Images de page
PDF
ePub

gemessner und zum Theil ironischer Weise selber spricht, gewissermaassen zur Handlung. Molière, und darin bekundet sich seine Feinheit und Gewandtheit, vertheidigt sein Stück weit mehr durch die Absurditäten, die er seine Ankläger und Feinde vorbringen lässt, als durch eine theoretische Rechtfertigung desselben. Er kehrt den Spiess um und macht aus der directen Vertheidigung einen indirecten Angriff. Er hat somit gewonnen Spiel. Das ist's, was Goethe mit Molières leichter Hand meint.

Indess dies Stück, das man als Vorläufer und Vorbild des modernen Conversationsstückes ansehen kann, hat noch eine andere Seite, die es im höchsten Grade interessant macht. Es entwirft in den Angreifern und Vertheidigern desselben Characterbilder der Zeit, die in späteren Schöpfungen, besonders im Misanthrope und den Gelehrten Frauen eine nähere Ausführung erhalten. Die prüde Climene, die sich so preciös ausdrückt und über einige Naivitäten, denen sie eine obscöne Bedeutung beilegt, in Harnisch geräth, wird zur heuchlerischen Arsinoe des Misanthropen, der pedantische Dichter Lysidas, der seinent Neid und seine Eifersucht unter dem Scheine einer billig abwägenden Critik verbirgt, wird zum Trissotin in den Gelehrten Frauen; dem albernen Marquis, der ohne Gründe anzugeben über Alles urtheilt, was er nicht versteht und nicht kennt, begegnen wir noch oft in den Molièrischen Stücken. Ebenso verschmilzt sich das Bild der verständigen Uranie und der ironisch witzigen Elise zum späteren Bilde der vortrefflichen Henriette in den Gelehrten Frauen, in denen Clitander, der Feind der Pedanten und Blaustrümpfe, dem Dorante unsers Stückes gleicht. Dieser geistvoll überlegene Mann, der die Angriffe gegen das Stück ruhig anhört, würdigt dieselben kaum einer anderen, als einer ironischen Erwiderung, nimmt aber zuweilen die Gelegen

heit wahr, sich über dramaturgische und ästhetische Fragen auszusprechen und zwar in einer Weise, der man ansieht, dass er die Ansichten des Dichters dem Publikum mittheilt.

Es ist anzunehmen, dass Molière bei längerem Leben und grösserer Musse sein künstlerisches Glaubensbekenntniss und die Summe. seiner Erfahrungen in einer eigenen Schrift niedergelegt haben würde; er deutet die Absicht dazu einige Male in seinen Vorreden an und spricht auch dabei von der Fülle dramatischer Pläne, die ihm als der Darstellung würdig vorschweben. Wir müssen uns leider mit dem begnügen, was er gelegentlich in Vorreden, besonders in der zum Tartüffe sagt und in seinen Lustspielen andeutet.

Unser Stück ist auch dadurch wichtig, dass es die meisten litterarischen Aperçus enthält, während das gleich darauf folgende Impromptu de Versailles sich mehr mit den Dramaturgen befasst und uns in die damaligen Bühnenzustände blicken lässt. Der Commentar weist auf die wichtigsten litterarischen Andeutungen und Anspielungen hin. Besonders wichtig sind in dieser Hinsicht die Auslassungen über die Schwierigkeiten des Comödienschreibens und den Aristotelischen Regelzwang (Sc. 6 u. 7.) Dass Molière nach eigenem Geständniss sich von ihnen frei macht, dass er sich ganz auf sich selber stellt und in sich die Regel und das Maass findet, das ihn selbst in seinen tollsten Possen nicht verlässt, das macht ihn so gross und hebt ihn über alle seine Zeitgenossen empor. Er spricht es hier und anderswo aus, dass die Quälerei mit den Regeln, mit denen Corneille sich sein Lebelang herumgeschlagen hat, ihm fern ist und dass er sich durch keine Theorien gebunden fühlt. Seine Schöpfungen sind aber auch derartig, dass man nach ihnen eine Aesthetik der comischen Kunst entwerfen könnte, und dass sie, wenigstens für Frankreich, noch heute als mustergültig angesehen

werden. Zwar gab es schon vor Molière in Frankreich, wo schon seit lange ein reges dramatisches Interesse herrschte, das zu leidenschaftlicher Polemik, zu Parodien, Lob- und Spottgedichten führte (man blicke nur in E. Fournels Contemporains de Molière), eine Menge dramatischer Satiren, aber ein Drama, das bloss aus einer in Scene gesetzten Discussion besteht, war bis dahin noch nicht versucht worden. Nur die Italiener hatten in ihren

ragionamenti etwas derartiges. Die Critique de l'École des Femmes, deren Titel schon ein ironischer ist, rief gleich mehrere Nachahmungen hervor, die sich an sie anschlossen und sie, freilich mit wenig Glück, zu verspotten suchten, so Zélinde ou la véritable critique de l'École des Femmes, et la critique de la critique, von de Villiers. Boursault, der sich einbildete, er sei das Urbild zum Dichter Lysidas, rächte sich an Molière durch eine platte Parodie: Le Portrait du Peintre ou la contre-critique de l'École des Femmes. Le Panegyrique de l'École des Femmes, ou Conversation comique sur les Oeuvres de M. de Molière von einem Anonymus ist eine blosse dramatische Discussion, bei der es nicht klar ist, ob der Tadel oder das Lob überwiegen soll.

Eine entschiedne Apologie der École des Femmes ist la guerre comique, ou la Défense de l'École des Femmes. - Diese Andeutungen genügen, um zu zeigen, welch lebhaftes litterarisches Treiben damals herrschte und welche Wichtigkeit den Molièrischen Schöpfungen schon damals beigelegt wurde.

Sein Vorgang im litterarischen Drama rief auch später eine Reihe ähnlicher Schöpfungen hervor, in denen die Dichter ihre Selbstvertheidigung in Scene setzten, wie Regnard in der Critique du Légataire, Destouches in der Critique du Philosophe marié, Montfleury im Procès de la

Femme juge et partie. Diese Stücke, die eine Menge gleichartiger Nachfolger hatten, sind alle vergessen, aber Molière's Stück erregt noch immer grosses Interesse, nicht allein wegen seiner geistreich lebendigen Durchführung eines von Haus aus undramatischen Themas, sondern auch wegen der scharfen Characteristik und der Aufstellung gesunder ästhetischer Grundsätze, die noch heute ihre Gültigkeit haben.

Welche Reihe von Nachahmungen die in Frankreich geschaffne litterarische Comödie in England, Spanien und Deutschland, wo sie längere Zeit im Uebermaass cultivirt wurde, hervorgerufen hat, ist bekannt.

Ueber die Entstehungsgeschichte der Critique de l'École des Femmes spricht sich der Dichter in seiner Vorrede zur École aus Das Stück wurde zum ersten Male aufgeführt am 1. Juni 1663 und wurde mit dem Lustspiel, dessen Apologie es ist und dessen Erfolg es begünstigte, zwei und dreissig Mal hinter einander gegeben.

Es wurde zum ersten Mal 1663 gedruckt. Der Buchhändler Charles de Sercy hatte für dasselbe ein Privilegium auf 7 Jahre. Der Text der ersten Ausgabe ist hier zu Grunde gelegt. Die Varianten sind der Ausgabe von 1673 und 1682 entnommen.

Eine neue Deutsche Uebersetzung findet sich in den Sammlungen von Louis Lax und Baudissin.

[blocks in formation]
« PrécédentContinuer »