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lassen. Sie war erschreckt durch die Denunciation, daß Einige aus ihrer Mitte unter fremden Namen sich Pässe verschafft hätten. Aufgebracht über das Gerücht, daß in ihrem Schooße daran gedacht werde, den Herzog von Braunschweig zum Könige von Frankreich zu machen, erklärte die Versammlung: dieser Fürst sei ein Gegner der Freiheit des Menschengeschlechts; welche Gemeinschaft sollte sie mit ihm haben, deren Sinn es sei, alle Könige und das Königthum selbst zu bekämpfen? Sie werde für die Rechte des Volkes sterben. Allein damit wurden die Gegner nicht beschwichtigt. Vielmehr griff der Haß der Partei noch viel weiter: alle die, welche sich zur Constitution gehalten, der Reaction nach dem 20. Juni sich angeschlossen, und andere, die man des Anticivismus bezichtigt hatte, wurden als Feinde und Verräther betrachtet. Wenn keine positiven Verbindungen mit den heranrückenden Heeren ent= deckt werden konnten, so gab dies den Anschuldigungen eine um so größere Ausdehnung. Man meinte, nicht gegen die deutschen Armeen vorrücken zu können, ehe man die Feinde im Innern unterdrückt habe. Da es nun zugleich an Waffen fehlte, die man in Paris bei weitem zahlreicher vermuthete, als sie zu finden waren, sourde eine Haussuchung veranstaltet, bei der man jedoch keinesweges allein die verborgenen Waffen in Beschlag nahm, sondern alle die, welche in den bezeichneten Beziehungen Anlaß zum Verdacht gegeben hatten, gefangensezte. Schon in jener Rede Lamarque's kommt ein Antrag der Art vor. Niemand hätte jezt seinem Geschäfte nachgehen können; die Tribunale waren geschlossen. Von den 30 Commissaren gingen immer zwei von Haus zu Haus, um die Verdächtigen, ohne Rücksicht auf Alter und Leibesschwäche, zu verhaften. Welch ein Schicksal aber erwartete dann die Verhafteten! In einer und der anderen Section wurde förmlich beschlossen, bei der dringenden Gefahr und den der Hölle entstammenden An= schlägen der Priester dürfe man kein Bedenken tragen, diese und alle anderen Verdächtigen hinzurichten. Indem die schwarze Fahne sich erhob, um die Gefahr des Vaterlandes zu verkündigen, und die Freiwilligen sich zum Abzug nach der Grenze rüsteten, wurde dies gräßliche Werk vollzogen. Unter dem Zuruf der Menge wurde eine Art von Tribunal errichtet; Männer von der ausgesprochensten revolutionären Einnesweise, wie jener Maillard, der einst den Commandanten der Bastille gefangengenommen hatte, fungirten als Richter. Das Entseßliche ist, daß die Procedur immer einen Schein von Legalität an sich trug, so daß man wohl gesagt hat,

das Ereigniß vom September sei eine administrative Maßregel ge= wesen. Die legislative Versammlung war durch Schrecken gefesselt: fie that nichts Entscheidendes dagegen. Besonders unglücklich war es, daß die Minister die Initiative der Commune, an der sie keinen Theil hatten, nachgehends durch ihre Verfügungen doch gewissermaßen legalisirten. Namentlich hat sich der Gegner der unabhängigen Executive, Roland, als er diese selbst zu verwalten bekam, durch widerwärtige Nachgiebigkeit einen bösen Ruf gemacht. Welche Scenen erlebte man in Orleans, wo noch die Gefangenen des Hohen Gerichtshofes in den Gefängnissen lagen! Eine bewaffnete Bande, aus den Sectionen der Hauptstadt zusammengesett, gelangte dort in den Besit der Autorität; Roland erkannte sie an; die legislative Versammlung hatte nur die Transportation der Ge= fangenen nach Saumur gefordert; der Zug, mit dem sie abge= führt wurden, schlug dennoch den Weg nach Paris und dann nach Versailles ein. Hier war der Widerstand der legalen Au= torität vergeblich: die armen Gefangenen, unter ihnen Delessart, fielen der Wuth der Menge zum Opfer. Unter diesen tumultuarischen Gräueln wurden die Wahlen zum Nationalconvent bollzogen. Es war nochmals die Fortsetzung des 10. August. Wir werden darauf zurückkommen, daß in der Hauptstadt, von der Alles abhing, die Gironde vollständig unterlag. Hier bemerken wir nur, daß die öffentliche Gewalt in Frankreich eine neue Gestalt von verschiedenstem Gepräge annahm.

Zwölftes Capitel.

Feldzug in der Champagne.

Das Charakteristische in dem revolutionären Ereigniß ist das stete Zusammengreifen der inneren Bewegung und der äußeren Beziehungen. Mit Unrecht würde man die Exceffe der Revolution von dem Angriffe, der ihr drohte, herleiten: dieser selbst war in allen seinen Stadien eine Folge der revolutionären Handlungen; aber das Eine rief das Andere gleichsam mit Nothwendigkeit hervor. So war nun einmal das Schicksal. Das französische Ereigniß gewann dadurch ein europäisches Gepräge. Alles Folgende hing von dem Ausschlage des großen Unternehmens ab, zu dem sich der Herzog von Braunschweig und der König von Preußen so eben anschickten, nach dem Herde der Revolution, der Hauptstadt von Frankreich, vorzubringen. Es war, wie wir wissen, nicht die ursprüngliche Idee des Feldzuges; aber wie die Besißnahme der Grenzlande die revolutionären Leidenschaften in der Hauptstadt erweckte, so riefen diese, durch welche der König, den man zu retten dachte, in die imminenteste Gefahr gerieth, nun wieder die militärische Action hervor. Der Charakter derselben wurde dadurch bestimmt, daß die Franzosen den Beschluß faßten, sich den heranrückenden Preußen und Desterreichern in den Argonnen entgegenzustellen.

Der Gedanke des vielgewandten Dumouriez war, wie berührt, nochmals dahingegangen: indem die Verbündeten französische Terri= torien occupirten, sich auf die österreichischen Niederlande zu werfen; er zweifelte nicht, daß diese in Folge der mannichfachen Verbindungen, die er daselbst unterhielt, in seine Hände fallen würden. Durch seinen Einfall dachte er die Streitkräfte der Verbündeten zu trennen und zu paralysiren; durch eine auswärtige Eroberung glaubte er Frankreich am besten zu vertheidigen: denn hiezu seien die eben zusammengerafften Truppen, nicht aber zu einem Vertheidigungskriege

fähig. Er hatte so viel Ansehen bei seinen Generalen, daß fie diesem Entwurfe in einem großen Kriegsrathe beistimmten; aber der Kriegsminister, dem derselbe erst vorgelegt werden mußte, seßte seine Autorität dagegen ein. Servan meinte, in den Argonnen besize Frankreich ein unüberwindliches Bollwerk: da würden die fran= zösischen Kriegsschaaren den deutschen Streitkräften Widerstand leisten, wie einst die amerikanischen den englischen bei Saratoga; die Kraft eines freien Volkes werde erwachen. Joseph Servan hat sich durch zwei bedeutende Acte unvergeßlich gemacht: er hat die Berufung der Föderirten eingeleitet und durchgesezt; jezt bestimmte er den Kampfplaz mit den Verbündeten. Auf seine Anweisung 1), wohl auch durch eigene Ueberlegung bewogen, stellte sich Dumouriez in dem Passe von Grand-pré, den er einmal für die Thermopylen Frankreichs erklärt hat, den verbündeten Armeen entgegen. Aber noch war die preußische Strategie der französischen überlegen. Der Herzog von Braunschweig gab den Commandeurs der Truppen seinem wohldurch= dachten Plane entsprechende Instructionen. Alle seine Anweisungen wurden ausgeführt. Das Glück wollte den Verbündeten so wohl, daß sie die Position bei St.-Croix au bois, welche die Franzosen nicht gehörig gewürdigt hatten, ohne Mühe nahmen und dann gegen einen Anlauf derselben glücklich vertheidigten. Hauptsächlich dadurch sah sich Dumouriez veranlaßt, seine Stellung bei Grand-pré eiligst zu verlassen. Man hat vielleicht nicht ohne Grund gesagt, daß es dem Herzoge möglich gewesen wäre, die davonziehenden Franzosen einzuholen und zu zerstreuen. Aber auch die deutschen Truppen waren durch den langen, angestrengten Marsch auf grundlosen Wegen erschöpft. Und schon machte sich ein Mangel an Lebensmitteln be= merklich. Nur die leichte Cavallerie erreichte, durch eine Furth se= hend, die Feinde: 12,000 Franzosen flohen vor 1200 preußischen Husaren. Ein Sieg ward nicht erfochten. Dumouriez nahm eine feste Position zu St.-Menehould, in der er die Preußen erwarten zu können glaubte. Und soeben kam von Met her eine ansehnliche Truppenschaar unter Kellermann, um ihn zu unterstüßen. Gerade diese sollte den ersten Stoß erfahren; denn noch lebte in der preußischen Armee der wiederholt angefachte Wunsch, es zu einer Schlacht zu bringen. Man meinte wohl, die ungeschulten Feinde würden bei einem ernstlichen Angriffe nach Paris oder nach Chalons zu entrinnen suchen, worauf dann ein Unternehmen gegen die Hauptstadt

1) Sybel 13, 511.

ausgeführt werden könne. Sobald als möglich, abermals iu einem angestrengten Marsche, rückte nun die preußische Armee auf die Region an, in der sich die feindlichen Streitkräfte vereinigen sollten. Die vornehmste Position derselben bildeten die Höhen von Valmy, wo Kellermann sein Geschüß aufgefahren hatte. Er begrüßte die Ankunft der Preußen mit Kanonenschüssen. Aber die Preußen rückten dennoch in der besten Ordnung vor, wie die Anwesenden sagten, als vollzögen sie nur ein Manöver bei Tempelhof oder Potsdam. Niemand zweifelte daran, daß man den Feind aus dem Felde schlagen werde, wenn man nur muthig auf ihn losgehe. Der Herzog von Braunschweig war jedoch nicht dieser Ansicht, da die Franzosen eine unerwartet gute Haltung zeigten, wie denn eine preußische Brigade, die dem Feinde zu nahe gekommen, sich bereits zurückgezogen hatte. Der Herzog meinte, die Stellung des Feindes erst erschüttern zu müssen, ehe er zu wirklichem Angriffe schreite. Er hat dem Prinzen von Nassau-Siegen die Stelle bezeichnet, an der er das ins Werk zu sehen gedachte. Auch er gebot über treffliches Ge= schüß, das an einer von den Franzosen früher besezten Stelle, la Lune, aufgefahren war; es brachte jedoch nicht die erwartete Wirkung hervor. Der Herzog scheint mehr von der Aufstellung einer anderen Batterie erwartet zu haben, die nicht zu Stande fam 1); er hat immer angegeben, es habe ihm an Munition gefehlt. Unter solchen Umständen aber glaubte er — vielleicht mit Recht die Franzosen in der vortheilhaften Stellung, die sie eingenommen hatten und behaupteten, nicht angreifen zu fönnen 2)

1) Extrait des Mémoires inédits du prince de Nassau-Siegen, bei Feuillet VI. 355: le duc fit faire halte et me dit un instant après: ,,Je veux les ébranler par le feu de notre canon." Mais on ne plaça pas la batterie qui les eût enfilés et foudroyés. Die Authenticität dieses Extrait wird durch das Schreiben des Prinzen an die Kaiserin Katharina vom 15./26. October 1792 (Feuillet VI, 389), in welchem dieselben Thatsachen in wenig abweichender Fassung mitgetheilt werden, außer Zweifel gesetzt.

2) Fürst Reuß schreibt am 26. September an Cobenzl: „Seit meinem letzten Berichte aus Landres liegt mir ob anzuzeigen, daß die königl. preuBische Armee in anhaltendem Regen und durch fast impracticable gewordene Wege, mittelst eines den 19. gemachten forcirten Marsches den 20. früh den Feind erreicht hat, unter der feindlichen Canonade aufmarschiert ist und nach etablirten Batterien lebhaft geantwortet hat. Diese Canonade dauerte von halb ein Uhr bis halb Uhr, dasjenige Feuer abgerechnet, welches wir von früh 9 Uhr aushalten mußten, um an dem Aufmarsch verhindert zu werten. Die preußische Armee rückte soweit vor, als es nöthig zu sein schien, dem

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