleiben.
§ 6 colit verehrt, 77 collocat schlägt auf, pendit entrichtet, 82
fecit verfertigte (warum nicht machte?), 103 poculum mortiferum
Giftbecher besser wäre es, poculum Becher und mortifer to d-
bringend anzugeben (mors, frugifer und pestifer 67 sind da-
gewesen). In der Stunde könnten wir dann den Giftbecher selbst
finden. 214 turbo ich störe, beunruhige, 269 turbo I ich ver-
wirre, 282 turbo I ich trübe: welche Bedeutung von turbo soll
der Knabe nun behalten? turbo verwirre, störe, einmal an-
gegeben, einmal gelernt genügte. Wenn dann auch bei der
ersten Übersetzung von aquam turbant,,sie verwirren das Wasser"
herauskommt, so ist das kein Unglück, wahrscheinlich aber kommt
der Übersetzende von selbst oder sein Nachbar auf „trüben“. Ist
aber aus dem Deutschen zu übertragen, so wird gesagt: trüben
= verwirren. 2 superat übertrifft, 21 superat überwindet, 160
supero übertreffe, überwinde; 2 delectat ergötzt, 18 delectat erfreut:
33 impavidus unerschrocken, 81 furchtlos; 77 humanus mensch-
lich, 103 leutselig; 77 dux (Masc.) Führer, 139 dux Führer,
Führerin; 9 servat rettet, bewahrt, 156 rette, erhalte, bewahre,
307 servo I ich halte (z. B. ein Versprechen); muto 156 und 282,
integer 35 und 144 (makellos: zur Ermahnung des Lehrers!), 21
de über, um: von der örtlichen Bedeutung ist auszugehen, da
dieselbe ebenso gebräuchlich und in der Zusammensetzung die
Regel ist. Das Richtige sehen wir 46 condicio:,,die Bedingung;
Lage, der Zustand" wird mit einem Male gelernt, statt die Be-
deutungen durch das ganze Buch zu verzetteln. So konnte supero
,,ich überwinde, übertreffe" gleich § 2 abgethan werden, ebenso
delecto,,ich erfreue", entbehrlich ist,,ergötzen". Wir werden
hier an die Angabe der Vorrede erinnert, dafs vor den einzelnen
Stücken auch einige Wörter zugegeben werden (an die zahlreichen
in Klammern denkt der Verf. nicht), die der Lehrer nach eigenem
Urteil lernen lassen darf oder auch nicht. Es scheint mir mifs-
lich, dafs es für nötig gehalten wird, diese Freiheit anzubieten,
sie scheint mir nicht annehmbar. Alles, was vorkommt, mufs ge-
lernt werden, denn es ist durchaus kein Grund vorhanden, mehr
Wörter zu bringen oder sie früher zu bringen, als sie eingeprägt
werden können.

2. Auswahl.,,Die Vokabeln sind sorgfältig ausgewählt".
Hier wäre noch folgendes zu erinnern. Vor allem die vielen

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