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dann im Lateinischen heifsen müssen? Oboediendum est legibus vel si iniusta iubeant. Welche von beiden Formen entspricht besser der Würde des Gesetzes? Offenbar die zweite. Hier heifst es, man sei den Gesetzen Gehorsam schuldig, sollten sie selbst (einmal) Unrechtes befehlen, was allerdings im Reiche des Möglichen und Denkbaren liegt, immerhin aber eine seltene Ausnahme sein wird. Von Sokrates ist nicht weit zu Alcibiades, der dem Befehle nach Athen zurückzukehren, nicht Folge leistete. Oboediendum erat, wird man fortfahren, vel si iniusta lex iussisset (εтέov ἦν καὶ εἰ ἄδικα ἐκέλευσεν ὁ νόμος). Eigentlich aber besals Sokrates dem ungerechten Spruche des Gesetzes gegenüber doch nur den passiven Gehorsam: er starb, die Flucht verschmähend, als ein ungerechter Spruch der Richter ihm, dem Gerechten, dem Unschuldigen, zu sterben befahl. Wo das Gesetz ihn aber zu ungerechtem Thun zwingen wollte, verweigerte er ihm den Gehorsam: Quae eum leges iniuste facere iubebant, eis non oboediebat (ἃ οἱ νόμοι ἀδίκως κελεύοιεν ποιεῖν, τούτοις οὐκ ἐπείθετο ἃ ἂν οἱ νόμοι ἀδίκως κελεύωσι ποιεῖν, τούτοις λέγει οὐ πειστέον siva). Wer hinüberzuleiten, umzuwandeln, zu erweitern, zu gestalten versteht, findet in einem einzigen Satze für eine ganze Unterrichtsstunde ausreichenden Stoff zu lateinisch-griechischen syntaktischen Übungen. Besser aber, zu einer neuen Operationsbasis überzugehen, als den gewählten Gedanken, in dem Bestreben, ihn recht auszunutzen, in unschöne und affektierte Formen zu zwingen. Auf allen Stufen mufs beim grammatischen Unterrichte das Sprachmaterial mit Geschmack und Kunst gestaltet werden. Wenn irgendwas, so hilft auch dieses in den Sinn und Geist der Alten dringen, und man mufs es immer wieder sagen, dafs in dem weiten Gebiete der Realien nur wenige Strecken sind, welchen der Schüler mehr für die Kenntnis der antiken Lebensauffassung und der antiken Denkweise gewinnen könnte, als aus einem richtig und geschickt betriebenen grammatischen Unterrichte.

aus

In lateinischer Sprache formulierte Übungssätze zur Einübung der griechischen Syntax gewähren den grofsen Vorteil, dafs sie viel abstraktes Gerede ersparen, ohne besondere Repetitionen das früher in den lateinischen Stunden Gelernte befestigen und durch die Gegenüberstellung des Griechischen in schärferer Beleuchtung zeigen. Wird, wie in diesem Buche, noch einmal die griechische Syntax in derselben breiten Ausführung geboten, wie vorher die lateinische, so verschwindet das Abweichende in der Masse des genugsam Erklärten, für welche nunmehr ein kurzes, zurückweisendes Wort ausreichend ist. Das zum Übersetzen gebotene lateinische Beispiel wirkt nur im ersten Anfange verblüffend. Auch die Schüler olo viv slot, gewöhnen sich sehr schnell an diese Art der Behandlung. Und ist es nicht eine Disharmonie, zur Einübung der griechischen Syntax andere Beispiele als solche in lateinischer Sprache zu bieten? Ist der Weg vom Lateinischen

zum Griechischen überdies nicht viel näher und bequemer als der vom Deutschen zum Griechischen? Nicht für den Schüler, nur für den Lehrer wird der Unterricht im Griechischen nach dieser Methode schwerer. Auch von diesem aber wird es bald als eine Erleichterung gefühlt werden, wenn er in sich die tot gesagte Sprache der Römer zu einer lebenden gemacht hat. Man vergleiche doch nur die deutsche Form, die man einem Gedanken geben mufs, damit ihn der Schüler ins Griechische übersetzen kann, mit der entsprechenden lateinischen. Was im Deutschen meist wunderlich und undeutsch klingt, klingt im Lateinischen, was mit dem Griechischen im Grunde doch eines Geistes ist, ganz natürlich. Will ich zu hören bekommen: Τίς οὕτω διεφθαρμένος ἐστὶ τὴν ψυχήν, ὃς οὐκ ἂν μᾶλλον βούλοιτο δίκαιος δοκεῖν ἢ adixos, so mufs ich in einer seltsam fränkischen Ausdrucksweise sagen:,, Wer ist so verderbt an Seele, der (dafs er) nicht lieber gerecht als ungerecht scheinen wollte? Das will gar nicht über die Lippen. Wer lateinisch versteht, wird aus einem inneren Drange gleich lieber sagen wollen: Quis tam corrupto est animo, quin malit iustus videri quam iniustus? Und übersetzt der Schüler, durch das Lateinische verführt, διεφθαρμένῃ τῇ ψυχῇ, nun dann schicke man gleich zur Klarstellung dieses Unterschiedes der beiden Sprachen ein zweites Beispiel hinterher. Die fünfte Verrine wird. vielleicht gerade gelesen. Wie von selbst bildet sich da im Kopfe des Lehrers ein Satz wie dieser: Quis vestrum tam ferreus est (tam duro est animo), quin lacrimaturus fuerit, si talia vidisset? Τίς ὑμῶν οὕτω σκληρός ἐστι τὴν ψυχήν, ὃς οὐκ ἂν ἐδάκρυσε τοιαῦτα ἰδών; Ganz abgesehen von den Vorteilen im einzelnen, wird durch diese enge Verbindung der beiden Sprachen das Verständnis für die naive, ehrliche und einfache Denkweise der Alten mächtig gefördert, womit, wie jeder gestehen mufs, zugleich für die altsprachliche Lektüre im allgemeinen viel gewonnen wird.

Das vorliegende Buch erhebt nicht den Anspruch, Neues zu bieten; das Lob einer sorgfältigen Zusammenstellung aber wird man ihm zugestehen dürfen. Zu den von dem Verf. selbst gemachten oder übersetzten Beispielen jedoch mufs man oft den Kopf schütteln. Zur Erklärung der drei Modi bietet der Verf. die Sätze: ὁ πατὴρ νοσεῖ, νοσοίη ἄν, ἐνόσησεν ἄν, S. 69 ἀγνοῶ εἰ τοῦτο ἀληθές ἐστι, S. 41 ἔλεξε τοῦτο οὐκ ἂν ἀληθὲς εἶναι, S. 31 forte accidit ut run syέvero dove, S. 29 Themistocles noctu ambulabat, quod somnum capere non posset oui où dýranto ὕπνου λαχεῖν (in der Anmerkung folgt allerdings ως nach), S. 73 quiv iréov dotív, S. 24 cum epistulam scribimus, delectamur ὅταν ἐπιστολὴν γράφωμεν, χαίρομεν. Gedruckte Beispiele müssen sich vor der Klippe der Nichtigkeit bewahren, zumal in unserer Zeit, wo alles grammatische Unterrichten als ein ödes, pedantisches Thun angefeindet wird. Schon beim Unterrichten

ist es bedauerlich, wenn einem im Drange des Augenblicks nichts Besseres einfällt. Was soll man sich überhaupt bei o naing voooín av denken? Wie soll man fortfahren? Ich schlage vor νοσοίη εἰ μη καθ' ἑκάστην ἡμέραν οἴνου κριθίνου πίνοι. Zu vielen dieser Beispiele liefse sich mancherlei in sprachlicher wie in sachlicher Hinsicht anmerken. Ich will bei dem zuletzt citierten noch einen Augenblick verweilen, weil es typisch ist. Was soll ötav ὅταν ἐπιστολὴν γράφωμεν, χαίρομεν heifsen ? Kann man so überhaupt im Griechischen sagen? Mufs es nicht vielmehr heifsen zaigouεv roάgovtes? Dazu kommt, dafs der Satz, so harmlos er auch ist, doch unantik ist. Ein antiker Mensch konnte allerdings auch sagen, dafs es ihm Freude mache per epistulam quasi colloqui cum absente amico, dafs er delectari hoc epistularum commercio. Aber das nackte ὅταν ἐπιστολὴν γράφωμεν, χαίρομεν könnte nur heifsen, das Briefschreiben überhaupt mache jemandem Vergnügen. Das aber ist ein Gedanke, den wohl ein heutiger Mensch haben könnte, der aber schlecht zu den Lebensgewohnheiten wie zu den Meinungen der Alten stimmt. Für eine künftige Auflage möchte also wohl dem Verf. zu raten sein, seine Beispiele etwas glücklicher zu gestalten und hinsichtlich der von ihm selbst gemachten seiner Einbildungskraft eine etwas gröfsere Anstrengung

zuzumuten.

Gr. Lichterfelde bei Berlin.

0. Weifsen fels.

Adolf Kaegi, Griechisches Übungsbuch. Zweiter Teil: Das Verbum auf und das unregelmäfsige Verbum. Die Hauptregelo der Syntax. Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage. Berlin 1896, Weidmannsche Buchhandlung. 8. 171 u. VI S. geb. 2 M.

Die erste Auflage des vorliegenden Übungsbuches, welche von mir in dieser Ztschr. XLIX S. 286 f. besprochen wurde, war 139 S. stark, diese zweite ist auf 171 S. angewachsen. Wohl finden sich einige Streichungen, so Nr. 24 B C = 23 der ersten Auflage Satz 7, aber sie verschwinden neben der gewaltigen Zahl von Zusätzen, wie Nr. 5 B Satz 11, Nr. 8 A Satz 11. 12, B Satz 11, Nr. 18 A Satz 14. 15, Nr. 21 A Satz 10, Nr. 22 B 3 neue Formen und Satz 9, Nr. 26 A Satz 8, Nr. 27 A Satz 7, Nr. 28 A Satz 12, B Satz 10, Nr. 29 A Satz 10-13, Nr. 30 C Satz 11. 12, Nr. 31 C Satz 8-12, Nr. 32 B Satz 7-9, C Satz 11-16; ganz neu ist Nr. 20 mit 28 Sätzen und Nr. 35 mit 76 Sätzen, desgleichen die Nr. 91-100 mit 27 zusammenhängenden Abschnitten zur Einübung der Moduslehre; demgemäfs ist auch das deutsch-griechische Wörterbuch um 10 Seiten gewachsen.

Der Verf. motiviert den erweiterten Umfang des Buches mit seinem Bestreben, ,,hinreichenden Stoff zur Übung und auch zur Abwechslung" bieten zu wollen, und stellt für später ,,noch einige Metaphrasen zur Anabasis, wie sie allerdings bereits von einer Seite verlangt wurden", in Aussicht. Ich hoffe, er

folgt dieser Sirenenstimme nicht. Schon die Vermehrungen der 2. Auflage sehe ich mit einem nassen, einem heitern Auge" an. Wohl zeugen auch sie wieder von dem grofsen Geschick und dem sichern praktischen Blick des Verfassers, aber, um Cäsars bekanntes Wort zu travestieren,,,lafst wohlbeleibte Bücher fern mir sein", besonders solche Schulbücher. Noch ist das vorliegende Buch nicht zu dick, aber die Neigung zur Korpulenz ist schon da, und ob sich diese ein Schulbuch in der jetzigen Zeit, die dem ganzen klassischen Altertum und, besonders dem Griechischen so frostig gegenübersteht, gestatten darf, erscheint sicherlich nicht blofs dem Referenten sehr fraglich.

Im übrigen wünsche ich dem Buche, dafs es alle seine alten Freunde behalte und womöglich neue dazu gewinne.

Liegnitz.

Wilh. Gemoll.

Otto Wendt, Encyklopädie des französischen Unterrichts. Zweite, umgearbeitete und bedeutend vermehrte Auflage. Hannover 1895, Carl Meyer (Gustav Prior). VIII u. 356 S. 8. 5 M.

Die zweite Auflage von Wendts Encyklopädie des französischen Unterrichts ist ganz dazu angethan, dem Werke zu den alten Freunden neue hinzuzuerwerben. Man kann es nur mit Freude begrüfsen, dafs der Verfasser hier noch weit mehr als in der ersten Auflage bestrebt gewesen ist, die Interessen aller Französisch lehrenden Schulen, nicht blofs die der lateinlosen Bildungsanstalten, zu berücksichtigen. Für eine solche Anlage des Werkes sprechen ja die zahlreichen Berührungspunkte in dem Unterricht auf den Schulen der verschiedensten Kategorieen, dafür die gleichen Grundlagen der Vorbildung aller Fachgenossen, dafür endlich der Umstand, dafs die Studierenden der Philologie, zumal die der modernen, nur in ganz vereinzelten Fällen schon beim Beziehen der Universität in der Lage sind, eine bestimmte Lehranstalt oder auch nur eine bestimmte Kategorie von Lehranstalten für die künftige Ausübung ihres Berufes ins Auge zu fassen. Und doch ist gerade im Anfang des Studiums ein Wegweiser wie der vorliegende von Nutzen, da er dem Studierenden die grofsen Aufgaben seines Berufes, die letzten Ziele seiner Ausbildung für die Praxis und die zuverlässigsten Führer zu denselben anzeigt, ohne ihm doch die Mühe abzunehmen, sich der streng wissenschaftlichen Betrachtung seines Faches zu widmen und dafür die lebendige Unterweisung der Koryphäen auf diesem Lehrgebiete kräftigst in Anspruch zu nehmen.

Vielleicht hätte Wendt gut gethan, neben der geschichtlichen Entwicklung der Methodik des französischen Unterrichts — er selbst sagt: Methodik der französischen Sprache auch eine kurze Übersicht über die Entwicklung der Sprachforschung selbst zu geben; doch hat er dies offenbar absichtlich beiseite gelassen,

da er sein Werk in dem Titel ausdrücklich als in Rücksicht auf die Anforderungen der Praxis geschrieben hinstellt.

erörtert er denn im 1. Kapitel (S. 1-13),,Wert und Bedeutung des neusprachlichen Unterrichts"; im 2. Kapitel (S. 13-112),,Die geschichtliche Entwicklung der Methodik der französischen Sprache"; im 3. Kapitel (S. 113-347),,Die angewandte Methodik", und zwar auf der Unterstufe (S. 121-197), Mittelstufe (S. 197-249) und Oberstufe (S. 249-347). Den Rest des Buches (S. 348-356) nimmt ein sehr sorgfältig gearbeitetes, überaus willkommenes,,Register" ein.

Das erste Kapitel über Wert und Bedeutung des neusprachlichen Unterrichts berührt besonders wohlthuend durch die Wärme, mit der es geschrieben ist. Man liest die Begeisterung des Verfassers aus den Zeilen heraus, wiewohl sie von der gleichen Sachlichkeit diktiert sind, die dem Autor durch das ganze Werk hindurch fast ausnahmslos die Feder führt. Wie Wendt bei Beurteilung der einzelnen Erzeugnisse unserer Schullitteratur zumeist die bewährtesten Kritiker aus unseren besten Fachzeitschriften zu Worte kommen läfst, so liebt er es, seine allgemeinen Betrachtungen durch die Aussprüche anerkannter Pädagogen, geschätzter Gelehrter und bekannter Dichter und Denker zu stützen. Nicht selten zieht er zu diesem Zwecke auch Beschlüsse von Direktoren-Konferenzen, und namentlich die Erläuterungen zu den Preufsischen Lehrplänen herbei, wodurch der künftige neuphilologische Lehrer gleichzeitig auch auf diese Quellen der Belehrung aufmerksam gemacht wird.

Beweist Wendt durch die Wahl seiner Citate Geschmack und gesundes Urteil, so zeichnet er sich in dem, was er selbst schreibt, durch Knappheit, Klarheit und durch eine Darstellungsweise aus, die dieses Werk der Belehrung zu einer erfreulichen, beinahe möchte ich sagen, unterhaltenden Lektüre macht. Kann und will die vorliegende Encyklopädie auch nicht auf Vollständigkeit in dem Sinne des grofsen Körtingschen, des Schmitzschen oder gar des Gröberschen Grundrisses Anspruch machen, so ist sie doch so weit entfernt davon, eine blofse Nomenklatur fremder Werke zu bieten, dafs sie vielmehr in jedem Gebiete, das sie berührt, belehrend, aufklärend und mitunter selbst anregend wirkt. So ist dies namentlich der Fall in den einzelnen Abschnitten des zweiten Kapitels: Bildung und Charakter des Französischen (S. 13-24), Eindringen des romanischen Elements in Deutschland (S. 24-31) und Methodischer Betrieb der französischen Sprache (S. 31-112). Der letztere Abschnitt handelt zunächst von denjenigen Methoden, die sich ohne Rücksicht auf die Sprachwissenschaft entwickelt haben (S. 31-50), dann von denjenigen, die unter dem Einflufs der wissenschaftlichen Sprachforschung entstanden sind (S. 50-65), ein dritter. Teil dieses Abschnittes (S. 65-70) ist dem fremdsprachlichen

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