MEINEM HEIMGEGANGENEN VEREHRTEN LEHRER UND LIEBEN MITBRUDER P. JOH. NEP. STRASSMAIER S. J. IN DANKBARER ERINNERUNG GEWIDMET. P. JOHANN NEPOMUK STRASSMAIER S. J. † Das erste Heft der ORIENTALIA muss zu meinem grossen Bedauern mit einem Nachruf auf meinen verehrten Lehrer und lieben Mitbruder P. Joh. Nep. Strassmaier S. J. beginnen. Er starb am 11. Januar 1920 in London, wo er von 1878 bis 1881 und von 1884 bis zu seinem Tode weilte. Strassmaier war geboren in Hunderdorf, einem Örtchen im bayrischen Böhmerwald, am 15. Mai 1846. Die Gymnasialstudien vollendete er in der Benediktineranstalt Metten am 7. August 1865 und trat bald darauf (am 26. November 1865) in das Noviziat der deutschen Jesuiten zu Gorheim in Hohenzollern ein. Seine Ausbildung im Orden dauerte bis 1878. Während dieser Zeit beschäftigte er sich nebenher auch eingehend mit den semitischen Sprachen. Hebräisch und Syrisch hatte er schon auf dem Gymnasium unter Leitung eines Rabbiners begonnen; jetzt kam noch Arabisch und Assyrisch hinzu, letzteres von 1869 an. Bei diesen Studien war er ganz auf sich angewiesen; denn Professoren der Assyriologie und brauchbare Schulbücher gab es damals noch nicht. Dieses mühsame Durchringen durch all die Hindernisse und Unklarheiten, welche zu jener Zeit das Voranschreiten eines angehenden Assyriologen so beschwerlich machten, und von denen wir uns heute kaum mehr einen rechten Begriff machen können, hatte das eine Gute, dass er immer und immer wieder auf die Hauptbedürfnisse der damaligen Assyriologie aufmerksam gemacht wurde. Diese klar erkannt und danach sich sein Ziel vorgesteckt und graden Wegs mit all seiner Energie an der Erreichung desselben gearbeitet zu haben, ist das Hauptverdienst P. Strassmaiers und wird ihm für alle Zeit einen Ehrenplatz in der Geschichte der Keilschriftforschung sichern. Mir formulierte er die Vorsätze, mit denen er im Iahre 1878 seine Arbeit an der Keilschriftsammlung des brit. Museum's begann, in folgender Weise: 1) Zunächst müssen die Syllabare, Wortlisten und sonstigen Texte, welche die traditionelle Keilschrifterklärung der alten Babylonier enthalten, zuverlässig kopiert, und gut geordnet vorgelegt werden. 2) Möglichst viele und möglichst mannigfaltige Keilschrifttexte (nicht nur solche geschichtlichen oder religiösen Inhalts, sondern auch ‹ langweilige Wirtschaftstexte) müssen gut veröffentlicht werden. An die Ausführung dieses Doppelplanes machte er sich von 1878 an mit eiserner Energie und Arbeitskraft. Die zweisprachige Keilschriftliteratur lag damals vor im II und IV Bande des grossen Londoner Inschriftwerkes: The Cuneiform Inscriptions of Western Asia, by SIR H. C. RAWLINSON, assisted by EDWIN NORRIS, und: by GEORGE SMITH. Über die Entstehung von IIR pflegte mir P. Strassmaier zu erzählen, dass die einzelnen Keilschriftzeichen vor der Anfertigung der Typen nach den Regeln der Kunst umgemodelt seien. Str. machte es sich von Anfang an zum unabänderlichen Grundsatze, bei jedem Täfelchen genau die Eigenart der Schrift nachzuahmen; nur so könne man das Fundament der Keilschriftpaläographie legen. Darum waren ihm alle gedruckten Erstausgaben von Keilschrifttexten zuwider. In den Jahren 1878 bis 1881 wurden II R, IV R aufs sorgfältigste kollationiert und viele sonstige einschlägige Materialien gesammelt. Um für die Verzettelung des mächtigen Textstoffes, der ihm nun zur Verfügung stand, und für das Autographieren die nötige Zeit und Ruhe zu haben, zog er sich von 1881 bis 1884 auf das in der holländischen Heide gelegene Schloss Blijenbeek zurück, wo damals die Studenten der deutschen Ordensprovinz ihren philosophischen Studien oblagen. Hier entstand das Hauptwerk P. Strassmaiers: Alphabetisches Verzeichniss der Assyrischen und Akkadischen Wörter der Cuneiform Inscriptions of Western Asia vol. II (sowie anderer meist unveröffentlichter Inschriften, mit zahlreichen Ergänzungen und Verbesserungen und einem Wörterverzeichniss zu den in den Verhandlungen des VI Orientalisten-Congresses zu Leiden veröffentlichten Babylonischen Inschrif ten) Leipzig 1886. Das zuletzt erwähnte Wörterverzeichnis ist in transskribiertem Text gedruckt und umfasst 65 Seiten; der ganze übrige, 1144 Quartseiten umfassende Teil ist in Keilschrift geschrieben. Die Kritiken über dieses Werk (zitiert als Str. AV) kann man nachlesen in ZA 1,333 (Bezold); 464 und 2,364 (Schrader); 257 (Delitzsch); 6, 184 (Halévy). Sie waren alle sehr günstig. P. Strassmaier war gesonnen, auch IV R in gleicher Weise zu veröffentlichen; da versagten ihm aber die Herausgeber der AsSYRIOLOGISCHEN BIBLIOTHEK (AV bildet den IV Band von AB) und sein Verleger. Das lässt sich begreifen; denn AV kostete mit dem Anhang schon zu Friedenszeiten 158 M und hielt sich dauernd auf diesem Preise. Str AV war wegen der hohen Anschaffungskosten und wegen der Alphabetischen Anordnung des Stoffes für den täglichen Gebrauch nicht recht praktisch. Diesem Übel half die nach den einzelnen Keilschriftzeichen angeordnete Classified List Brünnows in vorzüglicher Weise ab. Sie ist grösstenteils eine praktische Umarbeitung von Str AV und will auch nicht viel anderes sein. Auch das 1896 erschienene Assyr. Handwörterbuch von FRIEDRICH DELITZSCH war selbstverständlich ohne die im AV vorliegende, gewaltige Materialiensammlung nicht möglich, wenn das auch nirgendwo in diesem Buche hervortritt. |