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litischen Könige geübt hätten, und er überschreibt einen eignen §. hierüber mit den Worten:,,Die höchste Gewalt in dem Israelitischen Staat übte in Absicht auf die Gesetze Mosis, die eine Strafe verordnen, das Begnadigungsrecht." Will man unter dem BegnadigungsRechte das Recht verstehen, über einen Verbrecher die Strafe nicht zu verhängen, wenn sein Verbrechen nicht vollständig erwiesen ist, oder besondere, mildernde Umstände eintreten, so fand dergleichen in der That Statt. Denn es wird vorausgesetzt, dass es Fälle geben könnte, deren Entscheidung den gewöhnlichen Richtern zu schwer würde, für deren Beurtheilung also der Buchstabe des Gesetzes nicht ausreichte, wo man sich denn an das höchste Gericht im Lande wenden sollte, 5 Mos. 17, 8-12. Auch aus der Art und Weise, wie ebendas. V. 12. Ungehorsam gegen den Ausspruch des obersten Gerichts als möglich vorausgesetzt und vor demselben unter schwerer Strafe gewarnt wird, gehet hervor, dass diese Richter in solchen Fällen nach selbstständiger Erwägung besonderer Umstände, und nicht nach dem klaren Buchstaben des Gesetzes, das nämlich diesen speciellen Fall nicht besonders bezeichnet, ihren Ausspruch zu thun hatten, denn sonst richtete sich der Ungehorsam nicht gegen diese, sondern gegen das von Zeit zu Zeit dem Volke vorzulesende und demselben bekannte Gesetz selbst. Solche Fälle konnten z. B. vorkommen, wenn bei der Tödtung eines Menschen ein begangener Meuchelmord nicht so bestimmt zu erweisen war, dass die Unnachsichtlichkeit der Todesstrafe dafür feststand. Indess kann man dgl, doch wohl kaum Begnadigung und BegnadigungsRecht nennen, wenn der Richter bei einem nicht vollkommen constatirten Verbrechen die höchste Strafe suspendirte. Von einer andern Art von Begnadigungs-Rechte findet sich aber in den Mosaischen Bestimmungen keine Spur, und dasselbe war auch nicht nöthig, da das Gesetz die Beurtheilung ausnahmsweiser Fälle den Richtern anheim stellt, die also dann nicht Gnade, sondern Recht übten.

§. 2. Als Beweis und Beispiel eines Begnadigungs - Rechtes zur Zeit der Könige führt Michaelis VI. §. 275. die Erzählung 2 Sam. 14. an. Indess dieses Beispiel passt auch wenig, wenn man den erzählten Fall unter dem Gesichtspunkte des Mosaischen Rechtes beurtheilen will. Zweierlei Arten von Begnadigung sollen sich dort ergeben, die erste in Rücksicht des fingirten Falles, den eine Frau dem Könige erzählt: Zwei Brüder waren allein auf dem Felde, Es kam zu Zank und Schlägerei, und der Eine erschlug den Andern. Die Verwandten begehren den Tod des Todtschlägers.

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Auf die flehentlichen Bitten der Mutter, ihr den einzigen Sohn zu erhalten, verspricht nun David, das Nähere zu verfügen, mit demjenigen der auf den Tod anträgt, zu sprechen und ihren Sohn zu schützen. Hier liegt nun eigentlich kein absichtlicher Mord vor, wie er unter Brüdern nicht leicht vorauszusetzen, sondern ein wahrscheinlich nur zufälliger Todtschlag im Zorn, ein Fall, der mit der Tödtung Abels, I Mos. 4, 8., sehr viele Aehnlichkeit hat. Es steht also dahin, ob hier unausbleiblich auf Todesstrafe zu erkennen war, zumal da die Mutter um Schonung bat, und derjenige, welcher als Goël des Erschlagenen auftrat, doch dem zu Tödtenden gleich nahe verwandt war. David begnadigt hier also nicht eigentlich, sondern er verspricht nur ein Todesurtheil zu verhindern, dessen Recht nach den Mosaischen Bestimmungen gleichfalls sehr zweifelhaft ist, so dass auch die gewöhnlichen Richter dasselbe möglicherweise nicht gefällt hätten.

Dieser Fall war indess nur fingirt, um den David zu einer zweiten Begnadigung zu bewegen, nämlich der des Absalon, der seinen Bruder Amnon hatte tödten lassen, 2 Sam. 13, 28. 29. Amnon hatte ein abscheuliches Verbrechen gegen seine und des Absalons Schwester, Thamar, begangen, indem er sie zuerst listig zu sich gelockt, gewaltsam geschändet, und sie dann schmachvoll aus dem Hause hatte werfen lassen, 13, 1-20. Absalon also nimmt sich des unglücklichen Mädchens an, und beschliesst den Tod des Verbrechers. Thamar sagte in ihrer Herzensangst, vielleicht nur um sich für den Augenblick zu retten, zu Amnon, dass er sie von David zur Ehe verlangen möchte, der sie ihm gewiss nicht versagen würde. Amnon musste aber wohl das Gegentheil voraussetzen, welches mit den Beweis liefert, dass Thamar in der That seine Schwester war (in andern Fällen fordert das Gesetz, dass derjenige, welcher eine noch nicht verlobte Jungfrau geschändet, sie zur Ehe nehme, 5 Mos. 22, 28. 29.). Was er that, war demnach durch das Gesetz 3 Mos. 18, 9., und zwar nach 3 Mos. 20, 17. unter Strafe der Ausrottung, verboten. Um so mehr war Amnon strafwürdig, bei den erschwerenden und abscheulichen Nebenumständen seiner Schandthat. Wenn demnach Absalon die Unglückliche an ihm rächte, in einem Zorn, wie ihn die Söhne Jakobs gegen den Verführer der Dinah bethätigten, 1 Mos. 34, 1 ff., und in einem Falle unerhörter (2 Sam. 13, 12.) Unzucht, wobei man sich an jenes Ereigniss Richter 19, 25 ff. erinnern kann, wo gleichfalls eine That der Unzucht das ganze Volk aufstehen lässt, 20, 1 ff., um mit dem Schwerdte in der Hand die Schuldigen zu züchtigen 80 war es

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wohl noch sehr zweifelhaft, ob Absalon unter diesen ganz eigenthümlichen Umständen, da er als der Goël seiner Schwester aufgetreten war, auch von dem gewöhnlichen Richter zum Tode wäre verurtheilt geworden. Es ist ferner zweifelhaft, ob David selbst; wenn er damals des Absalon habhaft geworden wäre, welcher zu seinem Grossvater (2 Sam. 3, 3.), dem Könige von Geschur geflo2 Sam. 13, 37. 38. 39., denselben mit dem Tode bestraft hätte. So zeigt sich demnach auch dieser Fall gar nicht als ein solcher, in welchem die Strenge des Gesetzes durch ein Begnadigungs-Recht ausnahmsweise gemildert wird, für dessen formelle Existenz es somit keinen Beweis giebt,

hen war,

Kap. 63.

Verbrechen.

§. 1. Nach den politischen und sittlichen Verhältnissen der Völ

ker wird die Liste der in ihren Gesetzbüchern aufzuführenden Verbrechen verschieden seyn. Verbrechen, die sich bei einem Volke sehr häufig finden, darf der Gesetzgeber eines andern Volkes so wenig voraussetzen, dass er gar nicht daran denkt, sie in seinem Strafrechte besonders zu berücksichtigen. So wird man in dem Mos. R. vergebens eine Menge von Staatsverbrechen suchen, die in neuerer Zeit ein Gegenstand vielfacher gesetzlicher Erörterungen sind. Man findet Elternmord und Kindermord nicht besonders aufgeführt, weil die Pietät auf der einen, die Elternliebe auf der andern Seite dieses Verbrechen undenkbar machte. Dagegen findet man wieder andere Vergehen besonders streng behandelt, die in neuerer Zeit mehr ausser der Beachtung liegen; das sind die Vergehen gegen die Religion, deren richtiger Erkenntniss und Erhaltung das Hebräische Volk eigentlich geweihet wurde.

Götzendienst, Verlockung zu demselben u. dgl. als Verbrechen aufzuführen und Strafen darauf zu setzen, kann ein Europäischer Und da die Gesetzgeber jetzt nicht wohl Veranlassung finden.

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muss auch

Möglichkeit götzendienstlicher Absichten wegfällt, so muss Gotteslästerung, Zauberei, Todtenbeschwörungen u. s. w. eine mildere Behandlung im jetzigen Strafrechte erfahren, was, bei der auch anderweitig vollkommen verschiedenen Bildungsweise, so wie bei der weit geringern Gefährlichkeit solcher Vergehen für das jetzige Gemeinwesen, um so natürlicher ist. Doch werden Ver

brechen letzterer Art auch im neuern Strafcodex aufgeführt und unter Umständen, zumal nach Massgabe jetziger Denkweise recht empfindlich bestraft 609). Besonders aber verfährt hier in einem Punkte das neuere Recht mehrerer Staaten offenbar viel strenger, als das Mosaische in sofern jenes auch von denen, deren religiöse Ansichten und Handlungen notorisch von solcher Art sind, dass der Staat gegen sie im Interesse des religiösen und sittlichen Gemeinwohles Nichts einzuwenden findet, ja ihnen vorkommenden Falles selbst seinen Schutz nicht versagen würde, ausserdem noch ein positives Bekenntniss zur confessionellen Form einer Staatskirche fordert, und die Erlangung einer Anzahl von Rechten von der Ablegung eines solchen Bekenntnisses abhängig macht, Gehört dies auch nicht eigentlich zum Strafrechte, so bleibt doch immer die Entziehung jener Rechte, wenn etwa ein solches Bekenntniss zurückgenommen wird, ein sehr wesentlicher Verlust, und ist z. B. factisch weit über die im Criminalcodex aufgeführten Geldstrafen zu setzen. Trieb ein Hebräer öffentlich Götzendienst, so wurde er dafür bestraft, denn er galt als Verbrecher. Anderseits aber wurde von ihm keine Garantie für seinen Glauben gefordert (Michaelis I. §. 32.). Wurde er demnach an denselben irre, fasste er das Wesen Gottes anders auf, als die Uebrigen, konnte er (später) an einen Messias glauben oder nicht, an Engel oder nicht, so wurde er deshalb in seinen bürgerlichen Rechten nicht zurückgesetzt; er verlor nicht die Fähigkeit, im Lande ansässig zu bleiben, Güter und Häuser zu kaufen, Israelitische Dienstboten zu halten, wissenschaftliche oder militairische Aemter zu bekleiden, da diese Rechte im Allgemeinen selbst Fremden im Lande zustanden (K. 91. §. 4.), von denen man auch keine Rechenschuft über ihren Glauben forderte, wenn sie nur kein öffentliches Aergerniss gaben, Dagegen würde in neuerer Zeit ein in der herrschenden Kirche geborener Staatsunterthan, der zu einer andern sonst im Staate vorhandenen (monotheistischen) Confession überträte, je nach den Bestimmungen einzelner Staaten, ganz oder theilweise, die jenen genannten entsprechenden Rechte verlieren, in deren Genuss er

609) Allgem. Preuss. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 217 ff. Das ,,Deutsche peinliche Recht" setzt auf Gotteslästerung, nach Umständen, Strafe am Leben oder am Leibe (mit Benehmung etlicher Glieder") Feuerbach, peinl. Recht. §, 306.

selbst geboren ward, obschon der Staat auch nicht den geringsten Grund hätte, dem so empfindlich Bestraften eine verbrecherische, oder irreligiöse Gesinnung zuzuschreiben, dessen Redlichkeit vielmehr möglicher Weise Achtung verdient, und der doch keinesweges von dem wahren Gotte abfiel, oder sich eines Frevels gegen wesentliche Gebote der Landeskirche schuldig machte, während damals der Israelit, der keine Garantie monotheistischer Ueberzeugung gab, dadurch zugleich in den Verdacht der abscheulichsten Unsittlichkeiten und Verbrechen fallen musste, die mit dem Götzendienste unfehlbar verbunden waren (Kap. 66. §. 1.). Neuere Gesetze verfolgen also den Abfall von der herrschenden Landesreligion, gleichwie schon die Nichtannahme derselben, unter viel weniger bedenklichen Verhältnissen, ja selbst die passive Abweichung von dem, was lange nicht das Wesen der Religion überhaupt ist, viel weiter, als das Mosaische Recht es thut, und setzen auf Vieles von demjenigen unangenehme bürgerliche Folgen, denen es nur fehlt, im Criminalrechte unter dem Namen,,Strafen“ bei dem Titel: „Verbrechen" aufgeführt zu werden, was Moses lediglich dem Gewissen des Einzelnen anheimstellt 610)

§. 2. Die im Mos. R. aufgeführten Verbrechen sind solche, welche gegen Leben, Eigenthum, Sittlichkeit, Religion und Pietät begangen werden. Wir haben es bereits angedeutet, dass nur wirkliche Facta, nicht Gesinnungen und Meinungen, wie solche sich etwa aus der Unterlassung eines religiösen Gebotes ergaben, in die Kategorie des vor dem weltlichen Richter strafbaren Verbrechens fielen. Das Factum selbst auch musste in der entsprechenden böswilligen Absicht vollbracht seyn, und als solches durch Zeugen erhärtet werden, da Selbstgeständniss nirgend als Beweismittel aufgeführt wird. Lag demnach zwar ein Factum vor, existirten aber Zweifel gegen die Absichtlichkeit, so hob dies jeden Grund auf, ein Verbrechen" anzunehmen und als solches zu bestrafen 611).

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610) Die etwanige religiöse, sittliche oder politische Berechtigung, so zu verfahren, ist hier natürlich nicht am Orte, einer Prüfung zu unterziehen. Wir erinnern nur an bestehende Verhältnisse, um Gesichtspunkte zur Stellanweisung des Mos. Rechts zu eröffnen. In der Schrift,,zur Versöhnung der Confessionen" S. 87 ff. haben wir Betreffendes weiter ausgeführt.

611) Doch wird unter Unabsichtlichkeit nicht Fahrlässigkeit mitbegriffen, die mitunter, wenn Warnung vorausging, sehr streng

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