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3. Ob es nöthig sey, eine neue Deklaration zur Bestätigung oder näheren Bestimmung der am 13ten März ergangenen, bekannt zu machen?

Die Kommission erstattet, nach reifer Ueberlegung der vorstes henden Fragen, der Versammlung der Bevollmächtigten von dem Resultate ihrer Berathschlagungen folgenden Bericht:

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Hat sich das Verhältniß Bonaparte's gegen die europäischen Mächte durch den ersten Erfolg seiner Unternehmung, oder durch die seit seiner Ankunft in Paris vorgefallenen Umstände geändert?

Als die Mächte Bonaparte's Landung in Frankreich vernahs men, konnten sie in ihm nichts anders erblicken, als einen Mann, der, indem er an der Spiße eines bewaffneten Haufens und mit dem eingestandenen Vorhaben, die bestehende Regierung zu stür zen, auf dem französischen Gebiete erschien, indem er das Volk und die Armee zur Empörung wider den rechtmäßigen Monarchen aufrief, und indem er sich den Titel eines Kaisers der Franzosen anmaßte, *) fich allen den Strafen Preis gab, welche die Geseße sämmtlicher Staaten gegen Verbrechen dieser Art ausgesprochen ha ben; einen Mann, der einen von den Souveráns auf Treue und Glauben ihm bewilligten feyerlichen Vertrag gebrochen hatte; eis nen Mann endlich, der, weil er Frankreich aus einem Zustande der Ruhe und Wohlfahrt in alles Ungemach des inneren und auswåre tigen Krieges gerissen, und über Europa in dem Augenblick, wo die Wohlthaten des Friedens es für seine langen Leiden entschädis gen sollten, die traurige Nothwendigkeit einer abermaligen allges meinen Bewoffnung verhängt hatte, mit Recht als ein unversöhns licher Feind des allgemeinen Wohls betrachtet wurde. Dies war

*) Der erste Artikel des am 11ten April 1814 mit Napoleon geschlossenen Vertrags lautet also: „Der Kaiser Napoleon leistet für sich, seine Erben und Nachfolger, und alle Mitglie der seiner Familie auf alle Souveränetätsrechte und Gewalt nicht allein über das französische Reich und das Königreich Itaz lien, sondern auch über alle andern Länder Verzicht.// Nichts destoweniger nennte sich Bonaparte in seinen Proklamatios new vom Golf de Juan, von Gap, von Grenoble, von Lyon: Von Gottes Gnaden, und in Kraft der Reichskonstitutionen Kaiser der Franzosen 2c. 10. 10.“ (S. Moniteur vom 21sten März d. J.)

der Ursprung, dies waren die Beweggründe der Deklaration vom 13ten März, einer Maßregel, deren Gerechtigkeit und Nothwendigkeit allgemein anerkannt worden ist, und welche die Stimme der Welt bekräftigt hat.

Durch die Begebenheiten, welche Bonaparte nach Paris gebracht und für den Augenblick den Besiß der höchsten Gewalt wieder in seine Hände geliefert haben, ist das Verhältniß, worin er fich zur Zeit seiner Landung in Frankreich befand, factisch geandert; aber diese durch strafbare Einverständnisse, militärische Vers schwörungen und empörenden Verrath herbeygeführten Begebens heiten konnten kein Recht stiften; sie sind, aus einem rechtlichen Standpunkte betrachtet, null und nichtig; und wenn die Lage Bo: naparte's sich wesentlich und rechtskräftig geändert haben sollte, so müssten die Schritte, die er gethan, um auf den Trümmern der von ihm gestürzten Regierung seine Macht wieder zu erheben, durch irgend einen Recht stitel bestätigt worden seyn.

Bonaparte behauptete in seinen Bekanntmachungen, die zu Gunsten seiner Wiedereinseßung auf den französischen Thron erklärte Stimme des französischen Volks sey hinreichend, um diesen Rechtse titel zu begründen.

Die von den Mächten zu erörternde Frage kommt daher folgendermaßen zu stehen: Kann die wirkliche oder vorgegebene auss › drückliche oder stillschweigende Zustimmung des französischen Volkes zur Wiederherstellung der Macht Bonapartes, in seinem Verhältnisse gegen die auswärtigen Mächte, eine rechtskräftige Veränderung bewirken, und ihm einen für diese Mächte bindenden Karakter beylegen?

Die Kommission ist überzeugt, daß jene Stimmung solche Wire kungen nicht haben kann; und folgendes sind die Gründe ihrer les berzeugung:

Die europäischen Mächte kennen die Grundsäße, von welchen sie in ihren Verhältnissen gegen unabhängige Staaten auszugehen has ben, viel zu gut, um einem solchen Staate, (wie man sie fälschlich bes schuldigt),,Geseke diktiren, sich in seine innern Angelegenheiten mis schen, ihm eine Regierungsform vorschreiben, ihm einen Oberherrn nach der Willkür oder den Launen seiner Nachbarn aufdringen zu wollen"). Sie wissen aber auch, daß die Freyheit einer Nation, *) So wird in dem Berichte des Bonaparte'schen Staatsraths von den Absichten der Mächte gesprochen. (S. Moniteur vom 13. April d. J.)

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ihre Regierungsform zu verändern, gerechte Gränzen haben muß, und daß fremden Mächten, wenn sie gleich nicht befugt sind, ihr den Gebrauch, den sie von dieser Freyheit, machen soll, vorzuschreis ben, doch unbezweifelt das Necht zusteht, sich gegen den Mißbrauch, den sie zum Nachtheil Anderer machen könnte, zu verwahren. Von diesen Grundsäßen durchdrungen, maßen die Mächte sich nicht an, Frankreich eine Regierung aufzudringen; sie werden aber nie dem Rechte entfagen, zu verhindern,daß in Frankreich unter dem Namen eis ner Regierung ein Brennpunkt von Unordnung, Zerrüttung und Vers derben für alle übrigen Staaten gestiftet werde. Sie werden die Unabhängigkeit Frankreichs in allen den Fällen anerkennen, wo sie nicht mit ihrer eigenen Sicherheit und mit der allgemeinen Ruhe von Europa im Widerspruche steht.

Dieses Recht der vereinten Souverains, bey Verhandlung der innern politischen Verhältnisse Frankreichs eine Stimme zu fühs. ren, ist im gegenwärtigen Falle um so unbestreitbarer, als die Ab schaffung der Macht, die man jeht wieder dort einführen will, die Grundbedingung eines Traktats war, auf welchem alle, bis zur Rückkehr Bonaparte's nach Paris, zwischen Frankreich und dem übrigen Europa bestehenden Verhältnisse ruhten. Am Tage ihres Einzugs in Paris erklärten die Souverains, daß sie nie mit Bonaparte unterhandeln würden. *) Diese Erklärung, in Frankreich und Europa allgemein gepriesen, führte die Entsagungs, "akte Napoleon's und die Konvention vom 11ten April herbey; sie ward die Grundlage der Haupt-Unterhandlung; sie wurde in dem Eingange zum Traktat von Paris ausdrücklich in Anregung ges bracht. Die französische Nation, vorausgeseßt, sie sey vollkoms. men frey und vollkommen einig, kann sich demnach jener Grundbes dingung nicht entziehen, ohne den Traktat von Paris und alle ihre bisherigen Verhältnisse mit dem europäischen Staatssystem ums zustoßen. Von der andern Seite üben die verbündeten Mächte, indem sie auf der nämlichen Bedingung beharren, nur ein Recht aus, welches ihnen unmöglich bestritten werden kann, man müsste denn annehmen wollen, daß die heiligsten Verträge, je nachdem es einem oder dem andern der kontrahirenden Theile beliebt, einseitig gebrochen werden dürfen.

Es folgt hieraus, daß der Wille des französischen Volkes keis

* Deklaration vom 31sten März 1814.

neswegs hinreicht, um eine Regierung, die durch feyerliche, von eben diesem Volfe, mit sämmtlichen europäischen Mächten abgeschloss fenen, Verträge verbannt war, auf eine rechtskräftige Weise wies der herzustellen, und daß man unter keinem Vorwande das Recht, den, dessen Ausschließung vom Throne die Vorbedingung aller Friedensunterhandlungen mit Frankreich gewesen war, zurücks zurufen, gegen die Mächte geltend machen kann. Der Wunsch des französischen Volkes, wenn er auch in der gültigsten Form ausges sprochen wäre, würde also nichts destoweniger ohne alle Kraft seyn, wenn es darauf ankommt, eine Regierung wieder einzuführen, gegen welche sich ganz Europa vom 31sten März 1814 bis zum 13ten März 1815 im Zustande-fortdauernder Protestation befuns den hat; und aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, ist Bonapars te's Lage heute genau dieselbe, die sie in den beyden leßtgenanns ten Zeitpunkten war.

3TW eny te Frage.

Kann das Anerbieten, den Pariser Traktat ju bestätigen, in den Maßregeln der Mächte eine Mens derung bewirken?

Frankreich hatte keinen Grund, sich über den Pariser Traktat zu beschweren. Dieser Traktat hat Frankreich mit Europa ausgez söhnt; er hat allen seinen wahren Bedürfnissen Genüge geleistet, ihm alle wesentlichen Güter, alle Elemente der Wohlfahrt und des Ruhms, die ein zu einer der ersten Stellen im europäischen System berufenes Volk vernünftiger Weise begehren konnte, gesis chert, und nur das versagt, was für Frankreich selbst, unter dem trüglichen Scheine eines großen Nationalglanzes, eine unversiegs bare Quelle von Bedrückung, Verfall und Elend war. Der Paris ser Traktat war sogar eine unermeßliche Wohlthat für ein Land, welches der Wahnsinn seines Regenten in den hülflosesten Zustand gestürzt hatte. *)

"

*) der Kaiser, überzeugt von der kritischen Lage, in welche er Frankreich verseht hat, und von der Unmöglichkeit, in welcher er sich befindet, es zu retten, scheint entschlossen, die Regierung gänzlich und ohne alle Einschränkung niederzulegen.“ (Schreiben des Marschalls Ney an den Fürsten von Benes vent; im Moniteur vom 7ten Aptil 1814.

Die verbündeten Mächte hätten ihrem Interesse und ihrer Pflicht offenbar zuwider gehandelt, wenn sie, für so viel Mäßis gang und Großmuth, durch Unterzeichnung des Traktats nicht irsend einen wesentlichen Vortheil erlangt håtten; der einzige aber, nach welchem sie streben, war der Friede von Europa, und Franks reichs Glück. Nie würden sie, in einer Unterhandlung mit B on as parte, dieselben Bedingungen zugestanden haben, die sie einer Regierung bewilligen konnten,,,welche Europa ein Unterpfand der Sicherheit und Beharrlichkeit gewährte, und mithin die Mächte der Nothwendigkeit überhob, von Frankreich die Bürgschaften zu verlangen, die sie unter seiner vorigen Regierung gefordert hats ten." *) Diese Klausel kann vom Pariser Traktat nicht getrennt werden; sie aufheben, heißt ihn brechen. Die förmliche Zustime mung des französischen Volks zu Bonaparte's Rückkehr auf den Thron würde einer Kriegserklärung gegen Europa gleich gelten; denn der Friedensstand zwischen Europa und Frankreich beruhte einzig auf dem Traktat von Paris, und der Traktat von Paris kann mit der Herrschaft Bonaparte's nicht bestehen.

Wenn dies Argument noch einer andern Stüße bedürfte, so würde es sie gerade in Bonaparte's Anerbieten, den Traktat von Paris zu bestätigen, finden. Dieser Traktat war gewissenhaft befolgt und vollzogen worden; die Verhandlungen auf dem Wiener Kongreß waren nur Ergänzungen und Entwickelungen dessels ben gewesen; und ohne Bonaparte's neuen Frevel würde ders felbe Traktat, auf eine lange Reihe von Jahren hinaus, eine der Grundlagen des europäischen Staatsrechts gewesen seyn. Diese Ordnung der Dinge hat aber einer neuen Revolution Plaß ge: inacht; und die Werkzeuge dieser Revolution, ob sie gleich ohne Unterlaß versichern,,,daß sich nichts geändert habe“ **), verstehen und fühlen nur zu gut, daß Alles um sie her anders geworden ift. Die Frage ist heute nicht mehr, ob der Traktat von Paris aufrecht erhalten, sondern vielmehr, ob er von Neuem geschlossen werden soll. Die Mächte befinden sich wieder ges gen Frankreich in der nämlichen Lage, in welcher sie am 31sten März 1814 waren. Nicht um dem Kriege vorzubeugen - denn

*) S. den Eingang des Pariser Friedens-Traktats.

**) So heißt es zu wiederholten Malen im Schluß des von Boz naparte's Staatsrath erstatteten Berichtes. (Moniteur pom 13ten April 1815).

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