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auch das Frühmahl, nach unsrer Ansicht das Diner, sich nicht wesentlich von dem Souper unterschied, so haben doch die Leute des dreizehnten Jahrhunderts feine Distinctionen aufgestellt.

Ueber das Diner (prandium) äussert sich Bartholomaeus de Glanvilla (de propr. rerum, l. VI, c. XXIII) folgendermassen: „Speise und Trank zu Diners und Gastmählern haben ihre bestimmte Ordnung und Regel. Zuerst also werden die Gerichte zubereitet, die Gäste eingeladen, Sitze und Sessel aufgestellt, im Speisesaale die Tische aufgeschlagen und die Tischtücher aufgelegt und geputzt. Die Gäste mit dem Herrn werden zu Häupten des Tisches gesetzt, sie nehmen aber nicht eher Platz, bis die Gäste (alle) ihre Hände gewaschen haben. Abseits (deorsum) sitzen die Töchter der Herrin vom Hause; unten speisen die Diener gleichfalls an der Tafel. Löffel, Messer und Salzfässer werden zuerst auf den Tisch gelegt, dann bald Brot und auch die Becher gebracht. Viele und verschiedene Gerichte folgen. Die Hörigen und die Diener gehorchen mit Fleiss einem Jeden; indem sie sich gegenseitig einladen, lassen sie (?) sich gleichfalls nieder. Mit Fiedeln und Cithern werden sie erheitert. Jetzt werden die Weine, jetzt die Gerichte erneuert, und die aufgetragenen Gänge zerlegen sie sich gegenseitig und theilen sie unter einander. Endlich werden Früchte und Gewürze servirt. Nach Beendigung des Diners werden die Tischtücher mit den Ueberbleibseln abgenommen, die Tische von den Schragen gehoben, die Hände wiederum gewaschen und abgetrocknet. Danksagungen Gott und dem Gastgeber werden ausgesprochen und der Erheiterung wegen wieder und wieder die Becher präsentirt. Nachdem dies bei dem Diner beendet ist, legt man sich entweder zur Ruhe aufs Bett oder man darf nach Hause gehen." Das Souper (cena) bespricht er im folgenden Capitel (XXIV)1): „Alles was oben vom Diner gesagt ist, passt auch auf das Souper. Dies Souper aber machen sie sehr grossartig und festlich. [Es ist da mancherlei zu bedenken:] Erstens die schickliche Zeit. Denn ein Souper muss zu angemessener Zeit, weder zu früh noch zu spät stattfinden. Das Zweite ist ein passendes Local, das geräumig, anmuthig und auch sicher ist. Denn in geräumigen, anmuthigen und sicheren Localen pflegen die edlen Herren ihre Feste zu feiern. Drittens des Einladenden Freigebigkeit und die Heiterkeit seines Gesichtes, denn ein

1) Ich lasse die Erklärungsversuche fort (cena von cenon = commune, oder umbra, oder von scynos canis) und ebenso die herangezogenen

von cenos

Bibelstellen.

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Souper ist nichts werth, wenn des Gastgebers Gesicht finster drein blickt. Viertens Mannigfaltigkeit der Gerichte, damit, wer von einem nicht mag, sogleich vom andern kosten kann. Fünftens Abwechselung der Weine und der Becher. Sechstens artiges und anständiges Benehmen der Dienerschaft. Siebentens, dass die Gesellschaft jedem der theilnehmenden Freunde ansteht. Achtens ausgezeichnete Tüchtigkeit der Sänger und der Musiker. Denn ohne Cither oder Symphonie pflegen die Soupers bei edlen Leuten nicht gefeiert zu werden. Das Neunte ist die verschwenderische Menge von Lichtern und Kerzen, denn im Finsteren zu soupiren ist unangemessen und auch der Fliegen wegen (propter muscas!) gefährlich, und deshalb werden Kerzen auf die Leuchter gesteckt, die Laternen, die Lampen, die Lichte nothwendiger Weise angezündet. Zehntens, dass alle aufgetragenen Gerichte lecker bereitet sind, denn beim Souper pflegt man nicht, wie beim Diner, grobe und gewöhnliche Speisen aufzutragen, sondern man setzt den Tischgenossen ausgesuchte, leichte und delicate Gerichte vor, zumal an den Höfen der Herren. Elftens muss das Souper lange dauern. Denn es pflegen die Leute, wenn die Tagesarbeit vorüber ist, ihr Mahl in die Länge zu ziehen. Alle zu schnell genossene Speise schadet nämlich zur Nacht, und deshalb soll man gemächlich soupiren. Zum Zwölften, dass Keinem Kosten erwachsen (indemnitas); denn Jeder muss so zum Souper gebeten werden, dass er keinen Verlust dadurch erleidet. Unanständig nämlich ist es, nach einem freiwillig gebotenen Souper jemanden zur Zahlung eines Beitrages (simbolum) zu zwingen. Das Dreizehnte ist die Annehmlichkeit der Ruhe und des Schläfchens. Denn nach dem Souper muss man ruhen, weil dann der Schlaf sehr süss ist, und deshalb waren elfenbeinerne Betten und goldene Lagerstätten im Palast. Wie nämlich Constantinus (medicus) sagt: Wenn der Dunst der Speisen in das Gehirn steigt, so schlafen wir leicht."

Die Esstische wurden in den Saal hineingebracht und aufgetragen (s. S. 66), dann mit Tischtüchern (afr. nape) belegt 1). Dieselben waren gewöhnlich weiss 2), aber mit goldenen oder silbernen

1) Lohengr. 914: Nû was ouch ezzens worden zît, Diu tischelachen wurden alle ûf geleit. Dietr. Flucht 7644: Zehant man ûf die tische truoc Tischlachen, als man solde, Wand man ezzen wolde.

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2) Wolfdietr. A 145: In den palas wîten sazt man die tavel breit, Wîziu tischlachen spæhe wurden dar ûf geleit. Virgin. 923, 7: Die taveln wurden schiere bedaht Mit wizen wæhen tuochen.

Borten besetzt 1) oder mit Stickereien verziert 2). Ohne Tischtuch zu speisen, galt für durchaus unschicklich; selbst im Zelte wurde dasselbe auf eine Matte ausgebreitet 3), und wenn man im Freien tafelte, so versäumte man nicht, auf das Gras ein schönes sauberes Tuch zu decken 4). Jeder Gast erhielt dann eine Serviette (twehel, afr. doublier)) und ein Brot. Dann setzte man die Salzfässer auf, legte die erforderlichen Messer und Löffel auf den Tisch, brachte Schüsseln und Becher herbei und bereitete so Alles aufs beste vor).

Das Tafelgeräth bestand aus den grossen Schüsseln, in denen die Gerichte aufgetragen werden, aus den kleineren Schüsseln, die unsern Tellern entsprechen und aus denen bald ein Gast allein), bald mit einem Tafelgenossen zusammen speiste ), aus den Salzfässern, Messern und Löffeln, endlich aus den Trinkgefässen. Der gemeine Mann, der Bauer, ass wahrscheinlich damals aus hölzernen oder irdenen Schüsseln. Von diesen sind kaum noch Ueberreste vorhanden. Viollet-Le-Duc bildet im zweiten Bande seines Dictionnaire du Mobilier T. XXXII, XXXIII einige Scherben mittelalterlicher Töpferwaare ab. Andre wahrscheinlich irdene Geschirre hielt P. Lacroix, les arts au moyen-âge, Fig. 29, 30 nach Sculpturen. der Kirche Saint-Benoît zu Paris mit (s. Fig. 76.77). Die begüterte Klasse, der wohlhabende Kaufmann, der Ritter u. s. w. bediente sich des Zinngeschirres, und es ist wohl anzunehmen,

1) S. Oswald 3269: Ein tischtuoch was ûf den tisch geleit, Daz was lanc und dar zuo breit. Ez was also wol beslagen, Als wir ez noch hæren sagen, Mit silber und mit guotem golde, Als ez ein künic haben solde.

2) Virgin. 213, 6: Bald und gar geswinde Bedecket wart vil manic tisch Hel von when tuochen, Diu von der nâdeln vuoren vrisch. - Cf. oben S. 153, Anm 2. 3) Percev. 1934: Et voit sor j. torsiel de jonc Une tuaile blance et nueve. 4) Durmars 2183: Li nains a de sa male ostee Blance tualle et bien ovree, Si l'a maintenant estendue Sor fechiere et sor erbe drue, Sor la nape mist ij. coteax, Puis i met sel et beax gasteax Et lors si prent ij. esquieles D'argent molt bones et molt beles.

5) UvdTürl. Wilh. d. H. p. 85: Nach der francen site tischlachen wize Und mannige twehele parisin.

6) Percev. 24966: Sor les tables sont li doublier Et li coutiel et les salières, Les coupes d'or à rices pières; 36609: Errament sont les tables mises Et les napes de sour assises, Les salières et li coutiel. Cf. 42670. 44675. Parton. 887: Et voit les grans fus alumés Et des gros cierges grans plentés Et tables mises et doubliers, Couteaus, salières et culiers, Coupes, henas et escueles D'or et d'argent, bones et beles.

7) Durmars 6344: Si ot chascuns doble esquiele.

8) Percev. 2755: Et li preudom lés lui assist Li valet et mangier le fist Avoec lui en une escuiele. Durmars 2199: Mesire Durmars et la bele Mangierent al une esquiele.

Zinngeschirre. Silberservice.

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dass auch in vornehmen Häusern das Silberservice allein an hohen Festund Feiertagen und auch dann nur für die Herrschaft und deren geehrteste Gäste aufgestellt wurde. Von dem gewöhnlichen Haushalte sprechen aber, wie wir wissen, unsre Dichter meist gar nicht, und so ist es nicht zu verwundern, wenn wir bei ihnen wohl Beschreibungen herrlichen Silbergeschirres finden, die bescheidenen Zinnwaaren aber

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Fig. 76. Irdene Gefässe nach Sculpturen der Kirche Saint-Benoît zu Paris.

nicht erwähnt werden. In dem „Dit du lendit rimé" (Méon, Fabl. II, 303), in dem uns der grosse Markt in Saint-Denis, der im Juni abgehalten wurde (s. Vaublanc, La France au temps des Croisades III, 64; IV, 26), beschrieben ist, werden auch (v. 68) „Platiaus, escueles et pos Trouvé, qui sont ouvré d'estain“.

Die Tafeln der Grossen waren, wie gesagt, bei festlichen Gelegenheiten mit kostbarem Silberservice besetzt 1). Man kaufte und bestellte solche schwere, werthvolle Stücke, einmal um durch den reichen Tafelschmuck von seinem Besitz und seiner Macht Zeugniss abzulegen, dann aber auch um seine Schätze irgendwie nützlich zu verwerthen; da es nicht

1) Herz. Ernst 2394: Köphe, näphe goltrôt, Die schüzzel von silber wol getân; 3186: In vil manic goltvaz Gôz man met unde wîn, Dâ stuonden schüzzel silberîn Mit maniger hande lîpnar. Percev. (Gerberts Interpolation; Potvin V. 203): Ens grans escuèles d'argent Furent communaument servi. Durmars 2189: Et lors si prent ij. esquièles D'argent molt bones et molt beles. Es esquieles met le haste.

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für anständig galt und auch durch das kanonische Recht verboten war, dass zumal ein Edelmann sein Geld auf Zinsen lieh, so benutzte er seinen Ueberfluss dazu, Werthstücke anzuschaffen, die im Falle der Noth ja leicht wieder zu Gelde gemacht werden konnten. Wie viel die Herrschaften an solchen Kostbarkeiten besassen, ist schwer zu ermitteln, da für das zwölfte und dreizehnte Jahrhundert nur wenig Schatzinventare erhalten sind. Einiges lässt sich aus dem Testamente

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Fig. 77. Irdene Gefässe nach Sculpturen der Kirche Saint-Benoît zu Paris.

des Erzbischofs Brun von Köln, der 965 starb, ersehen (Ruotgeri vita Brunonis; MG. VI, 274-275). Dann erzählt Radulfus de Diceto in seinen Ymagines historiarum, dass 1182 der Erzbischof Roger von York ausser baarem Gelde hinterliess: eine goldne Trinkschale (cuppa), sieben aus Silber, dann neun silberne Becher (ciffi), drei Maser-Schalen, drei silberne Salznäpfe, vierzig silberne Löffel, acht silberne Schüsselchen, ein grosses silbernes Tablet (discus) und silberne Schüsseln. Der Erzbischof von York war gewiss ein grosser Herr und doch reichte sein Silbergeschirr höchstens für sechszehn Personen aus; die meisten der zahlreichen Gäste, die er zu seinen Festtafeln einlud, mussten sich also mit geringeren Gefässen begnügen. Aber einige goldne oder silberne Geräthe durften auf den Tischen der Grossen, zumal an Festtagen nicht fehlen, und dass dieselben kunstreich gearbeitet waren, können wir unsern Gewährsmännern wohl unbedingt glauben. War doch das Material kostspielig und die Arbeit des Künstlers im Verhältniss so wohlfeil, dass es sich verlohnte, nun auch alle Mühe darauf zu verwenden, das Geräth möglichst schön zu bilden. Heute sind die Verhältnisse bekanntlich ganz verändert; das Material, selbst Gold und Silber, ist billig im Vergleiche zur Kostspieligkeit wahrhaft künstle rischer Handarbeit. Schon der vorhin genannte Erzbischof Brun von Köln vermacht eine Schüssel griechischer Arbeit (scutellam Graecam) der Pantaleonskirche; zwei vergoldete silberne Schüsselchen aus Mar

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