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gehorchen sollten, erscheinen stärker, als die, denen die Leitung zu= stehe. Auch die verhältnißmäßig geringen Rechte, die man dem Könige gelassen, auszuüben, habe er doch die Mittel nicht. schildert Mirabeau, der als einer der vornehmsten Urheber der re= volutionären Bewegung angesehen werden kann, der aber dabei immer die Nothwendigkeit und die Bedürfnisse einer höchsten Gewalt im Auge behalten hatte, den neuen Zustand. Er konnte sich nicht versucht fühlen, den alten wiederherstellen zu wollen; sein Princip war allezeit die Anerkennung der Revolution und ihres Geistes. Aber er hatte die Ueberzeugung, und sie war beinahe die allgemeine, daß der Staat auf die im Laufe der Verhandlungen der constituirenden Versammlung festgesezte Weise nicht verwaltet werden könne: es wäre besser, gar keine executive Gewalt zu haben, als eine solche, die ihren Beruf nicht erfüllen könne. In den Tuilerien fühlte man jeden Augenblick die Unhaltbarkeit der Stellung, in die man gerathen war, und hielt mit Klagen darüber nicht zu= rück; noch schwerer vielleicht, wenigstens persönlich wurde die religiöse Umgestaltung, zu der die Versammlung geschritten war, empfunden: fie umfaßte zugleich das Allgemeinste und das Persönlichste. Seit das Abendland sich selbständig organisirt hatte, war zwischen der weltlichen und der geistlichen Gewalt, wenn wir so sagen dürfen : zwischen dem Imperium und dem Sacerdotium, die engste Verbindung begründet und erhalten worden; obwohl sie wieder untereinander in mannichfaltigen Hader verwickelt waren, so griff doch das eine mit dem anderen in der Tiefe der Anregungen und in den äußer= lichen Akten zusammen. Indem nun die Revolution die höchste Gewalt von Grund aus umgestaltete, löste sie auch die geistliche Verfassung auf. Der Vorschlag, der in der National-Assemblée einmal gemacht worden ist, den Katholicismus zur Religion des Staates in Frankreich zu erklären, mußte naturgemäß verworfen werden. Es half dem Klerus nichts, daß er in dem Gedränge der wachsenden finanziellen Bedürfnisse in den Verlust eines großen Theiles seiner Güter willigte. Dem hätte er ohnehin nicht entgehen können; denn um die Finanzen herzustellen, bedurfte man nun einmal des Verkaufs der geistlichen Güter, und ihre Verwendung zu nationalen Zwecken war ja fast das erste Object, auf welches die Idee der Nationalsouveränetät angewandt worden war. Wie die Sachen jest standen, diente dieser Verkauf zugleich zu einer Consolidation der revolutionären Interessen; denn die neuorgani firten Municipalitäten waren es, welche die Gewähr desselben über

nahmen und ihren Kredit dafür einseßten. Gerade hiebei war der Einfluß von Paris beherrschend. Bei der Umgestaltung aller Verhältnisse konnte jedoch die bloße Gütereinziehung nicht genügen; dem geistlichen Stande wurde eine auf jansenistischen Grundsäßen. beruhende Constitution aufgedrängt, die ihn der souveränen Nation unterwerfen sollte. Wenn man den Moment angeben wollte, in welchem die revolutionäre Bewegung in Widerspruch mit den europä= ischen Zuständen überhaupt gerieth, so wäre der jegt eingetretene zu nennen. Gleich gegen das erste Dekret, welches die Aufhebung der Zehnten anordnete, reclamirten die Bischöfe von Speier und von Basel, deren Diöcesen sich über französisches Gebiet erstreckten, weil dadurch ihre Rechte lädirt würden, im Widerspruch mit den bestehenden Staatsverträgen. Bei weitem mehr aber trat doch die innere Gährung, die dadurch veranlaßt wurde, in Evidenz; sie berührte den König unmittelbar. Ludwig XVI. hatte die Civilconstitution des Klerus angenommen, ohne erst bei dem Papste angefragt zu haben. Nach einiger Zeit sprach sich der römische Stuhl dagegen aus, und eine große Anzahl höherer und niederer Geistlicher verweigerte, den Eid zu leisten, durch welchen sie sich derselben unterwerfen sollten. Man unterschied sehr bald beeidigte und unbeeidigte Priester, und es versteht sich von selbst, daß die leßten den überzeugten Gläubigen willkommener waren, als die ersten. Aber die Bevölkerung von Paris, deren Vorfahren sich der wildesten Ausbrüche des kirchlichen Fanatismus schuldig gemacht, war jest von einem fast nicht minder starken antikirchlichen Impulse ergriffen. Die Abreise einiger älterer Damen aus dem königlichen Hause, die, wie man sagte, ihre Messe lieber zu Rom hören wollten, als zu Paris, wurde Gegenstand allgemeiner Aufregung, und nur mit der größten Anstrengung wußte Mirabeau die Freiheit der Emigration zu retten. Da erschien in der Revolution selbst jene Duplicität, die gleichsam die Signatur der ganzen Epoche ist. Die Revolution, welche den Anlauf nahm, die individuelle Freiheit zu retten, wurde das Instrument, um sie in der heiligsten Angelegenheit zu erdrücken. Man hatte die Autonomie der Staatsgewalt gegen die bevorrechteten Classen unerschütterlich feststellen wollen und gerieth dahin, daß die schwankenden Velleitäten der Massen zur Herrschaft gelangten. In den Geistern, die den Blick über die momentanen kirchlichen und politischen Verwirrungen erhoben, entstand die Frage, wie aus diesem Zustande herauszukommen, wie die Ercesse des populären Unwesens wirkungslos zu machen und die große revolutionäre Um=

wandlung doch zu behaupten sei. Man kam auf den Gedanken, daß der Hof Paris verlassen und im Einverständniß mit den Provinzen eine neue Versammlung um sich berufen solle. Der bereits in den Hauptgrundzügen entworfenen, aber noch nicht vollendeten noch angenommenen Constitution sollte dann gleichsam eine ContreConstitution entgegengesezt werden, in welcher alle die gerügten Fehler vermieden würden, ohne jedoch den ursprünglich gefaßten Hauptabsichten zu entsagen. Wenn der König daran dachte, sich aus der Hauptstadt zu entfernen, so geschah das nicht etwa aus Furcht; er schmeichelte sich, öffentlich aus seiner Hauptstadt hinausgehen zu können, um an einem anderen Punkte des Reiches die Constitution zu rectificiren und mit den Interessen der höchsten Gewalt zu vereinbaren. Darüber ist, nicht ohne Antheil Mirabeau's, mit dem Befehlshaber in Mez, Marquis de Bouillé, eine geheime Unterhandlung gepflogen worden. Bouillé, selbst ein Mann von constitutioneller Gesinnung, ging darauf ein, weil er zu der Energie und dem Talente Mirabeau's das Zutrauen hatte, daß er die Sache durchführen werde. Noch war Alles unbestimmt und im Weitem, als ein Ereigniß eintrat, welches auch durch seine Beziehung zu der inneren Parteiung Jedermann überzeugen mußte, daß es eben in den wichtigsten Angelegenheiten um die Freiheit des Königs geschehen sei. In dem Zustande, in welchem sich die Stadt Paris befand, be= ruhte Alles auf dem Verständniß der leitenden Männer in der Versammlung mit dem Anführer der Nationalgarde, Lafayette, auf dem Gehorsam, den diese ihrem Führer leistete, auf der Repression der populären Emotionen durch dieselbe. Bei der Abreise der Damen des königlichen Hauses hatte die Population schon Miene gemacht, sie eigenmächtig zu verhindern; damals aber hielten der Oberbefehlshaber der Nationalgarde und der Maire von Paris mit dem Könige zusammen; die Drohung des Maires, Gewalt an= zuwenden, bewog das Volk, sich zu zerstreuen. Noch einmal, als die Bevölkerung und die Garde sich eigenmächtig gegen Vincennes zu erheben den Anlauf nahmen, reichte die erwähnte Combination hin, den Tumult zu stillen; die Autorität des Befehlshabers wurde zulegt respectirt. Das geschah jedoch nicht ohne eine starke Demonstration gegen den Royalismus; die zum Schuße des bedrohten Königs herbeigekommenen royalistischen Edelleute und Officiere wurden entwaffnet und zwar auf den Befehl des Königs, der diesem von Lafayette abgedrungen wurde. Der Gehorsam und damit die öffentliche Ordnung erhielten sich auch diesmal ungestört. Sie be

gründeten sich eben darauf, daß Mirabeau und Lafayette einverstanden waren, was bei dem persönlichen Ansehen des Einen und der amtlichen Autorität des Anderen eine Rückwirkung auf die National-Assemblée nicht allein, sondern auch auf die populären Gesell= schaften ausübte. Bei dem Ereigniß im April aber hatte sich dies Verhältniß geändert. Gerade in diesem Augenblick (2. April) starb Mirabeau, in einem Momente, wo man seiner am meisten bedurfte. Was sein Einfluß werth gewesen war, erfuhr man gleich nach seinem Tode. Als der König einen unbeeidigten Priester zu seinem Beichtvater gemacht hatte und sich nach St.- Cloud (8. April) be= geben wollte, um die Ostern in unbezweifelt katholischem Sinne zu begehen, erfuhr er eine Widerseßlichkeit, die nicht mehr ins Gleiche zu bringen war. Das Volk wurde von der Nationalgarde nicht mehr reprimirt; diese selbst hat ihre Bajonnette gegen den Wagen gerichtet, in welchem der König saß: die Befehle Lafayette's vermochten nichts dagegen. Der König mußte in seine Gemächer zurückkehren, d. h., wie er später sagte, in sein Gefängniß. Die Reise, die er vorgehabt, überschritt die Grenzen nicht, die ein ursprünglich gegen ihn gerichtetes Dekret der Nationalversammlung festseßte. Für den Verdacht, er werde von St. Cloud aus entfliehen wollen, findet sich keine Begründung; seine Gesundheit forderte die Reise; dennoch hatte man sich ihr widerseßt und ihn durch eine aller öffentlichen Ordnung widerstrebende Volksbewegung daran verhindert. Die Nationalversammlung hat der Sache ruhig zugesehen.

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In der Reihe so vieler tumultuarischer Ereignisse, welche in dem Frühjahre 1791 vorkamen, pflegt man dies so hoch nicht an= zuschlagen; doch war es ohne Zweifel das wichtigste. Bisher war immer noch der Gedanke festgehalten worden, daß sich in der Mitte der Ruinen, welche den Sturz des alten Systems bezeichnen, eine haltbare Verfassung bilden, und daß sich die königliche Würde in ihrem Glanz und ihren Befugnissen herstellen lassen werde. Mit dieser optimistischen Erwartung aber war es jezt zu Ende; der König wurde überzeugt, daß nur die Entfernung aus Paris es ihm möglich machen werde, die Autonomie der Krone und die Freiheit. der religiösen Selbstbestimmung, die ihm das tiefste Bedürfniß war, aufrechtzuerhalten. Er wußte wohl, daß das Gemeingefühl der europäischen Fürsten hiebei auf seiner Seite stand. Indem er dies aber für sich aufrief, gerieth die revolutionäre Bewegung nicht allein in Conflict mit Europa, sondern sie schlug noch ganz andere Bahnen ein, als die bisherigen.

Drittes Capitel.

Erste Verwickelung der revolutionären Zustände mit den allgemeinen europäischen Angelegenheiten.

Daß die französische Revolution von Anfang an die Antipathien der europäischen Mächte in hohem Grade erweckt und ihre Politik bestimmt habe, ist eine unrichtige Voraussetzung. Die Frage, welche das französische Ereigniß bei den europäischen Fürsten an= regte, war vornehmlich, ob Frankreich stärker oder schwächer aus den inneren Kämpfen hervorgehen und ob es die Tractate be= obachten werde, welche die Grundlage des allgemeinen Staatensystems bildeten. Zunächst trat diese Frage in Beziehung auf das deutsche Reich hervor. Wir berührten schon, wie sehr die benachbarten deutschen Reichsfürsten von den Neuerungen, zu denen Frankreich sich entschloß, betroffen wurden. Die erste in Europa allgemein gewürdigte Reclamation ging von dem Erzbischofe von Mainz aus, dessen Metropolitanrechte im Elsaß durch die neue Constitution vernichtet wurden. Der Erzbischof war Kurfürst und Erzkanzler des deutschen Reiches. Die Friedensschlüsse, durch welche das deutsche Reich Elsaß und Lothringen an Frankreich abgetreten hatte, schienen durch das revolutionäre Verfahren ungültig zu werden. Sehr bedeutend tritt doch das Verhältniß der von Deutschland abgerissenen Provinzen bei der Revolution nach innen und außen hervor. Um die Landschaften mit dem übrigen Frankreich gleichzustellen, war eine revolutionäre Bewegung, durch welche die bei ihrer Besißnahme eingegangenen Bedingungen aufgehoben wurden, gleichsam das einzige Mittel. Erst die Revolution vollendete die Besignahme; aber indem sie zugleich die den deutschen Fürsten dort vorbehaltenen Rechte aufhob, erschütterte sie das staatsrechtliche Verhältniß, auf welchem der Friede mit Deutschland beruhte. In nahem Zusammenhange stand hiemit die Frage, die sich in der constituirenden Versammlung selbst erhob, inwiefern bei der Um

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