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VI.

Note Aali Paschas an Hrn. von Lavalette.

9. Februar 1852.

Die hohe Pforte hat mit größter Sorgfalt und ernstester Aufmerksamkeit die Frage untersucht, welche bezüglich einiger heiligen Stätten, sowohl innerhalb als außerhalb der Stadt Jerusalem, von dem französischen Gouvernement erhoben worden ist.

Die hohe Pforte, indem sie eifrig bemüht ist, ihre Verträge mit den befreundeten Mächten unversehrt aufrecht zu halten, sucht auch natürlicher Weise in ihrem ganzen Umfange die Rechte und Concessionen zu erhalten, welche die alten Sultane den Unterthanen des Reichs gegeven haben; und darum in Vermittelung des einen dieser wesentlichen Momente mit dem andern, werden das Grab welches sich in der Kirche zum heiligen Grabe befindet, die Hadjir el Moughtesis und die Hallen zur Stunde ohne Hinderniß besucht und befinden sich die beiden zu dem fränkischen Kloster gehörigen Gärten, wie es seit alter Zeit festgesetzt ist, unter der Aufsicht beider Parteien. Aber man hat in den Fermanen nicht die mindeste Andeutung von solchen Dingen finden können, wie von einem Plaß in dem Innern der Hadjir el Moughtesis, noch einem Plaß, genannt Tahomel-actique noch von Magazinen, welche sich dort finden sollen, und es ist demnach kein Grund darüber zu streiten.

Die Grotte der heiligen Krippe ist jest ein Ort der von den verschiedenen christlichen Nationen besucht wird, und es ist seit sehr alter Zeit festgefeßt, daß ein Schlüssel zur Thür auf der Nordseite der Kirche zu Bethlehem, ein Schlüssel zur Thür auf der Südseite derfelben Kirche und ein Schlüssel zur genannten Grotte sich auch in den Händen der lateinischen Geistlichen befinden sollen. Wenn daher diese Schlüssel nicht im Besitz der Lateiner sind, so soll ihnen ein Schlüssel zu jeder der drei Thüren gegeben werden, womit sie dieselben wie früher besigen.

Was die Frage des Grabes der Jungfrau Maria betrifft, so ist die Unmöglichkeit, hinsichtlich dieses Punktes ein Urtheil zu fällen, nach den angestellten Untersuchungen klar hervorgetreten. Jedenfalls ist es nicht gestattet, eine Menge Ottomanischer Unterthanen, welche sich zur katholischen Religion bekennen, des Rechts zu berauben, ihre Gebete an einem Orte wie dieser zu verrichten, der von allen Christen als ein heiliger und verehrungswürdiger Ort betrachtet wird. Die hohe Pforte hat folglich entschieden, daß die Lateinischen Geistlichen und die Ottomanischen Unterthanen kathol. Religion auch das Recht haben sollen, dort ihren Gottesdienst zu bestimmten Zeiten am heil. Grabe zu halten, wie diejenigen welche zur Griechischen, Armenischen, Syrischen und Coptischen Confession gehören, daselbst den ihrigen begehen; aber unter der Bedingung daß weder in der Verwaltung noch im gegenwärtigen Stand der Dinge irgend eine Aenderung vorgenommen werde. Ich beeile mich alles dieses nach dem Befehl Sr. Kaiserl. Majestät zur Ew. Exellenz Kenntniß zu bringen.

Ich brauche bei Er. Excellenz Weisheit nicht erst noch zu sagen, daß die hohe Pforte die gegründete Hoffnung hegt, daß die französische Regierung eine Entscheidung würdigen und annehmen wird, welche das Resultat des Wunsches der hohen Pforte ist, die freundschaftlichen Beziehungen mit Frankreich zu befestigen, sowie aller der Beachtung und Aufmerksamkeit, welche diese gewichtige Frage forderte. Ich ergreife 2c. 20.

VII.

Auszug aus einer Depesche des Oberst Rose an Graf Malmesbury. Therapia, den 20. November 1852. - Die Lage der Pforte ist sehr ungünstig. Gegen alle ihre Wünsche und Interessen ist sie in einen sehr gefährlichen und schwierigen Streit zwischen den beiden Mächten hineingezogen worden, welche ihre Forderungen auf widersprechende Dokumente gründen, die aus alter und dunkler Zeit datiren. Die Pforte, eine Mohamedanische Macht, wird aufgerufen, einen Streit zu entscheiden, der scheinbar durch die religiösen Gefühle der christl. Confeffionen hervorgerufen, der aber in seinem Wesen ein Lebenskampf zwischen Rußland und Frankreich um politischen Einfluß in dem Gebiet der Pforte, auf Kosten dieser selbst, ist.

Der Sultan soll Richter sein und diesen Streit entscheiden, aber weit entfernt, richterliche Unabhängigkeit und Freiheit zu besißen, wird der Sultan gedrängt, vor seinen Unterthanen durch Drohungen herabgefeßt, gezwungen wideriprechende und ehrwidrige Entscheidungen zu geben und dann der Perfidie von denen beschuldigt, die ihn dazu getrieben haben.

In dieser peinlichen Lage lud mich Fuad Effendi zu einer Besprechung ein ,,über die, wie er sagte, sehr ernste Wendung, welche die Angelegenheit der heiligen Stätten genommen hatte."

Sr. Excellenz erging sich ausführlich über alle Schwierigkeiten der Lage der Pforte. Er sagte: „Frankreich, seinen Vertrag mit der Pforte in der Hand, forderte die Rechte auf die heiligen Stätten als durch den Vertrag den Lateinern bewilligt; d. i. eine völlige Aenderung des status quo. Die Pforte stand auf dem Punkt ihm Zugeständnisse zu machen, als der Kaiser von Rußland, vergangenes Jahr, in einem Briefe an den Sultan, von der Pforte das unbe dingte Festhalten am status quo forderte, indem er sagte, daß,,die Frage der heil. Stätten klar und bestimmt durch feierliche Verordnungen und souveräne Hatti-Scherifs entschieden sei“. Hr. v. Titoff erklärte auch der Pforte, daß er mit seiner ganzen Gesandschaft Konstantinopel verlassen würde, wenn sie die geringste Abweichung vom status quo zuließe. Hr. v. Lavalette drohte die Dardanellen mit einer französischen Flotte zu blockiren, wenn die Pforte am status. quo festhielte.

Der status quo wird mit russischen Drohungen vertheidigt und mit franzöischen angegriffen. Diese beiden Mächte haben damals und später die Pforte in eine Kette von Täuschungen hineingetrieben, zum Nachtheil für die Freiheit ihres Entschlusses und für ihr Ansehn — und sie wird nun mit ihrer Rache bedroht, wenn fie nicht den Streit zur Erledigung bringt, welche sie selbst, durch ihre gegen seitigen Anfeindungen, unmöglich machen. Wenn Frankreich und Rußland auf diesem Wege beharren, jo liegt die einzige Aussicht der Rettung für uns darin, England anzurufen, daß es in unserem Interesse zwischen diesen beiden Mäch ten intervenirt und sie dazu bewegt einem ausführbaren Project zur Erledigung ihres Streits beizustimmen"".

VIII.

Auszug einer Depesche des Oberst Rose an Graf Malmesbury.

Pera, den 4. Dezember 1852. Mylord. Die Frage der heiligen Stätten scheint im ganzen sich günstiger zu gestalten, als zur Zeit, wo ich das lezte Mal die Ehre hatte an Ew. Lordschaft zu berichten.

Die Gegenstände der Discussion: die Veröffentlichung oder Vorlejung des Firmans und der Schlüssel zur großen Thür der Kirche zu Bethlehem, sind dieselben; aber die Vertreter Frankreichs und Rußlands haben den Ton in ihren Verhandlungen mit der Pforte über diese Sachen gemäßigt.

Ich schreibe diesen günstigen Erfolg zum guten Theil dem Rath bei, welchen ich an Fuad Effendi gegeben habe, als er mich um Rath fragte, was er thun sollte, wenn die Pforte von beiden Vertretern beschuldigt würde, mit Perfidie gehandelt zu haben.

Beide, sowohl Hr. v. Lavalette als Hr. v. Ozeroff, haben sich nicht gescheut diesen schweren Vorwurf in den stärksten Ausdrücken gegen die Pforte zu erheben. Ich sah, daß ihre Anklagen nicht nur für das Ansehen und den Einfluß der Pforte von größtem Nachtheil wären, sondern daß die Consequenz und Schroffheit, mit der sie wiederholt wurden, von schlimmer Vorbedeutung erschienen und der Möglichkeit Raum gaben, daß einmal weitere Forderungen auf Genugthuung gestellt werden möchten, wegen fortgesetter „Treulosigkeit und Verrätherei." Ich erklärte daher ebenso höflich als bestimmt, sowohl Hrn. v. Lavalette als Hrn. v. Ozeroff, daß ich die Gerechtigkeit dieser Beschuldigungen nicht anerkennen könnte, weil der drängende Charakter der russischen und französischen Forderungen die Pforte gezwungen hätte, wider ihren Willen, wider ihr Interesse und wider ihre Überzeugung, widersprechende Entscheidungen zu fällen; daß die Pforte erst genöthigt worden sei den Richter in einer äußerst schwierigen und für sie unangenehmen Sache zu spielen, und dann ihr doch die richterliche Freiheit und Unabhängigkeit völlig entzogen worden sei.

Fuad Effendi hat sich in gleichem Sinne gegen die beiden Vertreter ausgesprochen.

IX.

Depesche des Oberst Rose an Graf Malmesbury.

Pera, den 5. Dezember 1852.

Herr v. Ozeroff hat seiner Stellung in diesem wichtigen Augenblick sehr dadurch prejudicirt, daß er dem französischen Ambassadeur in offizieller Weise erklärt hat, daß Rußland, Kraft des Vertrages von Kainardji, ein Schußrecht über die erthodore, d. i. die griechische Kirche in der Türkei habe. Herr v. Lavalette nimmt dies um so schwerer, als er selbst vor Kurzem förmlich erklärt hat, daß Frankreich keinen Anspruch auf ein Protectorat über die römischkatholischen Unterthanen der Pforte macht. Er hat die Erklärung des Baren v. Ozeroff seinen Collegen und der Pforte mitgetheilt. Die Pferte hat diesen Anspruch eines russischen Protectorats der religiösen Intereffen von 10 oder 11 Millionen ihrer Unterthanen mit ungetheiltem Mißfallen aufgenommen.

Ich habe die Ehre eine Abschrift der beiden Artikel des Vertrages von Kutschuk-Kainardji beizufügen, welche sich auf das Verhältniß Rußlands zu den griechischen Christen der Türkei beziehen. Herr v. Ozeroff gründet seinen Anspruch auf Artikel VII; aber ich glaube annehmen zu können, daßz Ew. Lordschaft mit mir darin übereinstimmen werden, daß das Versprechen der Pforte die christliche Religion und ihre Kirchen zu schüßen, dem russischen Vertreter in keiner Weise berechtigen, zu sagen, daß Rußland ein Schußrecht über die griechische Kirche in der Türkei hat, zumal der Artikel VII ausdrücklich das Recht des rufsischen Schutes über die griechische Kirche auf die Kapelle der russischen Ge

sandschaft und eine neue griechische Kirche beschränkt, welche der russische Hof in Galata bauen wollte.

X.

Vertrag von Kutschuk- Kainardji.

1774.

Art. VII. Die hohe Pforte verspricht fortdauernd die christliche Religion zu schüßen; und sie erlaubt auch den Ministern des kaiserl. russisch. Hofes bei allen Gelegenheiten Vorstellungen zu machen sowohl zu Gunsten der neuen Kirche in Constantinopel, von der in Art. XIV die Rede sein wird, als derer welche sie bedienen, indem sie verspricht dieselben in Erwägung zu ziehen, als die einer Vertrauensperson einer innig befreundeten Nachbarmacht.

Art. VIII. Den Unterthanen des russischen Reiches, Geistlichen wie Laien, soll es frei und erlaubt sein, die h. Stadt Jerusalem und die übrigen der Verehrung würdigen Orte zu besuchen. Es wird von diesen Pilgern und Reisenden von niemand, weder zu Jerusalem, noch sonst we, noch auf der Reise Haretsch, Steuer, Zoll oder andere Abgabe gefordert werden; sie werden mit Pässen und Firmanen versehen werden, der Art wie man sie den Unterthanen anderer befreundeten Mächte giebt. Während ihres Aufenthaltes im türkischen Reich, soll ihnen nicht Leid oder Ungemach zugefügt werden, sondern im Gegentheil sollen sie unter dem strengsten Schuß der Gesetze stehen.

Art. XIV. Nach dem Vorgang anderer Mächte erlaubt man dem hohen russischen Hof, außer der Kapelle im Hause des Ministers, in dem Quartier Galata in der Straße genannt Bey-Oglu eine öffentliche Kirche des griechischen Ritus zu bauen, welche immer unter dem Schuße der Minister dieses Reiches stehen und gegen jede Beeinträchtigung und Beleidigung geschüßt werden soll.

XI.

Auszug aus einer Depesche des Oberst Nose an Graf Malmesbury. Pera, den 5. Dezember 1852.

Ich habe immer den türkischen Ministern gesagt, daß meine Instructionen mir nicht erlaubten mich in die Frage einzumischen, und daß selbst, wenn sie es thäten, ich nicht gut ein Urtheil über Entscheidungen von heut geben könnte, denen andere von morgen widersprächen, indem ich nicht einmal wüßte, ob andere Gegenversprechungen im Geheimen oder ohne mein Wissen gemacht worden wären.

Andrerseits erklärte ich Fuad Effendi daß es meine Pflicht sein würde den Sultan zu unterstüßen, wenn Sr. Majestät das Recht in Anspruch nehme, kraft seiner Unabhängigkeit und der Freiheit seines Handelns, ein gewissenhaftes Urtheil in einer Angelegenheit auszusprechen, welche er zu untersuchen und zu entscheiden berufen wäre.

Fuad Effendi hat mir nun in drei verschiedenen Unterredungen aus eignem Antrieb gesagt, daß nachdem er mit mehreren seiner Collegen die Documente und Verträge bezüglich der heiligen Stätten noch einmal durchgegangen habe, er zu der Überzeugung gelangt wäre, daß Frankreichs Anspruch auf den Schlüfsel zur großen Thür der Kirche von Bethlehem gerecht sei und daß, wenn sein Vertrag von 1740 streng nach Rechtsgrundsäßen untersucht würde, Frankreich noch verschiedene Heiligthümer mehr als die beiden fordern könnte, welche ihm durch die Note vom 9. Februar gegeben sind.

Der Groß- Vezier den ich heute sah, gab mir eine ähnliche Erklärung. Beide Sr. Hoheit und Fuad Effendi sprachen sich dahin aus, daß sie ent schlossen seien, die Pforte aus der kritischen Lage zu reißen, in welche sie durch die widersprechenden Zusagen des leßten Ministeriums rücksichtlich der Frage von Jerusalem gerathen sei; daß je länger die Frage sich hinziehe, desto krititischer und verwickelter die Lage der Pforte werde und daß in diesem Sinne der Sultan beabsichtige ohne allen weitern Aufschub, die Frage der heiligen Stätten endgültig zu entscheiden, welche nach den strengsten Regeln der Gerechtigkeit und Unpartheilichkeit, aufs Genaueste erörtert und untersucht worden sei; und daß wenn eine der Parteien über die Entscheidung sich beklagen sollte, so würde die Pforte erwiedern, daß sie nach besten Kräften und nach gewissenhafter Überzeugung entschieden habe.

Man ist dem Großvezier schuldig zu sagen, daß er mit soviel Klugheit und Consequenz gehandelt hat, als bei den schwierigen Verhältnissen möglich war, in welchen er sich befand.

XII.

Depesche des Oberst Rose an Graf Malmesbury.

Constantinopel, den 16. December 1852. Die Pforte hat ihre Entscheidung gefällt, dieselbe wie die von 20. Januar v. J. was die heiligen Stätten betrifft, und sie den Vertretern Frankreichs und Rußlands mitgetheilt. Beiliegend Herrn Stephan Pijanis Bericht über den Gegenstand.

Um Ew. Lordschaft eine richtige Anschauung von dieser Entscheidung und den Gründen, auf welche die Pforte sich stützt, zu geben, lasse ich eine kurze Recapitulation der darauf bezüglichen Umstände folgen.

Im Jahre 1850 richtete General Aupick zuerst eine Note an die Pforte, worin er die Erfüllung der Forderung Frankreichs hinsichtlich der Heiligthümer fraft Vertrages verlangte.

Im Jahre 1851 ernannte die Pforte eine gemischte Commission, bestehend aus französischen und griechischtürkischen Mitgliedern, unter dem Vorsiß Emir Effendis, um die französischen Ansprüche zu prüfen.

Diese Commission zeigte zu viel Hinneigung zu Frankreich, indem sie „den Vertrag des Kalifen Omar", die Grundlage der griechischen Ansprüche auf die Heiligthümer, als Beweisstück verwarf. Sie hatte mehrere Sizungen gehalten, als der Brief des Kaisers von Rußland ankam und ihre Auflösung bewirkte.

Die Pforte ernannte darauf, gegen den Wunsch Frankreichs, eine ausschließlich türkische Untersuchungs- Commission. Diese Commission gab, nachdem sie ,,den Vertrag des Kalifen Omar“, die beiden französischen Verträge und alle auf die heiligen Stätten bezüglichen Firmane und Documente geprüft hatte, ihr Urtheil über dieselben ab, auf welches sich die Entscheidung der Pforte vom 25. Januar gründet, die als,,billig" bezeichnet ist durch das werthvolle Zeugniß von Ihrer Majestät Ambassadeur, wie sich aus Sr. Excellenz Depesche vom 18. Februar d. J. ergiebt. Die jest von der Pforte gefällte Entscheidung ist dieselbe.

Hr. v. Titoff, die Abänderung des status quo mißbilligend, welche aus der Entscheidung vom 25. Januar v. J. und der Note der Pforte an den französischen Gesandten vom 9. Februar sich ergiebt, säumte nicht mit Versuchen, den

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