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Diese Ueberrumpelung der russischen Diplomatie durch Metternich war um so schwerwiegender, da die Sicherheit der Südküste Russlands aus der Geschlossenheit der Meerengen für fremde Kriegsschiffe wohl juristisch gewährleistet, nach Ansicht sachverständiger Offiziere dagegen recht illusorisch war. Graf Muraviev äussert sich sehr skeptisch: Wenn auch der gute Wille bei den Türken vorhanden wäre, das Prinzip im Kriege aufrecht zu erhalten, so sei doch anzunehmen, dass die türkische Flotte ausserstande die Meerengen zu verteidigen, von den Feinden gekapert und gegen Russland verwendet werden würde, sodass Odessa bombardiert sein könnte, bevor die Nachricht von der Anwesenheit der Feinde im schwarzen Meer nach Petersburg gedrungen wäre 1).

Der Vertrag von Unkiar ist die letzte souveräne Handlung des Sultans betreffend die Meerengen. Die politischen Konzessionen der Hohen Pforte zu Gunsten einer Macht in der Dardanellenfrage finden hiermit ihr Ende.

Ansicht des General von Muraviev, der mit dem Obersten Duchanel die Befestigungen

an den Meerengen besichtigte, bei Mischef, pag. 302 Anm. 3.

3. Regelung der Meerengenfrage durch die

Grossmächte.

§ 10.

Die Convention des Détroits 1841.

Das durch den Vertrag von 1833 entstandene politische Uebergewicht Russlands bei der Pforten-Regierung bildete vielfach den Gegenstand grosser Sorge aller Diplomaten, namentlich Englands und Frankreichs, die entschlossen waren, bei der ersten Gelegenheit Russland zu zeigen, dass sie nicht gewillt seien, ihre eigenen grossen Interessen auf dem Balkan den russischen Wünschen zu opfern, indem sie dieser Macht die alleinige Regelung der Orientfrage überlassen hätten.

Der zweite türkisch-ägyptische Konflikt bot eine Möglichkeit, die türkische Vasalität zu beseitigen und die Dardanellenfrage kollektiv zu ordnen. Da Russland entsprechend dem Vertrage von 1833 verpflichtet war, zum Schutze von Konstantinopel gegen Ibrahim Pascha Unterstützung zu senden, wollte es den Abmachungen auch nachkommen, obgleich,,elle prévoit que ce serait la guerre, et la guerre de tous contre elle" ). Die Haltung des Petersburger Kabinetts war daher auch sehr zögernd, zumal da es sich durch den Vertrag von Münchengrätz gebunden fühlte und ,,nullement prête pour une rupture avec l'Europe occidentale" ").

1) Guizot IV, pag. 495.

2) Depesche des Herrn de Barante v. 4. XII. 1838 bei Thureau-Dangin: Histoire de la Monarchie de Juillet, B. IV., pag 9.

Es kam jedoch nicht zum offenen Bruch, da das Londoner Kabinett den Vorschlag zu einer Konferenz über die Orientfrage machte, dem die Grossmächte zustimmten '). Auch Russland erklärte sich bereit, da es die Unmöglichkeit einsah, den Vertrag von Unkiar mit der Türkei zu erneuern und in einem Kollektivschritt der Mächte zur Ordnung der Dardanellenfrage und Erhaltung des Pfortenreiches für sich eine gewisse Sicherheit erwartete 2). An die Botschafter in Konstantinopel erging daher die Weisung, jede direkte Verhandlung zwischen dem Sultan und den Aufständischen zu verhindern. Trotz vieler Schwierigkeiten gelang es und die 5 Vertreter der Grossmächte unterzeichneten eine an die Pforte gerichtete Note in der es heisst:,,que l'accord sur la Question d'Orient est assuré entre les cinq grandes puissances et de l'engager à suspendre toute détermination définitive sans leurs concours en attendant l'effet de l'intérêt qu'elles lui portent" 3).

In der Hoffnung - nach dem Tode des Sultans Mahmud -- doch noch eine direkte Verständigung zwischen den Kriegführenden herbeizuführen, dadurch die Vermittlung der Mächte auszuschalten und so sein stark gesunkenes Ansehen in der Türkei zu heben, erklärte das Petersburger Kabinett den Rücktritt von den kollektiven Verhandlungen. Es war jedoch zu spät, da der russische Bevollmächtigte von Butenieff das Protokoll bereits unterzeichnet hatte *). Aus dieser halb erzwungenen Lage suchte Russland nach Möglichkeit Vorteil zu ziehen, hauptsächlich Frankreich seinen grössten Widersacher zu schwächen und wenn möglich von der Regelung der Orientfrage ganz auszuschalten. Der Anschluss an England der uneingeschränkte Verzicht auf die Vorteile des Vertrages von 1833 stimmte die britische Diplomatie sehr entgegenkommend, das sich durch Frankreichs ständige Begünstigung der Aufständischen in seinen ägyptisch-indischen Plänen gefährdet sah, war die Folge "). Da mit Frankreich keine Verständigung

1) Goirainow, pag. 53.
2) Goirainow, Kap. X, III
3) Guizot, pag. 423.
4) Mischef, pag. 351.
5) Goirainow, pag. 62.

zu erzielen war, drang Lord Palmerstone auf Beschleunigung der Verhandlungen, die einen vorläufigen Abschluss in Quadrupelallianz am 14. Juli 1840, von England, Russland, Oesterreich und Preussen unterzeichnet, fanden. Die Mächte versprachen darin auf Ersuchen des Sultans zum Zeichen ihrer Freundschaft eine Regelung der ägyptischen Frage und verabredeten Bestimmungen über eine etwaige gemeinsame Hülfsaktion zum Schutze Konstantinopels 1).

Bald jedoch setzten die Bemühungen der Mächte namentlich Englands ein, Frankreich wieder in das „,concert européen“ einzubeziehen, da es ein unnatürlicher Zustand war und um zu verhindern, dass sich Frankreich in der Dardanellenfrage eine besondere Stellung schaffen könnte 2). Frankreich wurde wiedergewonnen und unterzeichnete mit den anderen Grossmächten den definitiven Vertrag über die Schliessung der Meerengen am 13. Juli 1841 in London. Der Wortlaut ist folgender "):

Leurs Majestés l'Empereur d'Autriche, Roi de Hongrie et de Bohême, le Roi des Français, la Reine du Royaume-Uni de la Grande-Bretagne et d'Irlande, le Roi de Prusse et l'Empereur de toutes les Russies, persuadés que Leur union et Leur accord offrent à l'Europe le gage le plus certain de la conservation de la paix générale, objet constant de Leur sollicitude, et Leurs dites Majestés voulant attester cet accord en donnant à Sa Hautesse le Sultan une preuve manifeste du respect qu'Elles portent à l'inviolabilité de ses droits souverains, ainsi que de Leur désir sincère de voir se consolider le repos de son Empire; Leurs dites Majestés ont résolu de se rendre à l'invitation de Sa Hautesse le Sultan, afin de constater en commun, par un acte formel, leur détermination unanime de ce conformer à l'ancienne règle de l'Empire Ottoman d'après laquelle le passage des détroits des Dardanelles et du Bosphore doit toujours être fermé aux bâtiments de guerre étrangers, tant que la Porte se trouve en paix.

Art. I. Sa Hautesse le Sultan, d'une part, déclare, qu'il a la ferme résolution de maintenir à l'avenir le principe invariablement

1) Goirainow, pag. 81.

Depesche des Herrn v. Brunnow vom 17. II. 1841.

3) Strupp I, S. 279.

établi comme ancienne règle 1) de Son Empire, et en vertu duquel il a été de tout temps défendu aux bâtiments de guerre des Puissances étrangères d'entrer dans les détroits des Dardanelles et du Bosphore, et que tant que ia Porte se trouve en paix, Sa Hautesse n'admettra aucun bâtiment de guerre étranger dans les dits détroits. Et Leurs Majestés de l'autre part, s'engagent à respecter cette détermination du Sultan, et à se conformer au principe ci-dessus énoncé.

Art. II. Il est entendu qu'en constatant l'inviolabilité de l'ancienne règle de l'Empire Ottoman mentionnée dans l'article précédent, le Sultan se réserve comme par le passé, de délivrer des firmans de passage aus bâtiments légers sous pavillon de guerre, lesquels sont employés, comme il est usage, au service des législations des Puissances amies. *)

Dem Text nach könnte man annehmen, es handle sich um eine freie Entschliessung des Sultans kraft seiner Souveränität, in Wirklichkeit ist aber der Text so gewählt, um die Tatsache eines starken Eingriffes in die Souveränitätsrechte des Sultans zu verschleiern 3).

Der Vertrag von 1809 mit England ist eine völlig souveräne Handlung des Sultans, die eine gegenseitige Verpflichtung in sich schliesst, die jederzeit gelöst werden konnte. Der Sultan behielt das Recht, jeder Macht die Erlaubnis zum Passieren ihrer Kriegsschiffe zu erteilen, wenn es ihm beliebte, wodurch dann allerdings das Londoner Kabinett von seiner Verpflichtung befreit wurde und gegen die Pforte vorgehen konnte.

Auch der Vertrag von Unkiar Skelessi ist eine souveräne Handlung des Sultans, wenn auch in der russichen Schutzherrschaft ein mit dem Souveränitätsbegriff unvereinbares Einmischungsrecht enthalten ist. Ausserdem galt die türkische Verpflichtung nur für den Fall der russischen Defensive. Im übrigen konnte der Sultan die alte ottomanische Regel nach Belieben handhaben.

1) 1842

Beitritt Belgien, Dänemark, Toskana, Schweden u. Norwegen. Noradounghians II, pag. 345.

2) Strupp, I S. 281.

3) Goirainow, pag. 85.

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