Mit diesen beiden, zum täglichen Hausgebrauch gehörenden Büchern, welche Str AV zur notwendigen Voraussetzung haben, ist aber die Ausbeute aus AV durchaus nicht erschöpft, und auch heute ist noch recht viel Neues in AV zu finden. Ich erinnere besonders daran, dass in AV die Keilschrift nicht wie bei Br. uniformiert ist, sondern überall den Ductus der betreffenden Tafel hat. Dies alles braucht den älteren Assyriologen nicht gesagt zu werden, den jüngeren kann es aber von Nutzen sein. Im Jahre 1884 kehrte P. Strassmaier wieder nach London zurück und begann rastlos an der Abschrift der im britischen Museum aufgestapelten Keilschrifttexte zu arbeiten. Über seine damalige Arbeitsmethode schreibt der gegenwärtige Keeper of the Egyptian and Assyrian Antiquities at the British Museum, Sir WALLIS BUDGE: For twenty years or more Strassmaier was a very familiar figure in the Students' Room of the Department of Egyptian and Assyrian Antiquities. He arrived punctually at 10 a. m., and sat there working all day without lunch, until he was turned out at 4 p. m. (1). Die Früchte dieser unermüdlichen Tätigkeit waren die folgenden Textpublikationen: 1) Die altbabylonischen Verträge aus Warka (mit einer autographischen Beilage). (115 Texte). vgl. Verhandlungen des Fünften internationalen Orientalisten- Congres ses, gehalten zu Berlin im September 1881. 2) Die babylonischen Inschriften im Museum zu Liverpool nebst anderen aus der Zeit von Nebukadnezzar bis Darius (181 Texte). vgl. Actes du VI Congrès international des Orientalistes, tenu en 1883 à Leide. 3) Einige kleinere babylonische Keilschrifttexte aus dem Britischen Museum, mit autographirter Beilage (33 Texte). vgl. Actes du VIII Congrès international des Orientalistes, tenu en 1889 à Stockholm et à Christiania. 4) BABYLONISCHE TEXTE: a) Heft 1-4, Inschriften von Nabonidus, König von Babylon, (enthaltend 1134 Inschriften mit 5 Registern), Leipzig 1889. b) Heft 5-6, Inschriften von Nabuchodonosor, König von Babylon, (enthaltend 267 Inschriften mit 5 Registern), Leipzig 1889. c) Heft 7, Inschriften von Cyrus, König von Babylon, (enthaltend 384 Inschriften mit 5 Registern), Leipzig 1890. d) Heft 8-9, Inschriften von Cambyses, König von Babylon, (enthaltend 441 Inschriften mit 5 Registern), Leipzig 1890. e) Heft 10-12, Inschriften von Darius, König von Babylon (enthaltend 579 Inschriften), Leipzig 1892 1897. Die Kopien dieser 3134 fast lauter neubabylonischen Texte sind ein (1) Vgl. für dieses und die folgenden Zitate von Budge: « The Month », February 1920, 141 ff. fach mustergültig. Man hat Str. vorgeworfen, dass seine Ausgabe der Nabonid-Texte unvollständig sei. Darauf erwidert Budge: • Strassmaier, however, was not to blame, for a large number of tablets had been withheld from him improperly, if not wilfully. Über die Kopiertätigkeit Str.'s schreibt Budge unter anderm: ‹ Strassmaier devoted two or three years to the copying of the common Assyrian character as found in the tablets of the Nineveh Library, and then he copied a set of ancient Babylonian Contracts and commercial "Case tablets,,, commonly known as the Bowler Collection.... the characters with which they are written are most complicated and difficult; and no one, not even George Smith, had ever before attempted to copy them..... His skill in reading tablets was very great, and his copies were among the best and most accurate which have ever been made. From first to last he must have copied one half of the collections which were in the British Museum in his day. He never tinkered a copy, when a mistake was made; but tore it up and made a new one. No text was too long or too difficult for him to copy, so great was his experience and practice. Year by year he heaped up knowledge in his head, and at length he lost all wish to transform it, and write it down for the benefit of fellow-workers. Dieses letztere ist ein Werturteil, welches im Folgenden auf das richtige Mass zurückgeführt wird. Die grosse Sammlung von Textkopien, die sich in Laufe der Zeit im Studierzimmer P. Str.'s aufhäuften, war Bezold bei der Vorbereitung seines fünfbändigen Catalogue of the Cuneiform Tablets of the Kouyunjik col lection of the British Museum von wesentlichem Nutzen; sie stand ihm zu jeder Zeit zur Verfügung. Über das harmonische Zusammenarbeiten P. Strassmaiers mit P. Epping von 1880-1894, aus welchem die ersten grundlegenden Erkenntnisse über die wissenschaftliche Astronomie der Babylonier hervorwuchsen, hat P. Baumgartner (am Ende von ZA 9) das Nötige zusammengestellt. Die rastlose Tätigkeit P. Str.'s am brit. Museum und bei der Veröffentlichung seiner Textbände kam in den letzten Monaten von 1897 zu einem jähen Ende. Es stellte sich ein sehr peinliches Leiden ein, zu dessen Heilung er sich in einem Krankenhause in Deutschland einer schweren Operation unterzog. Die Operation verlängerte sein Leben noch um 23 Jahre, schwächte ihn aber sehr, denn die Wunde schloss sich bis zu seinem Tode nicht ganz. Als er nach einer zehnmonatlichen Unterbrechung 1898 nach London zurückkehrte, kam er mit dem Vorsatze, fortan alle öffentliche wissenschaftliche Tätigkeit aufzugeben und sein Brot durch priesterliche Arbeiten zu verdienen. Das ist sehr zu bedauern, aber doch auch recht begreiflich. Für die überaus mühsame Arbeit am Museum und bei dem Autographieren der Texte reichten seine Kräfte nicht mehr aus. Die Gabe der populären Darstellung war ihm nicht verliehen. Auf die Erklärung der Texte hätte er sich verlegen können. An der dazu nötigen Arbeitskraft fehlte es ihm jedenfalls nicht, wohl aber an vielem Andern. Die Textinterpretation kann man nicht auf der Stelle improvisieren; sie setzt ein viele Jahre langes Hinlenken der Gedanken auf zahllose Wortprobleme, das Spinnen einer verwirrenden Menge von Fäden und vor allem ein mit Sorgfalt und Fleiss angelegtes Kollektaneum voraus Für alles dieses hatte P. Strassmaier in den vorhergegangenen 20 Jahren keine Zeit gehabt. Nach seiner festen Überzeugung war es nicht die Aufgabe eines guten Textkopisten, die Texte auch zu erklären. Selbstverständlich setzt das gute Abschreiben der Täfelchen sehr gründliche philologische Sprachkenntnisse voraus. Denn der Abschreiber hat nicht nur die auf der Tafel gewöhnlich nicht vorhandene Worttrennung vorzunehmen, sondern er muss auch wissen, welche Wortformen möglich sind. Die für die Deutung der Texte notwendigen Vorarbeiten sollte man aber nach P. Str. dem Kopisten nicht zumuten. In einem Memorandum, welches er bei der Verwaltung des brit. Museum's einreichte und in welchem er für das Aufgeben der unbequemen R.-Bände eintrat und den Plan der jetzigen offiziellen Textpublikation: Cuneiform Texts entwickelte, betonte er diese Ansicht sehr. Und das britische Museum hat gut daran getan, den Vorschlag P. Str.'s anzunehmen und die Texte ohne längere Einleitungen zu veröffentlichen. So konnte es in verhältnismässig kurzer Zeit 34 Bände in vorzüglicher Weise und für einen wohlfeilen Preis veröffentlichen. Andern Museums-Verwaltungen, besonders in Amerika, wäre zu raten, diesem guten Beispiel des brit. Museums zu folgen. Über den wissenschaftlichen Wert der langen Einleitungen bei Erstausgaben von Texten lässt sich ja doch meist streiten; sie verteuern aber unnötiger Weise die an sich schon hinreichend kostspieligen Bücher. Ein weiterer Grund, welcher P. Strassmaier veranlasste, sich von der Veröffentlichung assyriologischer Arbeiten zurückzuziehen, bestand darin, dass er eine neue Zeit in der Entwicklung der Keilschriftforschung heraufziehen sah und nicht mehr die Kraft und Beweglichkeit des Geistes in sich fühlte, den neuen Verhältnissen sich anzupassen. In seinem AV und der von diesem abhängigen List Br.'s und dem Handwörterbuch Del.' › war die traditionnelle Erklärung der šumerischen Sprache von Seiten der späteren Babylonier in ihrem Grundstock zusammengefasst. Da setzte in den Neunziger Jahren die massenhafte Ausgrabung und Veröffentlichung der einsprachigen šumerischen Literatur ein. Wenn keiner der andern gleichalterigen Assyriologen einschliesslich Delitzsch die Kraft besass, die Verarbeitung des neuen ungeheuern Stoffes in Angriff zu nehmen, so kann das Zurückschrecken P. Str.s, der durch die lange Krankheit sehr geschwächt war und durch seine Stellung als Privatgelehrter keine Anregung zum Weiterstudium hatte, weiter nicht Wunder nehmen. Über die sogenannte šumerische Frage hatte P. Str. keine feste Ansicht, doch neigte er mehr dem Antišumerismus zu. Ihm war das Verhältnis der šumerischen Wortstämme zu den akkadischen ein unerklärliches Rätsel. Wo immer man ein šumerisches Wort gründlich anfasst, pflegte er zu sagen, löst es sich in Semitisch auf. Diese Seite der šumerischen Frage ist ja bekanntlich auch heute noch nicht aufgeklärt, man denke nur an šumerisch šagan šaman akkadisch šamnu. = Aus all diesen Gründen beschäftigte sich P. Strassmaier nach seiner Rückkehr nach London im Jahre 1898 nur mehr in seinen Mussestunden mit Assyriologie und machte aus den neu erscheinenden Bänden von CT sorgfältig seine Nachträge in dem Handexemplar seines AV. Dieses wurde ihm daher immer mehr der Inbegriff all seiner assyriologischen Kenntnisse. Über die wissenschaftliche Begabung und Eigenart P. Strassmaiers brauche ich vor Fachgenossen nichts zu sagen; seine Bücher legen hinreichend Zeugnis darüber ab. Persönlich war er ein grader, zuweilen recht kräftiger Bayer, was man ihm aber nicht übel nahm, zumal er es dann auch gleichmütig hinnahm, wenn man ihm mit gleicher Münze heimzahlte, vor allem aber, weil er wirklich von Herzen ein guter, ehrlicher Mann war. In der priesterlichen Tätigkeit der letzten 20 Jahre zeigte er sich als musterhaften Priester und Ordensmann. A. DEIMEL. THEORIEN ÜBER DIE VERBAL-PRAEFORMATIVE IM ŠUMERISCHEN. I EINLEITUNG. Die Könige der altbabylonischen Dynastie Nisin waren so scheint es bis jetzt die letzten Fürsten šumerischer Abstammung. Ihre Residenzstadt erlag den Schlägen Rim-Sin's, des (elamitischen?). Herrschers von Larsa. Diesen hinwiederum unterwarf Hammurabi, der semitische König von Babylon, der ein für allemal Gesamt-Babylonien unter dem Szepter der Beherrscher Babylon's einigte. Die Stadt Babylon war fortan ReichsHauptstadt. Mit ihrem Schicksal war jedesmal das Geschick von ganz Babylonien entschieden. Das geschah um 2100 v. Chr. Die Šumerer und sonstigen nicht semitischen Völkerschaften Babyloniens vermischten sich mit den Akkadern. Das Šumerische schwand aus der Reihe der lebenden Sprachen. Die allen gemeinsame Landessprache wurde das Akkadische. Šumer und Akkad - anfangs auch die Bezeichnung eines Rassenunterschiedes - waren nur mehr geographische Namen für Süd- und Nordbabylonien. Wenn das Šumerische nun auch mit dem Falle der Dynastie Nisin allmählich zur toten Sprache wurde, so hörte es deshalb nicht auf, den grössten Einfluss auf die Akkader auszuüben. Diese Bedeutung des Sumerischen für das Akkadische war geschichtlich zu tief begründet, als dass sie je hätte schwinden können. Die semitischen Babylonier hatten schon in vorgeschichtlicher Zeit das ganze von den Šumerern erfundene und entwikkelte Keilschriftsystem angenommen. Die šumerischen, meist einsilbigen Wörter wurden bei den Akkadern zu Silbenwerten für die betreffenden Zeichen. Mit der Schrift nahmen die Akkader zugleich auch das ganze Formelwesen der Verwaltungs- und Gerichtssprache von den Šumerern an. Vor allem aber wurde die šumer. Religion mit ihren nach Tausenden zählenden Götternamen und mit ihrer ganzen, reichen Literatur das geistige Eigentum der semit. Babylonier. Und so blieb es bis zur Zeit Christi. Das Šumerische nahm bei den babylonischen Priestern ungefähr dieselbe Stellung ein, wie das Lateinische in der katholischen Kirche. Wer daher bei den Akkadern den Beruf eines Schreibers, Kaufmannes, Verwaltungsbeamten, Richters oder Priesters ergreifen wollte, hatte notwendig Šumerisch zu lernen. Das Studium der so verwickelten šumer. Schrift und noch mehr das der so weitschichtigen šumer. Literatur setzte aber selbstverständlich einen langen und sorgfältig organisierten Schulbetrieb voraus und zwar zu allen Zeiten, sowohl damals, als das Šumerische noch im Lande gesprochen wurde, als erst recht später, da es zur toten Sprache geworden war. Zeugen dieses Schulbetriebes sind uns die Schultexte. Solche kennen wir bis jetzt aus drei Perioden. Die ältesten sind die sogenannten FARA-TEXTE des Berliner Kaiser Friedrich-Museum's, deren Veröffentlichung vorbereitet wird. Diese zahlreichen, einsprachigen šumer. Wortlisten werden allen Assyriologen eine grosse Überraschung bieten. Sie stammen etwa aus der Zeit Urd Nina's. Die zweite Sammlung von Schultexten stellen die von POEBEL veröffentlichten Grammatical Texts dar. Sie gehören ungefähr der Zeit der Dynastie von Nisin an. Die letzte und wichtigste Quelle für unsere Kenntnisse des Šumerischen bilden die zweisprachigen zusammenhängenden Texte und Listen, welche uns die letzten assyrischen Könige in ihren Bibliotheken zu Ninive und Assur erhalten haben. Alle diese Schultexte beziehen sich selbstverständlich nicht nur auf die Zeit, aus welcher die betreffenden Tafeln stammen. Insbesondere gehen die neuassyrischen und neubabylonischen Schultexte sicher auf altbabylonische Vorlagen zurück. Aber die Zahl und Mannigfaltigkeit derselben ist noch viel zu gering, als dass wir uns aus ihnen ein vollständiges Bild von dem damaligen Schulbetriebe bei den Šumerern und Akkadern machen könnten. Noch viel weniger aber setzen sie uns in stand, die nun schon seit 4000 Jahren tote šumerische Sprache zu neuem Leben zu erwecken, d. h. Grammatik und Lexikon derselben, so weit möglich, wiederherzustellen. Doch die europäischen Gelehrten, zu denen in der letzten Zeit auch amerikanische hinzukamen, verzweifeln nicht. 50 Jahre wurde bereits rastlos an diesem staunenswerten wissenschaftlichen Werke gearbeitet. Die Resultate dieser gemeinsamen Arbeit, so weit sie sich auf die šumerische Lexikographie beziehen, wurden mit Bienenfleiss gesammelt, hauptsächlich in: |