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Sechstes Capitel.

Debatten über Krieg und Frieden in Frankreich. Ministerielle Revolution vom 10. März 1792.

Gerade die populäre Abneigung gegen die bisherige Allianz Frankreichs mit Desterreich trieb in den Gegnern des Hofes den Gedanken hervor, Desterreich als den vornehmsten und unmittel= barsten Feind der Franzosen zu betrachten. Wenn in der ersten Assemblée die Besorgniß gehegt worden war, ein ausbrechender Krieg werde die executive Gewalt stärker machen, als man wünschen könne, so brauchte man das in diesem Augenblicke nicht mehr zu fürchten. Denn die legislative Gewalt war mit der executiven im vollen Zerwürfniß; wofern es zum Kriege kam, mußten alle Sympathien denen zufallen, welche ihn im Einklange mit den popu= lären Leidenschaften forderten. Die Jakobiner konnten darauf rechnen, alsdann auch in der legislativen Versammlung keinen Widerstand mehr zu finden. Daher kam es nun, daß, während die Regierung und ihre Anhänger den Frieden zu erhalten strebten, die Absicht der Jakobiner darauf gerichtet war, den Krieg zum Aus= bruche zu bringen. Besonders machte es sich Jacques Pierre Brissot, der einen Theil seines Lebens als Flüchtling außerhalb Frankreichs zugebracht und dabei eine gute Kenntniß der europäi= schen Angelegenheiten erworben hatte, zum Geschäft, in der legislativen Versammlung die auf den Krieg zielenden Ideen zu entwickeln und zu empfehlen. Brissot war ein Schriftsteller keinesweges von dem Range, wie Mirabeau und Sieyes; er gehörte einer mittleren Klasse von Talenten an, die aber nicht selten einen be= herrschenden Einfluß ausüben. In dem philosophisch-politischen Streite des Jahrhunderts hatte er sich anfangs den englischen Doctrinen angeschlossen, war aber dann zu den amerikanischen übergegangen. Bei dem Ausbruche der Revolution war er nach Frankreich zurückgekommen und zu einer Stelle im Gemeinderathe ge=

v. Rante's Werke. 1. u. 2. G.-A. XLV. Revolutionskriege.

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langt; er hatte in den früheren Zeiten einmal in der Bastille ge= sessen; damals kamen die Schlüssel der zerstörten Burgbeste in seine Hände. Er begleitete dann die revolutionäre Bewegung mit einer entschiedenen und immer wirksamen Zeitschrift. Einer der großen Wortführer der Partei, welche den gemäßigten Constitutionellen, den Feuillants und dem Ministerium entgegentrat, war er durchdrungen davon, daß der Krieg den Sturz derselben herbeiführen werde. In ausführlichen Reden suchte er nachzuweisen, daß der Kaiser bereits in offener Feindseligkeit gegen Frankreich begriffen sei. Er habe den Tractat von 1756 verleßt; man möge ihn zu einer Erklärung über sein Verhalten auffordern, und zwar in einer bestimmten Frist; wenn seine Antwort nicht genügend ausfalle, müsse man ihn angreifen. Wenn nun dergestalt Brissot, dem sich seine Freunde, die Deputirten von der Gironde, anschlossen, auf das entschiedenste, und zwar in dem eigenen Interesse, den Krieg forderte, so würde er doch schwerlich durchgedrungen sein, wäre ihm nicht die Aufregung, die aus dem Gange der allgemeinen Angelegenheiten entsprang, zu Hilfe gekommen. Man hatte jezt in Frankreich Kunde von der Absicht, einen europäischen Congreß zur Verbesserung der französischen Constitution ins Leben zu rufen, was nicht anders als das Selbstgefühl der Nation aufregen und die Richtung auf den Krieg verstärken konnte. Vergebens ermahnte der Minister Delessart in der Debatte zur Mäßigung, weil sonst leicht die Eigenliebe der fremden Fürsten verlegt und alle Verhandlung fruchtlos werden würde. Entscheidend war die Sizung vom 25. Januar. Die Vorschläge Brissots wurden in derselben näher präcisirt. Nach dem ersten Artikel des neuen Antrages, welchen Hérault de Séchelles einbrachte, sollte der König eine bestimmte Antwort von dem Kaiser darüber verlangen, ob er im Frieden und im Einverständniß mit der französischen Nation leben wolle, und ob er auf jeden Vertrag verzichte, der gegen die Souveränetät, Unabhängigkeit und Sicherheit der französischen Nation gerichtet sei; bis zum nächsten ersten März solle er sich darüber aussprechen; selbst eine evasive oder aufschiebende Antwort würde als Kriegserklärung zu betrachten sein. Dabei wurde zugleich dem Könige Ludwig XVI. ganz offen eine Beschränkung seiner Macht zugemuthet. Er sollte erklären, daß er nur im Auftrage der fran= zösischen Nation und kraft der ihm von derselben übertragenen Gewalt mit fremden Mächten unterhandeln könne.

Da zeigte sich am deutlichsten, wie eng die äußeren und die

inneren Fragen verbunden waren. Am nächsten lag die innere; denn an eine Kriegserklärung gegen Desterreich war nicht zu denken, solange der König im Besit seiner constitutionellen Gewalt blieb, umgeben von Ministern, die ihm in demselben Sinne ihren Rath ertheilten. Auch gegen diese waren bereits die heftigsten Aeußerungen gefallen. Man sollte ihre Verantwortlichkeit mit der Schärfe des Gesezes zur Geltung bringen. Wer die Nation verrathe, der wird mit Hinrichtung bedroht; so drückte Isnard sich aus, gleich als habe die Partei alles schon durchgesezt, was sie durchsetzen wollte, und die Gewalt vollkommen in ihrer Hand. Aber noch war dies keinesweges der Fall; der Minister Delessart hat den fremden Gesandten schon im voraus die Erklärung gegeben, daß der König an den ihm durch die Constitution übertragenen Rechten festhalten werde; in diesem Sinne sprach Ludwig XVI. sich in seiner Antwort an die Versammlung am 28. Januar aus. Er erinnerte, daß kraft der Constitution ihm allein das Recht zustehe, die Beziehungen mit den auswärtigen Mächten zu unterhalten, und daß die legislative Versammlung nur auf seinen förmlichen Vorschlag einen Krieg beschließen könne.

Die Frage über Krieg und Frieden wurde identisch mit der Frage, ob die Constitution mit der dem Könige vorbehaltenen Prärogative aufrechterhalten werden würde oder nicht.

Es war eine Doppelstreitigkeit, welche die Zukunft der Welt in sich schloß: Monarchie oder Republik, Krieg oder Frieden mit Europa. Für die Monarchie und den Frieden war die Aussicht noch immer nicht ungünstig. Wohl fühlte sich die legislative Versammlung, wenigstens ein Theil derselben, durch die Weigerung des Königs, ihre Dekrete zu sanktioniren, abermals verlegt; die demokratischen Führer meinten, bei Aufstellung derselben vollkommen in ihrem Rechte gewesen zu sein. Ernstlich aber war die Mehrheit der Versammlung doch nicht für den Krieg. Eine Erklärung des Kriegsministers, aus der sich ergab, wie wenig Frankreich zum Kriege vor= bereitet sei, blieb nicht ohne Wirkung; die Stimmung schien sich zu beruhigen, und wenigstens der preußische Gesandte Golg war der Meinung, ein Ausbruch des Krieges sei nicht zu befürchten, wenn nur das Treiben der Emigranten keine neuen Aufregungen veran= lasse; er betonte, daß die von ihm abgegebene Erklärung, der König von Preußen halte in der elsassischen Angelegenheit zum Kaiser, die friedliche Stimmung besonders befördert habe; doch müsse nun auch der Kaiser auf die zur Ausgleichung gemachten Vorschläge eine ein

gehende und friedfertige Antwort geben. Auf die Feuillants hatte die Verweigerung der Sanktion einen guten Eindruck gemacht, indem sich Ludwig XVI. dabei auf sein constitutionelles Recht bezog; sie hatten wieder die Oberhand. Mit Preußen meinte man trog der erwähnten ungünstigen Aufnahme Ségurs freundschaftliche Be= ziehungen anknüpfen zu können. Delessart sprach davon, daß der französische Hof einen anderen Gesandten schicken wolle, zu welchem der König mehr Vertrauen fassen werde. Er nannte Custine, welcher sich der Gnade des Herzogs von Braunschweig erfreue und durch seinen Schwiegervater mit dem Prinzen Heinrich in Rheinsberg in Verbindung stehe. Es sei sehr schwer, jezt einen Gesandten für Berlin zu finden. Wäre der Ernannte für die Revolution, so würde man ihn in Berlin ungern sehen; wäre er dagegen, so würden die Revolutionäre schreien. Der österreichische Geschäftsträger Blumendorff trat jest in das beste Einvernehmen mit dem preußischen Gesandten. Er äußerte die Ansicht, daß die Bewegung der Faction, d. h. doch der Jakobiner, durch die An= hänger der Constitution erstickt werden müßte, obwohl auch diese Demokraten seien. Die Fehler der Constitution würden sich nach und nach verbessern lassen 1). Golg irrte, wenn er darin die Meinung der Königin wahrzunehmen glaubte. Gewiß aber war es die Meinung Delessarts und aller derer, die den Frieden ernstlich wünschten.

Aber indeß schritt die Assemblée auf ihrem revolutionären Wege immer weiter fort. Man faßte die Absicht, die Güter der Emigranten zu sequestriren, um mit ihrem Ertrage die Kosten der Kriegsrüstung zu bestreiten. Die Hoffnungen, denen man sich hingab, gingen sehr hoch; nur wenig aber entsprach ihnen der Zustand des Landes. Frankreich, meinte Golg, sei ohne disciplinirte Armeen, ohne Generale, ohne Geld und in vollständiger innerer Anarchie 2).

Besonders drohend erschien der Gegensatz zwischen der Bourgeoisie und der Masse der Bevölkerung in Paris, der von Zeit zu

1) Ce qui pourrait être désiré, serait que les factieux fussent étouffés par les démocrates amis de la constitution et que les nombreux défauts de celle-ci fussent corrigés peu-à-peu par la nature de la chose.

2) La France est sans armées disciplinées, sans généraux connus, sans argent, et la plus grande anarchie dans toutes les parties. De pesche von Goltz vom 13. Februar.

Zeit hervortrat. Die Vorstädte regten sich abermals in Folge der kirchlichen Dekrete und unter dem Einfluß der Jakobiner, von denen man bemerken wollte, daß das Volk durch sie gegen die besigende Klasse aufgeregt werde. Aber die Nationalgarde zeigte sich noch entschlossen, die Bewegung niederzuhalten.

Man hat aus dieser Zeit einen Brief 1) von Pétion, in welchem er die Gefahr der Lage daher leitet, daß der dritte Stand, der die Revolution gemacht habe, sich von dem Volke, welches dabei auf seine Seite getreten sei, trenne. Als eine der tiefgreifendsten Fragen muß es betrachtet werden, inwiefern die Verbindung dieser Ele= mente möglich war oder nicht. Man gab damals der Bourgeosie Schuld, einen neuen Adel bilden zu wollen. Der Brief Pétions trug nur dazu bei, das Mißtrauen zwischen beiden zu vermehren; und soeben trat ein kleiner Vorfall ein, der es noch verschärfte.

Alte Mitglieder der französischen Garde, die bei einer Um= bildung der königlichen Garde in dieselbe nicht aufgenommen waren, schlossen sich den Jakobinern an. Sie klagten über die Bourgeoisie, welche sie verachte, und drohten, sich selbst Recht zu verschaffen, sie, die Gründer der französischen Freiheit, wenn das nicht von der legislativen Versammlung geschehe. Man erschraf bei dem Gedanken, daß eingeübte Soldaten, wie diese es waren, an die Spige der Masse der Bevölkerung treten könnten.

Um so mehr aber durfte auch die Regierung bei ihrem Bestreben, den Frieden zu erhalten, auf Beistand rechnen. Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten meinte noch mit den Jako= binern auf friedlichem Wege fertig zu werden. Um das, was man Intriguen nennen könnte, die geheimen Absichten des Hofes zu Wien oder auch des französischen, kümmerte sich Delessart so sehr nicht; er sah die vorliegenden Angelegenheiten lediglich als Minister an. Auf der einen Seite dachte er den Anstoß, den die Sache der im Elsaß possessionirten deutschen Fürsten gab, hinwegzuräumen; diese sollten entschädigt und die constitutionellen Dekrete in ihrem vollen Umfange in Ausführung gebracht werden; die Mächte hätten gegen dieselben dann nichts mehr einwenden können. Auf der an= deren Seite blieb er dabei, die Constitution, wie sie war, zu be= haupten ihre Verbesserung müsse man von dem Gange der inneren Verhältnisse erwarten. Man sieht, die officielle französische Regierung wünschte und hoffte den Frieden zu erhalten, wie denn

1) Der Brief findet sich bei Buchez und Roux XIII, 117.

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