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suchen sei. Von entscheidender Bedeutung für diese Bestimmung von Mariaba scheint uns vor allem die Bemerkung Strabo's zu sein, dass das römische Heer auf dem Rückwege von dort in neun Tagen nach Negrana gelangte; durch diese Angabe sind wir fast unmittelbar auf das heutige Marib hingewiesen. Von hier aus war es dem Gallus auch möglich, bei angestrengten Märschen in 60 Tagen Leukekome zu erreichen. Strabo bemerkt noch über die Lage von Mariaba, dass die Römer dort nur noch zwei Tagereisen vom Gewürzlande entfernt waren, wie man von Gefangenen erfuhr. Das Gewürzland reichte nach Strabo von der Meerenge Bâb-el-Mandeb bei den Minäern und Kattabanen durch das Land der Sabäer bis zu den Chatramotiten 1); eine bestimmte Begrenzung ist nicht gegeben und lässt sich auch nicht feststellen. Es ist aber mit dieser von Strabo im Anschluss an Artemidor und Eratosthenes gegebenen allgemeinen Bestimmung des Gewürzlandes die Annahme wohl vereinbar, dass es sich bis auf einige Tagereisen nach dem heutigen Marib hinerstreckte 2).

Gallus belagerte Mariaba nach Strabo's Bericht 6 Tage lang, wurde dann aber durch Wassermangel zum Abzug genöthigt. Plinius weicht hier in seinem Berichte von Strabo ab, indem er sowohl Mariaba wie Caripeta unter den von Gallus eroberten und zerstörten Städten aufführt. Der Bericht des Strabo ist in diesem Punkte der glaubwürdigere, wenn auch seine Bemerkung, dass Gallus durch Wassermangel genöthigt die Belagerung aufgehoben habe, nicht wahrheitsgetreu ist; er suchte ohne Zweifel hierdurch die zu seiner Zeit allgemein bekannte Thatsache, dass das römische Heer vor den Mauern Mariaba's habe zurückweichen müssen, in ein besseres Licht zu stellen, um so die Feldherrnehre seines Freundes zu retten. Man darf annehmen, dass die durch Krankheit uud Noth herbeigeführte Schwäche des römischen Heeres den Gallus zur Aufhebung der Belagerung nöthigte.

Eine Berücksichtigung bedarf noch die von dem Berichte Strabo's abweichende Angabe des Plinius, dass Caripeta der äusserste Punkt gewesen sei, bis zu dem Gallus vordrang. Eine wesentliche Differenz zwischen beiden Berichten können wir hierin schon aus dem Grunde nicht sehen, weil Caripeta (Châriba)

1) XVI, 768, 777. 2) Excurs IV.

nur eine Tagereise von Mariaba (Marib) entfernt lag. Auf der Kiepert'schen Karte 1) finden wir Châriba nordwestlich von Marib eingetragen; es lag also eigentlich schon auf der Rückzugslinie.

Sechs Monate waren verflossen, seit Gallus mit seinem Heere Leukekome verlassen hatte; die Verrätherei des Sylläus hatte ihn durch die ödesten und unwegsamsten Gegenden Arabiens geführt; Krankheit und andere Noth, sowie die Angriffe der Araber hatten die Reihen der Römer gelichtet; nur Trümmer waren noch von jenem Heerhaufen übrig, mit dem er ausgezogen war. Wenn Strabo über die Gründe des Rückzuges schweigt und es den Anschein gewinnt, als habe der römische Feldherr den Rückzug angetreten, ohne von den obwaltenden Verhältnissen gezwungen zu sein, so werden wir von Dio eines Besseren belehrt.,,Die Ueberreste des Heeres sagt dieser wurden von den Arabern aus dem Lande getrieben." Dio eröffnet uns mit diesen Worten einen Blick in die traurige Lage des römischen Heeres, die Strabo so sehr als möglich zu verdecken bemüht ist.

Jetzt erst beim Antreten des Rückmarsches erkannte Gallus dass er von Sylläus in verrätherischer Weise hintergangen worden sei; er zog Kundschaft ein über den einzuschlagenden Weg und kehrte auf anderen Märschen zurück. Auffallend ist es, dass D'Anville, Gosselin und Vincent in der Ansicht übereinstimmen, das römische Heer habe auf seinem Rückmarsche dieselbe Route eingeschlagen, auf welcher es bis Mariaba vorgedrungen war 2). Die Nachrichten, welche uns Strabo giebt, besagen das Gegen■ theil. Er spricht es mit klaren Worten aus, dass Gallus auf anderen Wegen zurückkehrte, und von den vorhin genannten Ortschaften erwähnt er bei Beschreibung der Rückzugslinie nur das nicht allzu ferne von Mariaba gelegene Negrana. Aber auch an sich ist jene Ansicht unhaltbar. Das römische Heer vollendete den Marsch von Mariaba bis zum Ueberfahrtsorte wie wir sehen werden wahrscheinlich das heutige 'Gâr in 60 Tagen, und diese Strecke von etwa 180 deutschen Meilen in so kurzer Zeit zurückzulegen war nur in dem Falle möglich, dass Gallus die gerade Route von Mariaba nach dem Ausgangspunkte seines Zuges

1) Nr. VI in d. Zeitschr. f. allg. Erdk. von Neumann 1856. Merivale a. a. O.

2) Bei

wählte; wie hätte er auch trotz der Einsicht, dass er von Sylläus in der Irre herumgeführt worden, den gleichen Weg zur Rückkehr einschlagen können!

Nach 9 Tagen gelangte das römische Heer nach Negrana, wo vorher die Schlacht Statt gefunden hatte. Gallus berührte auf seinem Rückmarsche diesen Ort wohl nur, um die dort zurückgelassene römische Besatzung mitfortzunehmen. Die ganze übrige Strecke des Rückzuges ist von Strabo in folgenden wenigen Worten beschrieben: „Nach 11 Tagen kam das Heer von Negrana nach den sogenannten sieben Brunnen, von dort durch wüstes Land nach Chaalla und alsdann nach dem an einem Flusse gelegenen Orte Malotha." Es gehört in Ermangelung weitererer Anhaltspunkte zur Unmöglichkeit, nach diesen drei von Strabo angeführten Ortschaften die Richtung des Zuges genauer zu bestimmen. Rommel 1) glaubt, dass unter Chaalla die heutige Landschaft Chaulân im Norden von Marib zu verstehen sei, eine Meinung, die manches für sich hat und auch damit in Einklang steht, dass Gallus auf geraden Märschen zurückkehrte. Die Landschaft Chaulân wird bereits von Isstachri (950 n. Chr.) genannt 2). Die Lage von Malotha ist nicht näher zu bestimmen. Jomard 3) meint, die Römer hätten, um das Meer zu gewinnen, die Provinz Asir durchziehen müssen; doch diese Behauptung ist ohne haltbaren Stützpunkt und um so unwahrscheinlicher, da Asir der unzugänglichste Gebirgsgau ist mit der abstossendsten Bevölkerung, die zu allen Zeiten ihre Unabhängigkeit zu bewahren gewusst hat 4).

Der Rückzug der Römer war gewiss mit nicht weniger Noth und Beschwerden verknüpft als ihr Vordringen. Die Uebriggebliebenen sagt ja Dio wurden von den Arabern aus dem Lande getrieben." Räthselhaft kann es fast scheinen, dass die Ueberreste des Heeres nicht gänzlich von den Arabern vernichtet wurden; wahrscheinlich wurde hier Sylläus der Retter der Römer 5).

Nach einem Marsche von 60 Tagen erreichten die Römer ,,Egrakome, einen Ort, der zum Gebiete des Obodas gehörte und am Meere lag." Dieses Egrakome finden wir in dem von Ste

1) Art. Chaulân in d. Encycl. von Ersch und Gruber. 2) Isstachri von Mordtmann p. 12. 14. 3) Etudes géographiques et historiques sur l'Arabie, 1839. 4) Ritter Erdk. XII, p. 191. 5) Vgl. p. 33.

phanus Byz. 1) als Seestadt genannten Egra wieder. Wenn Stephanus diesen Ort eine Stadt Arabiens nennt, Strabo ihn aber als zum Gebiete des Nabatäerkönigs gehörig aufführt, so liegt darin kein Widerspruch; wir haben zu erwägen, dass die Nabatäer von den Alten zu den Arabern gezählt wurden, wie denn Stephanus auch andere nabatäische Städte, z. B. Hawara, als arabische Ortschaften aufführt. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dieses Egra identisch mit der heutigen arabischen Hafenstadt 'Gâr, die sich auf den Karten einige Meilen von Janbu verzeichnet findet. Niebuhr, Rüppel, Seetzen segelten an diesem Hafen nur vorüber 2), Wellsted3) besuchte ihn und fand in der Nähe grosse, alte Ruinen und Ueberreste bedeutender Hafenbauten. Ritter meint zwar, dass die Identificirung von Egra (bei Ptolemäus Agya?) mit 'Gâr nicht ohne Bedenken sei; in einer anderen Mittheilung des Stephanus Byz. glauben wir jedoch ein entscheidendes Moment für die Berechtigung dieser Annahme zu finden. Stephanus 4) führt nämlich Jathrippa als eine nahe bei Egra gelegene arabische Stadt auf5). Jathrippa oder Jathreb war aber bekanntermassen der alte Name von Medina, und wir haben also das alte Egra in der Nähe des heutigen Medîna zu suchen. Wenn wir nun aus Isstachri und Edrisi ") wissen, dass 'Gâr die Hafenstadt von Medina war und nur drei Stationen davon entfernt lag, in Wirklichkeit aber auch 'Gâr der nächste Hafen bei Medîna ist, so ergiebt sich daraus mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass Stephanus mit seinem Egra nur dieses 'Gâr gemeint haben kann, wenn er Jathrippa (Medîna) als in der Nähe von dem Hafenorte Egra liegend bezeichnet1). Sind

1) Ethnica, ed. Meinek. I, p. 260. 2) Ritter Erdk. XII p. 181 u. 182. 3) Reisen in Arabien II p. 177-180. 4) a. a. O. p. 321. 5) Mit dieser Angabe des Stephanus steht freilich die andere, dass Egra am Ailanitischen Golfe gelegen sei, nicht in Einklang; erstere schien uns jedoch wegen ihrer Bestimmtheit über die Lage des Ortes entscheiden zu müssen. Vielleicht hat Stephanus sich hier eine Ungenauigkeit zu Schulden kommen lassen, oder er hat den Ailanitischen Busen in einer weiteren Ausdehnung genommen. 6) Ritter Erdk. XII, p. 150 und 181. 7) Statt Egrakome, wie jetzt die besten Ausgaben des Strabo lesen, findet sich in älteren Ausgaben noch die Lesart Nerakome. Der letzteren folgend glaubt Forster (Geography of Arabia II p. 277 ff.) in der Hafenstadt Janbu das Nerakome des Strabo wiederzuerkennen. Nera, argumentirt

wir mit dieser Annahme im Rechte, so können wir weiter schliessen, dass die wüste Strecke, welche Gallus zuletzt durchzog, bevor er Egrakome erreichte, jene öde Gegend ist, die sich südlich und südöstlich von 'Gâr in grosser Weite ausdehnt. Damit stimmt auch die Bemerkung des Strabo: „der Weg führte von Malotha bis Egrakome durch eine wüste, wasserarme Gegend." Fresnel machte von Janbu aus bis Bedr eine Reise durch diese Landschaft, weil er glaubte, dass Gallus sie auf seinem Rückmarsche hätte durchschneiden müssen, und weil er dort noch Spuren jenes Zuges aufzufinden hoffte; er sah sich in seinen Erwartungen freilich getäuscht1).

Obgleich es möglich ist, dass Gallus zu seiner Ueberfahrt von Egrakome nach Aegypten arabische Schiffe benutzte, so ist es doch wahrscheinlicher, dass er dort mit der zurückgelassenen Flotte zusammentraf. Er schiffte sich ein und landete nach einer Fahrt von elf Tagen in dem am Eingange des Golfes von Suez gelegenen Hafen Myos Hormos (Kosseir). Von da ging er nach der Binnenstadt Koptos (Kuft), benutzte alsdann die grosse natürliche Handelsstrasse Aegyptens, den Nil, und gelangte mit den traurigen Ueberresten seines Heeres nach Alexandrien.

So endete der unglückliche Feldzug nach dem glücklichen Arabien. Mit den glänzendsten Erwartungen und ohne Zweifel auch mit der stolzen Siegesgewissheit, die den Römern in dem Bewusstsein ihrer Macht und ihrer kriegerischen Ueberlegenheit eigen war, hatte man seinem Ausgange entgegen gesehen; es war anders gekommen, als man erwartete: fast ein ganzes römisches Heer war im fernen Osten der Vernichtung verfallen. Strabo sagt am Schlusse seines Berichtes, dass der grösste Theil der verlornen Krieger den Krankheiten, den Mühseligkeiten, dem Hunger und den Beschwerden des Marsches unterlegen sei; nur sieben

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er, sei ein barbarisch griechisches Wort für Wasser" und stimme in dieser Bedeutung mit ,,Janbu" überein; Nerakome sei also eigentlich nur die Uebersetzung des arabischen Namens. Ihm folgt auch Merivale (a. a 0.). Die ganze Ansicht dürfte schon damit fallen, dass Egrakome und nicht Nerakome die richtige Lesart an der betreffenden Stelle ist; ausserdem kommt Janbu erst in weit späterer Zeit als 'Gâr vor. 1) Ritter XIII, 197.

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