Images de page
PDF
ePub

Zwölftes Capitel.

Feldzug in der Champagne.

Das Charakteristische in dem revolutionären Ereigniß ist das stete Zusammengreifen der inneren Bewegung und der äußeren Beziehungen. Mit Unrecht würde man die Exceffe der Revolution von dem Angriffe, der ihr drohte, herleiten: dieser selbst war in allen seinen Stadien eine Folge der revolutionären Handlungen; aber das Eine rief das Andere gleichsam mit Nothwendigkeit hervor. So war nun einmal das Schicksal. Das französische Ereigniß gewann dadurch ein europäisches Gepräge. Alles Folgende hing von dem Ausschlage des großen Unternehmens ab, zu dem sich der Herzog von Braunschweig und der König von Preußen so eben anschickten, nach dem Herde der Revolution, der Hauptstadt von Frankreich, vorzubringen. Es war, wie wir wissen, nicht die ursprüngliche Idee des Feldzuges; aber wie die Besißnahme der Grenzlande die revolutionären Leidenschaften in der Hauptstadt erweckte, so riefen diese, durch welche der König, den man zu retten dachte, in die imminenteste Gefahr gerieth, nun wieder die militärische Action hervor. Der Charakter derselben wurde dadurch bestimmt, daß die Franzosen den Beschluß faßten, sich den heranrückenden Preußen und Desterreichern in den Argonnen entgegenzustellen.

Der Gedanke des vielgewandten Dumouriez war, wie berührt, nochmals dahingegangen: indem die Verbündeten französische Territorien occupirten, sich auf die österreichischen Niederlande zu werfen; er zweifelte nicht, daß diese in Folge der mannichfachen Verbindungen, die er daselbst unterhielt, in seine Hände fallen würden. Durch seinen Einfall dachte er die Streitkräfte der Verbündeten zu trennen und zu paralysiren; durch eine auswärtige Eroberung glaubte er Frankreich am besten zu vertheidigen: denn hiezu seien die eben zusammengerafften Truppen, nicht aber zu einem Vertheidigungskriege

fähig. Er hatte so viel Ansehen bei seinen Generalen, daß sie diesem Entwurfe in einem großen Kriegsrathe beistimmten; aber der Kriegsminister, dem derselbe erst vorgelegt werden mußte, seßte seine Autorität dagegen ein. Servan meinte, in den Argonnen be= size Frankreich ein unüberwindliches Bollwerk: da würden die fran= zösischen Kriegsschaaren den deutschen Streitkräften Widerstand leisten, wie einst die amerikanischen den englischen bei Saratoga; die Kraft eines freien Volkes werde erwachen. Joseph Servan hat sich durch zwei bedeutende Acte unvergeßlich gemacht: er hat die Berufung der Föderirten eingeleitet und durchgesezt; jezt bestimmte er den Kampfplaz mit den Verbündeten. Auf seine Anweisung 1), wohl auch durch eigene Ueberlegung bewogen, stellte sich Dumouriez in dem Passe von Grand-pré, den er einmal für die Thermopylen Frankreichs erklärt hat, den verbündeten Armeen entgegen. Aber noch war die preu= ßische Strategie der französischen überlegen. Der Herzog von Braun= schweig gab den Commandeurs der Truppen seinem wohldurchdachten Plane entsprechende Instructionen. Alle seine Anweisungen wurden ausgeführt. Das Glück wollte den Verbündeten so wohl, daß sie die Position bei St.-Croix au bois, welche die Franzosen nicht gehörig gewürdigt hatten, ohne Mühe nahmen und dann gegen einen Anlauf derselben glücklich vertheidigten. Hauptsächlich dadurch sah fich Dumouriez veranlaßt, seine Stellung bei Grand-pré eiligst zu verlassen. Man hat vielleicht nicht ohne Grund gesagt, daß es dem Herzoge möglich gewesen wäre, die davonziehenden Franzosen einzuholen und zu zerstreuen. Aber auch die deutschen Truppen waren durch den langen, angestrengten Marsch auf grundlosen Wegen erschöpft. Und schon machte sich ein Mangel an Lebensmitteln be= merklich. Nur die leichte Cavallerie erreichte, durch eine Furth se= hend, die Feinde: 12,000 Franzosen flohen vor 1200 preußischen Husaren. Ein Sieg ward nicht erfochten. Dumouriez nahm eine feste Position zu St.-Menehould, in der er die Preußen erwarten. zu können glaubte. Und soeben kam von Met her eine ansehnliche Truppenschaar unter Kellermann, um ihn zu unterstüßen. Gerade diese sollte den ersten Stoß erfahren; denn noch lebte in der preu= ßischen Armee der wiederholt angefachte Wunsch, es zu einer Schlacht zu bringen. Man meinte wohl, die ungeschulten Feinde würden. bei einem ernstlichen Angriffe nach Paris oder nach Chalons zu ent= rinnen suchen, worauf dann ein Unternehmen gegen die Hauptstadt

1) Sybel 13, 511.

ausgeführt werden könne. Sobald als möglich, abermals iu einem angestrengten Marsche, rückte nun die preußische Armee auf die Region an, in der sich die feindlichen Streitkräfte vereinigen sollten. Die vornehmste Position derselben bildeten die Höhen von Valmy, wo Kellermann sein Geschüß aufgefahren hatte. Er begrüßte die Ankunft der Preußen mit Kanonenschüssen. Aber die Preußen rückten dennoch in der besten Ordnung vor, wie die Anwesenden sagten, als vollzögen sie nur ein Manöver bei Tempelhof oder Potsdam. Niemand zweifelte daran, daß man den Feind aus dem Felde schlagen werde, wenn man nur muthig auf ihn losgehe. Der Herzog von Braunschweig war jedoch nicht dieser Ansicht, da die Franzosen eine unerwartet gute Haltung zeigten, wie denn eine preußische Brigade, die dem Feinde zu nahe gekommen, sich bereits zurückgezogen hatte. Der Herzog meinte, die Stellung des Feindes erst erschüttern zu müssen, ehe er zu wirklichem Angriffe schreite. Er hat dem Prinzen von Nassau-Siegen die Stelle bezeichnet, an der er das ins Werk zu setzen gedachte. Auch er gebot über treffliches Ge= schüß, das an einer von den Franzosen früher besezten Stelle, la Lune, aufgefahren war; es brachte jedoch nicht die erwartete Wirkung hervor. Der Herzog scheint mehr von der Aufstellung einer anderen Batterie erwartet zu haben, die nicht zu Stande fam 1); er hat immer angegeben, es habe ihm an Munition gefehlt. Unter solchen Umständen aber glaubte er - vielleicht mit Recht die Franzosen in der vortheilhaften Stellung, die sie eingenommen hatten und behaupteten, nicht angreifen zu fönnen 2)

1) Extrait des Mémoires inédits du prince de Nassau-Siegen, bei Feuillet VI. 355: le duc fit faire halte et me dit un instant après: ,,Je veux les ébranler par le feu de notre canon." Mais on ne plaça pas la batterie qui les eût enfilés et foudroyés. Die Authenticität dieses Extrait wird durch das Schreiben des Prinzen an die Kaiserin Katharina vom 15./26. October 1792 (Feuillet VI, 389), in welchem dieselben Thatsachen in wenig abweichender Fassung mitgetheilt werden, außer Zweifel gesetzt.

2) Fürst Reuß schreibt am 26. September an Cobenzl: „Seit meinem letzten Berichte aus Landres liegt mir ob anzuzeigen, daß die königl. preußische Armee in anhaltendem Regen und durch fast impracticable gewordene Wege, mittelst eines den 19. gemachten forcirten Marsches den 20. früh den Feind erreicht hat, unter der feindlichen Canonade aufmarschiert ist und nach etablirten Batterien lebhaft geantwortet hat. Diese Canonade dauerte von halb ein Uhr bis halb 5 Uhr, dasjenige Feuer abgerechnet, welches wir von früh 9 Uhr aushalten mußten, um an dem Aufmarsch verhindert zu werden. Die preußische Armee rückte soweit vor, als es nöthig zu sein schien, dem

Er rechnete darauf, daß sie des folgenden Tages sich doch zurückziehen würden. Dem Könige, der einen unmittelbaren Angriff am liebsten gesehen haben würde, gab er die Antwort, man müsse einen solchen verschieben.

So verlief die berühmte Kanonade von Valmy, die, bald nach Mittag begonnen, bis gegen 5 Uhr dauerte (20. September 1792). Die beiden feindlichen Heere, welche die Gegensäge der Weltelemente repräsentirten, waren daselbst zusammengetroffen, jedoch ohne eigentlich zu schlagen. Noch glaubte Niemand, daß darin eine Entscheidung liege. Den folgenden Tag verließen die Franzosen ihre Stellung auch deshalb, um sich die Communication mit Chalons zu erhalten, indem ihnen der Gebrauch der Chauffee von St.-Mene= hould nach Chalons durch ein preußisches Manöver verwehrt wurde 1); sie zogen sich in ein anderes Lager zusammen. Vor ihren Augen und ohne von ihnen gestört zu werden, nahm hierauf der Herzog die von ihnen vorher besezte Position ein. Am 23. fonnte das Hauptquartier wieder kantonniren. Die Stellung der preußischen Armee erschien den Anwesenden, unter Anderen auch dem österrei= chischen Gesandten, Fürsten Reuß, in dem Lichte eines errungenen Vortheils. Als bei Valmy geschlagen können die Preußen nicht betrachtet werden; sie standen mit einer ansehnlichen und selbst furchtbaren Macht in Feindeslande. Aber sie waren weit davon entfernt geblieben, den Sieg zu erfechten. In der Erwartung ge= kommen, daß die feindlichen Truppen sich bei ihrem Anblicke zerstreuen würden, stießen sie auf eine schlagfertige, von geschickten Generalen geleitete Armee. Die Waffe, in der sich die Franzosen den Preußen ebenbürtig oder überlegen zeigten, war die Artillerie : dieser Theil ihrer Armee war von den revolutionären Bewegungen am wenigsten berührt worden ). Auch die Cavallerie aber, auf deren Abfall man gerechnet hatte, behauptete eine uner

Feinde zu imponiren, und würde die Attaque poussirt haben, wenn den durch den sorcirten Marsch sehr ermüdeten Menschen und Pferden die Kraft hätte zugetraut werden können, eine affaire générale zu engagiren, indem die Armeen des Dumouriez und des Kellermann, vereinigt und von dem größten Theile des Maubeuger und Maulder Lager verstärkt, auf einer sehr vortheilhaften Position uns erwarteten." Vivenot II, 233.

1) Fürst Reuß in der erwähnten Depesche vom 26. September.

2) Gouvion Saint-Cyr, Mémoires sur les campagnes des armées du Rhin et de Rhin-et-Moselle. Introduction p. LXXVII: notre artillerie n'avait pas été désorganisée comme les autres armes par l'effet de l'émigration.

schütterliche Haltung. Und in der Infanterie zeigte sich die Einwirkung der Linie auf die ihr einverleibten Volontärs; an allen anderen Stellen wurde über die Unordnungen der Freiwilligen ge= flagt; hier hielten sie Stand und erwarben sich einen guten Namen 1).

Eine Waffengemeinschaft von Energie und Zukunft trat den Preußen entgegen. Es geschah, daß die beiden Armeen, die preußische, an welcher der Kriegsruhm des großen Friedrich haftete, und die in ihrer neuen Formation begriffene französische, einander nichts an= haben konnten. Auch Dumouriez bezeichnet einmal die Position der Preußen noch immer als sehr vortheilhaft für sie. Die Communication mit Verdun war durch das schlechte Wetter zwar er= schwert und verzögert, aber nicht eigentlich unterbrochen. Taktisch wie strategisch hatten die Preußen eine imponirende Stellung inne; ein ernstliches Zusammentreffen hätte auch jezt noch für die Fran= zosen sehr gefährliche Folgen haben können. Die Schlacht von Valmy hat keine großen Handlungen aufzuweisen; aber ihr Resultat war entscheidend: Friedrich Wilhelm durfte nicht mehr hoffen, nach Pa= ris vorzubringen.

In dieser Lage und der gegenseitigen Schonung bedürftig, begann man eine Unterhandlung bei Gelegenheit oder unter dem Vorwande der Auslieferung der Gefangenen. Dumouriez war unendlich entgegenkommend, gleichsam anbietend, wie der Fürst Reuß sagt, der erst gefragt worden war, ehe man sich in Verhandlungen mit dem= selben einließ. In dem preußischen Lager faßte man die Hoffnung, mit der Hilfe des commandirenden Generals der Feinde noch zu einem erträglichen Abkommen zu gelangen. Dabei ist sogar die Rede davon gewesen 2), daß Ludwig XVI. in das französische Hauptquartier kommen und dann in unmittelbare Unterhandlungen mit dem Könige von Preußen eintreten solle. Noch hielt die preu= ßische Politik daran fest, Ludwig den XVI. zu befreien und ihm eine nicht unwürdige Stellung zu verschaffen. Dagegen war sie geneigt, die Sache des Clerus und des Adels fallen zu lassen. Die Emigranten sollten entschädigt werden, aber außerhalb Frankreichs leben.

Daß Dumouriez, wie er nachher selbst einmal ausgesprochen

1) Rouffet, les Volontaires, 102.

2) Prinz von Nassau-Siegen bei Feuillet VI, 358: Dumouriez avoit proposé des arrangements, et on lui avoit répondu qu'on ne pouvoit traiter qu'avec le Roi libre, qu'il falloit qu'il vînt à son armée, d'où il pourroit avoir des conférences avec le Roi de Prusse.

« PrécédentContinuer »