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in ihre Bordelle. Und wenn diese etwa einzutreten sich weigerten, so riefen sie gleich den Schimpfnamen ,,Sodomit" hinter ihnen her. Denn dies ekelhafte und abscheuliche Laster hatte wie ein unheilbarer Aussatz oder ein verderbliches Gift in dem Grade die Stadt ergriffen, dass es für anständig galt, sich eine oder mehrere Maitressen zu halten. Ja in einem und demselben Hause waren oben die Schulzimmer, unten die Behausungen der Dirnen; im oberen Geschosse lasen die Magister, im unteren trieben die Dirnen ihr schmähliches Gewerbe." Ludwig der Heilige erliess ein scharfes Edict gegen die lüderlichen Wirthschaften, das aber auch nur auf kurze Zeit von Wirkung war ').

Aber mit Gewalt ein Weib zu bezwingen, das wurde als ein schweres Verbrechen angesehen und mit Todesstrafe geahndet 2). In England wurde, wer einer Jungfrau Gewalt anthat, geblendet und entmannt3). Trotzdem melden die Geschichtsschreiber recht häufig von solchen Vorkommnissen 4). Immerhin war es schwer nachzuweisen, ob

1) Guill. de Nang. (Bouquet, Rec. XX, 394): Expellantur publicae meretrices tam de campo quam de villis. Quicunque domum publicae meretrici locaverit meretricesque in sua domo receperit, quantum valet pensio domus uno anno baillivo vel praeposito solvere teneatur. Vgl. Gesetz Ludwigs IX. vom J. 1254, Art. 34 (Ordonnances des Rois de France I, 74. Paris 1723): Die Güter der Dirnen werden confiscirt und ihnen nur der Pelz gelassen. Gesetz Ludwigs IX. vom J. 1256, Art. 11 (Ordonn. I, 79): Item que toutes foles fammes et ribaudes communes soient boutées et mises hors de toutes nos bonnes Citez et Villes, especiallement qu'elles soient boutées hors des rues qui sont en cuer des dites bonnes Villes et mises hors des murs et loing de tous lieus Saints comme Eglises et Cimetieres. Et quiconque loëra maison esdites Citez et bonnes Villes et lieus à ce non establis à folles fammes communes ou les recevra en sa maison, il rendra et payera aux establis à ce garder de par nous le loyer de la maison d'un an.

2) Friderici II. et Heinrici Constitutiones; Heinrici regis treuga (1230, Jul. 6): Raptus sine oppressio virginis per capitis decollationem punietur. Ann. Basil. ad annum 1274: Juvenis quidam, quia virginem vi cognovit, vivus sepelitur in Columbaria. Ann. Colmar. maj. 1281: Hermafroditus exoculatur in Brisaco pro eo, quod violenter voluit cognoscere mulierem; 1301: Fuit in Slecistat iuvenis, qui in parvo rivo Rheni fuit turpiter submersus, qui ante modicum temporis virginem violenter deflorarat. Parz. 527, 19: Man verteilte imz leben unt sînen prîs, Unt daz man winden solt ein rîs, Dar an im sterben wurd erkant Âne bluotige hant. 3) Labbe, Concil. XII, 1106. Concil. Lexoviense: Ut ei, qui virginem violaverit, effodiantur oculi et genitalia praecidantur.

4) Bei der Verlobung der h. Elisabeth zu Ofen schändet der Patriarch von Aquileja, Berthold, ein Bruder der ungarischen Königin Gertrud, eine Gräfin. Dieselbe klagt die Unthat ihrem Gemahl, welcher, da der Patriarch sich durch die Abreise seiner Rache entzogen hat, in das Schlafgemach der Königin eindringt und dieselbe, weil er sie für mitschuldig hält, aufhängt. De fundatione mona

das Mädchen sich gewehrt oder willig gefügt. Ein wahrhaft salomonisches Urtheil theilt Étienne de Bourbon (Anecd. hist. N. 502) mit. Ein junger Mann hatte einem Mädchen für ihre Gunst Geld versprochen, hielt aber das Versprechen nicht, als er seinen Willen erreicht hatte. Sie verklagt ihn nun wegen Nothzucht, und der Richter stellt ihm anheim, sie zu heirathen oder ihr eine Summe zu zahlen. Der Jüngling zahlt die Busse; die Klägerin ist zufrieden und geht ab. Der Richter sagt nun dem Verurtheilten, er solle ihr nachgehen und sich das Geld mit Gewalt wiedernehmen; jetzt vertheidigt sich aber das Mädchen so tapfer, dass der junge Mann seinen Zweck nicht erreicht. Da lässt sich der Richter von ihr das Geld zurückgeben und stellt es dem jungen Manne zu, denn sie habe offenbar gelogen. Hätte sie ihre Jungfräulichkeit so energisch wie das Geld vertheidigt, so wäre sie ihr nie genommen worden. (Im fünfundvierzigsten Capitel des zweiten Theiles von Don Quixote fällt Sancho Pansa genau dasselbe Urtheil.)

Als erschwerend galt es, wenn der Mann sich ausserdem eines Vertrauensbruches schuldig machte. So wird in den Establissements de Saint Louis (livr. I, chap. LI) der Ritter, welcher ein ihm von seinem Herrn anvertrautes Mädchen verführt, seines Lehens verlustig erklärt; hat er Gewalt gebraucht, dann wird er schmählich an den Galgen gehängt. Wie schon oben (S. 395) bemerkt worden ist, hatten öfters Ritter die Damen auf Reisen zu begleiten; wussten sie sich die Zuneigung ihrer Reisegefährtinnen zu erwerben, dann nahm Niemand davon Notiz, was

sterii Diessensis (MG. SS. XVII, 331). Vgl. Chron. Magni presbyteri Contin. ad a. 1213. Chuonradi Schirensis Ann. 1196: Chuonradus dux Suevorum expeditionem adversus ducem de Zaringen movit, in qua per amplexum cuiusdam puellae, quam vi deflorare conabatur, morsu in sinistra papilla tactus vesica crescente nigra nec per hoc eo tardare volente tercia die obiit in Oppenheim. Von demselben Konrad von Schwaben, dem Bruder Kaiser Heinrichs VI., erzählt Burchardi et Conradi Urspergensis Chron. ad a. 1196: Erat enim vir totus inserviens adulteriis et fornicationibus et stupris, quibuslibet luxuriis et immundiciis, strenuus tamen erat in bellis et ferox et largus amicis et tamen sui quam extranei tremebant sub eo. Ottokar beschuldigt Philipp den Schönen von Frankreich der Nothzucht an der Tochter des Grafen Guido von Flandern (DLXXXV): „Die behert er der ern und des frums Der plumen des magtumbs Mit gewalt ane ir dankch“, auch Adolf von Nassau (DCLXXIII) wirft er vor: „Daz er hawsfrawn und magd Het genotzogt an irn dankch" und dem König Andreas von Ungarn (DCCXVII) Uberhuer und trunckenhait“. Auch Gâwein ist nicht tadellos geblieben. Wigal. p. 43, 7: Eine magt wolgetân Die greif er über ir willen an Sô daz si weinde unde schrê.

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Anders gestaltete sich

Der Ritter hatte als

etwa unter vier Augen vorgegangen war). die Sache, wenn die Damen sich beklagten. dann nicht allein seine Ehre, sondern auch sein Leben verwirkt, oder er musste durch schimpfliche Busse Verzeihung sich erkaufen. Ein Ritter vom Hofe des Artus, Lohenîs de Rahaz, hatte sich schwer in dieser Hinsicht vergangen; Artus schenkte ihm zwar das Leben, verurtheilte ihn jedoch, vierzehn Wochen mit den Hunden zu essen, darauf zwanzig überwundene Ritter der geschädigten Dame zur Verfügung über Leben und Tod zu stellen, sieben Jahre lang das Land zu meiden, und dann die Dame, falls sie dazu bereit ist, zu heirathen 2).

Im Kriege gefangene Weiber mit Gewalt sich gefügig zu machen, galt für erlaubt3), und so mag denn auch die Sitte entstanden sein, die es einem Ritter erlaubte, über die Dame unbeschadet seiner Ehre frei zu verfügen, deren Reisebegleiter er im ehrlichen Kampfe überwunden hatte 4). Im übrigen galt eine solche Handlung immer für unehrenhaft; ja selbst fahrende Dirnen waren durch das Gesetz ausdrücklich geschützt, und auch die Geliebte (amie) darf nicht mit Gewalt gezwungen werden, ihrem Freunde zu Willen zu sein 5). Trotzdem

1) Ada wird von Gâwein auf einer Reise begleitet; Lanz. 2347: Ob er ie bî ir gelege, Des enweiz ich niht, wan ichz niht sach. Swaz ir sölhes geschah, Daz enwas niht offenbære. Ez wære ein übel mære, Solt ieglich dinc ûz komen.

2) Crône 19378; 19404: Die meide wâren des gewon Und was daz dâ noch ir site, Daz ein magt einem ritter mite Wol ein ganzes jâr reit, Daz sie dehein wirdikeit Dâ mite an ir êren vlôs; Ob sie ir selber niht enkôs Und in ir minne wert Obe er ir sô begert, Daz ir diu vriuntschaft behagt, Sô wart von ime diu selbe magt Über ir willen betwungen niht etc.; 19445: Vür der nôtnunft nôt, Die buoze künec Artûs gebôt; 19455: Dô vienc in Gâwein sâ Und warf in in die kelle, Daz er der hunde geselle Durch die unzuht wære. Mit kumber und mit swære Was er vierzehen wochen Dar inne belochen. Vier Wochen: Parz. 524, 17; 528, Lancelot I, 39369: Datter mi daets eten metten honden Myn hande op minen rucge gebonden.

29.

3) Bei der Eroberung von Troja; Troj. 12952: Die frouwen sie nôtzogeten Und die megde wol getân.

4) Rom. de la Charette 1302: Les costumes et les franchises Estoient tex à tel termine, Que dameisele nè meschine, Se chevaliers la trovast sole, Ne plus qu'il se tranchast la gole Ne féist se tote enor non, S'estre volsist de bon renon; Et s'il l'esforçast à toz jorz An fust honniz an totes corz. Mès se ele conduit éust Uns autres, se tant li pléust, Qu'à celui bataille en féist Et par armes la conquéist, Sa volonté an poïst faire Sanz honte et sanz blasme retraire.

5) Sachsenspiegel III, art. XLVI, 1: An varndeme wive unde an siner amyen mach die man not dun unde dat sin verwerken, of he sie ane iren dank beleget. Schwabensp. 256, 8: Ein iegelich man mac an sîner amîen die nôtnunft begêen; daz sol man über in richten als er nie bî ir gelegen wære,

begegnen wir in allen Gedichten solchen Situationen; in der Regel kommt zur rechten Zeit ein tapfrer Ritter, der die geängstigte Schöne befreit, oder dieselben wissen durch eigene Kraft sich aus der bösen Lage zu befreien 1). Freilich verschulden viele Frauen ihr Unglück selbst, indem sie ihren Bewerbern erst Freiheiten gestatten und dann, wenn diese weiter gehen, nicht mehr die Kraft haben, ihnen zu widerstehen. Der Dichter vergleicht diese Situation mit der Lage einer Burg, deren Thor und Palissadenwerk (hamît) man nicht gehörig vertheidigt hat; haben sich die Feinde erst dort festgesetzt, so ist die erfolgreiche Vertheidigung der Burg immer sehr zweifelhaft 2). Chrestien de Troies liebt besonders solche Situationen ausführlich schildern 3).

zu

Auch die Frauen suchten oft mit Gewalt Männer sich gefügig zu machen. Die Heldin in dem Schwank der Ritter mit der halben Birn" (Gesammtabent. I, 107) zwingt den in Narrenkleidern unkenntlichen Bewerber geradezu, ihr zu Willen zu sein, und dass junge Stiefmütter ihren erwachsenen schmucken Stiefsöhnen entgegenkommen und, erst wenn ihre Pläne gescheitert sind, diese beschuldigen, sie mit Gewalt bedroht zu haben, das ist ein oft in den Dichtungen wiederkehrender Zug 4).

Herchen

1) So erwehrt sich Galya des Orias (Karlmeinet 162, 61–163, 34). baut will die Frau des Gui de Mayence bezwingen, Doon p. 6: Lors la giete en j. lit sus j point auqueton Si la cuide beisier à forche et à bandon; Et ele lesse aler le poing de tel randon, Devant, parmi le nés, li donne tel frapon, Que il en out senglant le vis et le menton. Aiol 6396: La pucele estoit lasse ne se pot plus aidier, Quant il l'ot abatue por avoec li couchier Il ot traites ses braies por son cors aaisier. La pucele s'avanche, ne se vaut atargier Par entre ij ses quisses li fait ses mains glachier Tant s'aprocha avant, par ses colles le tient Si l'estraint par vertu, qu'il ne pot aidier Iiij. fois se pasma ains qu'il dut redrecier. 2) Gînôver ist von Gasozein entführt worden, der sie, als sie unter einer Linde rasten, bittet (Crône 11660): „Daz er wan zeinem mâle Ir huf mit sînen henden Mit ir willen mueste wenden Bar under ir kleider." Gînôver weigert sich erst, erlaubt es aber endlich doch (11683): „Gînôver niht enkande, Daz ein burc wirt gewunnen, Sô die burgære den vinden gunnen, Daz sie mit vride hie vor Entsliezent daz bürgetor Und gehûsent in daz hamît So ist bêdenthalben ir strît Verendet vil schiere. Mit offener baniere Die vînde dringent dar în, Sô schînet danne ir unsin, Dâ enwirt vride noch suon."

3) Percev. 37108 ff.; 42756 ff.; Rom. de la Charette 1060 ff.

4) Walewein 5316; Lucemiens, der Sohn des Dolopathos, stellt sich bei seiner Rückkehr ins Vaterhaus auf Befehl des Virgil stumm; als alle Versuche, ihn zum Sprechen zu bewegen, gescheitert sind, übergiebt ihn die Stiefmutter ihren Damen, welche den Jüngling zu verführen suchen (Dolop. p. 128 ff.); da auch dies Mittel

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Jedoch bedurfte es des Zwanges in den meisten Fällen nicht. Es gab genug Männer, denen die Ehre ihrer Frauen und Töchter feil war. Johannes Sarisberiensis erzählt (Polycraticus lib. III, cap. 13) 1): „Wenn die junge Frau aus ihrem Brautgemache schreitet, sollte man den Gatten weniger für den Gemahl, als für einen Kuppler halten. Er führt sie vor, setzt sie den Lüstlingen aus, und wenn die Hoffnung auf klingende Münze winkt, so giebt er ihre Liebe mit schlauer Heuchelei preis. Wenn die hübsche Tochter oder sonst etwas in der Familie einem Reichen gefällt, so ist sie eine öffentliche Waare, die ausgeboten wird, wenn sich ein Käufer findet. Und wenn auch ein gerechter Schmerz diejenigen einigermassen foltert, die Theilnehmer in ihr Ehebett zulassen oder heranziehen, so wird doch das Unbehagen durch den Nutzen aufgewogen und gelindert, oder wenigstens verheimlicht er die Schmerzen. Wenn man nämlich die Sache ernst erwägt, wenn jeder frei zu urtheilen vermöchte, so giebt es doch keinen grösseren Schmerz, als wenn Einer seinen eigenen Leib durch Fremder Lust besudeln sieht. Denn die übrigen Sünden sind ausserhalb des Körpers; wer sich aber preis giebt, sündigt am eigenen Leibe. Das ist Bein von meinem Beine, sagt er, Fleisch von meinem Fleische, so dass Mann und Weib nicht zwei sind, sondern ein Fleisch. Wie dies nicht ohne Schmerzen verletzt wird, so wird jenes nicht ohne Eifersucht getheilt.

'Königreiche und Liebe sind nicht mit Andern zu theilen' und wie 'nicht zu trau'n den Genossen im Reich', so auch nicht denen im Bett. Sicher ist es leichter, die Reichthümer der Herrschaft als die Liebe der Gattin einem Anderen abzutreten. Aber das sind ja nicht Gatten, sondern Kuppler."

Unter ihren Standesgenossinnen trafen die armen Ritter, welche auf Abenteuer auszogen, genug an, die ihnen auf halbem Wege entgegen kamen. So schildern wenigstens die Dichter ihre Zeit. Mädchen geloben geradezu, ihre Keuschheit für einen berühmten Helden

fehlschlägt, versucht die Stiefmutter selbst ihr Heil (p. 136): „Nu à nu le bèse et atouche; Sachiez ke la mains et la bouche Ont moult de pooir à teile oevre. Toute s'abandone et descuevre." Erbost darüber, dass auch dies nichts fruchtet, verklagt sie ihn bei seinem Vater und beschuldigt ihn eines unsittlichen Attentates.

1) Meiners, hist. Vergl. der Sitten etc. des MA. I, 201, citirt falsch: Metalogicus 1. III, c. 15.

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